Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 10. Berufungskammer | Entscheidungsdatum | 16.01.2025 | |
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Aktenzeichen | 10 Sa 697/24 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2025:0116.10SA697.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 BUrlG |
Eine Urlaubsbescheinigung verhindert nicht den Verfall der Ansprüche nach vertraglichen Ausschlussfristen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.06.2024 – 6 Ca 7393/23 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 10.096,16 Euro.
Die Klägerin war vom 05.04.2022 bis zum 31.10.2022 bei der Beklagten aufgrund eines schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrages vom 01.04.2022 (Bl. 3 ff. d. A.) als Senior Consultant Product für einen monatlichen Bruttolohn von 10.416,67 Euro beschäftigt.
Arbeitsvertraglich waren unter Ziff. 10 Ausschlussfristen vereinbart:
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform gegenüber der anderen Partei geltend gemacht werden.
Lehnt die andere Partei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich erhoben wird.
Die Ausschlussfristen gelten nicht für unverzichtbare Ansprüche, die kraft Gesetzes der Regelung durch Ausschlussfristen entzogen sind (z. B. Arbeitnehmerentsendegesetz, Mindestlohngesetz, Pflegearbeitsbedingungsverordnung, Betriebsverfassungsgesetz, Tarifvertragsgesetz). Die Ausschlussfristen gelten auch nicht für Ansprüche, die auf einer Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag, Bl. 3 ff. d. A. verwiesen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit einem der Klägerin zugestellten Schreiben am 29.09.2022 innerhalb der Probezeit zum 31.10.2022.
Die Beklagte händigte der Klägerin eine Urlaubsbescheinigung, datiert auf den 31.10.2022, spätestens an diesem Tag aus, die Klägerin bestätigte den Erhalt am 31.10.2022. Auf dieser ist ausgeführt, dass die Klägerin für das Jahr 2002 ein Anspruch auf 28 Urlaubstage hatte, von denen sie 7,5 Tage Urlaub erhalten hat. Wegen des weiteren Inhalts wird auf Bl. 38 d. A. verwiesen.
Die Klägerin erhob am 21.10.2022 vor dem Arbeitsgericht Berlin Kündigungsschutzklage. Das arbeitsgerichtliche Verfahren (Aktenzeichen 44 Ca 10482/22) beendeten die Parteien mit einem durch gerichtlichen Beschluss vom 14.06.2023 festgestellten Vergleich. Die Parteien verständigten sich darauf, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2022 beendet wurde. Die Beklagte verpflichtete sich, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis mit der Note „sehr gut“ zu erteilen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vergleichs wird auf Bl. 11 ff. d. A. verwiesen.
Während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens führten der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 12.01.2023 ein Telefonat. Dazu notierte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass das Verfahren abgeschlossen werden könne. Es sei noch zu klären, ob Resturlaub bestünde; ebenso das „Zeugnisthema“. Ob die Parteivertreter in diesem Telefonat über die Urlaubsabgeltung gesprochen haben, ist zwischen ihnen streitig.
Mit E-Mail vom 13.02.2023 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte darauf hin, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 21 Tage in Höhe von 10.416,67 Euro bestünde.
Die Beklagte lehnte einen Abgeltungsanspruch der Klägerin mit E-Mail vom 22.02.203 ab.
Mit E-Mail vom 20.03.2023 fragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten nach, ob nochmal eine Rücksprache wegen eines Vergleiches erfolgen könne. Daraufhin antwortete die Beklagte mit E-Mail vom 14.03.2023, dass wegen Jahres- und Konzernabschlussvorbereitungen erst eine Rücksprache ab April gewünscht sei.
Die Prozessbevollmächtigten der Parteien telefonierten am 17.04.2023 erneut. Dazu notierte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass die Beklagte eine Urlaubsabgeltung weiterhin ablehne.
Mit der am 04.07.2023 eingelegten Klage, der Beklagten zugestellt am 11.07.2023, begehrt die Klägerin ihren Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung.
Die Klägerin berechnet ihren Anspruch wie folgt:
10.416,67 € brutto x 3 Monate : 65 Tage x 21 Urlaubstage = 10.096,16 €.
Sie ist der Ansicht, dass die vertragliche Ausschlussklausel ihrem Anspruch nicht entgegenstehe. Die Verfahrensbevollmächtigten hätten am 12.1.2023 telefonisch besprochen, dass das Kündigungsschutzverfahren abgeschlossen werden könne und in diesem Zusammenhang noch zu klären sei, ob restliche Urlaubsansprüche bestünden und ein Zeugnisthema noch zu klären sei. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten habe zugesichert, dass er sich um eine Klärung kümmern würde. Von der Beklagten sei auch später nur mitgeteilt worden, die Klägerin habe ihren Urlaub nehmen können.
Auch mit der Urlaubsbescheinigung habe die Beklagte einen Vertrauenstatbestand geschaffen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie Urlaubsabgeltung in Höhe von 10.096,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegend aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klägerin kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung mehr zustehe, da die Klägerin im Rahmen eines Townhalls dazu aufgefordert worden sei, etwaigen Resturlaub einzulösen. Dem hätten keine noch zu erledigenden Arbeiten entgegengestanden, die Klägerin hätte in der Zeit vom 30.9.2022, d.h., ab Zustellung der Kündigung, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.Oktober 2022 ihren Urlaub von 21 Tagen nehmen können.
Darüber hinaus sei der Anspruch auch verfallen, da die Klägerin den Anspruch nicht innerhalb der vertraglichen Ausschlussfristen geltend gemacht habe. Der Klägervertreter habe im Rahmen einer E-Mail am 13.2.2023 erstmals in Textform einen möglichen Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin in Höhe von 10.096,16 € erwähnt. Nach § 10 des Arbeitsvertrages sei der Anspruch verfallen. Der Anspruch sei mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2022 fällig gewesen und hätte von der Klägerin bis spätestens 31.1.2023 in Textform geltend gemacht werden müssen. Zum Zeitpunkt der e-mail am 13.2.2023 sei er bereits verfallen gewesen. Darüber hinaus habe die Beklagte den Urlaubsabgeltungsanspruch am 22.2.2023 schriftlich abgelehnt, sodass nach der 2. Stufe der Ausschlussfrist der Anspruch spätestens am 22.5.2023 gerichtlich hätte geltend gemacht werden müssen.
Mit Urteil vom 21.6.2024 hat das Arbeitsgericht Berlin (6 Ca 7393/23) die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass der etwaige Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung verfallen sei, da sie bereits die Frist der ersten Stufe der wirksamen arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel nicht eingehalten habe. Die Klausel des § 10 Arbeitsvertrag sei nicht gemäß § 307 BGB unwirksam. Die Klausel sei weder intransparent und nehme auch Ansprüche wegen vorsätzlichen Verhaltes aus. Mit der Formulierung „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ seien auch Urlaubsabgeltungsansprüche gemeint.
Der Anspruch sei mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31.10.2022 fällig geworden. Die Klägerin habe ihren Abgeltungsanspruch erst nach Verstreichen der vertraglich vereinbarten dreimonatigen Frist am 13.02.2023 gegenüber der Beklagten in Textform geltend gemacht. Die zwischenzeitlich erhobene Kündigungsschutzklage schütze nicht vor dem Verfall von Ansprüchen, die aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen. Mit der ausgehändigten Urlaubsbescheinigung habe die Beklagte den Anspruch der Klägerin nicht streitlos gestellt.
Gegen das der Klägerin am 29.07.2024 zugestellt Urteil hat sich diese mit der am 20.08.2024 eingegangenen Berufung gewandt und hat sie am 27.09.2024 begründet. Sie verfolgt die erstinstanzlich geltend gemachte Klageforderung weiter.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass zwischen den Parteien eine vorrangige Vereinbarung dahingehend bestünde, dass die Thematik des Resturlaubs gesondert von dem Kündigungsschutzverfahren zu klären sei und ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden könne. Bereits in der telefonischen Besprechung am 12.1.2023 seien die Prozessvertreter übereingekommen, dass der Resturlaub und das Zeugnis noch zu klären seien. In der Ablehnung der Urlaubsabgeltung habe sich die Beklagte lediglich darauf berufen, dass die Klägerin ihren Urlaub nicht genommen habe, obwohl sie dazu ermutigt worden sei. Diese Ermutigung stelle jedoch keine Anordnung von Urlaub dar.
Auch können Urlaubsabgeltungsansprüche nicht vertraglichen Ausschlussklauseln unterstehen, dies liefe dem Schutz des gesetzlich vorgeschriebenen Mindesturlaubs entgegen.
Die Klausel sei überraschend, da die Ausschlussklausel nicht unter der Überschrift Urlaub stehe und keinen Bezug auf die zu der vertraglichen Urlaubsregelung nehme.
Die Ausschlussklausel sei intransparent, da ihr Anwendungsbereich bei Vorliegen einer Urlaubsbescheinigung nicht ausgenommen worden ist.
Wegen der erteilten Urlaubsbescheinigung sei eine förmliche Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht erforderlich gewesen.
Dem Berufen auf die Ausschlussklausel stehe der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Die Geltendmachung sei auch nicht verfristet, da eine Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruches vor Beendigung des Kündigungsschutzprozesses nicht durchsetzbar gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgericht Berlin vom 21.06.2024, Az.: 6 Ca 7393/23, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 10.096,16 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz liegend aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch aufgrund einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel verfallen kann.
Alleiniger Inhalt des Telefonats am 12.1.2023 seien das Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht und die Zahlung einer Abfindung gewesen. Dies und die Erteilung eines Zeugnisses seien auch Inhalt des Vergleiches vor dem Arbeitsgericht gewesen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe auch nie zugesichert, sich um eine Klärung des Resturlaubs zu kümmern und sich dann wieder zu melden. Die Geltendmachung der Urlaubsansprüche sei erstmalig am 13. 2.2023 erfolgt. Die Prozessbevollmächtigten der Parteien hätten auch nicht, insbesondere nicht am 17.4.2023, vereinbart, die Urlaubsproblematik in einem gesonderten Verfahren zu klären. Urlaubsabgeltungsansprüche seien von der Beklagten stets abgelehnt worden. Spätestens mit der Erteilung der Urlaubsbescheinigung am 31.10.2022 hätten der Klägerin alle notwendigen Informationen vorgelegen. Die Berufung auf die Ausschlussfristen sei damit nicht treuwidrig.
Hinsichtlich der Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel verweist die Beklagte auf die Rechtsprechung des BAG.
Weiterhin verweist die Beklagte darauf, dass die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, so auch die Klägerin, während eines Townhalls am 29.9.2022 aufgefordert worden, etwaigen Resturlaub sofort einzulösen. Die Klägerin hätte ihren Urlaub nehmen können.
Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle verwiesen, § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO.
A.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Insbesondere ist die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 lit. b) ArbGG i. V. m. § 511 ZPO statthafte Berufung der Klägerin form- und fristgerecht i. S. v. §§ 64 Abs. 4, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 519 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg, da der Klägerin kein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zusteht. Der Anspruch ist nach den arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen verfallen.
1.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Urlaubsabgeltung war in der eingeklagten Höhe zunächst entstanden.
Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist der Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.
Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Beklagten begann am 05.04.2022 und endete mit Ablauf des 31.10.2022. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin einen verbleibenden Urlaubsspruch in Höhe von 21 Tagen ihres vollen Jahresurlaubs.
a)
Der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub besteht nach § 5 Abs. 1 BUrlG, wenn die Arbeitnehmerin die Wartezeit erfüllt hat und in der zweiten Jahreshälfte ausscheidet. Unstreitig ist die Klägerin in der zweiten Jahreshälfte ausgeschieden, da ihr Arbeitsverhältnis bei der Beklagten bis zum 31.10.2022 bestanden hat. Rein rechnerisch bestand das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch länger als sechs Monaten und damit über die Wartezeit hinaus. Für die Berechnung des Urlaubsanspruches ist ebenfalls unbeachtlich, dass das Arbeitsverhältnis innerhalb der Wartezeit durch Kündigung vom 29.09.2022 beendet wurde. Gemäß dem Wortlaut von § 4 BUrlG entsteht der volle Urlaubsanspruch mit sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Es ist auf die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung abzustellen (LAG Rheinland-Pfalz, U. v. 26.11.2014 – 4 Sa 470/14).
b)
Arbeitsvertraglich waren 28 Tage Urlaub pro Kalenderjahr vereinbart.
Die Klägerin hatte bereits 7,5 Tage Urlaub in Anspruch genommen. Da gemäß § 5 BUrlG Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden sind, bestanden für das Jahr 2022 noch 21 Tage Urlaub. Dies hat die Beklagte in ihrer Urlaubsbescheinigung vom 31.10.2022 auch so angegeben.
c)
Die Beklagte hat den vertraglichen Urlaubsanspruch der Klägerin aus dem Jahr 2022 nicht im Sinne von § 362 Abs. 1 BGB durch Leistung bewirkt. Die Beklagte stellte die Klägerin weder unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen frei noch ordnete sie Urlaub an.
Nach § 7 Abs. 1 BUrlG hat der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Allerdings ist ein dem Arbeitgeber mitgeteilter Urlaubswunsch nicht Voraussetzung für dessen Recht, die zeitliche Lage des Urlaubs festzulegen. Die ohne einen solchen Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte zeitliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber ist rechtswirksam, wenn der Arbeitnehmer auf die Erklärung des Arbeitgebers hin keinen anderweitigen Urlaubswunsch äußert (BAG, Urteil vom 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 –Rn. 14; BAG 24. März 2009 - 9 AZR 983/07 – Rn. 23).
Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer Urlaub auch vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Eine wirksame Urlaubsgewährung setzt in diesem Fall jedoch voraus, dass der Arbeitgeber trotz der Ungewissheit der Parteien über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses durch eine entsprechende Freistellungserklärung eindeutig zum Ausdruck bringt, der Arbeitnehmer werde zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub endgültig von der Arbeitspflicht befreit (BAG, Urteil vom 25. August 2020 – 9 AZR 612/19 –Rn. 15; BAG 10. Februar 2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 19; BAG 19. Mai 2009 - 9 AZR 433/08 –Rn. 16), und das Urlaubsentgelt entweder vor Antritt des Urlaubs zahlt oder dessen Zahlung vorbehaltlos zusagt (BAG 19. Februar 2019 - 9 AZR 321/16 - Rn. 56; BAG 19. Juni 2018 - 9 AZR 615/17 - Rn. 21).
Dafür, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Urlaubsgewährung ihre Mitwirkungsobliegenheiten erbracht hat, ist sie darlegungs- und beweisbelastet.
Die Beklagte behauptet, dass sie die Klägerin ausdrücklich im Rahmen eines „Townhalls“ aufgefordert habe, etwaigen Resturlaub zu nehmen. Die Beklagte habe „die Arbeitnehmer ermutigt, neue berufliche Herausforderungen zu suchen“. Aus der Wortwahl der Beklagten wird deutlich, dass im Rahmen des „Townhalls“ mehrere gekündigte Arbeitnehmerinnen angesprochen wurden. Die Beklagte legt in nicht ausreichend substantiierter Weise dar, dass sie die Beklagte zu Aufnahme von Urlaub in der verbliebenden Kündigungszeit aufgefordert haben will und der Klägerin diese Erklärung auch zugegangen ist. Auch stellte die Beklagte – nach ihrem eigenen Vortrag und obwohl ihr dies möglich war – die Klägerin nicht unter Anrechnung der verbleibenden Urlaubstage frei, noch erteilte sie der Klägerin ausdrücklich Urlaub.
d)
Der Resturlaub der Klägerin in Höhe von 21 Tagen entspricht einer Abgeltung in Höhe von 10.096,16 Euro, die Berechnung ist zwischen den Parteien unstreitig.
2.
Diesem Anspruch steht jedoch die zweistufige arbeitsvertragliche Ausschlussklausel entgegen. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die im Arbeitsvertrag unter Ziffer 10 vereinbarte Ausschlussfrist wirksam ist.
a)
Der Urlaubsabgeltungsanspruch als reiner Geldanspruch kann als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis von einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel erfasst werden. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG noch die vom EuGH vorgenommene Auslegung von Art. 7 RL 2003/88/EG und Art. 31 II GRCh entgegen (BAG, Urteil vom 24.05.2022 – 9 AZR 461/21 – Rn. 9; BAG, Urteil vom 09.03.2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 10).
Damit kann der Urlaubsabgeltungsanspruch der Klägerin grundsätzlich den vertraglichen Ausschlussfristen unterliegen.
b)
Die zwischen den Parteien vereinbarten Ausschlussfristen sind auch wirksam.
Bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrags handelt es sich nach den Feststellungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, deren Auslegung einer uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (BAG 3. Dezember 2019 - 9 AZR 44/19 - Rn. 14; BAG 11. Oktober 2017 - 5 AZR 621/16 - Rn. 26). Der Inhalt Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu ermitteln. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., zB BAG 27. Februar 2019 - 10 AZR 341/18 - Rn. 19; BAG 24. Mai 2018 - 6 AZR 116/17 - Rn. 15; BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - Rn. 24). Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (BAG, Urteil vom 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 – Rn. 17; BAG 3. Dezember 2019 - 9 AZR 44/19 - Rn. 14 f.;BAG 12. Juni 2019 - 7 AZR 428/17 - Rn. 17).
Ziff. 10 des Arbeitsvertrages sieht vor, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform gegenüber der anderen Partei geltend gemacht werden.
Zu den von dieser Regelung erfassten Ansprüche „aus dem Arbeitsverhältnis“ gehört auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung, da sich keine sachlichen Einschränkungen in der Formulierung auf bestimmte Ansprüche finden. Umfasst sind – ohne entsprechende Einschränkung – dann alle vertraglichen und gesetzlichen Ansprüche, die die Parteien aufgrund ihrer durch Arbeitsvertrag begründeten Rechtsbeziehung gegeneinander haben (BAG, U. v. 09.03.2021 – 9 AZR 323/20 – NZA 2021, 1257).
c)
Die arbeitsvertragliche Ausschlussklausel ist auch nach §§ 305 ff. BGB wirksam.
aa)
Bei der Klausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Darauf weist bereits das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung hin. Der Arbeitsvertrag weist keine individuellen Besonderheiten auf. Zudem handelt es sich bei dem vorliegenden Arbeitsvertrag um einen Verbrauchervertrag i. S. v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, auf den die Vorschriften von §§ 305 ff. BGB Anwendung finden. Es ist auch nicht von der Beklagten vorgetragen worden, dass die Klägerin Einfluss auf die Ausgestaltung des Arbeitsvertrages nehmen konnte.
ab)
Die Klausel ist wirksam einbezogen. Es handelt sich nicht um eine überraschende Klausel i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB,
Ausschlussfristen sind eine weit verbreitete Übung im Arbeitsleben (BAG, U. v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 – NZA 2018, 57). Die Regelung befindet sich auch nicht an einer irgendwo im Arbeitsvertrag versteckten Stelle, sondern in einem mit „Ausschlussklausel“ überschriebenen eigenen Paragrafen. Dass die Klausel nicht unter der Ziff. „Urlaub“ steht, steht dem nicht entgegen. Die Ausschlussklausel bezieht sich, wie bereits dargelegt, auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Eine Aufnahme der Ausschlussklausel unter jede Ziffer des Arbeitsvertrages, aus der sich ein Anspruch ergeben kann, der der vereinbarten Ausschlussfrist unterliegen kann, ist nicht notwendig, um das Vorliegen einer überraschenden Klausel i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB auszuschließen.
ac)
Die Ausschlussklausel unterliegt einer uneingeschränkten Wirksamkeitskontrolle, da es sich hierbei um eine von einer Rechtsvorschrift abweichende Regelung handelt, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB.
ad)
Die Klausel ist nicht nach §§ 202 Abs. 1, 276 Abs. 3 BGB unwirksam, da die Klausel Ansprüche, die auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung beruhen, ausnimmt.
ae)
Die Klausel unterliegt auch keinem Klauselverbot nach §§ 309, 308 BGB – insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 309 Ziff. 13 BGB vor, da keine strengere Form als die Textform vorgeschrieben ist. Gemäß der Vereinbarung hat die Geltendmachung ausdrücklich in Textform zu erfolgen.
Es liegt auch kein Verstoß gegen § 309 Ziff. 7 BGB vor, da die Ausschlussklausel in ihrem Absatz 3 eine Haftung bei Verletzungen des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder bei grobem Verschulden ausnimmt.
af)
Ebenfalls ist keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu erkennen. Insbesondere stellt die Frist von drei Monaten auf der ersten und der zweiten Stufe keine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartnerin dar. Wird in Ausschlussklauseln eine Mindestfrist von drei Monaten auf beiden Stufen eingehalten, sind sie grundsätzlich mit den wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts vereinbar (BAG, U. v. 03.12.2019 – 9 AZR 44719 – NZA 2020, 586; BAG, U. v. 22.10.2019 – 9 AZR 532/18 – NZA 2020,513).
ag)
Ferner genügt die Klausel auch dem Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2, 1 BGB.
Wegen der weitreichenden Folgen von Ausschlussklauseln müssen, um den Ansprüchen an das Transparenzgebot zu genügen, die Rechtsfolgen, die die Vertragspartnerin der Verwenderin treffen können, für sie erkennbar sein (BAG, U. v. 24.05.2022 – 9 AZR 461/21 – NZA 2022, 1328). Die Klausel nimmt unter Ziff. 10 des Arbeitsvertrages erkennbar Ansprüche aus, die streitlos gestellt oder anerkannt wurden. Das ergibt sich aus dem Wortlaut, dass die zweite Stufe, um ein Verfallen des Anspruches zu verhindern, nur eingehalten werden muss, wenn die andere Partei den Anspruch ablehnt oder sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung erklärt. Eine Klausel wird nicht dadurch intransparent, dass sie die Ansprüche, die die andere Partei anerkannt oder streitlos gestellt hat, nicht ausdrücklich ausnimmt (BAG, U. v. 24.05.2022 – 9 AZR 461/21 – NZA 2022, 1328).
Ebenso nimmt die vertragliche Vereinbarung auch unverzichtbare Ansprüche aus, so dass auch aus diesem Grund kein Verstoß gegen das Transparenzgebot zu erkennen ist.
b)
Die erste Stufe der vertraglich vereinbarten Ausschlussklausel hat die Klägerin nicht gewahrt. Dies ist zwischen den Parteien streitig.
Nach der ersten Stufe der arbeitsvertraglichen Verfallklausel sind Ansprüche innerhalb von drei Monaten in Textform geltend zu machen.
aa)
Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs entstand mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, da der Urlaubsanspruch im laufenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich in natura zu gewähren war. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Gewährung von Urlaub in natura nicht mehr möglich, so dass sich der Anspruch auf Urlaub in einen Urlaubsabgeltungsanspruch wandelt.
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete mit Ablauf des 31.10.2022. Die Fälligkeit des Abgeltungsanspruches trat mit Ablauf dieses Tages ein.
bb)
Entstehung und Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs wurden auch nicht durch den im Kündigungsschutzverfahren gerichtlichen Vergleich vom 14.06.2023 hinausgeschoben. Die Parteien haben sich in dem Prozessvergleich darüber geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Ablauf des 31.10.2022 geendet hat. Die Einigung der Parteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zeigt materiell-rechtliche Auswirkungen und führt zum Eintritt der Wirksamkeitsfiktion von § 7 KSchG und dem Verzicht auf Ansprüche, die aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultieren können (BAG, U. v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 – NZA 2018, 57). Das Einverständnis der Parteien und die damit einhergehende Erledigung des Rechtsstreits führt zu der Wirksamkeit der am 29.09.2022 zugegangenen Kündigung. Die Kündigung gilt von Anfang an wirksam.
cc)
Die vorherige Erhebung der Kündigungsschutzklage wahrt die Ausschlussfrist nicht, da die Geltendmachung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs als Voraussetzung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses innehat (BGH U. v. 27.10.2020 – 9 AZR 531/19 – NZA 2021, 504). Die Klägerin hat mit der von ihr erhobenen Kündigungsschutzklage jedoch das Gegenteil, den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses, bezweckt. Zur Geltendmachung eines Anspruchs im Sinne einer Ausschlussfristenregelung muss die Anspruchsinhaberin unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass sie Inhaberin einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Ohne entsprechende Anhaltspunkte, wie bspw. das Stellen einen Hilfsantrag auf Urlaubsabgeltung, ist nicht mit der hinreichenden Deutlichkeit erkennbar, dass die Arbeitnehmerin (auch) auf die Erfüllung der Ansprüche besteht, die nicht an den rechtlichen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses anknüpfen (BAG, U. v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 – NZA 2018, 57).
Die Obliegenheit der (rechtzeitigen) Geltendmachung in Textform des Urlaubsabgeltungsanspruchs während eines laufenden Bestandsschutzverfahrens stellt keine unzumutbare Hürde dar. Die Obliegenheit besteht unabhängig vom Bestandsschutzprozess. Wird der Anspruch im Bestandsschutzverfahren (hilfsweise) geltend gemacht, führt er auch nicht zu einer Streitwerterhöhung. Die Obliegenheiten trifft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine Bestandschutzklage erhoben haben, und solche, die keine erhoben haben, gleichermaßen (BAG, U. v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17 – NZA 2018, 57).
Das Argument der Klägerin, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei auch nicht während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens durchsetzbar, ist zwar richtig, verhindert jedoch nicht die Pflicht zur Geltendmachung in Textform. Die Klägerin hatte durchaus die Möglichkeit, im Kündigungsschutzprozess oder außerhalb des Kündigungsschutzprozesses den Anspruch auf Urlaubsabgeltung schriftlich geltend zu machen und ihn in den Kündigungsschutzprozess im Rahmen eines Hilfsantrages einzubringen. Durchsetzbar wäre er dann bei Feststellung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
dd)
Die Klägerin hat ihren Anspruch durch E-Mail ihres Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten erst nach Ablauf der dreimonatigen Ausschlussfrist am 13.02.2023 in Textform geltend gemacht, somit zu spät.
c)
Aus dem Wortlaut des gerichtlichen Vergleichs vom 14.06.2023 ergeben sich keine Anhaltpunkte für den Verzicht auf das Berufen auf eine Ausschlussfrist.
Dass zu der Urlaubsabgeltung keine Regelung getroffen wurde, spricht dafür, dass die Parteien keine abschließende Regelung zu dem streitbefangenen Thema finden wollten oder konnten. Auch dass der Vergleich keine Erledigungsklausel enthält, steht dem nicht entgegen. Daraus ergibt sich lediglich, dass weitere Ansprüche geltend gemacht werden können, sofern ihre jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind.
d)
Das Berufen auf die Nichteinhaltung der Frist der ersten Stufe steht auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen.
aa)
Dem aufgrund einer Ausschlussklausel eintretenden Verfall von Ansprüchen kann der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB grundsätzlich entgegenstehen. Ein solcher Fall ist nicht nur dann anzunehmen, wenn der Gläubiger aktiv von der Geltendmachung seines Anspruchs abgehalten wird. Ferner steht der Grundsatz von Treu und Glauben auch dem Berufen auf die Ausschlussfrist entgegen, wenn nach den objektiven Umständen der Eindruck erweckt wird, dass der Anspruch erfüllt werde (BAG U. v. 28.06.2018 – 8 AZR 141/16 – Rn. 38).
Auf den Einwand, dass eine Ausschlussfrist nicht eingehalten worden sei, kann sich eine Partei nicht berufen, wenn sie sich damit in Widerspruch zu ihrem vorherigen Verhalten setzt und für die andere Partei dadurch ein schützenswerter Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (BAG U. v. 28.06.2028 – 8 AZR 141/16 – Rn. 38).
bb)
Dahinstehen kann, ob bereits in dem Telefonat im Januar 2023 zwischen den Prozessbevollmächtigten der Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend gemacht wurde, da die vertragliche Ausschlussklausel beinhaltet, dass ein Anspruch in Textform geltend gemacht werden muss.
Auf eine mögliche mündliche Absprache kommt es nicht an, dem steht auch der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegen, da selbst aus dem klägerischen Vortrag nicht hervorgeht, dass während des Telefonats das Thema der Urlaubsabgeltung unstreitig gestellt wurde. Vielmehr geht aus den Notizen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hervor, dass bezüglich dieses Themas noch Klärungsbedarf zwischen den Parteien bestand.
cc)
Ein Vertrauen der Klägerin, dass die Beklagte ihr Urlaubsabgeltung gewähren würde, ergibt sich auch nicht aus der Urlaubsbescheinigung vom 31.10.2022.
Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer bei der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Aushändigung einer Bescheinigung, die verschiedene Angaben enthalten muss: die Identität des Adressaten der Bescheinigung, das Kalenderjahr, für das sie ausgestellt wurde, den Zeitraum, in dem das Arbeitsverhältnis bestand, die Höhe des in diesem Kalenderjahr entstandenen Urlaubsanspruchs, den Zeitraum, in dem Urlaub gewährt und genommen wurde, sowie die Anzahl der Tage, für die eine Abgeltung gezahlt wurde. Die Bescheinigung ist schriftlich zu erstellen (ErfK/Gallner BUrlG § 6 Rn. 4).
Sinn und Zweck der Urlaubsbescheinigung ist es, den Arbeitnehmer den Nachweis über den Urlaub bei einem neuen Arbeitgeber führen zu lassen. Da nach § 6 Abs. 2 BUrlG auch nur Doppelansprüche in Bezug auf den gesetzlichen Mindesturlaub ausgeschlossen sind, sind auch nur die Urlaubstage zu bescheinigen, die dem Mindesturlaubsanspruch entsprechen (BeckOK ArbR/Lampe BUrlG § 6 Rn. 8).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, stellt die Angabe von Urlaubstagen in einer Entgeltabrechnung regelmäßig lediglich eine Wissens-, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung dar. Die bloße Mitteilung durch den Arbeitgeber entfaltet in der Regel keine rechtsgeschäftliche Wirkung (vgl. ausf. BAG 19. März 2019 - 9 AZR 881/16 - Rn. 16; BAG, Urteil vom 26. April 2022 - 9 AZR 367/21 -, Rn. 30, Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 22. Februar 2024 – 8 Sa 444/23 –Rn. 17, juris).
Die Beklagte hat der Klägerin eine Urlaubsbescheinigung, datiert auf das Austrittsdatum, ausgehändigt, die ihr bescheinigte, dass ihr für 2022 ein Urlaubsanspruch von 28 Tagen zugestanden habe, von denen sie 7,5 Tage in Natur genommen habe. Daraus ergibt sich, dass sie nicht den gesamten ihr zustehenden Urlaub genommen hat.
Damit hat zwar die Beklagte der Klägerin und dem nachfolgenden Arbeitgeber zu verstehen gegeben, dass die Klägerin nicht den gesamten ihr zustehenden Urlaub genommen hat und ihr noch ein Resturlaub mit Ausscheiden bei der Beklagten verblieben ist. Die Urlaubsbescheinigung stellt aber nicht die Zahlung eines bestimmten Betrages vorbehaltlos. Aus der Urlaubsbescheinigung geht nicht in gleicher Weise wie aus einer Lohnabrechnung deutlich hervor, dass noch ein bestimmter Betrag geschuldet ist. Damit hat die Beklagte nicht einen entsprechenden Zahlbetrag für den nicht genommenen Urlaub anerkannt.
Weiterhin folgt daraus, dass die Klägerin nicht davon ausgehen durfte, dass ihr entsprechend der Höhe des nicht genommenen Resturlaubes ein Abgeltungsanspruch i. S. v. § 7 Abs. 4 BUrlG zusteht.
Der Annahme der Klägerin, dass die Beklagte mit der Erteilung der Urlaubsbescheinigung einen Abgeltungsanspruch anerkannt habe, ist auch deshalb nicht richtig, da die Beklagte beim Erteilen der Urlaubsbescheinigung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht wissen kann, ob nicht ein nachfolgender Arbeitgeber der Klägerin in dem Urlaubsjahr 2022 den Resturlaub oder einen Teil des Resturlaubs gewährt. Üblicherweise erwirbt der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch bei seinem neuen Arbeitgeber, wenn er während des laufenden Urlaubsjahres ein Arbeitsverhältnis begründet. Dieser wird in der Regel auch nach Ablauf der Wartefrist von dem neuen Arbeitgeber erfüllt und verringert den Urlaubs - bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch beim alten Arbeitgeber.
Aus der Urlaubsbescheinigung geht nicht in gleicher Weise wie aus einer Lohnabrechnung deutlich hervor, dass noch ein bestimmter Betrag geschuldet ist. Eine einmal in einer schriftlichen Lohnabrechnung des Arbeitgebers ausgewiesene Lohnforderung ist streitlos gestellt und muss nicht noch einmal schriftlich geltend gemacht werden. Das folgt aus dem Zweck von Ausschlussfristen. Der Gläubiger soll durch diese angehalten werden, die Begründetheit und Erfolgsaussichten seiner Ansprüche zu prüfen. Er soll den Schuldner innerhalb der maßgebenden Fristen darauf hinweisen, ob und welche Ansprüche im Einzelnen noch erhoben werden. Der Schuldner soll sich darauf verlassen können, nach Ablauf der Verfallfrist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Mit der Zuleitung einer vorbehaltlosen Lohnabrechnung ist dieser Zweck der Ausschlussfrist erreicht, ohne dass es einer weiteren Geltendmachung bedarf (ständige Rechtsprechung, so z.B. BAG, Urteil vom 21. April 1993 – 5 AZR 399/92 –Rn.17).
Die gefestigte Rechtsprechung, dass die Ausgabe einer Lohnabrechnung dem sich Berufen auf eine Ausschlussklausel entgegensteht, hat vorliegend – auch in analoger Anwendung – keinen Erfolg.
Bei dem Erteilen einer vorbehaltlosen Lohnabrechnung darf eine Arbeitnehmerin davon ausgehen, dass die Arbeitgeberin anerkennt, dass ihr ein entsprechender Betrag zusteht. Aus einer Lohnabrechnung geht für beide Parteien klar erkennbar die genaue Höhe der Forderung hervor. Die Notwendigkeit einer (erneuten) Geltendmachung ist als reine Förmlichkeit dann nicht mehr gegeben, da die Arbeitgeberin in einem solchem Fall bereits zu erkennen gegeben hat, dass sie von der Forderung gegen sich weiß (statt vieler: BAG, U. v. 21.04.1993 – 5 AZR 399/92 – Rn. 17).
So liegt es hier jedoch nicht. Zwar hat die Beklagte mit der Ausstellung der Urlaubsbescheinigung der Klägerin zu verstehen gegeben, dass die Klägerin nicht den gesamten ihr zustehenden Urlaub genommen hat und ihr noch ein Resturlaub mit Ausscheiden bei der Beklagten verblieben ist. Die Urlaubsbescheinigung stellt aber nicht die Zahlung eines bestimmten Betrages vorbehaltlos. Aus der Urlaubsbescheinigung geht nicht, in gleicher Weise wie aus einer Lohnabrechnung, deutlich hervor, dass noch ein bestimmter Betrag geschuldet ist.
Das Verhalten der Beklagten im Februar 2023, indem sie per E-Mail mitteilte, dass sie den Urlaub der Klägerin nicht abgelten werde, steht zu ihrem früheren Verhalten auch nicht in Widerspruch. Die Klägerin durfte, wie oben dargestellt, nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihren Abgeltungsanspruch anerkennt.
e)
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte mit der Erteilung der Urlaubsbescheinigung einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte und damit die Berufung auf die erste Stufe der Ausschlussfristen gegen Treu und Glauben verstöße so hat sie jedoch die zweite Stufe der Ausschlussfristen nicht eingehalten.
Mit der Ablehnung des Anspruchs durch die Beklagte am 22.02.2023 erlosch das zuvor geschaffene mögliche Vertrauen der Klägerin. Um die Ausschlussfrist zu wahren, war entsprechend der zweiten Stufe der Ausschlussklausel Klage geboten. Diese erhob die Klägerin jedoch erst nach dem Ablauf weiterer drei Monate am 11.07.2023.
aa)
An der rechtlichen Beurteilung ändern auch die klägerseits eingebrachten E-Mails zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten nichts. Die Bitte der Beklagten im März, über die Urlaubsabgeltung erst wieder im April 2023 im Wege eines Vergleichs zu sprechen, stellt kein treuwidriges Hinhalten dar, das die Einhaltung der Klagefrist vereitelt hat. Der anwaltlich vertretenen Klägerin war durch die vorherige Ablehnung ihres Anspruchs bewusst, dass dieses Thema streitbefangen war. Auch mit Abwarten bis April 2023 war es noch möglich, die zweite Stufe der Ausschlussfrist einzuhalten. Die Telefonnotiz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus April 2023 ergibt ebenfalls die ausdrückliche Ablehnung einer Abgeltung durch die Beklagte. Dass die gesonderte Klärung – unabhängig von dem Kündigungsschutzverfahren – des Abgeltungsanspruchs erfolgen sollte, entbindet die Klägerin nicht von der Einhaltung der Ausschlussfrist.
bb)
Auch geht das von der Beklagten möglicherweise geschaffene Vertrauen nicht so weit, dass sich der Grundsatz von Treu und Glauben auch auf die Nicht-Einhaltung der zweiten Stufe der vertraglichen Ausschlussklausel auswirkt. Vielmehr hat die Beklagte seit ihrer Mail vom 22.2.2023 ausdrücklich erklärt, sie werde eine Urlaubsabgeltung nicht zahlen.
3.
Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Zinsanspruch nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
B.
Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 72 Absatz 2 ArbGG waren nicht ersichtlich. Die Kammer hat sich bezüglich sämtlicher relevanter Rechtsfragen an der Rechtsprechung der Obergerichte und der anderen Landesarbeitsgerichte orientiert. Auch ist keine bisher keiner obergerichtlichen Entscheidung zugeführte entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen gewesen.