Gericht | FG Cottbus 6. Senat | Entscheidungsdatum | 14.01.2025 | |
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Aktenzeichen | 6 K 6131/24 | ECLI | ECLI:DE:FGBEBB:2025:0114.6K6131.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | 47 Abs. 1 FGO §, 5 Abs. 4 VwZG § |
Das Empfangsbekenntnis verkörpert die Bereitschaft des Zustellungsempfängers, die Zustellung an einem bestimmten Tag entgegenzunehmen und die Bekanntgabe des Schriftstückes als Zustellung gegen sich gelten zu lassen. Wenn ein Sekretariatsmitarbeiter (Nicht-Berufsträger) eine Einspruchsentscheidung einscannt, dazu Fristen ermittelt, den Eingang elektronisch erfasst, das Dokument in einem Dokumentenmanagementsystem einem Mandanten zuordnet und einem sachbearbeitenden Mitarbeiter zuweist, wird damit deutlich, dass die Berufsausübungsgesellschaft die Übersendung des Dokuments als Zustellung gegen sich gelten lassen will. Hierbei ist unbeachtlich, wenn nach der konkreten Binnenorganisation kein Berufsträger mitwirkt.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit der Klage.
Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts C… unter HRB … eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in C….
Nachdem die Klägerin für das Streitjahr keine Steuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen für 2019 nach § 162 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – und erließ am 13. April 2021 entsprechende Schätzbescheide, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO standen. Mit Bescheiden vom 22. April 2024 erließ der Beklagte auch für 2021 Schätzbescheide und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung für die das Jahr 2019 betreffende Bescheide auf.
Gegen die Bescheide vom 22. April 2024 legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9. September 2024 als unbegründet zurückwies, da die Klägerin trotz einer entsprechenden Aufforderung weiterhin keine Steuererklärungen, unter anderem für 2019, eingereicht habe.
Der Beklagte stellte die Einspruchsentscheidung dem steuerlichen Berater der Klägerin, der B… GmbH, gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 5 Abs. 4 Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG – zu.
Die Einspruchsentscheidung ging ausweislich eines auf der Einspruchsentscheidung aufgebrachten Posteingangstempels der B… GmbH dort am 11. September 2024 ein. Der entsprechende Brief des Beklagten, der die Einspruchsentscheidung und im Adressfeld den Vermerk „gegen Empfangsbekenntnis“ enthielt, wurde an diesem Tag vom Sekretariat geöffnet und mit dem Posteingangsstempel versehen. Anschließend wurde der Eingang der Einspruchsentscheidung vom Sekretariat unter der lfd. Nr. 18501 in das Posteingangsbuch der B… GmbH aufgenommen; weiterhin wurde unter der lfd. Nr. 18665 für die Einspruchsentscheidung eine Rechtsbehelfsfrist mit dem Fristbeginn „13.09.2024“ und dem Fristende „14.10.2024“ in das Fristenbuch der B… GmbH eingetragen und noch am 11. September 2024 elektronisch festgeschrieben. Für die Rechtsbehelfsfrist ist als Bearbeitungsstand „geprüft – in Ordnu…“ eingetragen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zu den Akten gereichten Auszüge aus dem digitalen Posteingangs- und dem digitalen Fristenbuch der B… GmbH.
Die B… GmbH übersandte das Empfangsbekenntnis, auf dessen zu den Akten gereichte Kopie der Senat ebenfalls Bezug nimmt, am 18. September 2024 an den Beklagten, das dort am 20. September 2024 einging. Es trägt den Empfangsvermerk „empfangen am 11.09.2024“, ist handschriftlich mit „i.V. D…“ unterschrieben und mit dem Stempel der B… GmbH versehen.
Die Klägerin hat, vertreten durch ihre hiesige Prozessbevollmächtigte, am 14. Oktober 2024 Klage vor dem Finanzgericht erhoben. Nachdem der zuständige Berichterstatter darauf hingewiesen hat, dass die Klage möglicherweise nicht die Klagefrist des § 47 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO – gewahrt hat, macht sie geltend:
Die Klage sei nicht verfristet, da die Einspruchsentscheidung der B… GmbH erst am 18. September 2024 zugestellt worden sei. Die für die Klägerin sachbearbeitende Berufsträgerin, Frau Steuerberaterin E…, habe sich vom 9. September bis einschließlich 7. Oktober 2024 im Urlaub befunden. Der Posteingang sei nach der Eingangsbearbeitung durch das Sekretariat daher dort in einem Postfach verblieben. Am 18. September 2024 habe der Office Manger, Herr F…, Frau Steuerberaterin D… angesprochen, ob sie das streitgegenständliche Empfangsbekenntnis unterzeichnen könne. Die Vertretung von Frau Steuerberaterin E…, Frau Steuerberaterin G…, sei an diesem Tag nicht mehr im Haus gewesen. Frau Steuerberaterin D… sei sich unsicher gewesen, ob sie das Dokument einfach so unterschreiben könne und habe mit der einzigen zu diesem Zeitpunkt noch anwesenden Frau Steuerberaterin H… Rücksprache gehalten, ob sie bei der Unterschrift das Datum des Posteingangs oder das aktuelle Tagesdatum einzutragen habe und ob sie noch etwas beachten müsse. Da der Posteingang bereits in der Vorwoche erfolgt sei, habe sie sich dann entschieden, das Posteingangsdatum anzugeben. Das Sekretariat der B… GmbH sei nicht bevollmächtigt bzw. beauftragt gewesen, Empfangsbekenntnisse abzugeben. Das Sekretariat habe alleinig die Aufgabe gehabt, den Briefkasten bzw. das Postfach zu öffnen, die Post zu öffnen und zu sortieren, einzuscannen und Fristen zu erfassen, was lediglich vorbereitende Tätigkeiten seien. Es sei nicht berechtigt gewesen, den Empfang zu bestätigen. Nur die Steuerberater und Rechtsanwälte der B… GmbH seien „zum Empfang bevollmächtigt“.
Die Klägerin hat dem Gericht zum Geschehensablauf eine eidesstattliche Versicherung von Frau Steuerberaterin E… und eine eidesstattliche Versicherung von Frau Steuerberaterin D… vorgelegt, auf die der Senat Bezug nimmt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Zustellung erst durch die Kenntnisnahme von Frau Steuerberaterin D… am 18. September 2024 bewirkt worden sei. Der – insoweit unzutreffende – Eingangsvermerk auf dem Empfangsbekenntnis sei nicht maßgeblich, da die Kenntnisnahme tatsächlich erst später erfolgt und das Datum des Eingangsvermerks daher unzutreffend sei. Kein Steuerberater bzw. Rechtsanwalt habe sich am 11. September 2024 einen Willen dahin gebildet, die Übersendung der Einspruchsentscheidung als Zustellung gelten zu lassen.
Am 30. Oktober 2024 hat die Klägerin die Steuererklärungen für das Streitjahr beim Beklagten eingereicht.
Die Klägerin beantragt,
im Rahmen eines Zwischenurteils festzustellen, dass die Klage fristgerecht erhoben wurde.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Klage nicht innerhalb der Klagefrist erhoben wurde und deswegen verfristet sei. Die Einspruchsentscheidung sei der B… GmbH am 11. September 2024 bekannt gegeben worden; die Klagefrist habe daher bereits mit Ablauf des 11. Oktober 2024 geendet.
I. Die Klage ist unzulässig, da sie erst nach Ablauf der Klagefrist erhoben wurde.
1. Die Frist für die Erhebung einer Anfechtungsklage beträgt nach § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO einen Monat. Die Klagefrist beginnt dabei mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf.
Die Einspruchsentscheidung wurde der B… GmbH, der Bevollmächtigten der Klägerin für das Einspruchsverfahren, am 11. September 2024 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Klagefrist begann daher am 12. September 2024 (§ 222 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO –, § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – in Verbindung mit § 54 Abs. 2 FGO), dem Tag nach der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (§ 54 Abs. 1 FGO), und endete mit Ablauf des 11. Oktober 2024 (§ 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 54 Abs. 2 FGO). Die am 14. Oktober 2024 beim Finanzgericht eingegangen Klage ist somit erst nach Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangen; sie konnte die Klagefrist nicht mehr wahren.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin erfolgte die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung am 11. September 2024 und nicht erst am 18. September 2024.
a) Die Einspruchsentscheidung ist gemäß § 122 Abs. 5 AO in Verbindung mit § 5 Abs. 4 Satz 1 VwZG „auf andere Weise“ gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.
Zum Nachweis der Tatsache und des Zeitpunkts der Zustellung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 VwZG genügt in diesem Fall nach § 5 Abs. 7 Satz 1 VwZG das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, dem insoweit die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des § 418 ZPO zukommt. Das Empfangsbekenntnis ist als Urkunde über den Zustellungsvorgang nicht konstitutiver Bestandteil der Zustellung. Erforderlich ist aber die in dem Empfangsbekenntnis verkörperte Bereitschaft des Zustellungsempfängers, die Zustellung an einem bestimmten Tag entgegenzunehmen und die Bekanntgabe des Schriftstückes als Zustellung gegen sich gelten zu lassen (BFH, Urteile vom 2. Dezember 2020 – II R 22/18, BStBl. II 2022, 66; vom 23. Januar 2013 – XI R 25/11, BStBl. II 2013, 417). Daher ist für die Bekanntgabe weiterhin nicht der Tag der Einlegung des Schriftstücks in ein Postfach oder der Tag des Eingangs in den Räumen der Kanzlei, sondern die Entgegennahme des Schriftstücks maßgebend (BFH, Urteil vom 2. Dezember 2020 – II R 22/18, BStBl. II 2022, 66).
Das Empfangsbekenntnis erbringt nicht nur den vollen Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch dafür, dass der darin genannte Zustellungszeitpunkt der Wirklichkeit entspricht (BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 – I ZB 39/05, NJW 2007, 600; vom 24. April 2001 – VI ZR 258/00, NJW 2001, 2722; BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1993 – 4 B 166/93, NJW 1994, 535; BSG, Urteil vom 8. Juli 2002 – B 3 P 3/02 R, NJW-RR 2002, 1652). Gegenüber dem durch Empfangsbekenntnis begründeten Beweis für die Richtigkeit des darin bekundeten Datums der Empfangnahme ist der Gegenbeweis zulässig, dass der angegebene Zustellungszeitpunkt unrichtig ist. An den Nachweis eines falschen Datums sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Urteile vom 7. Mai 1984 – II ZB 1/84, VersR 1984, 663, vom 17. Oktober 1986 – V ZR 8/86, NJW 1987, 325; vom 6. November 1984 – VI ZR 2/83, VersR 1985, 142). Er ist nicht schon dann erbracht, wenn nur die Möglichkeit der Unrichtigkeit besteht, vielmehr muss die Beweiswirkung vollständig entkräftet sein. Dies ist erst dann der Fall, wenn jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angabe auf dem Empfangsbekenntnis richtig sein könnte (BayObLG, Urteil vom 2. Dezember 1999 – 2 Z BR 161/99, NJW-RR 2000, 606; BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 – VII ZB 12/96, NJW 1996, 2514).
b) Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass die Angabe des Datums 11. September 2024 als Zustellungszeitpunkt auf dem Empfangsbekenntnis der Einspruchsentscheidung nicht unzutreffend ist, selbst wenn der Senat den Vortrag der Klägerin zum Empfangs- und Bearbeitungsvorgang der Einspruchsentscheidung in tatsächlicher Hinsicht als zutreffend unterstellt.
Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
aa) Zustellungsdatum einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist der Tag, an dem der Zustellungsempfänger das zuzustellende Dokument entgegengenommen und seinen Willen dahin gebildet hat, die Übersendung des Dokuments als Zustellung gelten zu lassen (BFH, Urteile vom 2. Dezember 2020 – II R 22/18, BStBl. II 2022, 66; vom 23. Januar 2013 – XI R 25/11, BStBl. II 2013, 417; Beschluss vom 1. Februar 2008 – IV B 68/07, juris). Darauf, ob der Empfänger das Schriftstück auch inhaltlich zur Kenntnis genommen hat, kommt es nicht an.
Aus diesem Grund bedeutet der bloße Eingang der Sendung bei dem Bekanntgabeadressaten noch keine Zustellung; erst mit dessen erkennbarem Entschluss, das Schriftstück zu behalten, ist es zugestellt. Als Tag der Zustellung ist daher der Tag anzugeben, an dem der Adressat von dem Zugang des Schriftstücks, nicht seinem sachlichen Inhalt, Kenntnis erlangt und sich entschließt, die Zustellung anzunehmen (BFH, Urteil vom 20. August 1982 – VIII R 58/82, BStBl. II 1983, 63). Der Adressat bringt durch sein tatsächliches Verhalten – Entgegennahme und Behalten des Schriftstücks – zum Ausdruck, dass er bereit ist, das Schriftstück anzunehmen (Schwarz, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand 283. Erg.-Lfg. November 2024, § 5 VwZG Rn. 51; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand 183. Erg.-Lfg. Lieferung Oktober 2024, § 5 VwZG). Andernfalls muss er der Zustellung unverzüglich widersprechen (BFH, Urteile vom 6. März 1990 – II R 131/87, BStBl. II 1990, 477; vom 14. August 1986 – VIII R 107/84, BFH/NV 1987, 103.) Vor diesem Hintergrund ist eine Zustellung auch ohne Rücksendung des vollständig ausgefüllten Empfangsbekenntnisses wirksam, wenn der Empfänger das zuzustellende Dokument in Kenntnis der Zustellungsabsicht entgegengenommen hat (BFH, Urteile vom 4. März 2008 – IV B 119/07, juris, vom 23. August 2005 – VII B 153/05, BFH/NV 2006, 309; vom 6. März 1990 – II R 131/87, BStBl. II 1990, 477).
bb) Der Klägerin ist im Ausgangspunkt zuzustimmen, dass dabei die Zustellung bei einem Berufsträger grundsätzlich die persönliche Beteiligung des Berufsträgers voraussetzt. Das bedeutet, dass der Berufsträger Kenntnis von dem Zugang des zuzustellenden Dokuments – jedoch nicht von dessen konkreten Inhalt – erlangen muss, bevor er konkret entscheidet, ob er es nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen als zugestellt ansieht und das Empfangsbekenntnis unterschreibt. Die Entgegennahme des Schriftstücks und seine – allgemeinen Anweisungen entsprechende – Bearbeitung durch das Kanzleipersonal haben in diesem Zusammenhang nicht mehr als vorbereitenden Charakter (BGH, Urteil vom 25. Mai 1987 – II ZR 297/86, MDR 1987, 821).
Bevollmächtigte der Klägerin und Bekanntgabeadressatin der Einspruchsentscheidung war im Streitfall die B… GmbH. Damit ist für die Kenntnisnahme und den Annahmewillen nicht auf den sachbearbeitenden Berufsträger, sondern auf den der geschäftsführenden Partner abzustellen, die die B… GmbH als Berufsausübungsgesellschaft in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft im Außenverhältnis nach § 7 Abs. 3 Partnerschaftsgesellschaftsgesetz – PartGG –, § 124 Abs. 1 Handelsgesetzbuch – HGB – vertreten.
Im vorliegenden Fall haben sich diese bei der Annahme der Zustellung durch die Sekretariatsmitarbeiter der B… GmbH vertreten lassen. Denn die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass es dem organisatorischen Ablauf bei der B… GmbH entsprach, dass die Sekretariatsmitarbeiter den Briefkasten bzw. das Postfach öffneten, anschließend die Post öffneten und sortierten sowie die eingegangene Post einscannten und etwaige Fristen erfassten. Dem Vortrag der Klägerin ist dabei nicht zu entnehmen, dass in der zugrundeliegenden Arbeitsanweisung hinsichtlich der Post- oder der Zustellungsart unterschieden wurde, sodass die geschilderte Arbeitsweise ausdrücklich auch für Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis galt.
Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass jedenfalls in der Berechtigung der Sekretariatsmitarbeiter, die Dokumente einzuscannen, etwaige Fristen zu ermitteln und den Posteingang sowie die Frist elektronisch zu erfassen, zugleich auch eine Bevollmächtigung der Sekretariatsmitarbeiter lag, die zugrundeliegende Zustellung anzunehmen. Es handelt sich dabei in der Gesamtschau nicht mehr um lediglich vorbereitende Tätigkeiten, die nach Maßgabe der zitierten Rechtsprechung nicht ausreichend für eine Kenntnisnahme wären. Sie setzten über einen bloßen Vorbereitungsakt hinaus nämlich eine inhaltliche Bearbeitung des Dokuments voraus. Vermag der technische Vorgang des Einscannens eines Dokuments im Einzelfall noch als Vorbereitungshandlung angesehen werden, setzen die damit verbundene Erfassung und Einpflege des Dokuments im Dokumentenmanagementsystem der B… GmbH, die Zuordnung zu einem Mandat und zu den sachbearbeitenden Mitarbeitern darüber hinaus eine inhaltliche Bearbeitung des Dokuments voraus, die zwingend eine Entgegen- und Annahme der Zustellung dergestalt voraussetzt, dass die B… GmbH die Übersendung des Dokuments auch als Zustellung hat gelten lassen wollte. Insbesondere durch die Erfassung der Zustellung im Posteingangsbuch sowie durch die Ermittlung und Erfassung der Rechtmittelfrist im Fristenbuch wird deutlich, dass die B… GmbH die Zustellung annehmen wollte und auch angenommen hat. Es war der B… GmbH ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, gegenüber dem Beklagten der Zustellung zu widersprechen.
In diesem Zusammenhang ist es unbeachtlich, dass bis zu diesem Zeitpunkt kein Berufsträger der B… GmbH an dem Zustellungsvorgang mitgewirkt hat. Mag darin auch ein berufsrechtlich fragwürdiges Verhalten liegen, kann sich die B… GmbH ohne Weiteres bei dem Zustellungsvorgang auch durch einen Sekretariatsmitarbeiter vertreten lassen. Es ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt, dass sich ein Berufsträger – jedenfalls in Verfahren ohne Vertretungszwang – auch durch einen Kanzleimitarbeiter vertreten lassen kann (BFH, Urteil vom 2. Dezember 2020 – II R 22/18, BStBl. II 2022, 66; vom 23. Januar 2013 – XI R 25/11, BStBl. II 2013, 417; vom 1. März 2005 – X B 158/04, BFH/NV 2005, 1014). Aus diesem Grund steht die fehlende Mitwirkung eines Berufsträgers, die ausschließlich auf die Binnenorganisation und Verfahrensabläufe bei der B… GmbH zurückzuführen ist, im Streitfall nicht der Annahme einer wirksamen Zustellung am 11. September 2024 entgegen.
cc) Vor diesem Hintergrund hat Frau Steuerberaterin D… zutreffend das Datum des 11. September 2024 als Zustellungszeitpunkt auf dem Empfangsbekenntnis vermerkt. Dies entspricht ausweislich ihrer eidesstattlichen Versicherung auch dem Datum, an dem sie die Zustellung der Einspruchsentscheidung an die B… GmbH hat gelten lassen wollen und das sie aus diesem Grund nach Rücksprache und Beratung mit einer weiteren Berufsträgerin als Zustellungsdatum auf dem Empfangsbekenntnis vermerkt hat. Sie mag dabei über die Bedeutung des Zustellungszeitpunkts geirrt haben; objektiv ist der Zustellungszeitpunkt aber zutreffend angegeben und das Empfangsbekenntnis damit inhaltlich richtig.
c) Die verspätete Rücksendung des Empfangsbekenntnisses steht der Annahme einer Zustellung bereits am 11. September 2024 ebenfalls nicht entgegen, da die Abgabe des Empfangsbekenntnisses – wie bereits ausgeführt – nicht Voraussetzung für eine wirksame Zustellung ist. Überdies wurde das Empfangsbekenntnis – wenn auch verspätet und damit ebenfalls im Widerspruch zu den bestehenden berufsrechtlichen Pflichten der B… GmbH – noch abgegeben.
In diesem Zusammenhang ist es ebenfalls unbeachtlich, wenn die Klägerin vorträgt, die Sekretariatsmitarbeiter der B… GmbH seien nicht berechtigt gewesen, Empfangsbekenntnisse zugunsten der B… GmbH abzugeben. Denn das Empfangsbekenntnis wurde im Streitfall von einer Berufsträgerin abgegeben, sodass es auf eine etwaige Berechtigung der Sekretariatsmitarbeiter dazu gar nicht ankommt.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Rechtsmittelbelehrung
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst oder durch entsprechend befähigte Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.egvp.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier finden Sie auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens.
Nach Maßgabe von § 52d FGO sind Rechtsanwälte, Behörden und die übrigen in dieser Vorschrift genannten Personen verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.