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Entscheidung 6 W 65/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 21.03.2025
Aktenzeichen 6 W 65/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0321.6W65.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Cottbus vom 26.07.2024, Az. 2 O 140/23, abgeändert.

Die vom Kläger an die Beklagte nach dem gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Cottbus vom 29.04.2024 zu erstattenden Kosten werden auf

5.765,55 € (in Worten: fünftausendsiebenhundertfünfundsechzig 55/100 Euro)

nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 13.05.2024 festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger zu 87 % und die Beklagte zu 13 %.

Gründe

Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 €, § 567 Abs. 2 ZPO. In der Sache hat der Rechtsbehelf in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1.

Neben den von der Beschwerde nicht angegriffenen Rechtsanwaltskosten kann die Beklagte im Wege der Kostenfestsetzung auch Erstattung der von ihr für die Ermittlungen der („Agentur 01“) aufgewandten Kosten in Höhe von 4.581,50 € beanspruchen.

a)

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Unter dieser Voraussetzung sind auch vor Prozessbeginn oder außerhalb des eigentlichen Prozessgeschehens entstandene Kosten erstattungsfähig, wenn sie unmittelbar prozessbezogen sind (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 01.02.2017 – VII ZB 18/14, NJW 2017, 1397, Rn. 12 f.).

Eine unmittelbare Prozessbezogenheit in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Kosten durch Maßnahmen zur Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Verfahrens ausgelöst worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2013 − XII ZB 107/08, NJW 2013, 2668, Rn. 9). Mit diesem Erfordernis soll verhindert werden, dass eine Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht und so den Prozess verteuert. Jede Partei hat grundsätzlich ihre Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigung in eigener Verantwortung zu prüfen und den dadurch entstehenden Aufwand selbst zu tragen. Die Erstattung derartiger Kosten kann der Gegner daher auch dann nicht verlangen, wenn er die Früchte dieses Aufwandes – etwa ein vorgerichtlich eingeholtes Gutachten – in den Rechtsstreit eingeführt hat. Ein (prozessualer) Kostenerstattungsanspruch besteht vielmehr nur, wenn die kostenauslösende Maßnahme – im Beispiel die Tätigkeit des Privatsachverständigen – in unmittelbarer Beziehung zu dem Rechtsstreit steht, also für den konkreten Rechtsstreit veranlasst worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 17.12.2002 – VI ZB 56/02, NJW 2003, 1398, 1399).

Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind Kosten, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.02.2018 – II ZB 23/16, NJW 2018, 1693, Rn. 10 m.w.N.).

b)

Nach diesen Maßgaben sind die geltend gemachten Detektivkosten als prozessbezogen und notwendig anzusehen.

In Fallgestaltungen der hier in Rede stehenden Art, in denen ein Versicherer auf Leistung aus einer Schadensversicherung in Anspruch genommen wird, ist eine die Erstattungsfähigkeit auslösende Prozessbezogenheit in der Regel zu bejahen, wenn sich für den Versicherer der Verdacht eines Versicherungsbetruges aufdrängt (vgl. BGH, Beschluss vom 14.10.2008 – VI ZB 16/08, NJW-RR 2009, 422, Rn. 12; Beschluss vom 18.11.2008 – VI ZB 24/08, BeckRS 2008, 26028, Rn. 11, jeweils m.w.N.). Denn wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Versuch eines Versicherungsbetruges vorhanden sind, ist für den Versicherer von Anfang an damit zu rechnen, dass es zum Prozess kommt, weil der Täter bei Ablehnung der Einstandspflicht versuchen wird, sein Ziel einer nicht gerechtfertigten Schadensregulierung durch einen Rechtsstreit zu erreichen (BGH, Beschlüsse vom 14.10.2008 - VI ZB 16/08 – und 18.11.2008 – VI ZB 24/08 – a.a.O.).

Als notwendig sind Detektivkosten nach dem dargestellten Maßstab anzusehen, wenn eine vernünftige Prozesspartei berechtigte Gründe hatte, eine Detektei zu beauftragen. Hinzukommen muss, dass die Detektivkosten sich – gemessen an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien und der Bedeutung des Streitgegenstands – in vernünftigen Grenzen halten, die erstrebten Feststellungen wirklich notwendig waren sowie die Ermittlungen aus ex-ante-Sicht nicht einfacher und/oder billiger erfolgen konnten. Die Beeinflussung des Prozessausgangs ist regelmäßig ein Indiz für die Notwendigkeit, nicht jedoch Voraussetzung der Erstattungsfähigkeit. Ferner muss der Auftrag an die Detektei zur Bestätigung eines bestimmten festen Verdachts erteilt worden sein (vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2013 − XII ZB 107/08, NJW 2013, 2668, Rn. 10 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

Nach dem im Beschwerdeverfahren ergänzten und durch Vorlage insbesondere des Ermittlungsberichtes vom 10.05.2023 glaubhaft gemachten Vortrag der Beklagten – der hier gemäß § 571 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen ist – erfolgte die Beauftragung der („Agentur 01“) am 20.02.2023, nachdem die Beklagte Einsicht in die Ermittlungsakte genommen und hieraus Kenntnis von Umständen erlangt hatte, die auf einen versuchten Versicherungsbetrug hinwiesen, nämlich dass das Fahrzeug für mehrere Wochen in („Ort 01“) in einem Straßenbereich, in dem Parkscheinpflicht bestand, abgestellt worden sein soll, wobei weder der Kläger noch dessen Bekannter einen nachvollziehbaren Bezug zu der Stadt gehabt haben. Diese Umstände begründeten den Verdacht eines Versicherungsbetruges.

Vor diesem Hintergrund durfte es eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei als sachdienlich ansehen, der („Agentur 01“) den aus dem Ermittlungsbericht ersichtlichen Auftrag zu erteilen, den geltend gemachten Schadensfall zu überprüfen und Recherchen zu den nach der Schadensmeldung beteiligten Personen anzustellen. Insofern ist nämlich zu berücksichtigen, dass dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung nach herrschender Rechtsprechung Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zugebilligt werden; er genügt seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen (s. etwa BGH, Urteil vom 17.04.2024 – IV ZR 91/23, r+s 2024, 507, Rn. 9 m.w.N.). Dementsprechend hoch sind die Anforderungen daran, dem schlüssigen Vortrag des äußeren Bildes einer den Bedingungen des Versicherungsvertrages gemäßen Entwendung erheblich entgegenzutreten. Um dem Rechnung tragen zu können, ist es in Fallgestaltungen der vorliegenden Art jedenfalls im Regelfall sachgerecht, den geltend gemachten Schadensfall nicht nur im Hinblick auf einzelne besondere Aspekte, sondern allgemein auf Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Ausgehend hiervon begegnet es vorliegend keinen Bedenken, dass der („Agentur 01“) nur ein allgemein formulierter Auftrag erteilt worden ist, auf den die („Agentur 01“) Untersuchungen in verschiedene Richtungen hin angestellt und dabei etwa ermittelt hat, dass zum Zeitpunkt der vermeintlichen Entdeckung der Entwendung des Fahrzeugs im September 2022 die Frist für die Hauptuntersuchung bereits zwei Monate abgelaufen war, sich die Nutzungsmodalitäten kurz vor der behaupteten Entwendung deutlich verändert hatten und der Beklagte als ausgebildeter Kfz-Mechatroniker gegenüber den Ermittlungsbehörden das Vorhandensein von technischen Einrichtungen zur Ortung des Fahrzeugs ausdrücklich verneint habe, obwohl das Fahrzeug tatsächlich mit hierfür geeigneter Technik ausgestattet gewesen ist.

Dass die Beklagte diese Untersuchungen selbst hätte vornehmen können, ist nicht anzunehmen. Die für die Ermittlungen aufgewandten Kosten von 4.581,50 € halten sich in vernünftigen Grenzen und stehen in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung des Streitgegenstandes, wobei das Gericht den Wiederbeschaffungswert des versicherten Fahrzeugs – eines am 03.07.2019 erstmals zugelassenen Pkw VW Golf VII GTI – zum Zeitpunkt der Schadensmeldung nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auf über 20.000 € schätzt.

Dass der Kläger die Beklagte vorliegend im Wege der offenen Teilklage lediglich auf Zahlung von 5.001 € in Anspruch genommen hat, rechtfertigt eine andere Würdigung schon deshalb nicht, weil die Beklagte, wenn der Kläger mit der Teilklage Erfolg gehabt hätte, mit einer weiteren Inanspruchnahme hätte rechnen müssen. Aus derselben Erwägung ist dem Kläger nicht darin zu folgen, dass die Beklagte die ihr zur Abwehr seines Anspruchs entstandenen Kosten nur anteilig beanspruchen könne.

2.

Erfolg hat die Beschwerde hingegen hinsichtlich der weiteren, mit dem Antrag vom 29.05.2024 in Ansatz gebrachten und im angegriffenen Beschluss berücksichtigten Kosten.

Hinsichtlich der Kosten für das bei der Sachverständigenbüro („Firma 01“) eingeholte Schlüsselgutachten sind die Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit nach den dargelegten Maßstäben nicht festzustellen. Das Gutachten ist am 11.10.2022, also wenige Tage nach der Schadensanzeige vom 02.10.2022 beauftragt worden. Dafür, dass die Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme des Versuchs eines Versicherungsbetruges hatte, ist auch nach dem gerichtlichen Hinweis vom 19.12.2024 nichts ersichtlich. Von daher bleibt offen, ob diese Aufwendung (noch) der Prüfung der Einstandspflicht der Beklagten zuzurechnen ist oder bereits im Hinblick auf eine zu erwartende gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs erfolgte.

Im Ergebnis gleiches gilt für das Wiederbeschaffungswertgutachten, das nach der vorgelegten Rechnung von der Beklagten am 24.10.2022 in Auftrag gegeben worden ist, für die laut Rechnung am 10.11.2022 beauftragte Fahrzeugrecherche sowie für die Einsicht in die Ermittlungsakte, aus der sich nach dem Vorbringen im Schriftsatz vom 21.02.2025 erst die hinreichenden Anhaltspunkte für den Verdacht eines (versuchten) Versicherungsbetruges ergaben.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor.

Eine Ermäßigung der Gebühr nach Nr. 1812 KV GKG ist nicht angezeigt.