Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Der 2. Senat | Entscheidungsdatum | 16.04.2025 | |
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Aktenzeichen | 2 A 12/22 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0416.2A12.22.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, 10 Abs. 3; 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4; 215 Abs. 1; 215 Abs. 2 BauGB |
Soweit die Antragstellerin ihren Normenkontrollantrag zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird der am 3. Dezember 2014 beschlossene Bebauungsplan Nr. 3_____ der U_____, bekannt gemacht im Amtsblatt für die U_____ vom 24. Februar 2022, für unwirksam erklärt.
Die Kosten des Verfahrens tragen Antragstellerin und Antragsgegner je zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Antragstellerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Antragstellerin wendet sich gegen bauplanerische Festsetzungen der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks I_____, 0_____ (Flurstück 8_____ der Flur 3_____ der Gemarkung K_____). Das insgesamt 2_____ große Grundstück liegt mit 1_____ im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 3_____ (im Folgenden: Ausgangsbebauungsplan) sowie des Änderungsbebauungsplans Nr.x_____ (im Folgenden: Änderungsbebauungsplan) der Antragsgegnerin. Beide Bebauungspläne enthalten Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, zum Maß der baulichen Nutzung sowie zur überbaubaren Grundstücksfläche, wobei der Änderungsbebauungsplan auf dem Ausgangsbebauungsplan aufbaut, dessen Festsetzungen zitiert und in diesem Zusammenhang einzelne Festsetzungen modifiziert.
Der Ausgangsbebauungsplan umfasst mit einer Größe von ca. 60 ha die ehemalige Villenkolonie W_____. An der nordöstlichen Grenze schließt er die am P_____ gelegenen Grundstücke entlang der T_____, der M_____ und der I_____ mit Ausnahme einer Fläche am Ufer ein. Nach Südwesten erstreckt sich das Plangebiet bis jenseits der I_____. Die südliche Gebietsgrenze nimmt die hinteren Grundstücksgrenzen an der Südseite der M_____ sowie die Straßenbegrenzungslinie der I_____ auf.
Der Bebauungsplan weist das Plangebiet weitgehend als Allgemeines Wohngebiet aus. Er bezeichnet eine Vielzahl von Einzelgebäuden, darunter auch die Bestandsvilla auf dem Grundstück der Antragstellerin, mit einem „E“ für „Einzelanlage (Gebäude oder Zaun), die im Sinne von § 172 BauGB erhaltenswert“ sei. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung weist er bei den ufernahen Grundstücken entlang der T_____, der M_____ und der I_____ die „Größe der Grundfläche als Höchstmaß (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO)“ aus. Auf dem Grundstück der Antragstellerin lautet die Ausweisung: „GR 1_____“. Im überwiegenden sonstigen Plangebiet enthält er Vorgaben zur Grundflächen- und Geschossflächenzahl als Höchstmaß. Um einen Großteil der dargestellten Bestandsgebäude setzt er Baulinien bzw. Baugrenzen fest.
Die textliche Festsetzung Nr. 3.2 des Ausgangsbebauungsplans enthält eine „Längenbeschränkung der Gebäude gemäß § 22 Abs. 4 und § 23 BauNVO“. Außerdem verweist der Bebauungsplan in seiner textlichen Festsetzung Nr. 4.1 Buchst. b auf eine „Pflanzliste 1“, die im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen für Grundstücksversiegelungen zu beachten sei. Diese Pflanzliste ist nicht Bestandteil der Planurkunde. Es findet sich eine solche Pflanzliste jedoch in der Planbegründung unter der Überschrift „Empfehlung“, wobei diese Liste in der Beschlussvorlage - anders als in dem der der ausgefertigten Planurkunde beigelegten Exemplar - nur unvollständig und ohne Bezeichnung „Liste 1“ enthalten ist. Unter Nr. 5 bestimmt der Plan, dass die Außenbauteile im Bereich der I_____ bestimmte Schalldämmmaße („35 dB für Wohnräume und 30 dB für Büroräume“) „entsprechend DIN 4109“ aufweisen müssten.
Der Bebauungsplan wurde am 15. September 1999 von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin beschlossen. Seine Genehmigung wurde am 17. Februar 2000 im Amtsblatt für die U_____ bekannt gemacht. Einen Hinweis auf eine Einsichtsmöglichkeit hinsichtlich der DIN 4109 enthielt weder die Planurkunde noch der Bekanntmachungstext.
Der Änderungsbebauungsplan erstreckt sich auf ein Plangebiet mit einer Größe von 11,4 ha, in dem ca. 50 Grundstücke liegen. Er umfasst die schon in den Ausgangsbebauungsplan einbezogenen ufernahen Grundstücke bzw. Grundstücksteile an der I_____, der T_____ sowie der M_____ bis einschließlich des Grundstücks T_____. Für diesen Bereich, den er durch zeichnerische Darstellung als Änderungsbereich kennzeichnet, behält er die Ausweisung der Art der baulichen Nutzung aus dem Ausgangsbebauungsplan bei. Er weist jedoch zusätzlich einen weiteren Teil des Gemeindegebiets nordwestlich des genannten Plangebiets als reines Wohngebiet aus. Er setzt erneut Baulinien bzw. Baugrenzen fest und bestimmt für den Änderungsbereich nunmehr anstelle der vorherigen „Größe der Grundfläche als Höchstmaß“ eine Grundflächenzahl (GRZ) sowie eine Geschossflächenzahl als Höchstmaß (GFZ). Bezogen auf die textliche Festsetzung Nr. 3.2 enthält er eine durch Fettdruck gekennzeichnete Änderung dahingehend, dass er an die Überschrift („Längenbeschränkung der Gebäude gemäß § 22 Abs. 4 und § 23 BauNVO“) die Worte „in den Allgemeinen Wohngebieten“ anfügt. In den Vorbemerkungen zu den textlichen Festsetzungen und in der Planbegründung findet sich die Anmerkung, dass diese Festsetzung - neben anderen - „redaktionell angepasst“ worden sei.
Der Änderungsbebauungsplan wurde am 3. Dezember 2014 von der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin beschlossen und am 30. Dezember 2014 im Amtsblatt für die U_____ bekannt gemacht. Nach einem zur Behebung des Fehlers einer fehlenden Bekanntmachungsanordnung durchgeführten ergänzenden Verfahren wurde der Bebauungsplan im Amtsblatt der U_____ vom 24. Februar 2022 erneut bekannt gemacht.
Mit ihrer am 28. Oktober 2022 erhobenen Normenkontrolle hat sich die Antragstellerin zunächst nur gegen den „Bebauungsplan Nummer 3_____ x_____“ gewendet. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2023 hat sie außerdem den „ursprünglichen Bebauungsplan Nr. 3_____“ angegriffen.
Die Antragstellerin macht geltend, die für den Änderungsbereich erfolgte Festsetzung der auf ihrem Grundstück zulässigen GRZ durch den Änderungsbebauungsplan sei im Hinblick auf die GRZ, die für - hinsichtlich Lage und städtebaulicher Qualität vergleichbare - Nachbargrundstücke festgesetzt worden sei, schlechterdings unhaltbar, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und stelle einen Fehler im Abwägungsergebnis dar. Es gehe der Antragsgegnerin darum, „die städtebaulichen Folgen von 40 Jahre ‚Mauer‘“ zu erhalten. Dabei handele es sich nicht um ein anerkennenswertes städtebauliches Ziel. Die Festsetzung einer GFZ von 0,3 sei unwirksam, weil es ihr an der städtebaulichen Erforderlichkeit fehle. Vor dem Hintergrund der 2003 erfolgten Aufgabe des Vollgeschossbegriffs durch die Landesbauordnung stelle die Festsetzung einer GFZ von 0,3 auf ihrem Grundstück zur „Bestandssicherung“ einen auf den ersten Blick erkennbaren groben Missgriff dar. Sie bilde nicht einmal den vorhandenen baulichen Bestand ab. Die textliche Festsetzung Nr. 3.2 sei mangels Rechtsgrundlage unwirksam. Dies führe zur Unwirksamkeit aller Maßfestsetzungen. Die „möglicherweise wiederauflebenden Festsetzungen des am 15. September 1999 beschlossen“ Ausgangsbebauungsplans seien unwirksam, weil sie „disproportional und nicht erforderlich“ seien. Außerdem liege hinsichtlich des Ausgangsbebauungsplans ein Verkündungs- und Ausfertigungsmangel vor.
Die Antragstellerin beantragt,
den Bebauungsplan Nr.x_____ der U_____ vom 2_____ für unwirksam zu erklären, soweit er das Grundstück I_____ betrifft.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Sie macht geltend, der verbliebene Normenkontrollantrag sei unzulässig. Seien Rügemöglichkeiten nach § 215 Abs. 1 BauGB bereits verfristet, würden sie durch die erneute Bekanntmachung des Plans nicht neu eröffnet. Der noch streitgegenständliche Normenkontrollantrag sei aber auch unbegründet. Bezogen auf den Ursprungsbebauungsplan treffe es zwar zu, dass weder die Planurkunde noch der veröffentlichte Bekanntmachungstext einen Hinweis auf die Einsehbarkeit der DIN 4109 enthalten habe. Darauf komme aber nicht an, weil die DIN 4109 mittlerweile durch Veröffentlichung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung im Amtsblatt von Brandenburg Nr. 45 vom 7. November 2018 allgemeinverbindlich geworden sei. Eine nachträgliche rückwirkende Bekanntmachung des Bebauungsplans Nr. 45 mit einem entsprechenden Hinweis auf die Möglichkeit der Einsichtnahme von nunmehr allgemeinverbindlich gewordenen Baubestimmungen würde eine bloße Förmelei darstellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakte OVG 2 A 19.15 sowie der beigezogenen Aufstellungsvorgänge des Ausgangs- sowie des Änderungsbebauungsplans verwiesen, die vorgelegen haben und - soweit erheblich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
1. Soweit die Antragstellerin den zwischenzeitlich erhobenen (weiteren) Normenkontrollantrag bzgl. des Ausgangsbebauungsplans nach Hinweis der Antragsgegnerin auf § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch Beschränkung ihres Antrags wieder zurückgenommen hat, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
2. Der auf den Änderungsbebauungsplan bezogene Normenkontrollantrag hat Erfolg. Er ist zulässig (a.) und begründet (b.). Dabei ist über den beschränkten Antrag der Antragstellerin hinauszugehen und der gesamte Plan für unwirksam zu erklären, weil der antragsgemäß für nichtig zu erklärende Teil mit anderen, nicht angegriffenen Teilen des Bebauungsplanes in einem untrennbaren Zusammenhang steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. August 1991 - 4 NB 3/91 - juris Rn. 15 ff.).
a. Der den Änderungsbebauungsplan betreffende Normenkontrollantrag der Antragstellerin ist zulässig.
aa. Die Antragsbefugnis (vgl. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) der Antragstellerin ergibt sich daraus, dass diese als Eigentümerin einer Grundstücksfläche, die innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans liegt und hierdurch in ihrer baulichen Nutzbarkeit eingeschränkt wird, in einer durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG grundrechtlich geschützten Rechtsstellung betroffen ist.
bb. Der Normenkontrollantrag ist auch fristgemäß gestellt worden. Wird ein Bebauungsplan nach Behebung eines Bekanntmachungsmangels (hier: fehlende Bekanntmachungsanordnung) im ergänzenden Verfahren ein weiteres Mal bekannt gemacht, dann löst diese Bekanntmachung die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erneut aus (vgl. zu einem Ausfertigungsmangel: BVerwG, Urteil vom 18. August 2015 - 4 CN 10.14 - juris Rn. 6 f.). Die Antragstellerin hat den Normenkontrollantrag innerhalb eines Jahres nach der Neubekanntmachung gestellt.
cc. Dass die Antragsgegnerin bei der ersten Bekanntmachung des Änderungsbebauungsplans einen Hinweis nach § 215 Abs. 2 BauGB erteilt hatte, ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin unerheblich. Zwar eröffnet eine Neubekanntmachung nicht ohne weiteres neue Rügemöglichkeiten. Ob und inwieweit dies der Fall ist, hängt vielmehr von den Umständen des Einzelfalls ab. Denn die Gemeinde setzt das von ihr ursprünglich eingeleitete Verfahren beim ergänzenden Verfahren an der Stelle fort, an der ihr der zu korrigierende Fehler unterlaufen ist. Die bis dahin durchlaufenden Verfahrensschritte bleiben unberührt. Sind hierauf bezogene Rügemöglichkeiten nach § 215 Abs. 1 BauGB bereits verfristet, werden sie durch die erneute Bekanntmachung des Plans nicht neu eröffnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. August 2015 - 4 CN 10.14 - juris Rn. 9; Beschluss vom 25. Februar 1997 - 4 NB 40.96 - juris Rn. 8). Hierauf kommt es jedoch für die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags nicht an. Denn die etwaige Unbeachtlichkeit eines Mangels wirkt sich erst im Rahmen der Begründetheit eines solchen Antrags aus.
b. Der auf den Änderungsbebauungsplan bezogene Normenkontrollantrag ist begründet. Der Änderungsbebauungsplan ist unwirksam (cc.), weil er nicht selbständig existenzfähig ist (aa.), und der Ausgangsbebauungsplan, auf dem er aufbaut, seinerseits unwirksam ist. Denn dieser leidet unter jeweils zumindest einem beachtlichen und zur Gesamtunwirksamkeit führenden formellen und materiellen Mangel (bb.).
aa. Der Änderungsbebauungsplan ist nicht selbständig existenzfähig. Bei ihm handelt es sich um die unselbständige Änderung eines Ursprungsbebauungsplans, die ohne diesen nicht lebensfähig ist (vgl. hierzu: OVG Münster, Urteil vom 28. August 2006 - 7 D 112/05.NE - juris Rn. 43; VGH München, Urteil vom 19. Februar 2019 - 1 N 16.350 - juris Rn. 22 f.). Zwar enthält er eine eigenständige Planzeichnung. Er beschränkt sich jedoch in dieser und im Rahmen seiner textlichen Festsetzungen in großem Umfang auf die bloße Wiedergabe der Festsetzungen des Ausgangsbebauungsplans, die er - ohne erneute Abwägung - übernimmt und nicht - nach Abwägung - erneut inhaltsgleich festsetzt. Dies wird besonders deutlich in seinen textlichen Festsetzungen, in denen die Antragsgegnerin die Änderungen in Fettdruck dargestellt hat. Sie enthalten im großen Umfang lediglich „redaktionelle“ Anpassungen, namentlich die Bestimmung, dass bisher allgemein geltende Festsetzungen nunmehr nur noch „in den Allgemeinen Wohngebieten“, d.h. im sog. Änderungsbereich und nicht im sog. Ergänzungsbereich des Planes, gelten sollen. Insbesondere diese textlichen Festsetzungen könnten ohne die Festsetzungen des Ausgangsbebauungsplans nicht alleine stehen bzw. wären ohne diese nicht verständlich. Insoweit baut der angegriffene Änderungsbebauungsplan auf dem Ausgangsbebauungsplan auf und übernimmt in weitem Umfang dessen Festsetzungen, die er lediglich in einzelnen Aspekten unselbständig modifiziert.
bb. Der Ausgangsbebauungsplan ist in seiner Gesamtheit nichtig. Denn er leidet unter einem Bekanntmachungsfehler und an einem Bestimmtheitsmangel. Beide Fehler führen jeweils für sich zur Gesamtunwirksamkeit des Ausgangsbebauungsplans.
(a) Der Ausgangsbebauungsplan ist nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden (vgl. § 10 Abs. 3 BauGB).
(aa) Er bestimmt in seiner textlichen Festsetzung Nr. 5, dass die Außenbauteile bestimmter Gebäude entlang der I_____ ein bestimmtes Schalldämmmaß für Wohnräume und für Büroräume „entsprechend DIN 4109“ aufweisen müssten. Verweist eine Festsetzung derart auf eine DIN-Vorschrift, dass erst die Anwendung der DIN-Vorschrift ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben im Plangebiet zulässig ist, bzw. - wie hier - derart, dass der Plangeber zwar dem Grunde nach selbst bestimmt, welchen Anforderungen die baulichen Anlagen genügen müssen, aber erst der Verweis auf die DIN-Vorschrift ergibt, nach welchen Methoden und Berechnungsverfahren der Inhalt der Anforderungen im Einzelnen zu ermitteln ist, so muss der Plangeber sicherstellen, dass sich die Planbetroffenen auch von deren Inhalt verlässlich Kenntnis verschaffen können (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2012 - OVG 2 A 17.10 - juris Rn. 37 ff. m.w.N.; Senatsurteil vom 29. April 2021 - OVG 2 A 21.18 - juris Rn. 31; vgl. ferner BVerwG, Beschluss vom 18. August 2016 - 4 BN 24/16 - juris Rn. 7). Dies kann dadurch geschehen, dass er die in Bezug genommene DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält und hierauf in der Bebauungsplanurkunde (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2012, a.a.O.) oder in der Bekanntmachung (offen insoweit: BVerwG, a.a.O.) hinweist. An einem solchen Hinweis fehlt es hier. Dies hat die Antragsgegnerin durch ihre Vertreterin schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt.
(bb) Unerheblich ist, dass der Bekanntmachungsmangel nicht fristgerecht gerügt worden ist. Nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB ist eine Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften des Baugesetzbuchs für die Rechtswirksamkeit der Satzungen nach diesem Gesetzbuch u.a. dann beachtlich, wenn der mit der Bekanntmachung der Satzung verfolgte Hinweiszweck nicht erreicht worden ist. So verhält es sich hier. Das Fehlen eines Hinweises auf die Möglichkeit, die den normativen Gehalt des Planes mitbestimmende DIN-Vorschrift einzusehen, stellt einen den Hinweiszweck der Bekanntmachung beeinträchtigenden Verfahrensfehler dar. Denn ohne einen solchen Hinweis - sei es in der Bekanntmachung oder in der Bebauungsplanurkunde - kann die Bekanntmachung ihren rechtsstaatlich gebotenen Zweck, dem Planbetroffenen eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Rechtsnorm zu verschaffen, nicht vollständig erfüllen (vgl. Senatsurteil vom 9. Mai 2012, a.a.O., Rn. 40 f.).
(cc) Eine „Heilung“ des Bekanntmachungsmangels dadurch, dass die DIN 4109 zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht worden ist, ist nicht eingetreten.
α. Es ist schon nicht zu erkennen, dass eine solche Veröffentlichung tatsächlich stattgefunden hat. Namentlich der Hinweis der Antragsgegnerin auf eine Veröffentlichung des Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung im Amtsblatt von Brandenburg Nr. 45 vom 7. November 2018 geht fehl. Denn in dem von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen - im Internet zugänglichen - Text wird nicht der volle Wortlaut der DIN 4109 wiedergegeben. Es handelt sich vielmehr um die Veröffentlichung einer Verwaltungsvorschrift, die ihrerseits auf die als bekannt vorausgesetzte DIN 4109 verweist und sie sodann teilweise modifiziert.
β. Unabhängig hiervon sieht die Rechtsordnung die Heilung eines Bekanntmachungsfehlers durch bloße Nachholung der Veröffentlichung eines einzelnen - zuvor der Öffentlichkeit nicht zugänglichen - Dokuments nicht vor. Nach § 214 Abs. 4 BauGB kann ein Bebauungsplan „durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt“ werden. Dies setzt indes bei fehlerhafter Bekanntmachung des Bebauungsplans dessen erneute - nunmehr fehlerfreie - Bekanntmachung voraus, an der es vorliegend fehlt. Eine solche Neubekanntmachung stellt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin keine unnötige „Förmelei“ dar. Sie ist vielmehr Voraussetzung für das erstmalige Wirksamwerden des fehlerhaft bekanntgemachten Bebauungsplans.
(dd) Ob der Bekanntmachungsfehler ohne weiteres zur Gesamtunwirksamkeit des Plans führt (in diesem Sinne offenbar VGH München, Urteil vom 24. November 2020 - 1 N 17.1019 - juris Rn. 17) oder ob auch bei Bekanntmachungsfehlern eine bloße Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans in Erwägung zu ziehen ist (in diesem Sinne wohl: BVerwG, Beschluss vom 17. September 2013 - 4 BN 40/13 - juris Rn. 10; vgl. auch Senatsurteile vom 9. Mai 2012, a.a.O., Rn. 43, und vom 29. April 2021, a.a.O., Rn. 48), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn hier wäre auch im letzteren Fall von einer Gesamtunwirksamkeit des Ausgangsbebauungsplans auszugehen.
Die Annahme einer Teilunwirksamkeit kommt in Betracht, wenn einzelne Festsetzungen eines Bebauungsplans oder nur die für einen bestimmten Planbereich getroffenen Festsetzungen unwirksam sind, die restlichen Festsetzungen aber auch ohne den unwirksamen Teil noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. September 2017 - 4 CN 6.16 - juris Rn. 29; vgl. zu allem auch: Urteil des Senats vom 11. Dezember 2019 - OVG 2 A 6.16 - juris Rn. 40 ff., 73 ff.). Jedenfalls Letzteres ist vorliegend zu verneinen. Planungsziel der Antragsgegnerin war es hier u.a., die ehemalige Villenkolonie W_____, mit ihren herrschaftlichen Villen und Landhäusern aus der wilhelminischen Ära bzw. der Weimarer Republik und den 30er Jahren zu erhalten und eine gebietstypische, städtebaulich geordnete Weiterentwicklung im Rahmen der Ausschöpfung vertretbarer Potentiale zu ermöglichen. Dabei sollte weitgehend der historischen Abgrenzung des ersten Parzellierungsplanes der Villenkolonie W_____ gefolgt werden (vgl. S. 1 ff. der Planbegründung). Gründe, die die Annahme rechtfertigen, der Plangeber hätte hypothetisch auch den Willen gehabt, den Planbereich zu verkleinern und die Grundstücke entlang der I_____ nicht zu überplanen, sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, zumal sich dort als erhaltungsbedürftig bezeichnete sowie zum Denkmalschutz vorgesehene bauliche Anlagen befinden, die der Plangeber ersichtlich als Teil der Villenkolonie angesehen hat. Weil der Plangeber dort Lärmschutzmaßnahmen für erforderlich hielt (vgl. S. 63 der Planbegründung), ist auch nicht davon auszugehen, dass er einen vollständigen Verzicht auf die textliche Festsetzung Nr. 5 in Betracht gezogen hätte. Dies hat die Vertreterin der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ebenso gesehen.
(b) Der Ausgangsbebauungsplan leidet weiter unter einem beachtlichen Bestimmtheitsmangel.
(aa) In seiner textlichen Festsetzung Nr. 4.1 Buchst. b bestimmt er für „Sammelausgleichsmaßnahmen“ im Hinblick auf die „anrechenbare Steigerung der Versiegelung“ bzw. die „anrechenbare Vernichtung von Vegetationsflächen im Plangebiet“, dass „Strauchgehölzflächen im Plangebiet auf den öffentlichen Kinderspielplätzen gem. Pflanzliste 1“ anzulegen seien. Diese in der Planurkunde nicht wiedergegebene Pflanzliste soll vorgeben, welche Pflanzen insoweit zu verwenden sind. Hierin liegt eine planerische Festsetzung (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. b BauGB). Diese ist nicht hinreichend bestimmt.
Ein Bestimmtheitsmangel ergibt sich insoweit bereits daraus, dass auf der Grundlage der Aufstellungsvorgänge nicht hinreichend deutlich wird, welche Pflanzliste mit welchem Inhalt gelten soll. Dass den Stadtverordneten bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan eine eigenständige Pflanzliste - etwa als Anlage zur Planurkunde - vorgelegen hätte, die Gegenstand ihres Satzungsbeschlusses geworden wäre, lassen die Aufstellungsvorgänge nicht erkennen. In den dort enthaltenen Beschlussvorlagen findet sich eine solche Anlage nicht. Listen mit Pflanzennamen enthält allerdings die der Beschlussvorlage beigefügte Planbegründung (dort im Anhang). Die erste dieser Listen weist allerdings - anders als diejenige in der Planbegründung, die der später ausgefertigten Planurkunde beigefügt worden ist - keine Überschrift und keine Bezeichnung bzw. Nummerierung auf und ist ersichtlich unvollständig. Es ist nicht mit hinreichender Gewissheit festzustellen, ob Nr. 4.1 Buchst. b der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans auf diese Liste aus der Beschlussvorlage oder auf die Liste verweist, die der später ausgefertigten Planurkunde beigefügt worden ist und den Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung der Antragsgegnerin ggf. anderweitig bekannt war.
Im Übrigen ergäbe sich auch kein anderes Ergebnis, wenn ausschließlich auf die Planbegründung abgestellt würde, die der später ausgefertigten Planurkunde beigefügt worden ist. Dort findet sich zwar sowohl eine Bezeichnung bzw. Nummerierung der Liste als auch eine ersichtlich vollständige Zusammenstellung von Pflanzennamen. Über der dort wiedergegebenen Liste befinden sich allerdings die Überschriften „Empfehlung“ sowie „Liste 1: Empfohlene Gehölze auf den Kinderspielplätzen“. Dies kollidiert mit dem Wortlaut der textlichen Festsetzung Nr. 4.1 Buchst. b, wonach Strauchgehölzflächen „gem. Pflanzliste 1 anzulegen“ sind, die dort genannten Pflanzen mit anderen Worten zwingend vorgegeben werden. Der Verweis in der textlichen Festsetzung Nr. 4.1 Bucht. b auf diese Pflanzliste erweist sich vor diesem Hintergrund als widersprüchlich und genügt den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes aus diesem Grunde nicht (vgl. zu widersprüchlichen Festsetzungen z.B. VGH München, Beschluss vom 18. November 2024 - 15 N 24.1048 - juris Rn. 18 ff.).
(bb) Der dargestellte Bestimmtheitsmangel wird weder von den Planerhaltungsvorschriften des BauGB erfasst noch ist oder wird er sonst unbeachtlich, er bleibt vielmehr stets auch ohne entsprechende Rüge beachtlich (vgl. Urteil des Senats vom 28. November 2023 - OVG 2 A 4/24 - juris Rn. 57).
(cc) Auch der Bestimmtheitsmangel führt zur Gesamtunwirksamkeit des Ausgangsbebauungsplans. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Bebauungsplan ohne die Verpflichtung beschlossen hätte, bei Ausgleichsmaßnahmen für die Versiegelung von Grundstücken im Plangebiet Pflanzen gemäß ihrer Pflanzliste zu verwenden. Der Hinweis der Antragsgegnerin aus der mündlichen Verhandlung darauf, dass ihre Verwaltung bei der Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen einzuschalten sei und die Grundstückseigentümer solche Ausgleichsmaßnahmen nicht eigenmächtig auf den hierfür vorgesehenen Kinderspielplätzen durchführen dürften, vermag hieran nichts zu ändern. Denn dies steht der Annahme, der Plangeber habe die Pflanzliste verbindlich vorgeben wollen, nicht entgegen. Einerseits wirken sich die Vorgaben aus der Pflanzliste nämlich jedenfalls auf die von den Grundstückseigentümern zu tragenden Kosten aus, die für die jeweilige Ausgleichsmaßnahme anfallen (vgl. hierzu die weiteren Ausführungen in der textlichen Festsetzung Nr. 4.1). Zum anderen sollte mit der textlichen Festsetzung Nr. 4.1 Buchst. b ersichtlich auch eine Bindung der Verwaltung im Rahmen der Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen bewirkt werden. Denn an anderer Stelle - bezogen auf die „Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft“ hat der Plangeber unter der Überschrift „Pflanzungen auf den Baugrundstücken“ (S. 61 der Planbegründung) seinen planerischen Willen zum Ausdruck gebracht, dass zur Erhaltung und Pflege des vorhandenen Landschaftsbildes im Plangebiet vorrangig „gebietstypische Arten“ bzw. „standortgerechte, vorwiegend heimische Baum- und Straucharten“ angesiedelt werden sollten. Für einen hypothetischen Planungswillen, bei Ausgleichsmaßnahmen auf öffentlichen Spielplätzen auf die Vorgabe einer Liste mit solchen Pflanzen zu verzichten, ist angesichts dessen nichts ersichtlich.
cc. Die Gesamtunwirksamkeit des Ausgangsbebauungsplans führt zur Gesamtunwirksamkeit des unselbständigen Änderungsbebauungsplans.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.