Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Der 7. Senat | Entscheidungsdatum | 04.03.2025 | |
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Aktenzeichen | 7 A 44/24 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0304.7A44.24.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | 6 Abs. 1; 12 Abs. 1; 16b Abs. 1 und 2 BImSchG , 15; 44 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5; 45b; 45c Abs. 2; 74 Abs. 4 und 5 BNatSchG |
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage gegen die Nebenbestimmung 6.19 lit. e) zurückgenommen hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Nebenbestimmungen zur Abschaltung bei landwirtschaftlichen Bearbeitungsereignissen (Mahdabschaltung) in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid für eine Windenergieanlage.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin beantragte bei dem Beklagten am 3. September 2020 die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 BImSchG für die Errichtung von drei Windenergieanlagen in X_____ für den WEA-Typ VESTAS V150-6,5MW STE (WEA 01 und 03) bzw. VESTAS V162-5,6MW STE (WEA 02) mit einem Rotordurchmesser von 150 m (WEA 01 und 03) bzw. 162 m (WEA 02), einer Nabenhöhe von jeweils 169 m und einer Gesamthöhe von 244 m (WEA 01 und 03) bzw. 250 m (WEA 02).
Vor Errichtung der drei Windenergieanlagen sollen zwei Altanlagen (WEA 02 alt und WEA 05) des Typs VESTAS V80-2 MW mit einer Nabenhöhe von 100 m und einem Rotordurchmesser von 80 m zurückgebaut werden. Der Abstand der WEA 01 zu den zurückzubauenden Windenergieanlagen beträgt 310 m bzw. 510 m. Die WEA 02 und 03 befinden sich in etwa an den Altstandorten. Bei der damaligen Genehmigung der Altanlagen fand keine artenschutzrechtliche Prüfung statt.
Die Altanlagen sind Teil des Windparks R_____, der Anfang der 2000er Jahre errichtet wurde und aus 14 Windenergieanlagen besteht. Das Gebiet des Windparks wird überwiegend intensiv landwirtschaftlich genutzt. Es sind mehrere Waldflächen und teilweise Feldgehölze vorhanden. An einigen Feldwegen innerhalb des Vorhabengebietes wachsen Baumreihen mit Altholzbestand und niedrigem Buschwerk. Im Süden und im Osten befinden sich Weideflächen. Der P_____ und der G_____ durchqueren die umgebenden Flächen von Osten nach Westen; die Autobahn A 13 verläuft von Norden nach Südosten in unmittelbarer Nähe. Im Nordosten befindet sich an der Autobahn die Autobahnraststätte G_____. Im Vorhabengebiet sind unter anderem Vorkommen und Horste der Arten Rotmilan, Schwarzmilan, Weißstorch und Mäusebussard nachgewiesen.
Im Genehmigungsverfahren beauftragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin avifaunistische Untersuchungen des Vorhabengebietes durch das N_____, deren Ergebnisse im Bericht vom Mai 2020 festgehalten sind und die unter anderem die Brutvogelarten, die Ergebnisse einer Horstbaumkartierung sowie Flugbewegungen von Großvögeln zur Brutzeit beschreiben. Der im Genehmigungsverfahren vorgelegte Eingriffs-Ausgleichs-Plan des Planungsbüros U_____ vom September 2020 mit nachfolgenden Änderungen gelangte auf dieser Grundlage unter Anwendung der sog. Tierökologischen Abstandskriterien (TAK; Anlage 1 zum Windkrafterlass des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 1. Januar 2011 in der Fassung der Änderung vom 2. Oktober 2018) mit Blick auf die Lage der WEA 03 im Unschärfebereich von ca. 1.000 m zu einem Rotmilanhorst dazu, für diese WEA eine Mahdabschaltung vorzusehen. Wegen der Nähe zu weiteren Rotmilanhorsten vertrat der Beklagte im Genehmigungsverfahren die Ansicht, dass auch für die WEA 01 und 02 jeweils Mahdabschaltungen vorzusehen seien. Demgemäß sieht der Eingriffs-Ausgleichs-Plan in der letzten Änderungsfassung vom November 2021 entsprechende Abschaltungen vor und führt als Vermeidungsmaßnahme zum Schutz der Tierwelt Mahdabschaltungen für alle drei Windenergieanlagen auf. Hierzu heißt es in dem Plan, dies erfolge aufgrund der Einschätzung der oberen Naturschutzbehörde und ausdrücklich entgegen der gutachterlichen Einschätzung der Planersteller. Ergänzend legte die Rechtsvorgängerin einen entsprechenden Vertrag mit dem Pächter der landwirtschaftlichen Flächen über die Meldung von Bodenbearbeitungen vor.
Der Beklagte erteilte der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit Bescheid vom 27. September 2022 die beantragte Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der drei Windenergieanlagen unter anderem mit folgenden Nebenbestimmungen unter Abschnitt IV. des Bescheides:
6.6 Während des jährlichen Zeitraums vom 01.03.-31.10. sind die WEA 01-03 bei Bodenbearbeitungen (z.B. Pflügen, Eggen, Fräsen, Grubbern, Säen, Drillen, Walzen), der Mahd, einschließlich Mulchen und der Ernte von Anbaukulturen und Feldfrüchten auf den in der Karte zur Mahdabschaltung Rotmilan für das Projekt WP R_____, Stand: 13.06.2022 dargestellten Flächen um die geplanten WEA nicht zu betreiben. Die Flächenkulisse umfasst in der Gemarkung R_____, Flur 2 die Flurstücke 6_____. Die Abschaltung erfolgt mit Beginn der Arbeiten auf den von der Flächenkulisse betroffenen landwirtschaftlichen Flächen und endet zum Sonnenuntergang. An den zwei darauffolgenden Tagen beginnt die Abschaltung bei Sonnenauf- und endet bei Sonnenuntergang.
6.7 Endet die Vertragslaufzeit nach § 4.1 der Vereinbarung über landwirtschaftliche Meldepflichten und Abschaltmanagement vor Ablauf des Betriebszeitraumes der WEA 01-03 ist das LfU/N1 sofort und unaufgefordert zu informieren.
6.8 Kann die Abschaltung der WEA 01-03 entsprechend NB 6.6 z.B. aufgrund eines Unwirksamkeitswerdens der Vereinbarung im Betriebszeitraum der WEA nicht gewährleistet werden, sind die WEA 01-03 im Zeitraum vom 01.03.-31.10. (Brutzeit) eines Jahres tagsüber (von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang) abzuschalten. Die Abschaltung während der gesamten Brutzeit kann erst aufgehoben werden, wenn dem LfU/N1 eine neue Vereinbarung vorgelegt und diese bestätigt wurde.
6.19 Gemäß § 17 Abs. 7 BNatSchG sind dem LfU/N1 folgende Berichte zur Prüfung vorzulegen:
…
c. Die Einhaltung der Abschaltzeiten nach NB 6.6 während der Bewirtschaftung ist dem LfU/N1 jährlich bis spätestens zum 31.11. des jeweiligen Kalenderjahres mit Angabe der Bewirtschaftungstermine und entsprechenden Auszügen aus den Laufzeitprotokollen nachzuweisen.
Die Protokolle sind für den festgelegten Abschaltzeitraum der WEA unter Angabe der Parameter Datum, Uhrzeit, Rotordrehzahl, Leistung als vollständiges Laufzeitprotokoll (10-Minuten-Datensatz) im CSV-Format (*.csv) oder Excel-Format (*.xls) vorzulegen.
d. Für die ersten 3 Jahre nach Inbetriebnahme der WEA 01-03 gilt:
Unmittelbar nach Erhalt der Information bzgl. einer geplanten Bodenbearbeitung gemäß § 2.1 der Vereinbarung über landwirtschaftliche Meldepflichten und Abschaltmanagement ist diese an das LfU/N1 (N1@lfu.brandenburg.de) weiterzuleiten.
e. In Bezug auf Mastfußgestaltung gemäß NB 6.9 gilt:
Bis zum 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres ist dem LfU/N1 jährlich eine Dokumentation inkl. Fotos vorzulegen, aus der hervorgeht, ob und wenn ja, wann Mahd- oder Mulcharbeiten zur Pflege der Mastfußbereiche stattgefunden haben. Die Einreichung von Fotos ist auch erforderlich, wenn keine Mahd- oder Mulcharbeiten stattfanden.
Zur Begründung wird in dem Bescheid ausgeführt, dass das Vorhabengebiet während landwirtschaftlicher Arbeiten regelmäßig eine hohe Bedeutung als Nahrungsgebiet für den Rotmilan und andere Vögel wie Mäusebussard und Weißstorch besitze, weshalb die seitens der Antragstellerin beabsichtigten Abschaltungen während landwirtschaftlicher Flächenbearbeitung umzusetzen seien. Weiter heißt es unter den Ausführungen zum besonderen Artenschutz, dass durch die Abschaltungen das Tötungsrisiko für den Weißstorch und den Rotmilan, deren Brutplätze in der Nähe der Anlagen nachgewiesen worden seien, unter die Signifikanzschwelle gesenkt werde.
Unter anderem gegen diese Nebenbestimmungen erhob die Rechtsvorgängerin der Klägerin unter dem 18. Oktober 2022 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass die Mahdabschaltung zumindest für die WEA 01 zur Vermeidung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos nicht erforderlich sei. Speziell für den Rotmilan gelte nach den TAK ein Schutzbereich von 1.000 m um den Horst, der hier nicht unterschritten werde. Als milderes Mittel könne zudem ein Kamerasystem eingesetzt werden.
Während des Widerspruchsverfahrens erfolgte ein Betreiberwechsel bei der genehmigten WEA 01 von der Rechtsvorgängerin auf die Klägerin. Diese erklärte mit E-Mail vom 25. April 2023 auf die Nachfrage des Beklagten, ob gem. § 74 Abs. 5 BNatSchG nach neuer Rechtslage geprüft werden solle, dass nicht nach neuer Rechtslage geprüft werden solle.
Der Beklagte wies den Widerspruch, soweit er die WEA 01 betraf, mit Widerspruchsbescheid vom 7. März 2024, der Klägerin zugestellt am 27. März 2024, unter anderem hinsichtlich der hier in Rede stehenden Nebenbestimmungen zurück. Sie dienten der Vermeidung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für die besonders schlaggefährdeten Arten Rotmilan und Weißstorch. Die WEA 01 liege im Restriktionsbereich für den Weißstorch. Laut TAK seien im Radius zwischen 1.000 und 3.000 m um den Horst die Nahrungsflächen sowie die Flugwege dorthin freizuhalten. Hier betrage der Abstand zum Brutplatz des Weißstorchs in R_____ ca. 2.060 m. Der Schutzbereich für den Rotmilan umfasse laut TAK einen Radius von mindestens 1.000 m zum Horst. Hier seien wegen einer erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeit in dem vom Rotor überstrichenen Bereich auch Standorte über 1.000 m hinaus zu berücksichtigen. Zum nächstgelegenen Rotmilan-Brutplatz südlich des Vorhabens betrage der Abstand 1.330 m. Der Rotmilan durchstreife als Nahrungsopportunist großräumig seinen Lebensraum und nutze zur Brutzeit besonders Grünland zur Nahrungssuche, aber auch ländliche Siedlungen sowie Verkehrsflächen (Aas) und Deponien. Der Weißstorch zeige eine ähnliche Nahrungsökologie mit einer Präferenz für feuchte Wiesen und Weiden sowie Brachen. Zwar zählten die Äcker um die WEA-Standorte nicht zu den bevorzugt aufgesuchten Nahrungsflächen der betreffenden Arten. Allerdings machten die für sie regelmäßig nutzbaren Flächen nur etwa ¼ des Flächenanteils im 3.000 m Radius um die betrachteten Brutplätze aus. Bei Bewirtschaftungsereignissen auf Ackerflächen werde deshalb die Erreichbarkeit der Nahrung für sie deutlich gesteigert und die betreffenden Ackerschläge gezielt angeflogen. Dabei komme es zu einer sehr hohen Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Gefahrenbereich der dortigen WEA, wobei die Aufmerksamkeit im Anflug und bei der Nahrungssuche auf den Boden gerichtet sei, wodurch die sich bewegenden Rotoren in der Luft schlechter wahrgenommen würden. Zusätzliche Gefahrensituationen entstünden durch auftretende Konkurrenz und Interaktionen der zahlreich von der Mahd angezogenen Vögel. Auch für den Weißstorch sei die Nutzung des Vorhabenbereichs dokumentiert. Somit ergebe sich bei Bewirtschaftungsereignissen für die betroffenen Brutvögel des Weißstorchs und des Rotmilans ein deutlich erhöhtes Tötungsrisiko, das durch die Nebenbestimmungen unter die Signifikanzschwelle gesenkt werden könne. § 45b BNatSchG sei hier nicht anzuwenden, weil die Klägerin dem auf Nachfrage ausdrücklich widersprochen habe. Die Anwendung eines Kamerasystems, welches die Abschaltung bei Auftauchen eines Rotmilans auslösen könne, sei nicht beantragt worden und lasse sich nicht pauschal festsetzen, sondern müsse für den konkreten Standort entwickelt und mit einem entsprechenden Vermeidungskonzept vom Betreiber vorgeschlagen werden. Dass ein derartiges System am Markt verfügbar sei, reiche allein nicht aus. Es sei zudem sehr teuer und dessen Zumutbarkeit fraglich.
Die Klägerin hat am 26. April 2024 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Der Zulässigkeit der Klage stehe nicht entgegen, dass ihre Rechtsvorgängerin die Mahdabschaltungen im Genehmigungsverfahren selbst beantragt habe. Dies sei allein auf Veranlassung des Beklagten erfolgt. Die Nebenbestimmungen seien rechtswidrig, weil sie nicht im Sinne von § 12 Abs. 1 BNatSchG erforderlich sein, um die Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Die Mahdabschaltung sei insbesondere nicht erforderlich, um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko im Sinne der Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG zu vermeiden. Der Verbotstatbestand sei nicht bereits dann erfüllt, wenn einzelne Exemplare besonders geschützter Arten etwa durch Kollisionen getötet würden, sondern nur, wenn mehr als nur wenige Einzelexemplare betroffen seien. Das richte sich nach den vom Beklagten vorgegebenen TAK, die für den Rotmilan einen hier nicht unterschrittenen Schutzbereich von 1.000 m vorsehen würden. Bewirtschaftungsmaßnahmen rechtfertigten keine Erweiterung des Schutzbereichs. Insoweit verkenne der Beklagte, dass sich zwischen den Rotmilanhorsten und der geplanten WEA 01 diverse weitere Windenergieanlagen sowie eine Hochspannungsleitung befänden; aufgrund dieser Vorbelastungen dürften die Rotmilane bei der Nahrungssuche eher auf die freiliegenden Flächen südlich und westlich ihrer Horste gelenkt werden, wofür auch die avifaunistischen Untersuchungen sprächen. Zudem spielten sich die Flugbewegungen des Rotmilans größtenteils unterhalb des Rotorbereiches ab; der Rotor-Boden-Abstand vergrößere sich gegenüber den Altanlagen. Auch die seit Jahrzehnten betriebenen Bestandsanlagen im Windpark hätten nicht dazu geführt, dass sich der Aktionsraum und das Revierverhalten der dort ansässigen Rotmilane geändert hätten; das Revier sei trotz der Nähe zu den Windanlagen seit Jahren besetzt. Es gebe auch keine bekannten Todfunde an den Bestandsanlagen. Eine Erweiterung des Schutzradius von 1.000 m sei vor diesem Hintergrund nicht zu rechtfertigen. Hinsichtlich des Weißstorches sei die Lage des Horstes im Restriktionsbereich nach den TAK lediglich ein Anhaltspunkt; hier sei maßgeblich, dass die WEA 01 nicht im Wanderkorridor zwischen dem Brutstandort und den Hauptnahrungsflächen liege. Bei der Betrachtung der Auswirkungen des Repowering-Projektes müsse auch berücksichtigt werden, dass die für die WEA 02 und 03 festgesetzte Mahdabschaltung vom Anlagenbetreiber nicht beklagt werde. Mithin griffen für diese beiden Windenergieanlagen Schutzmaßnahmen. Der Autobahnrastplatz erhöhe entgegen der Auffassung des Beklagten die Aufenthaltswahrscheinlichkeit nicht. Er falle, wie aktuelle Lichtbilder zeigten, nicht durch eine besondere Ansammlung von Müll und Nahrungsmittelresten auf. Eine mangelnde Betroffenheit durch die Windenergieanlage zeige auch ein Blick auf die Neuregelung in § 45b BNatSchG und die dortige Anlage 1. Die Rotmilanhorste lägen außerhalb des zentralen Prüfbereichs; der Horst des Weißstorches liege sogar außerhalb des erweiterten Prüfbereichs.
Die weiteren Nebenbestimmungen seien infolge der Rechtswidrigkeit der Nebenbestimmung zur Mahdabschaltung ebenfalls rechtswidrig. Die Nebenbestimmung 6.8 sei zudem zu eng formuliert und verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip; als milderes Mittel zu einer Abschaltung während der Brutzeit komme in Betracht, einen ornithologischen Nachweis darüber zu erbringen, dass keine entsprechenden Vögel im Gebiet brüten würden. Denkbar wäre auch die Installation eines Kamerasystems.
Die Klägerin hat die Klage hinsichtlich der zunächst ebenfalls angegriffenen Nebenbestimmung 6.19 lit. e) zurückgenommen und beantragt,
- die Nebenbestimmungen unter Abschnitt IV. „Inhalts- und Nebenbestimmungen“, Kapitel 6 „Naturschutz und Landschaftspflege“ Ziffer 6.6, 6.7, 6.8. und 6.19. lit. c) bis d) des Genehmigungsbescheides vom 27. September 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2024 aufzuheben,
- hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung ohne die im Hauptantrag genannten Nebenbestimmungen zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass der Klage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin habe in dem Eingriffs-Ausgleichs-Plan die Mahdabschaltungen, wenn auch auf Empfehlung des Beklagten, selbst beantragt und entsprechende Verträge mit Landwirten eingereicht. Die Frage einer Mahdabschaltung sei Gegenstand der artenschutzrechtlichen Prüfung im Genehmigungsverfahren und einer daraus resultierenden Empfehlung des Beklagten bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin gewesen. Sie habe sich im Genehmigungsverfahren dazu entschieden, letztlich für alle drei Windenergieanlagen eine Mahdabschaltung zu beantragen. Hinsichtlich eines eventuell milderen Mittels fehle es sowohl an einem Antrag als auch an den erforderlichen Informationen und Unterlagen. Genehmigungsbedürftig sei nach § 4 Abs. 1 BImSchG nicht nur die Errichtung, sondern gerade auch der jeweilige Betrieb der Anlage. An den beantragten Betrieb der Anlage sei der Beklagte gebunden. Wenn die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin eine Mahdabschaltung tatsächlich nicht als notwendig erachte, wäre es ihr unbenommen geblieben, den Genehmigungsantrag anzupassen und insoweit einen Haupt- und Hilfsantrag zu stellen.
Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Es sei erst jetzt bemerkt worden, dass eine artenschutzrechtliche Delta-Prüfung nach § 45c BNatSchG geboten sei, da es sich um ein Repowering-Vorhaben handele. Wäre eine Prüfung nach § 45c BNatSchG im Genehmigungsverfahren durchgeführt worden, hätte sich die Festsetzung der Nebenbestimmungen bestätigt, denn die Auswirkungen der Neuanlagen seien unter Berücksichtigung der fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen weder im Sinne von § 45c Abs. 2 Satz 4 BNatSchG geringer als noch gleich wie die der Bestandsanlagen. Die WEA 01 sei im Zusammenhang mit den beiden anderen genehmigten WEA 02 und 03 zu betrachten, an deren Standorten zwei Altanlagen zurückgebaut würden. Die Anzahl der Anlagen erhöhe sich von zwei auf drei. Durch die WEA 1 werde der Windpark nach Norden erweitert. Insgesamt ergebe sich bei Betrachtung der drei genehmigten Anlagen sowie der zwei rückzubauenden Anlagen eine deutliche Erhöhung der kreisförmig überstrichenen Rotorflächen. Auch die WEA 01 allein habe größere Auswirkungen als die beiden Bestandsanlagen. Für die betroffenen Arten Rotmilan, Schwarzmilan und Weißstorch würden zusätzliche Flächen von Windenergieanlagen belegt, die bislang davon frei gewesen seien; hierdurch steige das Risiko für diese Arten erheblich. Zwar erhöhe sich der Abstand des Rotor-Tiefpunkts über dem Boden; allerdings fänden sich in der aktuellen Schlageopferkartei des Landes Brandenburg vielfach Funde von Kollisionsopfern an Windenergieanlagen mit Rotor-Boden-Abständen von 90 - 120 m. Ebenfalls sei ein Anstieg von Funden an Windenergieanlagen mit hohem Rotor-Boden-Abstand von über 80 m zu verzeichnen. Bei einem Vergleich der Abstände der neuen Anlage mit den Abständen der rückzubauenden Altanlagen zu den Brutvogelhorsten in einem Radius von 3.500 m zeige sich eine Verschlechterung insbesondere für die Horste des Rotmilans (Horst 3) und des Schwarzmilans (Horst 2) nordöstlich der Autobahn, weil sich die Abstände bei einem Vergleich der WEA 01 mit den beiden Altanlagen verschlechterten. Die WEA 01 grenze zudem direkt an die Autobahn mit den begleitenden Randstreifen und an einen Autobahnparkplatz. Derartige Strukturen seien vor allem für Milane als regelmäßige Nahrungsflächen attraktiv, sodass diese regelmäßig entlang von stark befahrenen Straßen auf Aassuche anzutreffen seien. Eine Windenergieanlage direkt neben einer solchen Nahrungsfläche erhöhe das Tötungsrisiko. Die Ergebnisse der im Genehmigungsverfahren erstellten Nahrungsflächenanalysen im 3.000 m Umkreis der jeweiligen Horststandorte des Weißstorches und des Rotmilans zeigten, dass keine herausragenden Nahrungsflächen festzustellen seien. Der Anteil von Grünlandflächen mit höherer Eignung als Nahrungshabitat sei eher gering (Weißstorch ca. 10 %, Rotmilan ca. 25 %). Somit sei davon auszugehen, dass die Radien flächendeckend zur Nahrungssuche genutzt werden müssten. Temporären Ereignissen wie der Mahd komme daher eine hohe Bedeutung zu. Die Flächen bzw. die Anlagen würden durch Rotmilane sogar eher gezielt aufgesucht als gemieden. Dies bestätigten auch die Beobachtungen aus der Rastvogel-Kartierung. Insgesamt befänden sich in einem Radius von 3.500 m um die WEA 01 neun Horste von vier verschiedenen schlaggefährdeten Arten. Rotmilan und Weißstorch seien langjährig als Brutvögel im Vorhabengebiet bekannt; im Jahr 2021 seien dort auch Schwarzmilan und Baumfalke nachgewiesen worden. Die Feldgehölze stellten optimale Bruthabitate für die schlaggefährdeten Milane sowie den Baumfalken dar. Zum Zeitpunkt der Genehmigung der bestehenden Anlagen im Jahr 2002 habe keine artenschutzrechtliche Prüfung stattgefunden und Schutzmaßnahmen seien nicht festgesetzt worden. Auch unter Berücksichtigung des Rückbaus der bestehenden Anlagen und der verfügten Mahd-Abschaltungen bei den WEA 02 und 03 sei in der Gesamtschau der sich verändernden Parameter ein signifikant erhöhtes Risiko gegeben. Die festgesetzte Abschaltung der WEA 01-03 durch die Nebenbestimmung Nr. 6.6 führe zu nur sehr geringen Ertragsausfällen und sei eine besonders effektive, anerkannte und geeignete Maßnahme, um das Tötungsrisiko durch den Betrieb der Windenergieanlagen unter die Signifikanzschwelle zu senken.
Die Nebenbestimmung Nr. 6.8 greife ausschließlich für den Fall, dass die bestehende vertragliche Vereinbarung innerhalb der Laufzeit der Anlage unwirksam werde, um die Einhaltung der Zugriffsverbote gewährleisten zu können. Die Brutzeit-Abschaltung sei dazu zweifelsfrei geeignet und solle nur so lange wirken, bis eine neue vertragliche Vereinbarung vorgelegt werde. Demgegenüber sei die Erbringung eines ornithologischen Nachweises, dass keine Rotmilane im Gebiet brüten würden, nur theoretisch möglich. Sollte eine Mahdabschaltung wider Erwarten nicht auf Basis vertraglicher Vereinbarungen für die gesamte Betriebsdauer gewährleistet werden können, bestehe für die Klägerin grundsätzlich die Möglichkeit, einen Änderungsantrag zu stellen und Alternativen vorzuschlagen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen (2 Ordner Antragsunterlagen, ein Ordner Genehmigungsverfahren, ein Ordner Widerspruchsverfahren), die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die verbliebene Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmungen zur Abschaltung der Windenergieanlage bei landwirtschaftlichen Bewirtschaftungen statthaft (vgl. Urteil des Senats vom 25. April 2024 – OVG 7 A 5/24 –, juris Rn. 20).
Der Klägerin steht entgegen der Ansicht des Beklagten ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung der Nebenbestimmungen zur Seite stehen, obwohl sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin diese Nebenbestimmungen selbst beantragt hat. Zwar kann widersprüchliches Verhalten das Rechtsschutzbedürfnis entfallen lassen (Wöckel, in: Eyermann, VwGO, Vorb. §§ 40 - 53 Rn. 22 m. w. Nachw.). Die Klägerin handelte allerdings nicht in diesem Sinne widersprüchlich, sondern hat bereits mit der Beantragung der Mahdabschaltungen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Abschaltungen, die sie selbst naturschutzfachlich nicht für erforderlich hielt, nur deshalb in den Eingriffs-Ausgleichs-Plan aufgenommen hat, weil der Beklagte andernfalls die Genehmigung versagt hätte. Die Klägerin kann verlangen, nur mit erforderlichen Nebenbestimmungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG belegt zu werden. Unabhängig von ihrer Beantragung darf der Beklagte keine Nebenbestimmungen festsetzen, die nicht erforderlich sind. Umgekehrt muss er sie im Falle der Erforderlichkeit auch ohne einen dahingehenden Antrag festsetzen. Hier handelt es sich um Nebenbestimmungen und nicht um eine bestimmte beantragte Betriebsweise, bei der der Beklagte an das Beantragte gebunden ist.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil die Nebenbestimmungen rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Nebenbestimmungen ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2024.
Rechtsgrundlage der Nebenbestimmungen ist § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Danach kann die Genehmigung unter Bedingungen erteilt und mit Auflagen verbunden werden, soweit dies erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Die Zugriffsverbote des speziellen Artenschutzrechts in § 44 BNatSchG zählen zu den anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen dürfen (Scheidler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand August 2024, § 6 Rn. 76). Der Beklagte hat angenommen, dass die Nebenbestimmungen erforderlich sind, um ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG zu verhindern. Diese Bewertung ist jedenfalls mit Blick auf die im Mittelpunkt der Begründung des Beklagten stehenden Arten Rotmilan und Weißstorch im Ergebnis nicht zu beanstanden.
a) Der Beklagte hat, wenn auch erst in der Klagebegründung, darauf abgestellt, dass das Vorhaben der Klägerin Teil eines Repowering-Vorhabens ist und die Frage eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos deshalb nach § 45c BNatSchG zu beurteilen ist. Diese Einschätzung trifft nach Ansicht des Senats zu.
Nach § 45c Abs. 1 Satz 1 BNatSchG in der hier maßgeblichen, bis zum 8. Juli 2024 gültigen Fassung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1362) gelten die nachfolgenden Absätze für Vorhaben zur Modernisierung von Windenergieanlagen an Land nach § 16b Abs. 1 und 2 BImSchG (insoweit in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung von Vorgaben der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen für Zulassungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, dem Wasserhaushaltsgesetz und dem Bundeswasserstraßengesetz vom 18. August 2021, BGBl. I S. 3901). Nach § 16b Abs. 2 Satz 1 BImSchG in der maßgeblichen Fassung umfasst die Modernisierung den vollständigen oder teilweisen Austausch von Anlagen oder Betriebssystemen und geräten zum Austausch von Kapazität oder zur Steigerung der Effizienz oder der Kapazität der Anlage. Darunter ist auch der Austausch von zwei gegen drei Anlagen zu fassen. Zwar wird dies durch die aktuelle Fassung von § 16b Abs. 2 Satz 1 BImSchG noch deutlicher, nämlich ausdrücklich („unabhängig von Veränderungen der Anlagenzahl“) geregelt. Die Neufassung sollte jedoch insoweit nur der Klarstellung dienen (BR-Drs. 201/23 S. 18). Erweiternd gegenüber § 16b Abs. 2 Satz 2 BImSchG in der hier maßgeblichen Fassung wurden nach § 45c Abs. 1 Satz 2 BNatSchG in der hier maßgeblichen Fassung auch neue Windenergieanlagen erfasst, die innerhalb von 48 Monaten nach dem Rückbau der Bestandsanlage errichtet werden und der Abstand zwischen der Bestandsanlage und der neuen Anlage höchstens das Fünffache der Gesamthöhe der neuen Anlage beträgt (vgl. zu den seinerzeit divergierenden Modernisierungsbegriffen M. Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 4. Aufl., § 45c Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind angesichts des beabsichtigten Rückbaus der beiden Altanlagen und der dargestellten Abstände von max. 510 m hier erfüllt.
b) Danach gilt für das Vorhaben zugunsten der Klägerin § 45c Abs. 2 BImSchG, wonach der Umfang der artenschutzrechtlichen Prüfung durch das Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 16b Abs. 1 BImSchG nicht berührt wird (Satz 1). Die Auswirkungen der zu ersetzenden Bestandsanlagen müssen bei der artenschutzrechtlichen Prüfung als Vorbelastung berücksichtigt werden (Satz 2). Dabei sind insbesondere folgende Umstände einzubeziehen: 1. die Anzahl, die Höhe, die Rotorfläche, der Rotordurchgang und die planungsrechtliche Zuordnung der Bestandsanlagen, 2. die Lage der Brutplätze kollisionsgefährdeter Arten, 3. die Berücksichtigung der Belange des Artenschutzes zum Zeitpunkt der Genehmigung und 4. die durchgeführten Schutzmaßnahmen (Satz 3). Soweit die Auswirkungen der Neuanlagen unter Berücksichtigung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen geringer als oder gleich sind wie die der Bestandsanlagen, ist davon auszugehen, dass die Signifikanzschwelle in der Regel nicht überschritten ist, es sei denn, der Standort liegt in einem Natura 2000-Gebiet mit kollisionsgefährdeten oder störungsempfindlichen Vogel- oder Fledermausarten (Satz 4).
Erforderlich ist deshalb zunächst eine (volle) naturschutzrechtliche Prüfung des Neuvorhabens und sodann eine Prüfung der Auswirkungen der zu ersetzenden Anlagen als in Abzug zu bringende Vorbelastung (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 105. EL September 2024, BNatSchG § 45c Rn. 5) sowie eine Bewertung des sich daraus ergebenden „Deltas“. Dazu im Einzelnen:
aa) Das zu betrachtende Neuvorhaben, von dem die Errichtung und der Betrieb der hier streitgegenständlichen Anlage ein Teil ist, besteht aus drei Anlagen. Das Vorhaben stellt eine nach § 15 Abs. 1 BNatSchG unvermeidbare Beeinträchtigung von Natur und Landschaft dar. Insoweit greifen die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände, insbesondere die Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG, gemäß § 44 Abs. 5 BNatSchG u.a. für die europäischen Vogelarten in modifizierter Form. In § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG ist bestimmt, dass ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht vorliegt, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann.
Der Beklagte geht davon aus, dass durch die drei Neuanlagen gerade bei landwirtschaftlichen Bearbeitungen auf den umliegenden Ackerschlägen ein signifikantes Tötungsrisiko für die Vogelarten Rotmilan und Weißstorch besteht und dieses Tötungsrisiko durch die verfügten Mahdabschaltungen unter die Signifikanzschwelle gesenkt wird. Da hinsichtlich der WEA 02 und 03 die verfügten Mahdabschaltungen vom dortigen Anlagenbetreiber nicht weiter angegriffen werden, bleibt als Objekt der Prüfung eines Verstoßes des Vorhabens gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG die streitgegenständliche WEA 01 der Klägerin.
Insoweit ist der Tatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nicht bereits wegen der an keinem Ort völlig auszuschließenden Gefahr erfüllt, dass einzelne Exemplare geschützter Arten durch ein Vorhaben getötet werden. Erfüllt ist der Tatbestand erst, wenn das Risiko des Verlusts von Einzelexemplaren unter Berücksichtigung artspezifischer Verhaltensweisen, häufiger Frequentierung des Einwirkungsbereichs der Anlage und der Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen einen Risikobereich übersteigt, der mit einem Vorhaben der zur Genehmigung stehenden Art im Naturraum immer und an jedem Ort verbunden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2023 – OVG 3a A 73/23 –, juris Rn. 46). Andererseits ist eine umso größere Gefährdung nicht deshalb zulässig, weil sie in einem Umfeld erfolgt, in dem bereits aufgrund anderweitiger Vorbelastungen ein erhöhtes Tötungsrisiko besteht (OVG Münster, Beschluss vom 1. April 2019 – 8 B 1013/18 –, juris Rn. 25).
Bei der gerichtlichen Kontrolle von naturschutzrechtlichen Bewertungen und damit auch bei der Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nach § 44 Abs. 1 BNatSchG ist grundsätzlich Folgendes zu berücksichtigen: Fehlt es zur Beantwortung einer sich nach außerrechtlichen naturschutzfachlichen Kriterien richtenden Rechtsfrage an normativen Konkretisierungen und ist die naturschutzrechtliche Prüfung damit auf außerrechtliche, insbesondere ökologische Bewertungen einschließlich technischer und naturwissenschaftlicher Prognosen angewiesen, ist zunächst zu prüfen, ob hierfür in den einschlägigen Fachkreisen und in der einschlägigen Wissenschaft allgemein anerkannte Maßstäbe und Methoden bestehen. Ist dies der Fall, prüft das Gericht die Einhaltung dieser Maßstäbe und Methoden bzw. die Gründe für ein Abweichen. Fehlt es hingegen an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden und infolgedessen auch an der Richtigkeitsgewähr einer naturschutzfachlichen Bewertung, beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung, ob die von der Behörde verwendeten Maßstäbe und Methoden naturschutzfachlich vertretbar sind und die Behörde im Ergebnis zu einer plausiblen Einschätzung gelangt ist. Bei sachhaltigen Einwänden gegen die von der Behörde verwendete Methode muss das Gericht zudem prüfen, ob diese Einwände die Methodik, Grundannahmen und Schlussfolgerungen der Behörde substantiell in Frage stellen. Darüber hinaus obliegt es der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, ob der Behörde bei der Ermittlung und Anwendung der von ihr gewählten Methode Verfahrensfehler unterlaufen sind, ob sie anzuwendendes Recht verkannt hat, von einem unrichtigen oder nicht hinreichend aufgeklärten Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 1 BvR 2523/13 –, juris Rn. 15 ff.; BVerwG, Urteil vom 3. November 2020 – 9 A 9/19 –, juris Rn. 113; VGH Kassel, Urteil vom 23. Februar 2024 – 11 C 2414/21.T –, juris Rn. 83; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2025 – OVG 7 A 11/24 –, UA S. 14 f.).
Normative Konkretisierungen der naturschutzfachlichen Kriterien in Gestalt des § 45b BNatSchG kommen hier nicht zur Anwendung, da die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift in § 74 Abs. 4 BNatSchG nicht erfüllt sind und die Klägerin die Anwendung des § 45b BNatSchG auch nicht nach § 74 Abs. 5 BNatSchG im Verwaltungsverfahren oder im Klageverfahren verlangt (und demgemäß keine entsprechenden Antragsunterlagen eingereicht) hat, sondern im Widerspruchsverfahren ausdrücklich erklärt hat, dass nicht nach neuem Recht geprüft werden solle; die Ausführungen zu § 45b BNatSchG seien nur eine analoge Übertragung der Gedanken aus der neuen Regelung angesichts der großen Entfernung zwischen Anlagenstandort und Brutplatz. In diesem Sinne sind auch die ergänzenden Ausführungen der Klägerin im Klageverfahren zu den Abständen nach der Neuregelung zu verstehen.
In den einschlägigen Fachkreisen und in der einschlägigen Wissenschaft allgemein anerkannte Maßstäbe und Methoden zur Bewertung eines erhöhten Tötungsrisikos für Brutvögel durch Windenergieanlagen bestehen ebenfalls nicht. Vielmehr existieren verschiedene Leitfäden, Empfehlungen und Fachkonventionen, die für naturschutzfachliche Bewertungen herangezogen werden (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. September 2023 – OVG 3a A 73/23 –, juris Rn. 48; vgl. speziell in Bezug auf den Schutz des Rotmilans auch die Darstellung bei VGH Mannheim, Urteil vom 11. Dezember 2023 – 10 S 1914/22 –, juris Rn. 70).
Der Beklagte entnimmt die relevanten Maßstäbe zur Einschätzung des Tötungsrisikos kollisionsgefährdeter Arten in ständiger, durch das Oberverwaltungsgericht gebilligter (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. August 2018 – OVG 11 S 10.18 , juris Rn. 11) Verwaltungspraxis – so auch hier in seinen Ausführungen zu einem signifikant erhöhten Tötungsrisiko durch die WEA 01 in dem Ausgangsbescheid und dem Widerspruchsbescheid – dem Erlass des MUGV vom 1. Januar 2011 zur Beachtung naturschutzfachlicher Belange bei der Ausweisung von Windeignungsgebieten und bei der Genehmigung von Windenergieanlagen (Windkrafterlass). Er zieht hiermit zur Sicherstellung eines landesweit einheitlichen Bewertungsmaßstabs als fachliche Grundlage für die Stellungnahmen der Naturschutzbehörden in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen in Brandenburg u.a. die sog. Tierökologischen Abstandskriterien (TAK) heran, die Schutz- und Restriktionsbereichen ausweisen. Als Schutzbereich werden artenschutzfachlich begründete Abstände zu den Fortpflanzungs- und Ruhestätten bedrohter und störungssensibler Vogelarten definiert, während als Restriktionsbereich solche Bereiche bezeichnet werden, in denen tierökologische Belange des Naturschutzes zu Einschränkungen oder Modifikationen im Planungs- bzw. Genehmigungsprozess, wie etwa Verkleinerung oder Verlagerung von Anlagenstandorten oder zu Schutzauflagen führen können. In Bezug auf den Rotmilan ist zu beachten, dass die TAK keinen Restriktionsbereich bestimmen, den Schutzbereich aber ausdrücklich anders als bei anderen im Erlass behandelten Arten mit „mindestens“ 1.000 m angeben und dadurch zum Ausdruck bringen, dass nach den Umständen des Einzelfalls, die etwa in einer besonders hohen Aufenthaltswahrscheinlichkeit begründet liegen können, auch jenseits des Mindestschutzradius ein Tötungsrisiko noch signifikant sein kann.
Davon ausgehend begegnet mit Blick auf das Tötungsrisiko für Exemplare der Art Rotmilan zunächst die Bestimmung eines Schutzbereichs von „mindestens“ 1.000 m um den Horst in den TAK keinen Bedenken, sondern ist naturschutzfachlich jedenfalls vertretbar. Durch die Bestimmung des mindestens einzuhaltenden Radius schafft der Erlass die Möglichkeit der Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls jenseits einer schematisch bestimmten Entfernung zum Horst. Fachliche Einwände gegen den auf diese Weise bestimmten bzw. zu bestimmenden Schutzbereich macht die Klägerin nicht geltend. Insbesondere zeigt sie nicht auf, dass ab einer Entfernung von über 1.000 m in jedem Fall ein signifikantes Tötungsrisiko fachlich ausgeschlossen ist. Dagegen sprechen schon jene Leitfäden und Fachkonventionen, die einen 1.000 m übersteigenden Signifikanzrahmen annehmen (vgl. etwa die Zusammenstellung bei OVG Münster, Urteil vom 1. März 2021 – 8 A 1183/18 –, juris Rn. 186 f.). Die Klägerin geht in ihrer Argumentation vielmehr darüber hinweg, dass der Schutzradius für den Rotmilan anders als bei den sonstigen im Windkrafterlass behandelten Arten ein Mindestradius ist.
Die Annahme des Beklagten, dass jedenfalls in Bezug auf den in einer Entfernung von 1.316 m vorhandenen Rotmilanhorst 1 eine besonders hohe Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Exemplaren der Art an der WEA 01 bei landwirtschaftlichen Bearbeitungen der Ackerflächen im Umfeld der Anlage besteht, die die Annahme eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos trotz der Überschreitung eines Radius von 1.000 m rechtfertigen, ist für den Senat nachvollziehbar und plausibel.
Der Beklagte hat hierzu in der Begründung des Widerspruchsbescheids ausgeführt, dass der Rotmilan als Nahrungsopportunist großräumig seinen Lebensraum durchstreife und zur Brutzeit besonders Grünland zur Nahrungssuche (Kleinsäuger) nutze, aber auch ländliche Siedlungen (Singvögel, Abfälle) sowie Verkehrsflächen (Aas) und Deponien (sofern vorhanden). Bei den WEA-Standorten handele es sich um Ackerstandorte mit einer Nutzung im Rahmen der regulären Fruchtfolge. Äcker zählten im Gegensatz zu Wiesen, Weiden und Brachen nicht zu den ganzjährig regelmäßig und bevorzugt aufgesuchten Nahrungsflächen von Rotmilanen. Diese Beurteilung spiegele sich auch in der Nahrungsflächenanalyse des Rotmilans wider. Demnach machten die regelmäßig nutzbaren Flächen (Grünland, Ortsrandbereiche, Randstrukturen, inkl. Waldränder, Straßen und Deponien) nur etwa ein Viertel des Flächenanteils im 3.000 m Radius um die betrachteten Brutplätze aus, die nicht nutzbaren Flächen (ausgedehnte geschlossene Waldbereiche, versiegelte Flächen) hingegen etwa ein Drittel. Die sonstigen Nahrungsflächen (lntensivacker), zu denen die WEA-Standorte zählten, machten den größten Flächenanteil mit ca. 45 % aus. Die Nutzung dieser Flächen zur Nahrungssuche hänge neben der Entfernung zu den Neststandorten von der tatsächlich angebauten Kultur und deren Bewirtschaftung ab. So werde die Erreichbarkeit der Nahrung bei Bewirtschaftungsereignissen für Störche, Rotmilane und andere Greifvögel deutlich gesteigert. Das betreffe insbesondere das Pflügen, Fräsen, alle Erntearbeiten sowie Mahd und Mulchen. ln solchen Situationen würden die bewirtschafteten Ackerschläge gezielt aufgesucht und angeflogen. Regelmäßig träfen dann Vögel aus größeren Entfernungen ein. Befänden sich auf den bearbeiteten Ackerschlägen Windenergieanlagen, komme es dabei zu einer sehr hohen Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Gefahrenbereich. Dabei sei die Aufmerksamkeit im Anflug und bei der Nahrungssuche auf den Boden gerichtet. Dadurch würden Hindernisse in der Luft – wie sich bewegende Rotoren – schlechter wahrgenommen. Zusätzliche Gefahrensituationen entstünden durch die auftretende Konkurrenz zwischen mehreren gleichzeitig anwesenden Exemplaren (z.B. Verfolgungsflüge) und Interaktionen der zahlreichen von der Mahd angezogenen Vögel, die die Aufmerksamkeit reduzierten. Den landwirtschaftlichen Flächen komme während der Bearbeitung/Mahd deshalb eine hohe Bedeutung für die Nahrungsverfügbarkeit im Vorhabengebiet zu. Die Analyse der Flugbewegungen zur Brutzeit im Jahr 2019 belege, dass der Bereich um die Horste flächendeckend zur Nahrungssuche genutzt werde. Die Art sei bei allen Begehungsterminen zwischen März und Juli 2019 festgestellt worden. Das gesamte Untersuchungsgebiet werde von Rotmilanen zur Nahrungssuche genutzt. Da insgesamt keine herausragenden Nahrungsflächen im Gebiet vorhanden seien, sei davon auszugehen, dass sich der Rotmilan durch sein opportunistisches Jagdverhalten bei landwirtschaftlichen Aktivitäten besonders auf diese Flächen konzentriere. Bewirtschaftungsereignissen komme somit bei der Nahrungsaufnahme eine zentrale Bedeutung zu, wobei die erhöhte Attraktivität der bewirtschafteten Flächen in der Regel nur kurze Zeit (etwa zwei nachfolgende Tage) anhalte.
Der Beklagte hat außerdem auf die Bedeutung der Nähe der Anlage zu der Autobahn A 13 hingewiesen. Die Bedeutung von Autobahnen als Nahrungsquelle werde auch durch die hohe Zahl von Todfunden belegt. Einen großen Teil der Nahrung von Rotmilanen mache Aas aus. Zur Suche nach Aas würden geeignete Bereiche wie Straßen und frisch gemähte Wiesen oder umgebrochene Äcker gezielt durch Überflüge kontrolliert.
Diese Einschätzungen decken sich mit der Beschreibung des Verhaltens des Rotmilans in dem avifaunistischen Gutachten, wonach die Nahrungssuche vor allem im Kulturland stattfinde, z.B. an Mülldeponien und Straßen (S. 15), und das gesamte Untersuchungsgebiet zur Nahrungssuche genutzt werde (S. 25). Dafür sprechen zudem die kartierten Flugbewegungen von Rotmilanen im Vorhabengebiet (Karten 03a bis 03d und 04). Es trifft insoweit auch nach den avifaunistischen Untersuchungen nicht zu, dass die Rotmilane durch die weiteren Windenergieanlagen sowie eine Hochspannungsleitung bei der Nahrungssuche eher auf die freiliegenden Flächen südlich und westlich ihrer Horste gelenkt würden. Nach den Erkenntnissen der staatlichen Vogelschutzwarte werden Windenergieanlagen durch Rotmilane sogar eher gezielt aufgesucht als gemieden. Nahrungsangebot und -verfügbarkeit werden durch grünlandartige Flächen unter den Anlagen sowie Randstreifen entlang der Verbindungswege in Ackerlandschaften aufgewertet. Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit nimmt somit zu und das Kollisionsrisiko wird dadurch größer (Langgemach & Dürr: Informationen über Einflüsse der Windenergienutzung auf Vögel, Stand 09.08.2023, S. 60, Landesamt für Umwelt Brandenburg; Staatliche Vogelschutzwarte). Es erscheint deshalb nachvollziehbar, dass eine deutlich erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit und damit ein signifikant erhöhtes Kollisionsrisiko mit einer Windenergieanlage auch noch in rund 1.300 m Entfernung zu einem Horst bestehen kann, wenn sich die Anlage neben einer für die Nahrungssuche attraktiven Autobahn befindet und auf den umliegenden Ackerflächen, die zum Teil näher am Horst gelegen sind, landwirtschaftliche Bearbeitungen stattfinden, die die Attraktion mit Blick auf die wenigen ansonsten in der Umgebung zur Nahrungssuche nutzbaren Flächen besonders steigern.
Die Einwände der Klägerin vermögen diese Einschätzung des Beklagten nicht substantiell in Frage zu stellen. Sie macht zum einen geltend, dass trotz der Existenz des Windparks seit dem Jahr 2002 keine Todfunde von Rotmilanen bekannt geworden seien und sein Vorkommen im Vorhabengebiet weiterhin nachgewiesen werden könne. Dem hält der Beklagte nachvollziehbar entgegen, dass in dem Windpark keine systematische Schlagopfersuche stattfinde; die Schlagopferkartei des Landes Brandenburg beruhe eher auf Zufallsfunden ehrenamtlicher Naturschützer. Dass trotz des Windparks weiterhin Rotmilane das Gebiet des Windparks bevölkern, besagt lediglich, dass sie gegenüber Windenergieanlagen kein Vermeidungsverhalten zeigen. Gerade deshalb gelten sie als kollisionsgefährdete Art.
Die Klägerin macht weiter geltend, durch den großen Rotor-Boden-Abstand (Rotordurchgang) sinke das Kollisionsrisiko auch ohne Mahdabschaltungen unter die Signifikanzschwelle; die meisten Flugbewegungen erfolgten im bodennahen Bereich. Tatsächlich hält auch das avifaunistische Gutachten fest, dass der Großteil der beobachteten Flugbewegungen im Höhenbereich unterhalb der Rotoren stattfindet (dort S. 31 und S. 35 Tabelle 9). Allerdings ist die Zahl der insgesamt beobachteten Flüge gering und es wurden immerhin 3 von ca. 20 Flugbewegungen im Rotorenbereich bis 230 m festgestellt. Die Beklagte verweist zudem auf die naturschutzfachlichen Erkenntnisse bei Langgemach und Dürr (a.a.O.), wonach der Anteil der Funde an WEA mit hohem Rotor-Boden-Abstand (>80 m) enorm gestiegen sei. Bis Ende 2009 habe der Anteil bei 0 % gelegen, von 2010 bis 2022 bei 22 %. Auch die Nabenhöhe der WEA mit Rotmilanfunden reflektiere die Gefährdung an hohen Anlagen. Bis Ende 2009 seien 30 % der Funde auf WEA mit >80 m Nabenhöhe entfallen, von 2010 bis 2022 seien es 63,5 %. Der Beklagte hat ferner darauf hingewiesen, dass gerade das Fluggeschehen bei landwirtschaftlichen Ereignissen durch Konkurrenzen und ausschweifende Verfolgungsflüge geprägt ist, die sich auch jenseits der Bodennähe abspielten.
Dass sich neue Anlagen langsamer drehen, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, besagt für sich genommen nicht, dass von einer Anlage in den Dimensionen der hier genehmigten WEA 01 ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für kollisionsgefährdete Vogelarten nicht ausgehen kann. Insoweit ist der Einwand nicht hinreichend substantiiert, zumal auf der anderen Seite mit zunehmendem Rotordurchmesser die Blattspitzengeschwindigkeit pro Umdrehung steigen dürfte.
Soweit die Klägerin ferner einwendet, dass die Raststätte entgegen der Annahme des Beklagten keine besondere Attraktionswirkung auf Rotmilane entfalte, weil die Anlage – wie Lichtbilder zeigten – besonders sauber sei und keine Abfälle herumlägen, greift dieser Einwand nicht durch. Die Lichtbilder zeigen nur eine Momentaufnahme. Außerdem weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Anlage größere Flächen mit gemähtem Rasen aufweise, die für den Rotmilan nutzbare Nahrungsflächen darstellten. Somit entspreche die Struktur in Kombination mit weiteren möglichen Faktoren (z.B. Speisereste) den Ansprüchen des Rotmilans. An diesen Habitaten und Strukturen sei von einer regelmäßigen Aufsuche durch die Rotmilane auszugehen. Die A 13 sei minimal ca. 230 m und der Rastplatz nur 130 m von der WEA 01 entfernt. Für die Nahrungssuche attraktives Grünland liege ca. 530 m östlich der Anlage. Relevante Nahrungsfläche mit Attraktionswirkung sei jedoch vorrangig die Autobahn. Wenn direkt neben einer solchen regelmäßigen Nahrungsfläche eine Windenergieanlage errichtet werde, erhöhe sich das Risiko. Dieses nehme nach Errichtung der Anlage mit Kranstellflächen und Fundamentaufschüttung sowie Zuwegung weiter zu, da sich hier durch kurze Vegetation und ggf. Schlagopfer ein attraktives Nahrungsangebot finde. Solche Strukturen und Grenzlinien würden von Milanen bevorzugt abgeflogen. Diese Ausführungen sind unabhängig davon plausibel, ob und in welchem Maße an der Raststätte Abfälle vorhanden sind.
Der Beklagte hat die festgesetzten Mahdabschaltungen außerdem mit der Existenz eines seit 2018 jährlich besetzten Horstes eines Weißstorches in 2.070 m Entfernung in R_____ begründet. Die WEA 01 liegt im Restriktionsbereich für den Weißstorch. Laut TAK sind im Radius zwischen 1.000 und 3.000 m um den Horst die Nahrungsflächen sowie die Flugwege dorthin freizuhalten. Der Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass auch in Bezug auf den Weißstorch die Aufenthaltswahrscheinlichkeit im Vorhabengebiet bei landwirtschaftlichen Ereignissen deutlich gesteigert und das Tötungsrisiko signifikant erhöht sei. Dem hält die Klägerin im Wesentlichen lediglich entgegen, dass die Flugrouten des Weißstorchs zur Brutzeit ausweislich der Karte 05 des avifaunistischen Gutachtens nach Westen weg von der Vorhabenfläche weisen würden. Das überzeugt nicht. Die Karte erfasst, soweit ersichtlich, nur sehr wenige Flugbewegungen vom Horst in R_____ und erscheint deshalb nicht aussagekräftig, zumal sich nicht ergibt, dass die Beobachtungen an einem Tag mit landwirtschaftlichen Bearbeitungen stattfanden.
bb) Den Auswirkungen der WEA 01 auf die Arten Rotmilan und Weißstorch sind gem. § 45c Abs. 2 Satz 2 BNatSchG die Auswirkungen der beiden Altanlagen gegenüberzustellen, die zurückgebaut werden. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass (auch) von den Altanlagen angesichts ihrer Entfernung zu den Horsten von Rotmilan und Weißstorch ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko ausgegangen ist, da sie nicht mit Mahdabschaltungen belegt waren. Vor dem Hintergrund der plausiblen Annahme einer Überschreitung der Signifikanzschwelle durch die WEA 01 während landwirtschaftlicher Bearbeitungen (s.o.) ist diese naturschutzfachliche Bewertung ebenfalls plausibel.
Daraus folgt indes nicht, dass das Modernisierungsvorhaben nach § 45c Abs. 2 BNatSchG unter dem Gesichtspunkt der Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG unbedenklich sei, weil schon von den Altanlagen ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko ausgegangen ist. Wäre diese Sichtweise zutreffend, dürfte eine Altanlage, die gegen § 44 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 BNatSchG verstößt, in den weiten Grenzen des § 16b Abs. 2 BImSchG, also unabhängig vom Umfang der baulichen Größenunterschiede, der Leistungssteigerungen oder der Veränderungen der Anlagenanzahl im Verhältnis zur Bestandsanlage, durch Neuanlagen ersetzt werden ohne Rücksicht auf ein ggf. noch weiter gesteigertes Tötungsrisiko. Es kommt vielmehr für die im Rahmen der Delta-Prüfung gebotene Berücksichtigung der Vorbelastung insbesondere auf die in § 45c Abs. 2 Satz 3 BNatSchG genannten Kriterien an, anhand derer sich ergibt, ob die Auswirkungen der Neuanlagen unter Berücksichtigung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen im Sinne des § 45c Abs. 2 Satz 4 BNatSchG geringer als oder gleich sind wie die der Bestandsanlagen.
Diese Prüfung hat der Beklagte vorgenommen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal im Einzelnen erläutert. Dabei ist er nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Auswirkungen der WEA 01 gegenüber den Auswirkungen der Altanlagen jenseits der in beiden Fällen überschrittenen Signifikanzschwelle weiter zum Nachteil der Exemplare der betroffenen Arten Rotmilan und Weißstorch erhöhen. Unter Berücksichtigung der veränderten Abstände zu den Horsten, der veränderten Rotorflächen und des veränderten Rotor-Boden-Abstandes ergebe sich insgesamt eine gewisse Verschlechterung. Eine eher geringfügige Verbesserung durch die größere Höhe der Neuanlage werde durch die größere Rotorfläche mehr als aufgehoben. Das erscheint angesichts einer Vergrößerung der Rotorfläche der beiden Altanlagen von zusammen 10.054 qm auf eine Rotorfläche von 17.671 qm durch die WEA 01 nachvollziehbar und wird zusätzlich plausibel durch das beschriebene Flugverhalten der betroffenen Vogelarten bei der Nahrungssuche während landwirtschaftlicher Bearbeitungen (s.o.). Den sich je nach betrachtetem Horst im Vorhabengebiet ergebenden größeren oder kleinen Abständen zu den Altanlagen und der neuen Anlage WEA 01 misst der Beklagte demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung bei; unter naturschutzfachlichen Aspekten seien eher die funktionalen Gesichtspunkte im Vorhabengebiet von Bedeutung und die dargestellte besondere Attraktionswirkung von Ackerflächen bei landwirtschaftlicher Bearbeitung. Diese Ausführungen zu einem unter Berücksichtigung der Vorbelastung verbleibenden Delta sind für den Senat plausibel und von der Klägerin nicht substantiiert angegriffen worden.
Die generelle Eignung von Abschaltzeiten zur Senkung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen und ist für Abschaltungen in der Brutzeit (vgl. etwa die Übersicht bei VGH Mannheim, Urteil vom 11. Dezember 2023 – 10 S 1914/22 –, juris Rn. 68) und bei landwirtschaftlichen Ereignissen anerkannt (vgl. nur Anlage 1 zu § 45b BNatSchG). Dass die Nebenbestimmung 6.6 hinsichtlich der dortigen Detailregelungen (Abschaltzeitraum und zeiten, betroffene landwirtschaftliche Tätigkeiten, Flächenkulisse) fehlerhaft wäre, ist weder ersichtlich noch geltend gemacht.
c) Die weiter angegriffenen Nebenbestimmungen sind ebenfalls rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Nebenbestimmung 6.7 verpflichtet die Klägerin zu einer Unterrichtung des Beklagten, falls die mit dem Pächter der landwirtschaftlichen Flächen vereinbarten Meldepflichten vor Ablauf der Betriebszeit der WEA enden. Eine eigenständige Belastung durch diese die Mahdabschaltung nach Ziffer 6.6. flankierende Bestimmung ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
Die angegriffene Nebenbestimmung 6.8 verpflichtet die Klägerin zu einer Abschaltung der Anlage tagsüber während der Brutzeit, wenn und solange eine Abschaltung bei landwirtschaftlichen Ereignissen z.B. aufgrund einer Unwirksamkeit der Vereinbarung mit dem Pächter nicht gewährleistet werden kann. Auch diese Nebenbestimmung ist rechtmäßig. Die hilfsweise angeordnete Abschaltung während der Brutzeit soll gewährleisten, dass bei landwirtschaftlichen Bearbeitungen um die Windenergieanlagen, bei denen die Aufenthaltswahrscheinlichkeit deutlich erhöht ist, kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko besteht, wenn eine Abschaltung der Anlage während dieser Bearbeitungen nicht anderweitig sichergestellt werden kann. Mildere gleichwirksame Mittel sind nicht ersichtlich. Das von der Klägerin angeführte Kamerasystem wurde, anders als die Mahdabschaltungen, nicht beantragt. Es müsste zudem für den jeweiligen konkreten Standort entwickelt und ein entsprechendes Vermeidungskonzept vorgeschlagen werden (vgl, VGH Mannheim, Urteil vom 11. Dezember 2023 – 10 S 1914/22 –, juris Rn. 95). Zudem ist das einzig am Markt verfügbare System nach Angaben des Beklagten nur für den Rotmilan anerkannt, nicht aber für den Weißstorch. Der von der Klägerin als weniger belastend vorgeschlagene ornithologische Nachweis, dass keine entsprechenden Vögel im Gebiet brüten, ist nicht verlässlich umsetzbar und angesichts der von ihr selbst betonten langjährigen Bevölkerung des Gebietes u.a. mit Rotmilanen ohnehin kaum führbar.
Die Nebenbestimmungen 6.19 c) und d) enthalten verschiedene Nachweis- und Meldepflichten und sollen dem Beklagten die Kontrolle der hier angegriffenen Mahdabschaltungen ermöglichen. Eigenständige Anfechtungsgründe macht die Klägerin nicht geltend; sie sind auch nicht erkennbar.
Bei diesem Befund kann auch der Hilfsantrag keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.