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Entscheidung 10 U 54/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 10. Zivilsenat Entscheidungsdatum 10.04.2025
Aktenzeichen 10 U 54/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0410.10U54.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 10.04.2024, Az. 6 O 305/21, teilweise abgeändert und dafür zu Ziffer. 1 und 7. des landgerichtlichen Tenors wie folgt neu gefasst:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Wohnungseigentümergemeinschaft „... (Straße, Nr)“ in ... (Ort 01) einen Betrag in Höhe von 100.651 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2021 zu zahlen.

    7. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Kläger zu 67 % und der Beklagte zu 33 % zu tragen. Die durch die Streithilfe verursachten Kosten werden den Klägern zu 67 % auferlegt. Im Übrigen trägt die Streithelferin die Kosten der Streithilfe selbst.

  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Streithelferin trägt die Kosten der Streithilfe im Berufungsverfahren selbst.

  3. Dieses Urteil sowie die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.551 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger haben von dem Beklagten Vorschuss für Mangelbeseitigungskosten (Klageantrag zu 1), Schadensersatz (Klageantrag zu 2), Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3), die Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts hinsichtlich herauszugebender Unterlagen (Klageantrag zu 4), die Feststellung, dass ein Rücktrittsrecht wegen Zahlungsverzugs nicht bestehe (Klageantrag zu 5) sowie die Feststellung auf Ersatz weitergehender Mangelbeseitigungskosten, soweit diese den Vorschuss übersteigen (Klageantrag zu 6) verlangt. Der Beklagte hat die Kläger dagegen widerklagend auf Zahlung restlichen Kaufpreises in Anspruch genommen.

Davon sind für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung Vorschussansprüche wegen einer Entrauchungsanlage und wegen barrierefreien Zugangs sowie die Frage, ob auf den Vorschussanspruch Umsatzsteuer zu zahlen ist.

Mit notariellem Kaufvertrag vom XX.XX.2020 (Anlage K1) erwarben die Kläger von dem Beklagten - je zur ideellen Miteigentumshälfte - eine neu zu errichtende Wohnung in … (Ort 01), ... (Straße, Nr), im Erdgeschoss für einen Kaufpreis in Höhe von 550.000,00 €. Der Beklagte beauftragte die Streithelferin als Generalunternehmerin. Im Zuge der Errichtung des Gebäudes entstanden Streitigkeiten über die Mangelfreiheit von Gemeinschafts- und Sondereigentum.

Die Kläger haben - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - behauptet, in den Kellerräumen fehle eine Belüftungsöffnung zur Entrauchung ins Freie, für deren ordnungsgemäße Errichtung Kosten in Höhe von 2.500 € anfielen. Gemäß der Baubeschreibung seien die Erdgeschosswohnungen barrierefrei herzustellen. Dies sei angesichts der unstreitig 8 cm hohen Schwelle der Terrassentüren nicht geschehen. Die Beseitigung erfordere einen Vorschuss 3.300 €.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass eine Entrauchung im Keller ohnehin nicht geschuldet sei. Im Hinblick auf etwaig fehlende barrierefreie Zugänge seien Mängelrechte gemäß § 640 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Widerklage ganz und der Klage teilweise stattgegeben. Im Hinblick auf die abgewiesene Frage der Entrauchungsöffnung im Keller habe deren Fehlen zwar einen Mangel dargestellt. Allerdings fehle dem Gericht eine Schätzungsgrundlage für die Höhe des Vorschussanspruchs, die Kläger hätten hierzu nicht vorgetragen.

Die Behauptung der Kläger, die Terrassen seien nicht mit einem barrierefreien Zugang ausgeführt, führe zu keinem Anspruch. Denn die Kläger hätten weder eine vertragliche Verpflichtung zur Barrierefreiheit der Terrassenzugänge vorgetragen, noch dass sich eine solche Verpflichtung des Beklagten anderweitig ergebe. Es sei auch nicht vorgetragen, dass sich eine derartige Pflicht für den Beklagten aus der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO) herleiten lasse. Auf die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in anderen Wohnungen hätten die Kläger keinen Anspruch.

Die Kläger erachten die landgerichtliche Entscheidung im Hinblick auf den Vorschuss für die Entrauchungsöffnung (2.500 €), den barrierefreien Zugang Terrassen (3.300 €) als unzutreffend. Zudem habe das Landgericht nur den Nettobetrag für den Vorschuss zugesprochen, daher müsse noch die Umsatzsteuer in Höhe von 15.751 € zugesprochen werden.

Das Landgericht habe sich hinsichtlich des festgestellten Baumangels der Entrauchungsöffnung nicht in der Lage gesehen, die erforderlichen Aufwendungen zu bestimmen. Das sei jedoch unzutreffend, entweder müsse ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, oder andernfalls ein Mindestbetrag geschätzt werden.

Hinsichtlich des barrierefreien Zugangs zu den Terrassen habe das Landgericht übersehen, dass ein solcher zwischen den Parteien vereinbart gewesen sei. Soweit das Landgericht ausgeführt habe, dass den Klägern kein Anspruch auf Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften gegen den Bauträger zustehe, sei das ebenfalls unzutreffend. Schließlich habe das Landgericht schlicht übersehen, dass zum ausgeurteilten Vorschussbetrag noch Umsatzsteuer hinzukommen müsse.

Die Kläger haben zunächst beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 10. April 2024 – Az. 6 O 305/21 – zu verurteilen, an die Kläger weitere € 21.551,00 nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2024 stellen sie klar, dass

der Beklagte verurteilt werden solle, „an die Wohnungseigentümergemeinschaft „... (Straße, Nr)“ in ... (Ort 01)“ zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger hätten innerhalb der Berufungsfrist nur Zahlung an sich selbst verlangt, dass sei jedoch unzutreffend, da nur an die … (GmbH 01) gezahlt werden dürfe. Hinsichtlich der Kosten der Entrauchungsanlage sei von den Klägern bis auf die Erwähnung von „2.500 €“ nicht vorgetragen worden. Der fehlende barrierefreie Zugang sei den Klägern bei Abnahme bekannt gewesen, schon deshalb dürfe kein Vorschussanspruch geltend gemacht werden. Auch stehe nicht fest, dass eine Mangelbeseitigung überhaupt beabsichtigt sei. Umsatzsteuer habe das Landgericht schon deshalb nicht zusprechen können, weil diese nicht von Klageantrag und -vorbringen erfasst gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsrechtszug wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Im Hinblick auf den Berufungsantrag ist unerheblich, dass die Kläger innerhalb der Berufungsfrist ausdrücklich Zahlung an sich und nicht an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beantragt haben. Der Berufungsantrag ist der Auslegung zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2018 – XI ZR 207/17 –, Rn. 10, juris; BGH, Beschluss vom 17. Januar 2017 - XI ZR 170/16, BKR 2017, 152 Rn. 7; BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 24 mwN). Bei der Auslegung eines Klageantrags ist nicht an dessen buchstäblichem Sinn zu haften, sondern der wirkliche Wille der Partei zu erforschen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2021 – I ZR 79/20 –, Rn. 12, juris; BGH, Urteil vom 17. September 2015 - I ZR 92/14, GRUR 2016, 395 Rn. 40 = WRP 2016, 454; BGH, Urteil vom 21. März 2018 - VIII ZR 68/17, BGHZ 218, 139 Rn. 31).

Danach liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass alleine durch die Benennung des Zahlungsempfängers „die Kläger“ im Berufungsantrag eine Abänderung der erstinstanzlich beantragten und zugesprochen Zahlung an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfolgen sollte. Das wäre nach der recht verstandenen Interessenlage der Kläger im Übrigen sinnlos, was sie auch mit Schriftsatz vom 17. Juli 2024 klargestellt haben. Denn der einzelne Wohnungseigentümer kann wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum zwar selbst klagen, er muss Leistung aber an die Gemeinschaft geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2005 - VII ZR 304/03 -, BauR 2005, 1623; BGH Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05 -, BauR 2007, 1221; OLG Hamburg, Urteil vom 5. Februar 2024 – 4 U 44/22 –, Rn. 57, juris).

2. Die Berufung ist begründet. Den Klägern stehen die mit der Berufung geltend gemachten Vorschussansprüche gemäß §§ 650u, 637 Abs. 3, 633 BGB in Höhe von insgesamt 21.551 € zu. In Verbindung mit den erstinstanzlich rechtskräftig zugesprochenen 79.100 € unter Ziffer 1. des Tenors ergibt sich der Klageerfolg von insgesamt 100.651 €. Die erforderliche Frist zur Nacherfüllung mit Schreiben vom 1. September 2021 ist erfolglos verstrichen.

a) Die Kläger sind zur Geltendmachung von Mängeln des Gemeinschaftseigentums befugt. Regelmäßig besteht eine übereinstimmende Interessenlage aller Mitglieder der Eigentümergemeinschaft an einer mangelfreien Herstellung des Gemeinschaftseigentums. Insoweit werden deren Interessen und die schutzwerten Interessen des Veräußerers regelmäßig nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn die einzelnen Wohnungseigentümer den auf Mängelbeseitigung gerichteten Anspruch auf Nacherfüllung selbstständig gegenüber einem Baubeteiligten geltend machen (sowohl vor als auch nach § 9a WEG: BGH, Urteil vom 11. November 2022 – V ZR 213/21 –, Rn. 30, juris; BGH, Urteil vom 23. Februar 2024 – V ZR 132/23 –, Rn. 14, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13. Dezember 2023 – 4 U 22/23 –, Rn. 28, juris; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2023, BGB § 634 Rn. 93, beck-online mwN; Abramenko in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 9a WoEigG, Rn. 89; Staudinger/​Jacoby (2023) WEG § 9a, Rn. 204; vgl. auch BT-Drs. 19/18791, S. 47). Daher ist der Erwerber von Wohnungseigentum grundsätzlich berechtigt, seine individuellen Rechte aus dem Vertrag mit dem Veräußerer selbstständig zu verfolgen, solange durch sein Vorgehen gemeinschaftsbezogene Interessen der Wohnungseigentümer oder schützenswerte Interessen des Veräußerers nicht beeinträchtigt sind (BGH, Urteil vom 23. Februar 2024 – V ZR 132/23 –, Rn. 14, juris).

Das gilt auch für den Vorschussanspruch, mit der Maßgabe, dass er an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu zahlen ist. Bei Mängelansprüchen und insbesondere dem hier geltend gemachten Vorschussanspruch handelt es sich um individuelle Rechte aus dem Vertrag der jeweiligen Erwerber mit dem Veräußerer, die die Erwerber selbstständig verfolgen können (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2023 – VII ZR 13/22 –, Rn. 1, juris; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2023 – VII ZR 887/21 –, juris; BGH, Urteil vom 20. September 2019 – V ZR 258/18 –, Rn. 7, juris; BGH, Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05 -, BGHZ 172, 42-58, juris Rn. 18/20; BGH, Urteil vom 5. Mai 1977 – VII ZR 36/76 –, BGHZ 68, 372-379, Rn. 39; OLG Stuttgart, Urteil vom 2. April 2024 – 10 U 13/23 –, Rn. 71, juris; Grziwotz in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 9a WoEigG, Rn. 15). Die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum unterfallen nicht der Ausübungsbefugnis gem. § 9a Abs. 2 WEG. Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann solche Rechte auch nach der Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2023 – VII ZR 13/22 –, Rn. 1, juris; BGH, Beschluss vom 1. Februar 2023 – VII ZR 887/21 –, juris; BGH, Urteil vom 11. November 2022 – V ZR 213/21 –, Rn. 30, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13. Dezember 2023 – 4 U 22/23 –, juris). Es ist auch nicht vorgetragen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Durchsetzung der Mängelrechte durch Beschluss an sich gezogen hat; vielmehr haben die Kläger vorgebracht, dass ein solcher Antrag abgelehnt worden sei (Bl. 240 LG).

Soweit der Beklagte behauptet, eine Mangelbeseitigung sei von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer insbesondere bei den Terrassentüren nicht beabsichtigt, steht das dem Vorschussanspruch ebenfalls nicht entgegen. Unabhängig davon, dass der Beklagte für das bestrittene Fehlen der Mangelbeseitigungsabsicht keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen hat, ist zu berücksichtigen, dass ihm ohnehin ein Rückforderungsanspruch zusteht, falls die Mangelbeseitigung nicht binnen angemessener Frist durchgeführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – VII ZR 108/08 –, BGHZ 183, 366-376, Rn. 20).

b) Den Klägern steht der geltend gemachte Vorschussanspruch hinsichtlich der Entrauchung im Keller in der geltend gemachten Höhe von 2.500 € zu. Die Sachverständige hat festgestellt, dass die Entrauchung im Keller nicht ausreichend groß dimensioniert ist; das ist auch von den Parteien nicht angegriffen, damit liegt ein Mangel vor.

Der Vorschussanspruch ist nach den voraussichtlich anfallenden erforderlichen Aufwendungen zu bemessen. Maßgeblich sind die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehenden Kosten, die zu schätzen sind. Genauere Feststellungen zur Höhe des Vorschusses sind entbehrlich, weil über den Vorschuss abzurechnen ist (BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 - VII ZR 115/99, NZBau 2001, 313; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Januar 2023 – I-22 U 300/21 –, Rn. 75, juris), die Angabe von Schätzbeträgen für voraussichtliche Mängelbeseitigungskosten genügt als schlüssiger Prozessvortrag (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 – V ZR 201/09 –, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 7. März 1985 – VII ZR 60/83 –, Rn. 28, juris; Staudinger/​Klein/​Moufang (2024) BGB § 650q, Rn. 17).

Hiervon ausgehend liegen entgegen der Auffassung des Landgerichts hinreichende Grundlagen für eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vor. Eine Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO kommt in Betracht, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Der Schätzung der Höhe nach gemäß § 287 Abs. 2 ZPO müssen tragfähige Anknüpfungspunkte zugrunde liegen. Sie darf nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (BGH, Urteil vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13 –, juris). Um der Beweisnot des Betroffenen abzuhelfen, hat der Richter den Schaden zu schätzen, wenn und soweit die festgestellten Umstände hierfür noch eine genügende Grundlage abgeben; das Gericht kann und muss aber von jeder Schätzung absehen, wenn diese mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2021 – VIII ZR 111/20 –, BGHZ 231, 149-179, Rn. 60; BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 – III ZR 18/83 –, BGHZ 91, 243-262, Rn. 55). Steht indessen fest, dass ein Schaden in einem der Höhe nach nicht bestimmbaren, aber jedenfalls erheblichen Ausmaß entstanden ist, dann wird sich in der Regel aus den Umständen, die die Annahme eines erheblichen Schadens begründen, eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung eines gewissen (Mindest-)Schadens gewinnen lassen (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1963 - III ZR 47/63, NJW 1964, 589 unter IV. 3; BGH, Urteil vom 26. November 1986 – VIII ZR 260/85 –, Rn. 10, juris).

Ein Privatgutachten ist dabei regelmäßig als besonders substantiierter Parteivortrag einzuordnen (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2020 – IV ZR 220/19 –, Rn. 18, juris; BGH, Beschluss vom 13. November 2013 – IV ZR 224/13 –, Rn. 8, juris; BGH, Urteil vom 19. Februar 2003 – IV ZR 321/02 –, Rn. 10, juris). So ist es auch vorliegend, auch wenn der Substantiierungsgrad dadurch eingeschränkt wird, dass der Privatgutachter seine Vorschussschätzung von 2.500 € nur allgemein erläutert hat. Gleichwohl liegen damit im Hinblick auf die beim Vorschussanspruch ohnehin gelockerten Maßstäbe greifbare Anhaltspunkte für die Schadenschätzung und zwar in Höhe von 2.500 € vor. Da der Beklagte hierauf bis auf einfaches Bestreiten nicht weiter eingegangen ist, steht den Klägern der Vorschussanspruch in Höhe von 2.500 € zu, weil eben dieser Betrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erforderlich sein wird.

c) Den Klägern steht auch der geltend gemachte Vorschussanspruch hinsichtlich der Barrierefreiheit wegen zu hoher Schwellen der Terrassentüren in der geltend gemachten Höhe von 3.300 € zu.

aa) Die Geltendmachung von Mängelrechten ist nicht gemäß § 640 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Der Verlust von Gewährleistungsansprüchen durch vorbehaltlose Abnahme tritt ein, wenn der Besteller im Zeitpunkt der Abnahme positive Kenntnis von einem Mangel hat. Auf ein „Kennenmüssen“ kommt es nicht an. Dabei reicht es nicht aus, wenn der Besteller das äußere Erscheinungsbild des Mangels wahrnimmt (BGH, Urteil vom 9. November 2000 – VII ZR 409/99 –, Rn. 17, juris). Entscheidend ist das Wissen um die Fehlerhaftigkeit des Werks (OLG Karlsruhe, Urteil vom 29. Mai 2009 – 4 U 160/08 –, Rn. 51, juris; BeckOK BauVertrR/Hummel/Preussner, 28. Ed. 15.2.2025, BGB § 640 Rn. 212, beck-online). Hierfür bestehen hinsichtlich der zu hohen Schwellen keine Anhaltspunkte (siehe Kenntnis für Mängel „fehlende Barrierefreiheit“ verneinend: OLG Karlsruhe, Urteil vom 29. Mai 2009 – 4 U 160/08, juris).

bb) Es liegt entgegen der Auffassung des Landgerichts auch ein Mangel gemäß § 633 BGB vor. Dabei sind die Schwellen von Terrassen dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 29. Mai 2009 – 4 U 160/08 –, Rn. 45, juris), die Kläger sind nach dem unter 1. Ausgeführten zur Geltendmachung berechtigt.

Es kann offen bleiben, ob die Mangelhaftigkeit nicht bereits aus einem Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften folgt. Denn die Baubeschreibung sieht unter Ziffer 3.9 ausdrücklich vor, dass die Erdgeschosswohnungen barrierefrei geplant sind (Anlagenband, S. 120 Tietje Pivat GA). Bei der Auslegung der von dem Beklagten geschuldeten werkvertraglichen Leistung kommt einer Baubeschreibung wesentliche Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 25. Oktober 2007 – VII ZR 05/06 –, Rn. 18, juris). Das bezieht auch die Ankündigung einer barrierefreien Errichtung mit ein (OLG Karlsruhe, Urteil vom 29. Mai 2009 – 4 U 160/08 –, Rn. 55, juris). Danach haben die Parteien vereinbart, dass ihre Wohnung barrierefrei errichtet wird, was im Hinblick auf die unstreitig 8 cm hohen Türschwellen an der Terrasse nicht der Fall ist.

Dabei ist nach den unter 2.b) aufgezeigten Maßstäben durch Bezugnahme auf die Ausführungen des Privatgutachters und dessen Kostenschätzung von 3.300 € hinreichend vorgetragen, dass ein entsprechender Vorschussanspruch besteht.

d) Die Kläger können von dem Beklagten auch die Zahlung eines Bruttovorschusses verlangen, sie haben diesen auch erstinstanzlich schon ausdrücklich geltend gemacht (“insgesamt brutto“ Bl. 11 LG, S. 9 der Klageschrift; auch Bl. 196, 221 LG). Darüber hinaus wäre selbst die erstmalige Geltendmachung der Umsatzsteuer im Berufungsrechtszug gemäß § 533 ZPO zulässig, nachdem diese angesichts geklärter Grundlage und Berechnung ohnehin sachdienlich wäre. Die Kläger haben auch zu Recht einen Bruttovorschuss geltend gemacht. Der Vorschussanspruch umfasst die zukünftig anfallende Umsatzsteuer (BGH, Urteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 174/12 –, Rn. 24, juris; BeckOGK/Seichter, 1.7.2024, BGB § 634 Rn. 271), so dass die Klage insoweit begründet ist. Hierdurch wird die Beklagte nicht im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 2 BGB benachteiligt, da die Klägerin den Vorschuss nach Mängelbeseitigung abzurechnen hat (OLG Frankfurt, Urteil vom 16. September 2024 – 29 U 61/23 –, Rn. 56, juris; siehe auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. Dezember 2024 – 10 U 136/23 –, Rn. 51, juris; OLG Nürnberg, Urteil vom 30. November 2022 – 2 U 2012/14 –, Rn. 41, juris). Die Kläger sind auch nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (Bl. 59 OLG). Daher steht den Klägern ein Betrag von 15.751 € Umsatzsteuer zu, der sich aus den unangegriffenen Ausführungen in der Berufungsbegründung wie folgt errechnet:

79.100 € Urteil des Landgerichts

- 2.000 € Schallisolierung (bereits mit Umsatzsteuer zugesprochen)

77.100 €

Auf den Betrag von 77.100 € entfällt ein Umsatzsteueranteil von

14.649 € (19%)

+ 1.102 € Umsatzsteuer auf € 5.800,00 (Entrauchung und Türschwelle)

15.751 € Umsatzsteuer insgesamt

e) Die Ansprüche auf weitere Rechtshängigkeitszinsen aus 21.551 € ergeben sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

3. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 aE ZPO.

Eine Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung war im Hinblick auf den abweichend von der landgerichtlichen Entscheidung zugesprochenen Vorschuss für Entrauchung und Barrierfreiheit von 5.800 € und die Umsatzsteuer von 15.751 € bei einem Streitwert von 225.000 € gemäß § 92 Abs.1 ZPO angezeigt.

Im Übrigen war die amtsgerichtliche Kostenentscheidung zutreffend. Das hiergegen gerichtete Vorbringen der Kläger greift nicht. Mit dem Klageantrag zu 4) haben die Kläger die Feststellung eines Zurückbehaltungsrechts an Kaufpreisforderungen des Beklagten hinsichtlich herauszugebender Unterlagen, jeweils in Höhe von 2.000,00 € verlangt. Diesen Antrag hat das Landgericht zutreffend als unzulässig zurückgewiesen, da nach Erhebung der Leistungswiderklage kein Feststellungsinteresse mehr bestanden habe. Der Streitgegenstand der Leistungsklage umfasst denjenigen der negativen Feststellungsklage mit (BGH, Urteil vom 20. Januar 1989 – V ZR 173/87 –, Rn. 15, juris).

Die Kläger haben zudem vorgetragen, die Verurteilung zur Zahlung auf die Widerklage habe nicht uneingeschränkt erfolgen dürfen, weil sie ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Mängel geltend gemacht hätten. Das müsse sich nach tatsächlicher Erledigung in der Kostenentscheidung auswirken. Zwar trifft zu, dass bei einem - wie hier - streitigen Zurückbehaltungsrecht die Kostenentscheidung danach zu beurteilen ist, inwieweit der Beklagte mit seinem Zurückbehaltungsrecht durchgedrungen ist (BGH, Urteil vom 15. April 2010 – IX ZR 223/07 –, Rn. 41, juris). Hiervon ausgehend ist die erstinstanzliche Kostenentscheidung auch insoweit zutreffend. Denn die Mängel, auf die die Kläger ihr Zurückbehaltungsrecht stützen, sind bereits Gegenstand ihrer eigenen Klage auf Vorschuss. Damit führt ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht der Kläger eine nur unwesentliche Erhöhung ihres Klageerfolgs herbei und rechtfertigt keine gesonderte Berücksichtigung bei der Kostenquote.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO.

4. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO.

5. Der Streitwert wird für die Berufung gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO auf 21.551 € festgesetzt.