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Hochschulrecht; Zulassung; Studium der Rechtswissenschaft; WS 2009/2010; 1. FS; Viadrina; geeignete Berufsausbildung; Wirtschaftskauffrau; Ermessen; Zwischenprüfung; einstweilige Anordnung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 16.03.2010
Aktenzeichen OVG 5 S 30.09 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 5 Abs 1 DRiG, § 5a Abs 2 DRiG, § 5a Abs 3 DRiG, § 8 Abs 3 HSchulG BB 2008, § 12 Nr 1 HSchulG BB 2008, § 13 Abs 1 HSchulG BB 2008, § 13 Abs 3 HSchulG BB 2008, § 25 Abs 3 HSchulG BB, § 1 Abs 2 JAG BB, § 1 Abs 4 JAG BB, § 3 Abs 2 JAG BB, § 3 Abs 3 JAG BB

Leitsatz

Die Ausbildung zur Wirtschaftskauffrau stellt grundsätzlich eine geeignete Berufsausbildung im Sinne von § 8 Abs. 3 BbgHG dar, die zum Studium der Rechtswissenschaft berechtigt.

ähnlich OVG 5 NC 103.06 für Bankkaufmann

Tenor

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 14. Oktober 2009 wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Der Antragsgegner wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2009/2010 vorläufig zum Studium der Rechtswissenschaft im 1. Fachsemester zuzulassen.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge hat der Antragsgegner zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die 1966 geborene Antragstellerin begehrt nach § 8 Abs. 3 BbgHG als gelernte Wirtschaftskauffrau ihre Zulassung im grundständigen Studiengang der Rechtswissenschaft, für den eine Zulassungszahl nicht festgesetzt ist. Mit Bescheid vom 3. September 2009 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, die Berufsausbildung zur Wirtschaftskauffrau weise keinen spezifischen inhaltlichen Zusammenhang mit dem Studium der Rechtswissenschaft auf. Die Antragstellerin hat beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 14. Oktober 2009 hat das Gericht den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, es spreche alles dafür, dass es sich bei der Ausbildung der Antragstellerin nicht um eine für das Studium der Rechtswissenschaft geeignete Berufsausbildung handele. Zwar seien mit dem Brandenburgischen Hochschulgesetz 2008 die Zugangsvoraussetzungen erleichtert worden, jedoch könne auf eine Geeignetheitsprüfung nicht verzichtet werden, solle die Vorschrift nicht auf einen generellen Verzicht einer fachgebundenen Vorausbildung hinauslaufen. Dafür spreche auch die Gesetzessystematik, nach der die wesentlich weitergehende Kenntnisse vermittelnde Meisterprüfung lediglich zu einem Studium in der einschlägigen Fachrichtung berechtige. Abgesehen vom Fach „Betriebsökonomie/Sozialistisches Recht“ weise die Ausbildung der Antragstellerin keine Berührungspunkte mit rechtswissenschaftlichen Fragestellungen auf. Im Übrigen eröffne § 8 Abs. 3 BbgHG der Hochschule ein Ermessen. Für eine anspruchsbegründende Ermessensreduzierung „auf Null“ sei nichts ersichtlich.

II.

Die Beschwerde ist begründet.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Brandenburg vom 18. Dezember 2008 (GVBl. I S. 318) - BbgHG - erfüllt. Danach kann zum Studium in einem grundständigen Studiengang zugelassen werden, wer den Abschluss der Sekundarstufe I oder einen gleichwertigen Abschluss und eine für das beabsichtigte Studium geeignete abgeschlossene Berufsausbildung nachweist und danach eine mindestens zweijährige Berufserfahrung erworben hat. Ziel der damit geregelten Erweiterung der Möglichkeiten des Hochschulzugangs ist es, die Durchlässigkeit der Bildungsgänge nach der Konzeption des „lebenslangen Lernens“ zu erhöhen (vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 4/6419, S. 3). Ferner soll durch eine verstärkte Durchlässigkeit der Ausbildungssysteme die Hemmschwelle, auf eine zum Abitur führende schulische Ausbildung zu verzichten, abgebaut werden (vgl. Hailbronner, WissR 29 [1996], S. 1, 5).

Zwischen den Beteiligten ist zu Recht allein das Merkmal der geeigneten Berufsausbildung im Streit. Ein Bewerber erfüllt die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BbgHG, wenn dessen Berufsausbildung und anschließende praktische Erfahrung so zugeschnitten sind, dass dieser dank seiner hier erworbenen fachlichen Qualifikation als befähigt angesehen werden kann, sich den für ein erfolgreiches Studium notwendigen Stoff des angestrebten Studiengangs ebenso anzueignen wie derjenige, der dies - durch den Erwerb der allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung - in Bezug auf eine größere Bandbreite von Studienfächern gelernt hat. Die Anforderungen, die das Verwaltungsgericht an eine für das Studium der Rechtswissenschaft geeignete Berufsausbildung im Sinne des § 8 Abs. 3 BbgHG gestellt hat, sind überhöht.

Der enge Zusammenhang zwischen der Berufsausbildung und der späteren beruflichen Tätigkeit nötigt, wenn die Aufnahme eines Berufs - wie bei Juristen - eine bestimmte Ausbildung voraussetzt, Beschränkungen im Zugang zu der vorgeschriebenen Ausbildung ähnlich streng zu beurteilen wie Zulassungsvoraussetzungen für den Beruf selbst (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32.70, 1 BvL 25.71 -, E 33, 303, 330). Vor diesem Hintergrund rechtfertigt die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Ausbildung der Antragstellerin zur Wirtschaftskauffrau weise kaum für das Studium der Rechtswissenschaft erforderliche juristische Inhalte auf, nicht die Annahme, die Antragstellerin verfüge nicht über eine für das beabsichtigte Studium geeignete Berufsausbildung.

Bei der Beurteilung, ob die Antragstellerin in der Lage ist, sich den für ein erfolgreiches Studium notwendigen Stoff des Studiengangs Rechtswissenschaft ebenso anzueignen wie derjenige, der die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung erworben hat, ist zu berücksichtigen, dass sich das Studienfach Rechtswissenschaft Schulfächern nicht zuordnen lässt. Ein Studienbewerber, der über die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung verfügt, hat zwar die für ein Hochschulstudium erforderliche Grundbildung erworben und durch Aneignung erweiterter Kenntnisse und vertieftes wissenschaftspropädeutisches Verständnis seine Studierfähigkeit unter Beweis gestellt, kann aber in der Regel auf keine Vorkenntnisse aus der Schulzeit für das Studium der Rechtswissenschaft zurückgreifen, die hinreichend Aufschluss über seine spezielle fachliche Befähigung geben könnten. Der Besitz der allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung hat insoweit eine geringere Aussagekraft für die Qualifikation eines Bewerbers für das Studium der Rechtswissenschaft als für Studienfächer, in denen auf schulische Vorkenntnisse aufgebaut werden kann, die unmittelbar Rückschlüsse auf die fachliche Qualifikation des Bewerbers für den gewählten Studiengang erlauben (vgl. Beschluss des Senats vom 16. November 2006 - OVG 5 NC 103.06 -, Juris Rn. 4 und WissR 2007, 97 ff.; zu Zweifeln, ob generell eine deutliche und konstante Beziehung zwischen dem Abitur als Voraussetzung der Studieneignung und dem Studienerfolg besteht vgl. Hailbronner, WissR 27 [1994], S. 1, 11; ders., WissR 29 [1996], S. 1, 9 f., 24). Die Anzahl der Studenten mit allgemeiner Hochschulzugangsberechtigung, die das Studium der Rechtswissenschaft nicht mit Erfolg absolvieren, ist bekanntlich entsprechend außerordentlich hoch. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach ihrem Abschlusszeugnis auch eine Prüfung im Fach Recht zu absolvieren hatte und die Ausbildung sie u.a. dazu befähigen sollte, bei der Vorbereitung, dem Abschluss und der Realisierung von Verträgen mitzuwirken (vgl. Zif. 2.2.1. der Ausbildungsunterlage für die Facharbeiterausbildung, Lehrplan für die Facharbeiterausbildung Wirtschaftskaufmann, Ausgabe 1986), erlangt vor diesem Hintergrund größeres Gewicht als vom Verwaltungsgericht angenommen.

Es ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass das Studium der Rechtswissenschaft nicht auf die Vermittlung ausschließlich juristischer Kenntnisse beschränkt ist. So soll das Studium auch interdisziplinäre Bezüge des Rechts einbeziehen (vgl. § 5a Abs. 2 Satz 4 des Deutschen Richtergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. April 1972 [BGBl. I S. 713], zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 [BGBl. I S. 160] - DRiG -, und § 3 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Juristenausbildung im Land Brandenburg vom 4. Juni 2003 [GVBl. I S. 166], zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. April 2009 [GVBl. I S. 26, 59] - BbgJAG -). Insoweit dürften der Antragstellerin die wirtschaftlichen Bezüge des Rechts in ihrer Ausbildung bereits deutlich geworden sein. Das Studium der Rechtswissenschaft soll ferner Kompetenzen in den sogenannten Schlüsselqualifikationen vermitteln. Dazu zählen u.a. Gesprächsführung, Rhetorik und Kommunikationsfähigkeit (vgl. § 5a Abs. 3 Satz 1 DRiG, § 3 Abs. 2 Satz 1 BbgJAG, §§ 2 Satz 1, 27 der Studien- und Prüfungsordnung der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt [Oder] vom 5. Mai 2004, zuletzt geändert durch die Fünfte Änderungssatzung vom 12. Dezember 2007 - StudPrüfO -). Auch diesbezüglich lässt die Ausbildung zur Wirtschaftskauffrau Fähigkeiten der Antragstellerin erwarten, da die Vermittlung von Kenntnissen der Beratung von Kunden und Vertragspartnern nach Zif. 2.2.1. des oben genannten Lehrplans für die Facharbeiterausbildung zum Wirtschaftskaufmann ein Bestandteil der Ausbildung ist. Die aufgeführten Gesichtspunkte rechtfertigen bei summarischer Prüfung die Annahme, dass die Ausbildung der Antragstellerin zur Wirtschaftskauffrau eine für das Studium der Rechtswissenschaft geeignete Berufsausbildung im Sinne von § 8 Abs. 3 BbgHG ist.

Der vom Verwaltungsgericht zur Begründung seines engeren Verständnisses des Merkmals der geeigneten Berufsausbildung angestellte Vergleich mit der Zulassung nach Bestehen der Meisterprüfung in einem für das beabsichtigte Studium geeigneten Beruf nach § 8 Abs. 2 Satz 4 BbgHG vermag nicht zu überzeugen. Zwar berechtigt auch die - wesentlich weitergehenden Kenntnisse vermittelnde - Meisterprüfung nur zu einem Studium in der einschlägigen Fachrichtung. Anders als bei den anderen Berufsausbildungen benötigen Meister jedoch keine zweijährige Berufserfahrung, sodass die Meisterprüfung mit ihren höheren Ausbildungsanforderungen auch zu einem leichteren Hochschulzugang führt.

Ebensowenig zwingt der Fortfall der nach altem Recht vorgesehenen Eignungsprüfung (vgl. § 25 Abs. 3 des Brandenburgischen Hochschulgesetzes in der Fassung vom 6. Juli 2004 [GVBl. I S. 394]) zu einer Verschärfung der Zugangsvoraussetzung. Mit dem Ziel der Förderung und Erleichterung des Hochschulzugangs Berufstätiger sollten nach dem Willen des Gesetzgebers Bewerber künftig ohne weitere Eignungsprüfung oder die Pflicht zur Absolvierung von Probesemestern zum Studium in grundständigen Studiengängen zugelassen werden können, weil (auch) in Studiengängen, die mit einer staatlichen Prüfung abschließen, Zwischenprüfungen als obligatorische, zu einem bestimmten Zeitpunkt zu absolvierende Leistungskontrollen vorgesehen sind (vgl. LT-Drs. 4/6419, Einzelbegründung zu § 8 BbgHG), wie dies auch im Studium der Rechtswissenschaften der Fall ist (vgl. (vgl. § 5 Abs. 1 DRiG, §§ 1 Abs. 2, 4 Satz 1 BbgJAG, §§ 4 Abs. 1 und 2, 18 StudPrüfO).

Nach summarischer Prüfung eröffnet § 8 Abs. 3 BbgHG dem Antragsgegner kein Ermessen. Vielmehr spricht alles dafür, dass die Kann-Vorschrift als gebundene Ermächtigungsnorm zu verstehen ist. Denn nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BbgHG s i n d Studienbewerber zu immatrikulieren, wenn die Voraussetzungen nach § 8 erfüllt sind und die in § 13 Abs. 3 abschließend aufgeführten Versagungsgründe für die Immatrikulation nicht vorliegen. Auch die Zulassung zum gewählten Studiengang ist insoweit nach § 12 Nr. 1 BbgHG nur zu versagen, wenn die Voraussetzungen des § 8 oder einer auf der Grundlage des § 8 ergangenen Rechtsvorschrift nicht vorliegen. Da die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BbgHG hier nach summarischer Prüfung vorliegen, ist die Antragstellerin zu immatrikulieren und zum Studiengang Rechtswissenschaft vorläufig, d.h. bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuzulassen. Eine in das Ermessen des Antragsgegners gestellte Zulassung wäre im Übrigen mit den oben angesprochenen strengen Anforderungen an die Beschränkungen im Berufszugang schwerlich zu vereinbaren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).