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Entscheidung 13 WF 25/25


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 24.04.2025
Aktenzeichen 13 WF 25/25 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0424.13WF25.25.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 28.02.2025 - 29 F 175/24 - abgeändert.

Ziffer 1. des Ausspruchs erhält folgende Fassung:

Von den Gerichtskosten des Verfahrens hat der Beteiligte zu 2) die Hälfte zu tragen. Im Übrigen werden Gerichtskosten nicht erhoben und außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Antragstellerin wird für die Rechtsverfolgung im Beschwerderechtszug Verfahrenskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung bewilligt.

Wert des Beschwerdegegenstands: Bis 1.000 €.

Gründe

1. Die minderjährige Antragstellerin, vertreten durch das Jugendamt als Amtsvormund, wendet sich gegen die Auferlegung der Kosten nach ihrer Antragsrücknahme in einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren.

Mit Schriftsatz vom 03.09.2024 (Bl. 1) hat die Antragstellerin die Feststellung beantragt, dass der Beteiligte zu 2) ihr Vater sei. Die Mutter, deren Aufenthalt gegenwärtig nicht bekannt sei, habe während der gesetzlichen Empfängniszeit mit dem Beteiligten zu 2) Geschlechtsverkehr gehabt, habe aber ihre Zustimmung zu einer außergerichtlichen Vaterschaftsanerkennung durch den Beteiligten zu 2) verweigert.

Mit Schriftsatz vom 25.09.2025 (Bl. 10) hat der weitere Beteiligte zu 2) mitgeteilt, von seiner leiblichen Vaterschaft auszugehen und deren gerichtliche Feststellung zu befürworten.

Das aufgrund des Beweisbeschlusses des Amtsgerichts vom 17.10.2024 (Bl. 21) eingeholte Abstammungsgutachten vom 09.01.2024 (Bl. 37) schließt den Beteiligten zu 2) als Vater aus. Die Antragstellerin hat daraufhin ihren Antrag auf Vaterschaftsfeststellung zurückgenommen (Bl. 54).

Mit Beschluss vom 28.02.2025 (Bl. 55) hat das Amtsgericht die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin auferlegt, die sich hiergegen mit ihrer Beschwerde vom 14.03.2025 (Bl. 67) wendet.

2. Die Beschwerde ist zulässig, §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 FamFG, und in der Sache begründet.

Da die Spezialregelung des § 183 FamFG bei Anträgen auf Feststellung der Vaterschaft nach § 169 Nr. 1 FamFG nicht eingreift, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG (vgl. BGH NJW-RR 2014, 898). Dies gilt auch im hier vorliegenden Fall der Antragsrücknahme (OLG Naumburg BeckRS 2017, 140982; MüKoFamFG/Schindler, 4. Aufl. 2025, § 81 FamFG Rn. 19a). Nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen.

§ 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG räumt dem Gericht einen weiten Gestaltungsspielraum dahingehend ein, welchem Beteiligten welche Kosten des Verfahrens auferlegt werden. Das Gericht kann beispielsweise die Kosten ganz oder teilweise zwischen den Beteiligten aufteilen, die Kosten gegeneinander aufheben oder die Kostenregelung getrennt in Bezug auf die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten vornehmen. Die Vorschrift erlaubt es auch, nur bestimmte Kosten einem der Beteiligten aufzuerlegen oder von der Erhebung der Kosten ganz oder teilweise abzusehen (§ 81 Abs. 1 S. 2 FamFG). Dieses weite Ermessen des Gerichts bei der Entscheidung der Gerichtskosten erfährt nur eine Einschränkung in Absatz 2 der Vorschrift, wonach in den dort genannten Fällen die Verfahrenskosten einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegt werden sollen. Das Gericht hat in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher maßgeblicher Umstände die Kostenentscheidung zu treffen (BGH a. a. O.).

Nach diesen Maßstäben kann die vom Familiengericht getroffene Kostenentscheidung keinen Bestand haben, wobei es auf die in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur umstrittene Auffassung darüber, ob das Beschwerdegericht eine eigene Ermessenentscheidung zu treffen oder nur die erstinstanzliche Entscheidung auf Ermessensfehler zu überprüfen hat (vgl. zum Streitstand MüKoFamFG/Schindler, a. a. O. § 81 Rn. 103ff.) vorliegend nicht ankommt. Eine Ermessensausübung des Amtsgerichts bei der Kostenverteilung durch die angefochtene Entscheidung, in der ohne jegliche Begründung nur auf die Vorschrift des § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG hingewiesen wird, ist nämlich nicht ersichtlich.

Da ein Regelfall nach § 81 Abs. 2 FamFG, der die Auferlegung der Kosten auf die Antragstellerin rechtfertigen könnte, unter keinen denkbaren Gesichtspunkten eingreift, bleibt es bei den allgemeinen Abwägungskriterien des § 81 Abs. 1 S. 1 und 2 FamFG.

Dabei ist das Maß des Obsiegens oder Unterliegens zwar ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG eingestellt werden kann. Allerdings gelten für Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft Besonderheiten, die eine von den typischen Antragsverfahren in Kindschaftssachen abweichende Verteilung der Kosten rechtfertigen. Für die Verfahrenskosten kann nicht allein das Obsiegen oder Unterliegen der Beteiligten maßgeblich sein, wenn weitere Umstände vorliegen, die für eine sachgerechte Kostenentscheidung von Bedeutung sein können (BGH a. a. O.; OLG Naumburg a. a. O.).

So kann etwa die Bedeutung des Verfahrens für die einzelnen Beteiligten einen geeigneten Maßstab darstellen. Hieran gemessen kommen angesichts der gemeinsamen Verantwortung der in Frage kommenden Eltern für die Klärung der Vaterschaft eines Kindes allein diese in der Regel für die Kostentragung in Betracht. Eine Beteiligung eines minderjährigen Kindes - dem nach § 81 Abs. 3 FamFG nur in seine Person betreffenden Kindschaftssachen, nicht hingegen in Abstammungssachen generell keine Kosten auferlegt werden können (BeckOK FamFG/Weber, 53. Ed. 1.3.2025, § 81 Rn. 28a) - an den Gerichtskosten wäre hingegen unbillig, wenn es keinen Einfluss auf das Verhalten der in Frage kommenden Elternteile hat. In derartigen Fällen entspricht eine Belastung des Kindes mit den daraus entstehenden Kosten regelmäßig nicht der Billigkeit (Senat FamRZ 2021, 545; OLG Naumburg a. a. O.; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2017, 102813; MüKoFamFG/Schindler a. a. O. § 81 Rn. 19a).

So liegt der Fall hier: Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Klärung ihrer Abstammung. Da jedenfalls allein auf Grund des Verhaltens der anderen Beteiligten Unklarheiten darüber bestehen, wer ihr Vater ist, und eine (kostengünstigere) außergerichtliche Klärung scheitert, ohne dass diesbezüglich eine Verantwortung der Antragstellerin festzustellen ist, war sie gezwungen, ein Verfahren zur Klärung ihrer Abstammung einzuleiten.

Vorliegend ist eine Auferlegung der Hälfte der Gerichtskosten auf den weiteren Beteiligten zu 2) angemessen. Der Umstand, dass er zu einer außergerichtlichen Vaterschaftsanerkennung bereit gewesen wäre, vermag ihn nicht von der Beteiligung an den Gerichtskosten zu befreien, da die Durchführung des Feststellungsverfahrens jedenfalls für die von der Antragstellerin erstrebte Klärung der Vaterschaft unerlässlich war. Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 2) zu einer außergerichtlichen Durchführung einer genetischen Untersuchung nicht in der Lage gewesen und deshalb die Antragstellerin ausschließlich durch das Verhalten ihrer Mutter zur Antragstellung gezwungen worden sein könnte sind nicht ersichtlich, und dazu trägt der Beteiligte zu 2) auch nichts vor.

Eine Belastung der Beteiligten zu 1) mit der anderen Hälfte der Gerichtskosten kommt allerdings nicht in Betracht, weil weder ihr Aufenthalt zu ermitteln war, noch Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die weitere Beteiligte mit ihrer Beteiligung an dem Vaterschaftsfeststellungsverfahren rechnen musste. Aus diesem Grund ist von der Erhebung der Gerichtskosten insoweit abzusehen, § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

Auch in Ansehung der Auferlegung der außergerichtlichen Kosten kommen ausschließlich die Beteiligten zu 1) und 2) als diejenigen, die allein für die Klärung der Vaterschaft der Antragstellerin verantwortlich sind, in Betracht. Darüber hinaus ist der allgemeine Grundsatz zu berücksichtigen, dass in familiengerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Anordnung, außergerichtliche Kosten zu erstatten, Zurückhaltung geboten ist (Senat BeckRS 2022, 738; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, B. v. 29.03.2021, 9 F 3/21, juris). Unter Abwägung aller Umstände hat der Beteiligte zu 2) seine außergerichtlichen Kosten daher selbst zu tragen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG. Der Wert des Beschwerdegegenstands hat sich am Wert der Kosten erster Instanz zu orientieren, die die Antragstellerin aufgrund der angestrebten Änderung der Kostenentscheidung - nach der Beschwerdebegründung offenbar Befreiung von allen Verfahrenskosten - einspart. Unter Einschluss der Kosten des Sachverständigengutachtens beläuft sich das Wertinteresse der Antragstellerin bei einem erstinstanzlichen Verfahrenswert von 2.000 € auf bis zu 1.000 €.

4. Die antragsgemäße Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Beschwerderechtszug folgt aus §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114, 115, 119 Abs. 1 ZPO.