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Entscheidung 1 AR 4/25 (SA Z)


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 03.04.2025
Aktenzeichen 1 AR 4/25 (SA Z) ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0403.1AR4.25SA.Z.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Zuständig ist das Landgericht Frankfurt (Oder).

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus einem Schadensereignis am … in Levenhagen/Boltenhagen in Anspruch.

Er hat mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.9.2024 die Klage beim Landgericht Frankfurt (Oder) erhoben und Anträge auf die Zahlung von 4.991,80 € nebst Zinsen, die Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht der Beklagten, und die Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.134,55 € nebst Zinsen angekündigt.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat unter dem 8.10.2024 auf Bedenken gegen das Bestehen seiner örtlichen Zuständigkeit hingewiesen. In Reaktion darauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.10.2024 die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Rostock beantragt. Dem ist das Landgericht Frankfurt (Oder) durch Beschluss vom 29.10.2024 nachgekommen.

Das Landgericht Rostock hat am 19.11.2024 die Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens angeordnet, woraufhin die Klage am selben Tag zugestellt worden ist. Sodann hat es unter dem 22.1.2025 auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hingewiesen. Darauf hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11.2.2025, der der Beklagten zur Stellungnahme binnen zwei Wochen übermittelt worden ist, vorgetragen, dass sich der Hauptsitz der Beklagten in F_____/S_____ befinde, und – hilfsweise – darum gebeten, dass sich das Landgericht Rostock für unzuständig erkläre.

Durch Beschluss vom 27.2.2025 hat sich das Landgericht Rostock für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Frankfurt (Oder) verwiesen.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat am 11.3.2025 dort bestehende Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit sowie gegen die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Rostock zu den Akten vermerkt und den Vermerk den Parteien zur Stellungnahme zugeleitet.

Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.3.2025 die Durchführung einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO beantragt.

II.

Nach dem gegebenen Inhalt der Verfahrensakten ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt (Oder) für den vorliegenden Rechtsstreit auszusprechen.

1. 1. Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO durch das Brandenburgische Oberlandesgericht zu entscheiden, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist und das zu seinem Bezirk gehörende Landgericht Frankfurt (Oder) mit der Sache zuerst befasst gewesen ist.

2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das Landgericht Frankfurt (Oder) als auch das Landgericht Rostock haben sich im Sinne dieser Vorschrift rechtskräftig für unzuständig erklärt, und zwar Ersteres durch den Verweisungsbeschluss vom 29.10.2024 sowie den den Parteien zugeleiteten Vermerk vom 11.3.2025 und Letzteres durch den Verweisungsbeschluss vom 27.2.2025. Diese Entscheidungen genügen den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind, weil es dafür allein darauf ankommt, dass eine den Parteien bekanntgemachte beiderseitige Kompetenzleugnung vorliegt (statt vieler: Senat, NJW 2004, 780; Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., § 36, Rn. 34 f.). Dabei kann dahinstehen, ob etwas anderes daraus folgt, dass die vom Landgericht Frankfurt (Oder) ausgesprochene Verweisung vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt ist, da das Landgericht Frankfurt (Oder) nach Eintritt der Rechtshängigkeit nochmals seine Unzuständigkeit zu den Akten vermerkt und den Vermerk den Parteien zugeleitet hat.

3. Örtlich zuständig ist das Landgericht Frankfurt (Oder).

Seine Zuständigkeit folgt aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Rostock vom 27.2.2025 gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Regelung kann die Bindungswirkung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-)Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfallen. Im Interesse einer baldigen Klärung und Vermeidung wechselseitiger (Rück-)Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (BGH, Beschluss vom 17.5.2011, X ARZ 109/11, zitiert nach juris; Senat JMBl. 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink, NJW 2003, 2364 f.; jeweils m. w. N.).

Den derart zu konkretisierenden Einschränkungen der Bindungswirkung hält der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Rostock vom 27.2.2025 stand.

Der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör ist beachtet worden, nachdem das Landgericht Rostock den Schriftsatz des Klägers vom 11.2.2025 der Beklagten übersandt und erst nach – etwas mehr als – zwei Wochen den Beschluss über seine Unzuständigkeit und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Frankfurt (Oder) gefasst hat.

Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Rostock entbehrt auch nicht jeglicher gesetzlichen Grundlage. Er steht im Einklang mit der gesetzlichen Regelung in §§ 12, 17 ZPO, wonach der allgemeine Gerichtsstand einer Person durch deren Wohn- oder Geschäftssitz bestimmt wird. Nach dem Vorbringen im Schriftsatz des Klägers vom 11.2.2025, dass sich der Hauptsitz der Beklagten in F____/S____ befinde, besteht dieser Gerichtsstand beim Landgericht Frankfurt (Oder).

Das Landgericht Rostock hat nicht in willkürlicher Weise das Bestehen eines dortigen Gerichtsstands der Niederlassung nach § 21 ZPO verneint. Es hat sich in der Beschlussfassung vom 27.2.2025 eingehend mit diesem Gerichtsstand befasst und ist mit jedenfalls nicht völlig unvertretbaren Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass sein Bestehen nicht festgestellt werden könne. Wollte man – mit dem Landgericht Frankfurt (Oder) – dem nicht folgen, läge demzufolge nicht mehr als eine einfache Unrichtigkeit des Verweisungsbeschlusses vom 27.2.2025 vor, der seine Bindungswirkung nicht beeinträchtigt.

Der Bindungswirkung steht gleichfalls nicht entgegen, dass mit dem Bestehen auch des deliktischen Gerichtsstands nach § 32 ZPO ein Wahlrecht des Gerichtsstands gemäß § 35 ZPO bestanden hat. Zwar führt die Verkennung einer unwiderruflichen Wahlrechtsausübung nach § 35 ZPO regelmäßig zum Entfallen der Bindungswirkung der Verweisung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO (BGH NJW 2002, 3634, 3635; 1999, 1273; Senat, ständige Rechtsprechung, etwa: Beschluss vom 19.2.2025, 1 AR 2/25 (SA Z); Beschluss vom 7.8.2019, 1 AR 32/19 (SA Z); Beschluss vom 29.11.2016, 1 AR 4/16 (SA Z)). Ein solcher Fall liegt in Bezug auf den Verweisungsbeschluss des Landgerichts Rostock vom 27.2.2025 jedoch nicht vor. Geht man mit dem Landgericht Rostock vom Nichtbestehen des dortigen Gerichtsstands nach § 21 ZPO aus, so hat das Wahlrecht des Klägers nicht zwischen dem deliktischen Gerichtsstand und dem Landgericht Rostock, sondern zwischen dem deliktischen Gerichtsstand und dem Landgericht Frankfurt (Oder) als Gerichtsstand des Sitzes der Beklagten bestanden und ist durch den Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Rostock vom 11.10.2024 nicht bindend ausgeübt worden. Ob in der davorliegenden, ersten Anrufung des Landgerichts Frankfurt (Oder) bereits eine bindende Wahlrechtsausübung bestanden haben mag, bedarf dabei keiner näheren Betrachtung, da diese der Verweisung des Rechtsstreits durch das Landgericht Rostock an das Landgericht Frankfurt (Oder) nicht entgegenstünde, sondern unter dem Gesichtspunkt einer willkürlichen Verkennung der Wahlrechtsausübung durch das Landgericht Frankfurt (Oder) diese Verweisung erst recht eröffnen würde.

Auch abseits dessen entfaltet der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 29.10.2024 keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO. Denn die Geltung der Vorschriften in § 281 ZPO setzt die Rechtshängigkeit der Streitsache voraus (Zöller/Greger, a. a. O., § 281, Rn. 3, m. w. N.), die hier erst durch die durch die Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens durch das Landgericht Rostock vermittelte Zustellung der Klage am 29.11.2024 eingetreten ist; das hat zur Folge, dass die zuvor erfolgte Verweisung vom 29.10.2024 nicht der Geltung des § 281 Abs. 4 Abs. 2 Satz 4 ZPO unterliegt.