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Entscheidung 4 U 144/23


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Zivilsenat Entscheidungsdatum 09.04.2025
Aktenzeichen 4 U 144/23 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0409.4U144.23.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16.11.2023, Az. 6 O 103/22, wird zurückgewiesen.

  2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  3. Dieses und das in Ziffer 1 genannte Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt, ursprünglich als Sachwalter der ... (GmbH 01), über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 30.03.2022 das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet worden war, den Beklagten auf Schadensersatz gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG sowie aus unerlaubter Handlung in Anspruch.

Die ... (GmbH 01) ist eine in … (Ort 01) ansässige Gesellschaft, deren Alleingesellschafterin die … (Stadt 01) und deren satzungsrechtlicher Gegenstand die Versorgung von örtlichen Unternehmen und Privathaushalten mit Gas und Elektroenergie war und ist. Die ... (GmbH 01), die mit ihren Kunden Versorgungsverträge mit in der Regel überjähriger Bindung zu festen Abgabepreisen geschlossen hatte, lieferte im Jahr 2019 800 MWh Strom und im Jahr 2020 bereits 7.558 MWh, im Jahr 2021 betrug das Liefervolumen 12.252 MWh.

Alleiniger Geschäftsführer der ... (GmbH 01) war auf Grundlage des am 24.09.2018 geschlossenen Anstellungsvertrages seit dem 01.01.2019 bis zu seiner Abberufung im November 2021 der Beklagte. Er hatte nach § 1 des Anstellungsvertrages die Geschäfte u.a. nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung und der Weisungen des Aufsichtsrates zu führen.

Im Zuge der Neustrukturierung der Energiebeschaffung beauftragte die durch den Beklagten vertretene ... (GmbH 01) den Energiedienstleister ... (GmbH 02) im Januar 2019 mit der Erbringung von Dienstleistungen im Portfoliomanagement, u.a. zur Unterstützung durch Marktanalyse und Marktbeobachtung. Ferner veranlasste der Beklagte als Geschäftsführer die Erstellung eines Risikomanagementhandbuchs zur Strombeschaffung. Dieses lag dem seinerzeitigen Aufsichtsratsvorsitzenden … (Name 01) ausweislich der Aufsichtsratssitzung vom 20.11.2019 (Anlage B 8, Bl 90ff Anlagenheft Beklagter) zur Unterschrift vor, der den Aufsichtsrat insbesondere über das im Risikomanagementhandbuch mit 75.000 € angesetzte Risikokapital informierte. Ob das Risikomanagement in der Folgezeit umgesetzt wurde - die Unterzeichnung erfolgte zu einem unbekannten Datum -, ist unter den Parteien streitig.

Unstreitig tätigte der Beklagte in der Erwartung, dass sich die Energiepreise im Laufe des Jahres 2021 reduzieren würden, weder die Einkäufe für die von der ... (GmbH 01) ebenfalls betriebene Gasversorgung noch für die Stromversorgung. In der ersten Jahreshälfte des Jahres 2021 nahm er auf Grundlage eines mit der ... (GmbH 03) geschlossenen Rahmenvertrages im Namen der ... (GmbH 01) Leerverkäufe vor, d.h. er ging für die ... (GmbH 01) gegenüber der ... (GmbH 03) (im Folgenden: ... (GmbH 03)) Lieferverpflichtungen für Strommengen ein, die noch nicht beschafft waren und bei denen der Beklagte die Erwartung hegte, sie bis zum vereinbarten Liefertermin zu günstigen Preisen erwerben zu können. Absprachen mit dem Aufsichtsrat der ... (GmbH 01) - ein Risikokomitee war zu keinem Zeitpunkt gebildet worden - traf der Beklagte im Vorfeld hierzu nicht. Im Einzelnen tätigte er folgende Leerverkäufe, wobei die Lieferverpflichtungen aus den einzelnen Kontrakten im Laufe des Jahres 2022 fällig werden sollten:

09.03.2021 8.760 MWh für 476.544,00 € (54,40 €/MWh)
10.03.2021 17.520 MWh für  971.133,06 € (55,43 €/MWh)
07.06.2021 26.280 MWh für 1.667.466,00 € (63,45 €/MWh)
22.06.2021 35.040 MWh für  2.362.747,20 € (67,43 €/MWh)
24.06.2021 35.040 MWh für 2.447.544,00 € (69,85 €/MWh)

Nachdem spätestens am 22.11.2021 die Leerverkäufe zu Tage traten - ob der Beklagte den Aufsichtsrat oder einzelne Aufsichtsratsmitglieder vorher über die Termingeschäfte und die Preisentwicklung in Kenntnis gesetzt hat, ist streitig -, bildete die ... (GmbH 01) wegen der zwischenzeitlich weiter angestiegenen Strompreise für die schwebenden Geschäfte mit ... (GmbH 03) Rückstellungen, die ihr Eigenkapital erheblich überstiegen. Die hierdurch verursachte Überschuldung führte zu dem Insolvenzantrag am 22.12.2021, der wiederum nach dem mit ... (GmbH 03) bestehenden Rahmenvertrag die sofortige Beendigung und Abrechnung zur Folge hatte; die Abrechnung von ... (GmbH 03) endete mit einem Saldo von 31.876.346,88 € zu Lasten der ... (GmbH 01).

Mit Beschluss vom 30.03.2022 wurde das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet und der Kläger zum Sachwalter bestellt.

Mit seiner als Partei kraft Amtes - Sachwalter - erhobenen Klage verlangt der Kläger zur Zahlung an die ... (GmbH 01) Schadensersatz i.H.v. 3.500.000 €, und zwar 950.000 € aus dem Vertrag vom 07.06.2021 und jeweils 1.275.000 € aus den Verträgen vom 22.06.2021 und 24.06.2021.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei als Sachwalter gemäß § 280 InsO befugt, die Haftungsansprüche für die Insolvenzmasse geltend zu machen. Daneben stützte er sich auf eine ihm von der ... (GmbH 01) erteilte Ermächtigung zur Klageerhebung. In der Sache hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht:

Der Beklagte hafte gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG. Die Leerverkäufe seien bereits deshalb nicht von der Geschäftsführerbefugnis gedeckt gewesen, weil sie weder dem Geschäftszweck der ... (GmbH 01) - Versorgung mit Elektroenergie - gedient noch in Korrelation mit den abzuschließenden Endkundenverträgen gestanden hätten, sondern reine Spekulationsgeschäfte gewesen seien. Wenngleich es für die Begründung der Pflichtverletzung der Heranziehung der Energiebeschaffungsrichtlinie Strom gar nicht bedürfe, habe der Beklagte deren Vorgaben bereits mit dem ersten Leerverkauf missachtet, weil ein Stromverkauf nur i.H.v 15-20 % einer bereits gedeckten Versorgung zulässig gewesen wäre und überdies das Risikokapital von 75.000 € bereits mit dem 2. Leerverkauf überschritten gewesen sei. Keinesfalls habe der Beklagte bestandsgefährdende Geschäfte tätigen dürfen.

Das Verhalten des Beklagten stelle zugleich eine Untreue i.S.d. § 266 StGB sowohl in Form des Missbrauchs- als auch des Treubruchtatbestandes dar. Der Beklagte habe die ihm durch die Business Jugdement Rule (BJR) des § 93 Abs. 1 AktG gezogene Ermessensgrenze bereits mit den ersten Leerverkäufen unverantwortlich weit überschritten. Die Anforderungen an die Prognosesicherheit stiegen mit dem Risiko für die Gesellschaft; seien die Risiken - wie hier - bestandsgefährdend, müsse sich der Geschäftsführer des Erfolgs des neuen Geschäfts sicher sein oder es unterlassen. Die streitgegenständlichen Leerverkäufe im Juni stellten überdies eigennützige Verdeckungstaten dar, weil zu diesem Zeitpunkt die Preise schon 20 % über denjenigen im März gelegen hätten, sich mithin ein Verlust von ca. 280.000 € bereits realisiert habe. Der Beklagte habe, anstelle Maßnahmen zur Vermeidung existenzgefährdender Unterdeckung zu ergreifen, den Einsatz verdoppelt, darauf hoffend, bis zur Entdeckung der Tat werde sich der von ihm zu ersetzende Schaden reduzieren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei es dem Beklagten allein um seinen eigenen Vorteil gegangen. Aufgrund seiner Kenntnis der Preisentwicklung (nach oben) aus den ersten Leerverkäufen sei ausgeschlossen, dass er die Risiken bei den späteren Leerverkäufen nicht billigend in Kauf genommen habe. Bereits nach dem ersten Leerverkauf sei für den Beklagten klar gewesen, dass er sich nicht auf die Kursentwicklungen der vergangenen Jahre habe stützen dürfen; er trage auch nicht vor, weshalb er habe annehmen dürfen, über eine bessere Expertise und Informationen als ... (GmbH 03) zu verfügen, das dem Trend entsprechend auf steigende Preise gesetzt habe.

Der ... (GmbH 01) sei auch ein Nachteil entstanden. Bereits bei Abschluss der Leerverkäufe habe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür bestanden, dass das Lieferobligo durch spätere Einkäufe hätte ausgeglichen werden könnten. Der Beklagte habe die negative Vermögensentwicklung auch ernsthaft in Kauf genommen, eine realistische Gewinnerwartung habe nicht bestanden.

Das Rechtschutzbedürfnis für den Feststellungsantrag folge aus § 302 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Der Beklagte rügte die Aktivlegitimation des Klägers; dieser sei als Sachwalter für die geltend gemachten Ansprüche weder als Partei kraft Amtes noch aufgrund der behaupteten Ermächtigung prozessführungsbefugt.

Des Weiteren wandte der Beklagte gegen seine Inanspruchnahme im Wesentlichen ein, Schadensersatzansprüche der ... (GmbH 01) gegen ihn bestünden aus keinem Rechtsgrund. Verbindliche Handlungsempfehlungen habe es nicht gegeben; das Risikohandbuch sei nicht umgesetzt worden und ohnehin in den etwaig maßgeblichen Vorschriften zu unbestimmt gewesen. Termingeschäfte hätten die Billigung des Aufsichtsrates gehabt, denn das vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Risikohandbuch habe die Verantwortung für den Handel von mittel- bis langfristigen Forwards der ... (GmbH 01), für den Handel von kurzfristigen short- und long-Positions der ... (GmbH 02) zugewiesen. Letztlich habe der Beklagte lediglich das Einkaufs- und Verkaufsverhalten fortgesetzt, das in den Vorjahren bereits praktiziert worden sei, denn - was als solches unstreitig ist - bereits in 2019 und 2020 habe die ... (GmbH 01) mit ... (GmbH 03) Stromhandelsgeschäfte durchgeführt, um die Einkaufskonditionen zu verbessern.

Er bestreite, dass die Geschäftsabschlüsse mit ... (GmbH 03) erst am 22.11.2021 entdeckt worden seien. Er habe den Bürgermeister ... (Name 02) in einem Vier-Augengespräch am 20.07.2021 und in einer Vorbesprechung am 22.09.2021 zur Aufsichtsratssitzung von den Termingeschäften und der besorgniserregenden Preisentwicklung in Kenntnis gesetzt und sodann den Aufsichtsrat in der Aufsichtsratssitzung vom 29.09.2021 informiert.

Den ihm als Geschäftsführer eingeräumten Ermessensspielraum habe er nicht überschritten. Die Strompreisentwicklung sei auch bei sorgfältiger Recherche und Marktanalyse nicht vorhersehbar gewesen, es sei dann aber geradezu geboten gewesen, die negativen Preisverläufe durch Folgegeschäfte abzufangen. Erst seit dem explosionsartigen Preisanstieg in der 2. Jahreshälfte 2021 habe sich die signifikante Änderung des Marktumfeldes gegenüber der Energiepreisentwicklung in den Vorjahren gezeigt; zuvor habe er auf einen positiven Verlauf hoffen können.

Es fehle an einem adäquat kausalen Schaden. Er bestreite, dass zwingend Rückstellungen hätten gebildet werden müssen. Der ... (GmbH 01) sei ein Mitverschulden anzulasten, denn es hätten, wie von ihm mehrfach gefordert, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zur Beratung und Unterstützung des Beklagten bei den wachsenden Aufgaben getroffen werden müssen. Die Kommunikation mit dem Aufsichtsrat habe sich schwierig gestaltet, die … (GmbH 02) habe ihre Leistungen nicht erbracht.

Eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB bestehe ebenfalls nicht. Insbesondere sei der subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Der Beklagte sei in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2021 von der üblichen zyklischen Erholung der Energiemärkte ausgegangen. Die letzten drei Leerverkäufe seien nicht in Verdeckungsabsicht erfolgt, sondern eine vernünftige Maßnahme zur Abwendung der zuvor erlittenen, am Terminmarkt üblichen Verluste gewesen. Er habe zudem von einer Billigung durch die ... (GmbH 01) ausgehen können, denn die Stromverkäufe hätten sich im Rahmen der in den Vorjahren mit ... (GmbH 03) getätigten Geschäfte bewegt.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 24.05.2023 hat der Beklagte behauptet, der Bürgermeister habe ihn am 20.07.2021 angewiesen, den Sachverhalt zunächst für die Aufsichtsratssitzung nach der Sommerpause aufzubereiten und nicht unmittelbar zu präsentieren; eine Entscheidung solle der Aufsichtsrat treffen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei zulässig, insbesondere sei der Streitgegenstand hinreichend dadurch bestimmt, dass der Kläger den aus seiner Sicht schadensstiftenden Vertragsabschlüssen mit ... (GmbH 03) am 07.06., 22.06. und 24.06.2021 konkrete (Teil)Ansprüche i.H.v. 950.000 € bzw. jeweils 1.275.000 € zuordne. Das für den Feststellungsantrag erforderliche Feststellungsinteresse sei wegen der für Ansprüche aus unerlaubter Handlung bestehenden erweiterten Vollstreckungsmöglichkeiten nach § 850f Abs. 2 ZPO oder § 302 Nr. 1 InsO gegeben.

Die Klage sei auch begründet. Der Kläger könne gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG Zahlung von 3.500.000 € an die ... (GmbH 01) verlangen. Der Kläger sei aktivlegitimiert. Zwar seien nach § 280 InsO nur die Geltendmachung von Ansprüchen auf Ersatz eines Gesamtschadens der Gläubigergemeinschaft (§ 92 InsO), der persönlichen Haftung der Gesellschafter (§ 93 InsO) und die Ausübung der Insolvenzanfechtung (§§ 129ff InsO) ausdrücklich dem Sachwalter als Aufgaben zugewiesen. § 280 InsO sei aber wegen der vergleichbaren Interessenlage entsprechend anzuwenden, wenn es um Ansprüche einer Kapitalgesellschaft gegen Mitglieder des Schuldnerorgans wegen pflichtwidriger Schädigung ihres Vermögens gehe.

Der Beklagte habe als Geschäftsführer der ... (GmbH 01) gegen die dieser gegenüber bestehenden Sorgfaltspflichten i.S.d. § 43 Abs. 2 GmbHG verstoßen. Dabei könne dahinstehen, ob der Beklagte mit den streitgegenständlichen Leerverkäufen noch innerhalb des durch Gesetz, Satzung oder Beschlüsse anderer Gesellschaftsorgane gesteckten Handlungsrahmens geblieben sei. Insbesondere bedürfe die Frage, ob die Energiebeschaffungsrichtlinie Strom für den Beklagten verbindlich gewesen und darin Vorgaben für Umfang und maximales Risiko enthalten seien, keiner Klärung. Denn der Beklagte habe dadurch, dass er die Warentermingeschäfte vom 07.06., 22.06. und 24.06.2021 ohne jede Risikobegrenzung abgeschlossen habe, gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung im engeren Sinn verstoßen.

Zwar unterliege die richterliche Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen Einschränkungen, eine Überprüfung auf Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit finde nur in den Grenzen der Ermessenskontrolle statt. Voraussetzung für die Zubilligung unternehmerischen Ermessens sei indes, dass das unternehmerische Handeln auf einer sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhe. Daran fehle es hier. Bereits aufgrund der Größenordnung der durch die Leerverkäufe für die ... (GmbH 01) eingegangenen Lieferverpflichtungen in Relation zum Kerngeschäft der Gesellschaft - jedes einzelne Geschäft habe das Jahresvolumen der Stromliefermenge an eigene Kunden deutlich überstiegen - seien strenge Maßstäbe an die vom Beklagten einzuholenden Informationen zu legen, denen er nicht genügt habe. Nach seinem Vortrag habe der Beklagte sich im Wesentlichen über den Preisverlauf am Strommarkt in den vergangenen Jahren informiert und, da sich der Strompreis zum Zeitpunkt der Leerverkäufe am oberen Preisbandrand befunden habe, erwarten können und dürfen, dass sich der Preis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nach unten bewege. Marktanalytische Informationen habe er unstreitig nicht eingeholt, vielmehr als Mitverschuldensgesichtspunkt geltend gemacht, dass die vertraglich gebundene ... (GmbH 02) die von ihr geschuldete Marktanalyse nicht geliefert habe. Erfolgreiche Warentermingeschäfte, die reine Spekulationsgeschäfte darstellten, setzten aber eine Marktanalyse voraus, nämlich die Einholung von Informationen zu künftig marktbestimmenden Faktoren, und dies in einer Tiefe, von der anzunehmen sei, dass sie der Mehrheit der Marktteilnehmer noch nicht bekannt und daher noch nicht "eingepreist" seien. Dass dem Beklagten der Handelspartner ... (GmbH 03) bekannt gewesen sei und auch in der Vergangenheit Warentermingeschäfte vorgenommen worden seien, sei keine ausreichende Information.

Selbst wenn der Beklagte Informationen in ausreichenden Maße eingeholt hätte, wäre ihm eine Pflichtverletzung anzulasten, weil er das ihm eingeräumte Ermessen überschritten habe. Denn Leerverkäufe börgen - was sich ohne Weiteres, namentlich ohne sachverständige Hilfe erschließe - rechnerisch unbegrenzte Verlustrisiken, so dass sich ihr Abschluss ohne eine wirksame Risikobegrenzung schlichtweg verbiete. Eine sozusagen "natürliche" Risikobegrenzung, wie sie bei long-Positions, also dem spekulativen Kauf eines Wirtschaftsgutes in der Annahme eines in Zukunft steigenden Preises und damit gewinnbringenden Verkaufs, dadurch gegeben sei, dass der Wert des Wirtschaftsgutes (höchstens) auf Null sinken könne, gebe es bei den Leerverkäufen (short-Positions) nicht. Daher sei es schlicht unvertretbar gewesen, die Leerverkäufe ohne eine klar definierte Risikobegrenzung vorzunehmen, etwa durch Definition eines Stop-Loss-Preises, zu dem spätestens ein Deckungskauf vorzunehmen sei.

Dem Beklagten sei auch Verschulden anzulasten. Sein Vorbringen, aufgrund des stark wachsenden Neukundengeschäfts sei die Personalausstattung unzureichend gewesen, entlaste ihn nicht, denn im Falle einer Überforderung in Bezug auf einzelne Geschäftsführeraufgaben hätte er sich sachverständiger Hilfe bedienen oder aber sein Amt niederlegen müssen. Die arbeitsrechtliche Haftungsmilderung komme ihm nicht zugute.

Die Pflichtverletzungen des Beklagten seien kausal für den eingetretenen Schaden in Form der Ausgleichsansprüche von ... (GmbH 03), denen die ... (GmbH 01) nach Insolvenzantragstellung ausgesetzt gewesen sei. Die Adäquanz des Schadens entfalle nicht deshalb, weil die Preisentwicklung in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2021 nicht vorhersehbar gewesen sei. Die fehlende Preisvorhersehbarkeit sei dem Börsenhandel immanent; die Pflicht zur Schaffung einer angemessenen Risikobegrenzung von Spekulationsgeschäften diene gerade dem Schutz vor Auswirkungen unerwarteter Preisentwicklungen. Die Zurechenbarkeit des Schadens entfalle auch nicht deshalb, weil die von der ... (GmbH 01) gebildeten Rückstellungen zu einer bilanziellen Überschuldung und der Insolvenzantragstellung geführt hätten, die ihrerseits erst die Glattstellung der eingegangenen Warentermingeschäfte bewirkt hätten. Nach § 249 Abs. 1 HGB habe die Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen bestanden, die Insolvenzantragspflicht ergebe sich aus § 15a Abs. 1 InsO. Das pauschale Bestreiten des Beklagten sei unerheblich.

Die Schadenshöhe ergebe sich nach den Grundsätzen der Differenzhypothese. Unbestritten hätten sich die nach der Abrechnung von ... (GmbH 03) errechneten Forderungen von 6.863.202,22 € aus dem Vertrag vom 07.06.2021, von 9.011.236,80 € aus dem Vertrag vom 22.06.2021 und von 8.926.440 € aus dem Vertrag vom 24.06.2021 ergeben. Bei einem unterstellt rechtmäßigen Alternativverhalten des Beklagten bei Festlegung einer Risikobegrenzung lägen die auf seiner Pflichtwidrigkeit beruhenden Schäden gleichwohl deutlich über der Klageforderung. Ausgehend davon, dass der Beklagte sich - wie er vortrage - von den Strompreisbewegungen der Vorjahre habe leiten lassen, habe er die Leerverkäufe im März 2021 am oberen Rand und die streitgegenständlichen Geschäfte im Juni oberhalb dieses "Preisbandes" (35 bis 55 €/MWh) getätigt. Selbst wenn man ihm das Risiko einer Verdoppelung des üblichen Strompreises - also ein Stopp-Loss für Deckungskäufe bei 110 €/MWh ansetze - zubillige, lägen die Verluste wegen des Preisanstiegs auf 324,60 €/MWh bei Insolvenzantragstellung erheblich über der Klageforderung.

Ein Mitverschulden wegen Fehlens eines wirksamen Compliance Managementsystems sei der ... (GmbH 01) nicht anzulasten. Die Einrichtung eines Compliance Managementsystems gehöre zum Aufgabenbereich des Geschäftsführers und nicht der Gesellschafter oder eines fakultativen Aufsichtsrates; die Initiierung der Energiebeschaffungsrichtlinie bzw. des Risikohandbuches zeuge im Übrigen von der Erkenntnis der Verantwortlichkeit für solche Systeme. Überdies bestünden die den jeweiligen Organen obliegenden Pflichten nebeneinander; der Geschäftsführer könne sich im Verhältnis zur Gesellschaft grundsätzlich nicht auf Mitverschulden anderer Gesellschaftsorgane berufen. Daher komme es auch nicht darauf an, wann der Aufsichtsrat oder einzelne Mitglieder von den Leerverkäufen erfahren und ggf. rechtzeitige oder zumindest schadensbegrenzende Weisungen unterlassen habe. Dass der Beklagte infolge einer Weisung gebunden gewesen sei, die objektiv gebotenen rechtzeitigen Deckungskäufe zu unterlassen, sei nicht festzustellen. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus dem Aufsichtsratsbeschluss vom 29.09.2021. In der Beschlussvorlage Anlage B 6 hätten die Leerverkäufe keine Erwähnung gefunden.

Der Beklagte hafte auch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266 StGB. Als Geschäftsführer habe er gegenüber der ... (GmbH 01) eine Vermögensbetreuungspflicht gehabt. Mit Überschreitung der in § 93 Abs. 1 AktG normierten Grenzen unternehmerischen Ermessens liege zugleich eine so gravierende Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten vor, dass eine Pflichtwidrigkeit i.S.v. § 266 StGB begründet sei. Der ... (GmbH 01) sei hierdurch bereits mit Eingehung der ungedeckten Lieferverpflichtungen ein Nachteil entstanden, nämlich in Form der konkreten Gefahr künftiger Verluste. Mangels wirksamer Eingrenzung des - rechnerisch unbegrenzten - Verlustrisikos sei der Gefährdungsschaden auch nicht durch die Chance auf - begrenzte - Gewinne durch erhoffte Preisrückgänge am Strommarkt kompensiert. Der Beklagte habe mindestens bedingt vorsätzlich gehandelt. Ihm seien zum Zeitpunkt der klagegegenständlichen Geschäfte alle maßgeblichen Umstände - seine Geschäftsführerstellung, die Kundenzahlen und diesen gegenüber bestehenden Lieferverpflichtungen und damit die Relation der Spekulationsgeschäfte zum Kerngeschäft der ... (GmbH 01) - bekannt gewesen. Er habe nach eigenem Vortrag gewusst, dass die mit dem Strommarkt besser vertraute ... (GmbH 02) keine Marktanalyse geliefert und er, abgesehen von dem beobachteten "Preisband" der Vorjahre, über keine nennenswerten Informationen verfügt habe. Er habe dennoch die streitigen Geschäfte ohne jedwede Form der Absicherung vorgenommen und damit die Möglichkeit unbegrenzter Verluste geschaffen und in Kauf genommen.

Der Zinsanspruch beruhe auf §§ 291, 288 BGB. Die hilfsweise Feststellungswiderklage sei nicht zur Entscheidung angefallen.

Gegen dieses, ihm am 17.11.2023 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.12.2023 eingelegte und innerhalb der bis zum 17.02.2024 verlängerten Begründungsfrist begründete Berufung des Beklagten, mit der er sein Klageabweisungsbegehren vollumfänglich weiter verfolgt.

Zwischenzeitlich, am 31.12.2023, ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... (GmbH 01) aufgehoben worden. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 15.03.2024 die Klage dahin geändert, dass er den Anspruch nunmehr im eigenen Namen geltend macht. Hierzu beruft er sich darauf, dass die ... (GmbH 01) mit am 21.10./24.10.2022 unterzeichneter Abtretungsvereinbarung (Anlage K 9, Bl. 2ff Anlagenheft Kläger) sämtliche Ansprüche gegen den Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an ihn abgetreten habe, diese Abtretung sei mit Abtretungsvereinbarung vom 04./06.06.2024 (Anlage K 8, Bl. 1ff Anlagenheft Kläger) wiederholt worden. Der Kläger meint, die Klageänderung sei ungeachtet der Vorschrift des § 265 Abs. 2 ZPO sachdienlich i.S.d. §§ 263, 533 ZPO, denn mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens sei die Prozessführungsbefugnis des Klägers ersatzlos entfallen und die Verteidigungsrechte des Beklagten würden nicht beeinträchtigt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.500.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 16.11.2023 (6 O 10/22) aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.

Der Beklagte stimmt der Klageänderung, die er unter verschiedenen Gesichtspunkten für unzulässig hält, nicht zu. Er rügt das Fehlen der Aktivlegitimation und der Prozessführungsbefugnis. Eine analoge Anwendung des § 280 InsO scheide mangels planwidriger Regelungslücke und vergleichbarer Interessenlage aus, die behauptete Ermächtigung habe das Landgericht rechtsfehlerhaft keiner Prüfung unterzogen. Eine Prozessführung als Partei kraft Amtes und „zugleich“ kraft Ermächtigung durch den Schuldner schließe sich aus, sie wäre auch insolvenzzweckwidrig. Der Beklagte bestreitet, dass die Ansprüche gegen ihn unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wirksam abgetreten worden seien. Eine Abtretung an den Kläger sei unter dem Gesichtspunkt der sog. doppelnützigen Treuhand wegen § 3 Abs. 1 Satz 2 BORA a.F. sowie deshalb unzulässig, weil der Kläger als Sachwalter die ... (GmbH 01) bei der Prüfung der streitgegenständlichen Ansprüche beraten, unterstützt und überwacht habe, ein Rechtsanwalt nach §§ 43a, 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO widerstreitende Interessen nicht vertreten dürfe und einem Vorbefassungsverbot unterliege. Es fehle überdies an dem Beschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG; die für den Insolvenzverwalter geltende Ausnahme könne im Eigenverwaltungsverfahren nicht gelten.

Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht eine Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG bejaht. Es habe das Recht auf rechtliches Gehör verletzt, indem es eine Schriftsatzfrist zu dem erstmalig im Termin aufgebrachten Gesichtspunkt des Fehlens eines jeglichen Risikomanagements abgelehnt habe. Angesichts des mehrfach verschobenen Verkündungstermins wäre eine Schriftsatzfrist für den Beklagten nicht verfahrensverzögernd gewesen.

Der Sorgfaltsmaßstab sei rechtsfehlerhaft bestimmt worden; das Landgericht habe für die Beurteilung der Pflichtverletzung keine Einzelfallbetrachtung in Bezug auf Art und Umfang des Geschäftsbetriebs der ... (GmbH 01) vorgenommen. So ergebe sich aus dem Jahresabschluss für 2019 - wie mit Schriftsatz vom 14.03.2023 vorgetragen - , dass an 37 Tagen short-Positions, an 88 Tagen long-Positions vorgenommen worden seien und erstere durchschnittlich das Vierfache der long-Positions betragen hätten. Das Regulierungsvakuum der ... (GmbH 01) könne nicht zu seinen Lasten gehen.

Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht das tatbestandsausschließende Einverständnis des Bürgermeisters - und damit des Gesellschafters der ... (GmbH 01) - nicht geprüft und den angebotenen Beweis auf Vernehmung des Bürgermeisters nicht erhoben. Noch im November 2021 habe der Bürgermeister einen Aufhebungsvertrag geschlossen und auf die Geltendmachung von Ansprüchen ausdrücklich schriftlich verzichtet.

Ebenso verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht den angebotenen Sachverständigenbeweis dazu, dass die Tiefe der vom Beklagten eingeholten Informationen marktangemessen gewesen sei, nicht erhoben; es habe ihn - den Beklagten - zur Einholung von Informationen verpflichtet gesehen, die der Mehrheit der Marktteilnehmer nicht bekannt sei. Zudem beruhten Spekulationsgeschäfte darauf, dass aus der Beobachtung des Marktes andere Erwartungen abgeleitet würden, die nicht aus der Marktmeinung hergeleitet werden könnten; die vom Konsens abweichende Sichtweise sei Voraussetzung für entsprechende Handelsaktivitäten. Das Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar, denn zu der vermeintlich unzureichenden Informationsgrundlage sei kein rechtlicher Hinweis erteilt worden, zudem sei sein Vortrag, dass er sich laufend über die Entwicklung am Markt informiert habe, unberücksichtigt geblieben. Aus seiner Sicht habe die erwartete Kehrtwende der Preise Anfang Juni 2021 begonnen.

Er habe das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Dies wäre nach der Rechtsprechung nur anzunehmen, wenn er sich "wie ein Spieler" verhalten hätte, was indes nicht der Fall gewesen sei. Wie mit Schriftsatz vom 24.05.2023 vorgetragen, habe er damit gerechnet, dass die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zum Sinken der Strompreise führen werde. Die Handelsgeschäfte am 22. und 24.06. seien dadurch motiviert gewesen, dass das Handelsgeschäft vom 07.06.2021 zur teilweisen Kompensation der Verlustposition geführt habe. Anstelle des vom Landgericht verlangten "Stop loss" hätte der Gesellschafter ein "Value at risk" vorgeben müssen.

Die Haftungsprivilegierung nach den Grundsätzen der innerbetrieblichen Organhaftung müsse auch für ihn als GmbH-Geschäftsführer greifen, dies gebiete die Fürsorge- und Treupflicht der Gesellschaft gegenüber ihrem Organ, sei aus dem Rechtsgedanken des § 254 BGB abzuleiten und zudem wegen der existenzvernichtenden Wirkung der Haftung verfassungsrechtlich geboten.

Der Schadensumfang sei unzureichend festgestellt. Ausgleichszahlungen seien nicht geschuldet gewesen, denn insolvenzrechtliche Lösungsklauseln seien wegen der gläubigerbenachteiligenden Wirkung unwirksam. Es fehle an der adäquaten Kausalität. Zum Zeitpunkt der Mitteilung an den Bürgermeister habe der Schaden lediglich 616.214 € betragen, angesichts der Entwicklung bis auf 31.883.509,20 € hätte das Landgericht die Adäquanz und die Wahrscheinlichkeit der weiteren Schadensentwicklung prüfen müssen.

Der Einwand des mitwirkenden Verschuldens (§ 254 BGB) müsse deshalb Berücksichtigung finden, weil der Beklagte hier - wie erstinstanzlich vorgetragen - den Aufsichtsrat mehrfach um Unterstützung gebeten und er den Bürgermeister unterrichtet habe. Das völlige Untätigsein des Gesellschafters hätte berücksichtigt werden müssen.

Verfehlt sei die Annahme des Landgerichts, dass Untreuehandlungen vorlägen. Dass sich das Landgericht für die Gefahr künftiger Verluste auf die zur Pflichtwidrigkeit getroffenen Feststellungen der Eingehung ungedeckter Lieferverpflichtungen beziehe, verdeutliche die - verfassungsrechtlich verbotene - Verschleifung der Tatbestandsmerkmale Pflichtwidrigkeit und Nachteil. Zur subjektiven Seite fehlten Feststellungen; bei Risikogeschäften könne das bewusste Eingehen von Risiken für sich genommen für vorsätzliches Handeln nicht ausreichen, weil es notwendiger Bestandteil des unternehmerischen Handelns sei.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt mit näheren Ausführungen die angefochtene Entscheidung. Die vom Beklagten behauptete Mitteilung an den Bürgermeister habe es nicht gegeben, dessen Schweigen habe der Beklagte aber auch nicht als Einverständnis werten dürfen. Die ... (GmbH 02) habe in den wöchentlichen Reporten über die Marktlage auf die Erwartung steigender Strompreise hingewiesen, wohl deshalb habe der Beklagte diese nicht informiert. Der Einwand des innerbetrieblichen Schadensausgleichs gehe fehl; dieses Instrument werde in der aktuellen Kommentierung durchweg abgelehnt. Ohnehin habe der Beklagte kein betriebliches Risiko verwirklicht und es würden mit der Klage lediglich 10 % des eingetretenen Schadens geltend gemacht. Die Abrechnungsklausel in dem Rahmenvertrag mit ... (GmbH 03) sei nicht unzulässig, sondern entspreche § 104 InsO. Das Ersuchen des Beklagten um Unterstützung habe nie die streitgegenständlichen Geschäfte betroffen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 08.10.2024 (Bl. 169f eIA-OLG). Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.02.2025 (Bl. 190ff eIA-OLG) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519f. ZPO).

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.

Der Kläger kann den Beklagten mit der geänderten Klage aus abgetretenem Recht auf Zahlung von 3.500.000,00 € nebst Zinsen sowie auf Feststellung, dass die Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruht, in Anspruch nehmen.

A.

Die Rüge der fehlenden Prozessvollmacht ist entgegen der Darstellung des Beklagten im Schriftsatz vom 01.07.2024 (dort S. 2, Bl. 99 elA) in erster Instanz nicht erhoben worden. Hiervon abgesehen liegt in der weiteren Prozessführung durch den Kläger aus eigenem Recht eine etwaig erforderliche Genehmigung der Prozessführung erster Instanz. Der Kläger vertritt sich selbst (§ 78 Abs. 4 ZPO), der Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht bedarf es nicht (vgl. § 89 Abs. 2 ZPO).

Auch der mit der Berufungsbegründung erhobene Einwand des Beklagten, der zwischen ihm als Sachwalter und der Schuldnerin geschlossene Anwaltsvertrag sei wegen Verstoßes gegen §§ 43a, 45 BRAO, § 3 BORA nichtig (Stichwort: doppelnützige Treuhand), greift unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt durch. Es entspricht anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Wirksamkeit der einem Rechtsanwalt erteilten Prozessvollmacht und der von ihm namens der Partei vorgenommenen Rechtshandlungen unabhängig vom Zustandekommen oder von der Wirksamkeit des Anwaltsvertrages ist (BGH a.a.O. m.w.N.; Urteil vom 24.01.1978 - VI ZR 220/76, Urteil vom 19.03.1993 - V ZR 36/92). Ein Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA hätte ohnehin nur die Nichtigkeit des Anwaltsvertrages zur Folge, die vorgenommenen Rechtshandlungen - wie hier die behauptete Abtretungsvereinbarung mit der ... (GmbH 01) - bleiben wirksam (Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 3 BORA Rn 36; BGH, Urteil vom 14.05.2009 - IX ZR 60/08 - Rn 9).

B.

Die Änderung der Klage mit Schriftsatz vom 15.03.2024 dahin, dass der Kläger nunmehr einen eigenen Anspruch aus ihm von der ... (GmbH 01) unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens abgetretenem Recht geltend macht, ist zulässig.

Die Umstellung von der als Sachwalter über das Vermögen der Schuldnerin [… (Gesellschaft 01 ‚GmbH)] erhobenen und auf eine Ermächtigung gemäß § 280 InsO analog, hilfsweise auf eine durch die Schuldnerin erklärte Ermächtigung zur Prozessführung gestützten Klage auf eine Klage, mit der der vormalige Sachwalter einen eigenen Anspruch aus ihm von der Schuldnerin unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens abgetretenem Recht geltend macht, stellt sich als Parteiwechsel auf Klägerseite dar, der nach den Klageänderungsregelungen zu behandeln ist (vgl. für die Umstellung auf Beklagtenseite BGH, Urteil vom 13.07.1956 - VI ZR 32/55 - Rn 6). Denn grundsätzlich ist zwischen der Klage eines Insolvenzverwalters als Partei kraft Amtes, einer Klage aus eigenem Recht (auch als Zessionar) und einer Klage in gewillkürter Prozessstandschaft für die Schuldnerin zu unterscheiden (BGH, Urteile vom 27.10.2020 - II ZR 355/18 - Rn 20; und vom 07.01.2008 - II ZR 283/06 - Rn 12); für die Klage eines Sachwalters als Partei kraft Amtes und einer Klage des vormaligen Sachwalters aus eigenem Recht kann nichts anders gelten.

Die Zulässigkeit des Parteiwechsels auf Klägerseite scheitert vorliegend weder an der fehlenden Zustimmung des Beklagten gemäß § 265 Abs. 2 ZPO, noch fehlt es an den nach § 533 ZPO für Klageänderungen im Berufungsrechtszug erforderlichen Voraussetzungen.

1.

Entgegen der Sichtweise des Beklagten steht der Klageänderung nicht bereits entgegen, dass sie auf einem vermeintlich zwischen den Instanzen erfolgten Wechsel des Forderungsinhabers beruht. Der Beklagte verkennt, dass die von ihm zitierte Rechtsprechung ebenso wie die angegebenen Literaturfundstellen (allein) die Zulässigkeit der Berufung betreffen. Ein Rechtsmittel ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe nur Urteile vom 06.05.1999 - IX ZR 250/98 - Rn 14 und vom 22.10.1990 - IX ZR 73/90 -; Beschluss vom 09.11.1995 - IX ZB 65/99 - Rn 5) - und des Senats - unzulässig, wenn der in erster Instanz erhobene Anspruch nicht wenigstens teilweise in der Rechtsmittelinstanz weiterverfolgt wird, also eine erstinstanzliche Klageabweisung gar nicht in Zweifel zieht, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die Änderung der Klage im Berufungsverfahren kann nicht allein das Ziel des Rechtsmittels sein, sondern setzt dessen Zulässigkeit voraus (BGH, Urteil vom 06.05.1999 - IX ZR 250/98 - Rn 14 mwN).

Zu der nicht vom Berufungsführer, sondern dessen Gegner vorgenommenen Klageänderung verhalten sich die vom Beklagten zitierten Entscheidungen nicht; die Klageänderung im Berufungsrechtszug ist gesondert geregelt in § 533 ZPO.

2.

Die Klageänderung scheitert nicht an § 533 ZPO.

Nach dieser Vorschrift ist eine Klageänderung im Berufungsrechtszug nur dann zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich hält (Nr. 1) und die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (Nr. 2).

a) Mangels Einwilligung des Beklagten bedarf es für die Zulässigkeit der Klageänderung im Berufungsrechtszug deren Sachdienlichkeit nach § 533 Nr. 1 ZPO.

Die Beurteilung der Sachdienlichkeit erfordert eine Berücksichtigung, Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Interessen. Nach ständiger Rechtsprechung (siehe nur BGH, Urteil vom 15.06.2005, VIII ZR 75/04 - Rn 36 m.w.N.) kommt es für die Frage der Sachdienlichkeit allein auf die objektive Beurteilung an, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt. Maßgebend ist der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit. Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht die beschleunigte Erledigung des anhängigen Prozesses, sondern die Erledigung der Streitpunkte zwischen den Parteien entscheidend. Deshalb steht der Sachdienlichkeit einer Klageänderung nicht entgegen, dass im Falle ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und sich dadurch die Erledigung des Prozesses verzögert. Die Sachdienlichkeit kann vielmehr bei der gebotenen prozesswirtschaftlichen Betrachtungsweise im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann (BGH, Urteil vom 27.09.2006 - VIII ZR 19/04 - Rn 10).

Nach diesen Maßgaben ist die Klageänderung sachdienlich ungeachtet des Umstandes, dass über die klägerseits behauptete Abtretung der Haftungsansprüche an ihn, die Grund für die Klageänderung ist, Beweis zu erheben war. Denn der bisherige Vortrag der Parteien zu den Haftungsansprüchen und die dazu bereits gewonnenen Erkenntnisse können bei der Verhandlung und Entscheidung über den von dem Kläger nunmehr geltend gemachten Anspruch aus abgetretenem Recht verwertet werden. Der Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit spricht deshalb für die Sachdienlichkeit der Klageänderung.

b) Die Klageänderung kann auch auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung auch neue Tatsachen zugrunde zu legen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist, was sich wiederum nach § 531 Abs. 2 ZPO bestimmt.

Der Vortrag des Klägers, ihm seien mit Vereinbarung vom 21./24.10.2022 die Haftungsansprüche gegen den Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens abgetreten worden, ist zwar neu im Berufungsrechtszug. Dieser Vortrag ist aber gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, weil er einen Gesichtspunkt betrifft, der vom Landgericht für unerheblich gehalten worden ist, und nicht auf Nachlässigkeit des Klägers beruht (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

Unter dem Gesichtspunkt der Aktivlegitimation des Klägers bestand in erster Instanz keine Veranlassung, zur Abtretung der Haftungsansprüche als solcher vorzutragen, weil diese mangels Eintritt der aufschiebenden Bedingung noch gar nicht wirksam – und damit nicht relevant für die Aktivlegitimation des Klägers – geworden ist. Die behauptete aufschiebende Bedingung – Aufhebung des Insolvenzverfahrens – ist erst am 31.12.2023 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (am 31.03.2023) eingetreten.

Soweit die Abtretung der Haftungsansprüche an den Kläger unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens - also zu einer bereits vereinbarten, aber noch nicht wirksam gewordenen Forderungsabtretung - für die Prozessführungsbefugnis des Klägers zur Begründung des Eigeninteresses als gewillkürter Prozessstandschafter hätte bedeutsam sein können, hat das Landgericht die Auffassung des Klägers geteilt, er sei (bereits) in analoger Anwendung des § 280 InsO als Sachwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zur Prozessführung des hiesigen Rechtsstreits befugt gewesen. Aus Sicht des Landgerichts kam es nicht auf die Frage an, ob die Voraussetzungen für die - hilfsweise vom Kläger herangezogene - gewillkürte Prozessstandschaft aufgrund einer von der Stadt … (Ort 01) erteilten Ermächtigung zur Klageerhebung vorliegen, insbesondere ob der Kläger zu dem hierfür erforderlichen Eigeninteresse hinreichend vorgetragen hat; (nur) wenn das Landgericht die Rechtsauffassung des Klägers zur analogen Anwendung des § 280 InsO nicht geteilt hätte, hätte es einen rechtlichen Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 ZPO erteilen und dem Kläger Gelegenheit geben müssen, zu den Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft weiter vorzutragen.

3.

Nach § 265 Abs. 2 ZPO hat die Abtretung der rechtshängigen Forderung auf den Rechtsstreit keinen Einfluss; der Rechtsnachfolger kann den Prozess allerdings nur übernehmen, wenn der Gegner zustimmt. Das Fehlen einer solchen Zustimmung des hiesigen Beklagten führt indes im vorliegenden Fall nicht dazu, dass die Übernahme des Rechtsstreits durch den Kläger persönlich - also nicht mehr als Träger des Amtes des Sachwalters über das Vermögen der Schuldnerin - unzulässig ist.

a) Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlischt gemäß § 259 Abs. 1 InsO das Amt des Insolvenzverwalters. Für den Sachwalter fehlt zwar eine entsprechende Regelung ebenso wie eine ausdrückliche Verweisung auf § 259 Abs. 1 InsO. Da der Sachwalter aber gemäß § 270c InsO anstelle des Insolvenzverwalters bestellt wird und nach § 274 InsO auch andere Vorschriften für den Insolvenzverwalter auf den Sachwalter entsprechend anwendbar sind, muss im Falle der Aufhebung des Verfahrens auch § 259 Abs. 1 InsO entsprechend gelten (BGH, Urteil vom 16.06.2016 - IX ZR 114/15 - Rn 6).

Das Erlöschen des Amtes des Klägers als Sachwalter in dem Insolvenzverfahren mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens am 31.12.2023 hatte unmittelbar (nur) zur Folge, dass der durch die Befugnisse des Amtswalters zuvor beschränkt gewesene Inhaber des materiellen Rechts - die ... (GmbH 01) - auch das Prozessführungsrecht erlangte. Da nach der während des Insolvenzverfahrens am 21./24.10.2022 wirksam geschlossenen Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Stadtwerke ... (Ort 01) die Abtretung der Ansprüche unter einer aufschiebender Bedingung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens stand, ist mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine Änderung der Sachbefugnis über die abgetretenen Ansprüche - von der Schuldnerin auf den Kläger als Zessionar - eingetreten.

Bei der nach § 286 ZPO erforderlichen Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger und die ... (GmbH 01) wirksam die Abtretung der Forderungen (u.a.) gegen den Beklagten unter der aufschiebenden Bedingung der Aufhebung des Insolvenzverfahrens vereinbart haben. Eine verschriftlichte Erklärung kann entgegen der wohl von dem Beklagten vertretenen Auffassung nicht lediglich im Wege des Urkundsbeweises (§§ 415ff ZPO) bewiesen werden.

Es besteht keinerlei Zweifel daran, dass der Zeuge ... (Name 03) als einer der beiden seinerzeit bestellten Geschäftsführer der ... (GmbH 01) die ihm vom Kläger übermittelte und von diesem bereits mit Datum vom 21.10.2022 unterzeichnete Abtretungsvereinbarung (Anlage K 9) spätestens am 24.10.2022 unterzeichnet hat. Der Zeuge hat diesen Geschehensablauf bei seiner Vernehmung durch den Senat aus seiner eigenen Erinnerung geschildert und - auch auf Vorhalt der Anlage K 9 - bestätigt, dass die auf der letzten Seite der Vertragsurkundskopie ganz links befindliche Unterschrift seine sei. Dass der Zeuge sich trotz des zeitlichen Abstands zwischen der Unterzeichnung und der Zeugenvernehmung durch den Senat noch gut auch an die Daten erinnern konnte, erklärt sich zwangslos dadurch, dass er sich - wie von gewissenhaften Zeugen erwartet wird - auf die Zeugenvernehmung vorbereitet hat und sich die Daten aus der seinerzeitigen Korrespondenz ergaben, die er sich vor dem Verhandlungstermin angesehen hatte. Es besteht kein Zweifel daran, dass seine Aussage der Wahrheit entspricht. Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge ... (Name 03) die Unterschrift eines Dritten unter dem Vertragsdokument als seine eigene ausgibt, ließ sich weder seinem Aussageverhalten entnehmen, noch lässt sich ein Grund erkennen, weshalb überhaupt so hätte verfahren sein sollen. Auch dass der Zeuge seine Unterschrift am angegebenen Datum auf die bereits vom Kläger unterzeichnete Abtretungsvereinbarung gesetzt hat, hat er glaubhaft bekundet. Der Kläger hatte bereits mit Schriftsatz vom 20.10.2022 (Bl. 67f eIA-LG) angekündigt, dass in dem Insolvenzverfahren "über einen Insolvenzplan entscheiden werden (soll), in dem auch eine Regelung über diesen Prozess enthalten sein" müsse. Für den Wahrheitsgehalt seiner Aussage ist unerheblich, ob der Zeuge ... (Name 03) zum Zeitpunkt seiner Vernehmung durch den Senat zwischen einer Abtretung und einer Ermächtigung hätte unterscheiden können. Insbesondere lässt sich aus einer heute vorhandenen Kenntnis oder Unkenntnis ein Rückschluss darauf, ob der Zeuge eine "echte Erinnerung" wiedergibt oder nur dasjenige, woran er sich zu erinnern glaubt, nicht ziehen - dies gilt nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass es selbst Rechtskundigen vielfach schwer fällt, diese beiden Rechtsinstitute verfahrens- und materiellrechtlich richtig einzuordnen.

Es steht fest, dass auch der weitere Geschäftsführer der ... (GmbH 01), ... (Name 04), der Abtretungsvereinbarung mit dem Kläger (rechtzeitig) zugestimmt hat. Ausweislich des als Anlagenkonvolut B 10 eingereichten Handelsregisterauszuges war im maßgeblichen Zeitraum (ab dem 15.12.2021 bis 27.02.2023) neben dem Zeugen ... (Name 03) als weiterer Geschäftsführer Herr ... (Name 04) ins Handelsregister eingetragen. Da weder dargetan noch ersichtlich ist, dass die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer ... (Name 03) die Befugnis zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft erteilt hat (§ 10 Abs. 2 des Gesellschaftervertrages vom 19.08.2019, Anlagenkonvolut B 10, Bl. 108ff Anlagenheft Beklagter), bedurfte es für die Wirksamkeit von namens der ... (GmbH 01) abgegebenen Willenserklärungen auch einer Erklärung des ... (Name 04) als weiterem Geschäftsführer.

Die Überzeugung, dass diese Erklärung des weiteren Geschäftsführers ... (Name 04) als solche und innerhalb der Annahmefrist nach §§ 147 bis 149 BGB erfolgt ist, stützt der Senat nicht allein auf die Aussage des Zeugen ... (Name 03). Dieser hatte zwar keine konkrete Erinnerung daran, wann und wo der zweite Geschäftsführer ... (Name 04) die Abtretungsvereinbarung unterzeichnet hat; dies lässt sich allerdings zwanglos mit der Länge des zwischenzeitlichen Zeitablaufs und der Tatsache erklären, dass beide Geschäftsführer eine Vielzahl von Schriftstücken zu unterzeichnen hatten und Ort und konkreter Zeitpunkt der Unterzeichnung eines einzelnen Schriftstücks durch den zweiten Geschäftsführer leicht in Vergessenheit geraten kann. Maßgeblich ist, dass die Abtretungsvereinbarung nach den Aussagen des Zeugen - und ausweislich der Dateibezeichnung in der Fußzeile ("C:\ Users\ Bachmann\ AppData\ Local\ Microsoft\ Windows\ INetCache\ Content Outlook\ UDUPINZO\ 20025816678_3 Anlage 6 zum Insolvenzplan_Treuhand_Haftung gegen GF.docx") - eine der Anlagen des Insolvenzplans ist, der im Herbst 2022 für die anstehende Gläubigerversammlung besprochen wurde und ausweislich der als Anlage B 14 (Bl. 173 Anlagenheft Beklagter) beklagtenseits eingereichten Insolvenzbekanntmachungen am 24.10.2022 von der Schuldnerin aufgestellt worden ist. Der Umstand, dass der Insolvenzplan vom 24.10.2022 von der Gläubigerversammlung am 18.12.2022 bestätigt worden ist, lässt nicht nur den Schluss zu, dass der Insolvenzplan die Unterschriften beider Geschäftsführer trägt, sondern trägt auch die Überzeugung des Senats, dass die Abtretungsvereinbarung zu jenem Zeitpunkt vom Geschäftsführer ... (Name 04) unterzeichnet und von dessen Willen gedeckt war. Dabei verkennt der Senat nicht, dass auch bei gewichtigen Entscheidungen Fehler unterlaufen und hiervon durchaus die notwendige Gesamtvertretung zweier Geschäftsführer einer GmbH betroffen sein kann. Hier war der zweite Geschäftsführer nach den Bekundungen des Zeugen ... (Name 03) aber in sämtliche Absprachen mit dem Kläger und dem Generalbevollmächtigten Voigt-Salus, die die Ermächtigung des Klägers im Mai 2022 und im Herbst die Vorbereitung des Insolvenzplans mit der Abtretungsvereinbarung betrafen, mit eingebunden, so dass es ausgeschlossen erscheint, dass der Geschäftsführer ... (Name 04) - ohne dass dies einem der Beteiligten aufgefallen wäre - die Abtretungsvereinbarung vom 21./24.10.2022 nicht oder nicht rechtzeitig vor Aufstellung des Insolvenzplans vom 24.10.2022 unterzeichnet hatte.

Eine andere Sichtweise ist entgegen der im Schriftsatz vom 20.03.2025 vertretenen Auffassung des Beklagten nicht dadurch veranlasst, dass die in Kopie vorliegende Abtretungsvereinbarung (Anlage K 9) auf den Seiten 1 bis 5 die Paraphen der Herren ... (Name 03) und ... (Name 05), aber nicht diejenige des Herrn ... (Name 04) enthielt. Die Paraphierung der einzelnen Blätter eines mehrseitigen Vertragsdokumentes dient allein dazu zu verhindern, dass Blätter nachträglich ausgetauscht werden. Dieser Funktion wird bereits dadurch genügt, dass für jede der beiden Vertragsparteien ein Vertreter sämtliche Seiten paraphiert. Das Fehlen von Paraphen des Geschäftsführers ... (Name 04) führt auch nicht dazu, dass es an der etwaig vereinbarten Schriftform mangelt. Die Schriftform wird durch Unterzeichnung des Vertragsdokuments gewahrt; das zusätzliche Anbringen einer Paraphe auf sämtlichen Blättern des Vertragsdokuments ist weder erforderlich für die Einhaltung der Schriftform, noch könnte das alleinige Anbringen einer Paraphe die Namensunterschrift ersetzen.

Auch lässt der Umstand, dass der Kläger nur den derzeit weiterhin als Geschäftsführer der ... (GmbH 01) tätigen Herrn ... (Name 03) und nicht auch Herrn ... (Name 04) als Zeugen benannt hat, nicht den Schluss zu, jener habe die Abtretungsvereinbarung nicht oder nicht rechtzeitig unterschrieben. Dem Beklagten hätte es freigestanden, die Vernehmung des Herrn ... (Name 04) als Zeuge zu der Behauptung, er habe die Abtretungsvereinbarung vom 21./24.10.2022 nicht oder nicht rechtzeitig unterschrieben, anzubieten; dies hat er auch im Verhandlungstermin des Senats vom 19.02.2025 nicht getan.

Soweit der Beklagte mit Schriftsatz vom 20.03.2025 erstmals den Zugang der Erklärung der Annahme des Angebots auf Abschluss der Abtretungsvereinbarung bestreitet, ist dieses Bestreiten nach Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß § 296a ZPO unbeachtlich. Hiervon abgesehen genügt das einfache Bestreiten des Zugangs der Annahmeerklärung bei dem Kläger im Hinblick darauf nicht, dass dieser selbst die von ihm als wirksam erachtete Abtretungsvereinbarung (in Kopie) eingereicht hat, was den (rechtzeitigen) Zugang an ihn impliziert, und ihm überdies spätestens mit Kenntnisnahme des Insolvenzplans, dessen Einhaltung er zu überwachen hatte (vgl. § 284 Abs. 2 InsO), die Annahmeerklärung der ... (GmbH 01) zugegangen ist.

b) Die Abtretung unter der aufschiebenden Bedingung der Beendigung des Insolvenzverfahrens stellt sich als eine Abtretung des geltend gemachten Anspruchs nach Rechtshängigkeit dar, weil es für den Zeitpunkt, zu dem der Anspruch abgetreten worden ist, auf den für den Rechtserwerb notwendigen letzten Teilakt ankommt (BGH, Urteil vom 13.03.1997 - I ZR 215/94 - Rn 26 mwN), hier also auf den Bedingungseintritt am 31.12.2023 abzustellen ist. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ansprüche gegen den Beklagten bereits rechtshängig; die Klage wurde dem Beklagten am 11.07.2022 zugestellt.

c) Obwohl danach mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung am 31.12.2023 - infolge der aufschiebend bedingten Abtretung - die sachliche Berechtigung an dem geltend gemachten Anspruch nach Rechtshängigkeit von der Schuldnerin auf den Kläger übergegangen ist, steht dies der Weiterführung des Prozesses durch den Kläger § 265 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.

Im Falle eines vom Konkursverwalter angestrengten Rechtsstreits, der während der Rechtshängigkeit die Masseforderung an eine Gläubigerin abgetreten hat, die nach Konkursaufhebung den Rechtsstreit weitergeführt hat, hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 15.06.1992 - II ZR 88/91) entschieden, dass der Weiterführung des Rechtsstreits durch die neue Gläubigerin § 265 Abs. 2 ZPO nicht entgegensteht, weil die Vorschrift einen - rechtsgeschäftlichen oder kraft Gesetzes eintretenden - Rechtsübergang voraussetzt, die Konkursaufhebung jedoch nicht zur Rechtsnachfolge führt, sondern die mit dem Konkursbeschlag verbundenen Verfügungsbeschränkungen beseitigt und der Schuldner einer streitbefangenen Forderung den durch die Konkursaufhebung herbeigeführten Wechsel in der Person seines Prozessgegners hinnehmen müsse. Dass die streitbefangene Forderung vorher während des Konkurses an einen Dritten abgetreten worden ist, ändert daran nichts (BGH, Urteil vom 15.06.1992 - II ZR 88/91 - Rn 8). Denn § 265 Abs. 2 ZPO zielt darauf ab, den Prozessgegner davor zu bewahren, sich auf ein neues Prozessrechtsverhältnis mit einem anderen Anspruchsinhaber einzulassen; dieses Ziel lässt sich nach Ausscheiden des Konkursverwalters aus dem Rechtsstreit wegen Aufhebung des Konkursverfahrens ohnehin nicht mehr erreichen, so dass gleichgültig ist, ob der Gemeinschuldner oder aber der - infolge zwischenzeitlicher Abtretung - neue Gläubiger den Prozess fortführt. An dieser Auffassung hat der Bundesgerichtshof in späteren Entscheidungen festgehalten (siehe etwa BGH, Urteile vom 07.01.2008 - II ZR 283/06 - Rn 9; und vom 27.10.2020 - II ZR 355/18 -).

Der Senat hält an der bereits im Verhandlungstermin vom 10.07.2024 geäußerten Sichtweise fest, dass für die vom Sachwalter - in analoger Anwendung des § 280 InsO oder gewillkürter Prozessstandschaft - geführte Klage, die nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens infolge aufschiebend bedingt, noch während des Insolvenzverfahrens, vereinbarter Abtretung der streitgegenständlichen Forderungen von dem Zessionar weitergeführt wird, nichts anderes gelten kann.

Da - wie ausgeführt - mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens das Amt des Klägers als Sachwalter in dem Insolvenzverfahren erlischt, endete damit auch seine Prozessführungsbefugnis als Sachwalter jedenfalls dann, wenn er - wie der Kläger meint - für Ansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG sowie deliktische Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin aufgrund einer analogen Anwendung des § 280 InsO originär prozessführungsbefugt gewesen wäre. Dass der Senat die Sichtweise des Klägers nicht teilt und die für eine Analogie des § 280 InsO erforderliche planwidrige Regelungslücke nicht zu erkennen vermag, kann letztlich dahinstehen. Denn (auch) die vom Kläger - hilfsweise - herangezogene Prozessführungsbefugnis auf Grundlage der in erster Instanz unstreitig durch die Schuldnerin erteilten Ermächtigung des Klägers als Sachwalter zur Prozessführung (gewillkürte Prozessstandschaft) endete infolge Wirksamwerdens der Abtretung der streitgegenständlichen Ansprüche mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens.

Darauf, ob die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft in der ersten Instanz (sämtlich) vorlagen, kommt es nicht (mehr) an. Ebenso wenig kommt es auf die Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung mit Vertragsurkunde vom 04./06.06.2024 an.

C.

Die Zahlungsklage ist auch mit dem geänderten Klageantrag vollumfänglich begründet. Der Kläger kann den Beklagten auf Zahlung i.H.v. 3.500.000,00 € aus § 43 Abs. 2 GmbHG in Anspruch nehmen.

1.

Der Kläger ist als Inhaber der Haftungsansprüche gegen den Beklagten für die nunmehr geänderte Klage aktivlegitimiert.

Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zu B. 2. Bezug genommen.

2.

Die Klage scheitert auch nicht daran, dass es - was der Senat im Verhandlungstermin vom 10.07.2024 explizit angesprochen hat - an einem Gesellschafterbeschluss gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen ausgeschiedenen Geschäftsführer und damit an der materiellen Anspruchsvoraussetzung fehlt.

Ob solche Ansprüche gegen aktuelle oder ehemalige Geschäftsführer oder Gesellschafter (oder ihre Erben) geltend gemacht werden sollen, entscheiden grundsätzlich die Gesellschafter. § 46 Nr. 8 GmbHG macht - von Opportunitätsgründen abgesehen - die Verfolgung derartiger Ansprüche in erster Linie deshalb von einem Beschluss der Gesellschafter abhängig, weil dem obersten Gesellschaftsorgan vorbehalten und nicht dem Entschluss der Geschäftsführer überlassen werden soll, ob ein Geschäftsführer wegen Pflichtverletzung belangt und die damit verbundene Offenlegung innerer Gesellschaftsverhältnisse trotz der für Ansehen und Kredit der Gesellschaft möglicherweise abträglichen Wirkung in Kauf genommen werden soll (BGH, Urteil vom 20.11.1958 - II ZR 17/57). Da diese Gesichtspunkte auch zutreffen, wenn sich der Geschäftsführer nicht mehr im Amt befindet, ist § 46 Nr. 8 GmbHG auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen einen ausgeschiedenen Geschäftsführer gleichfalls anwendbar.

Ob für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches der GmbH gegen ihren früheren Geschäftsführer ein Gesellschafterbeschluss erforderlich ist, wenn - wie hier - diese Forderung inzwischen abgetreten ist, oder ob ein fehlender Gesellschafterbeschluss den Zessionar nicht an der Geltendmachung des Anspruchs hindert, hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 14.07.2004 (- VIII ZR 224/02 - Rn 21) offengelassen. Diese Frage braucht aus Sicht des Senats auch im vorliegenden Fall nicht entscheiden zu werden.

Eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung der ... (GmbH 01) war jedenfalls im vorliegenden Fall entbehrlich.

Im Insolvenzverfahren verdienen die Interessen der Gesellschaftsgläubiger an einer Vermehrung der Masse den Vorrang, während ein Schutzbedürfnis der in der Regel nur abzuwickelnden Gesellschaft nicht mehr gegeben ist. Für eine Entschließung der Gesellschafter besteht daher keine Notwendigkeit mehr (BGH, Urteil vom 18.06.2013 - II ZR 86/11 - Rn 20; Urteil vom 14.07.2004 - VIII ZR 224/02 - Rn 22 mwN). Eine Zustimmung der Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG ist daher nicht nur entbehrlich, wenn über das Vermögen der Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, sondern auch bei (bloßer) Liquidation der Gesellschaft, die ihren Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt hat, wenn die Liquidation deshalb konkursfrei erfolgt, weil eine die Kosten deckende Masse nicht vorhanden ist (sogenannte masselose Liquidation).

Auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung verdienen die Interessen der Gläubiger der Gesellschaft Vorrang. Es geht im Falle einer Insolvenzeröffnung in Eigenverwaltung zwar nicht nur noch darum, wie die Gläubiger der Schuldnerin für ihre Forderungen Befriedigung erlangen können und in einem solchen Fall ist die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft auch nicht (endgültig) eingestellt. Im Hinblick darauf, dass sowohl die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin und die Anordnung der Eigenverwaltung (§ 273 InsO) als auch Anordnungen der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte des Schuldners (§ 277 Abs. 3 Satz 1 InsO) und der Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Insolvenzplan (§§ 284, 235 Abs. 2 InsO) öffentlich bekannt zu machen sind, kann es aus Sicht des Senats geschäftlich keinen Nachteil für die Schuldnerin bringen, wenn im Rahmen der Inanspruchnahme des früheren Geschäftsführers interne Angelegenheiten ihrer Geschäftstätigkeit zur Sprache kommen.

Die Notwendigkeit für eine Entschließung der Gesellschaft darüber, ob der (vormalige) Geschäftsführer wegen Pflichtverletzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden soll, besteht daher auch dann nicht, wenn - wie hier - über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet worden ist.

3.

Eine Haftung des Beklagten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG scheidet nicht wegen eines Einverständnisses der Gesellschafterin mit seinem Handeln als Geschäftsführer aus.

a) Zwar entfällt der Vorwurf der Pflichtwidrigkeit bereits dann, wenn der Verhandlungsführer im Einverständnis mit dem Geschäftsherrn gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 05.12.1990 – IV ZR 187/99 – Rn 16). Dass der Beklagte auf Weisung der Gesellschafterin der ... (GmbH 01) - der Stadt ... (Ort 01) - die Vertragsabschlüsse betreffend die Leerverkäufe vorgenommen hat, behauptet er nicht. Er macht auch nicht geltend, dass sich die Alleingesellschafterin der ... (GmbH 01) vor Vertragsschluss mit den Strom-Leerverkäufen einverstanden erklärt hat. Ein solches Einverständnis lässt sich auch weder aus dem Risikohandbuch herleiten, denn jedenfalls wurde das dort genannte Risikokapital von 75.000 € bei jedem einzelnen Leerverkauf deutlich überschritten, ohne dass eine Anpassung durch Erhöhung des Risikokapitals stattgefunden hatte, noch daraus, dass - wie der Beklagte unter Verweis auf die Anlage B 2 geltend macht - in der Vergangenheit bereits Stromhandel mit ... (GmbH 03) betrieben worden ist. Abgesehen davon, dass der Beklagte nicht konkret dargelegt hat, inwieweit die Gesellschafterin der ... (GmbH 01) Kenntnis von den Handelsgeschäften und/oder der Anlage B 2 erlangt und durch welche Handlung sie ihr Einverständnis damit erklärt haben soll, handelte es sich – wie der Kläger zutreffend bemerkt – um kurzfristige An- und Verkäufe in einem erheblich geringeren Volumen als den hier in Rede stehenden Strom-Leerverkäufen.

Soweit der Beklagte behauptet hat, er habe den Bürgermeister der Stadt ... (Ort 01) am 20.07.2021 während eines Spaziergangs „vollumfänglich“ über die Termingeschäfte und die Preisentwicklung informiert und – wie er erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen hat – dieser habe ihm nur geraten, das Reporting der Handelsgeschäfte zusammen mit einer Strategie für das weitere Vorgehen für die nächste Aufsichtsratssitzung im September vorzubereiten, hält der Senat an seiner im Verhandlungstermin vom 10.07.2024 geäußerten Sichtweise fest, dass sich hieraus auch in Ansehung der vom Beklagten bei seiner Anhörung getätigten Angaben ein Einverständnis der Gesellschafterin nicht herleiten lässt. Es ist schon weder schriftsätzlich vorgetragen, noch vom Beklagten bei seiner Anhörung deutlich gemacht worden, welche konkreten Informationen er dem Bürgermeister unterbreitet haben will, um diesen überhaupt in die Lage zu versetzen, die getätigten Leerverkäufe und die hieraus resultierenden Risiken zu überblicken und einschätzen zu können. Die äußeren Umstände des Gesprächs und die Reaktion des Bürgermeisters deuten zudem darauf hin, dass es dem Beklagten nicht darum ging, eine fundierte Willensbildung der Gesellschafterin auf ausreichender Informationsgrundlage zu erzielen. So soll das Gespräch während eines Spaziergangs, mithin ohne erkennbaren geschäftlichen Anlass, stattgefunden haben. Der Beklagte will dem Bürgermeister hierbei die „komplette Position eröffnet“ haben, ohne dass er näher erläutert hätte, was damit konkret gemeint sein soll. Jedenfalls lässt sich der behaupteten Reaktion des Bürgermeisters eine Billigung der getätigten Strom-Leerverkäufe nicht entnehmen. Nach den Angaben des Beklagten bei seiner Anhörung soll der Bürgermeister der Stadt ... (Ort 01) ihn nur gefragt haben, wie er den Markt einschätze, und auf die Äußerung des Beklagten, dass er erwarte, dass die Preise fallen werden, sollen sich beide gefragt haben, „was wir jetzt machen sollten“ und gemeinsam entschieden haben, dass „bis zur Aufsichtsratssitzung eine sehr genaue Analyse erstellt und eine Strategie entwickelt wird, die wir dann dem Aufsichtsrat zur Entscheidung vorlegen“. Diese Äußerung stellt schon für sich genommen keine Entscheidung des Bürgermeisters als den die Gesellschafterin vertretenden Hauptverwaltungsbeamten (§ 7 (1) des Gesellschaftsvertrages i.V.m. § 53 Abs. 1 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg) im Sinne einer Billigung der getätigten Leerverkäufe dar, sondern beinhaltet lediglich die Erklärung, dass die Angelegenheit dem Aufsichtsrat zur Entscheidung vorgelegt werden soll – wie es auch in der Äußerung des Beklagten, er habe „gemeinsam mit dem Bürgermeister entscheiden, dass wir diese Frage im September in den Aufsichtsrat bringen“, zum Ausdruck kommt. Ein Einverständnis des Bürgermeisters der Stadt ... (Ort 01) mit den getätigten Leerverkäufen konnte der Beklagte auch deshalb nicht ernsthaft in Betracht ziehen, weil die von ihm geschilderte Reaktion des Bürgermeisters, der vermeintlich während eines Spaziergangs angesprochen und ohne jedwede Unterlagen über Strom-Leerverkäufe in Millionenhöhe informiert wird, zum Ausdruck bringt, dass er das Ausmaß der getätigten Leerverkäufe und die daraus resultierenden Risiken offenkundig nicht realisiert hat.

b) Von diesen Erwägungen abgesehen scheitert eine Entlassung des Beklagten aus der Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG auch aus den nachfolgenden Gründen, die ebenfalls bereits im Senatstermin vom 10.07.2024 erörtert worden sind.

Die Entlastung des Geschäftsführers als einseitige, körperschaftsrechtliche Erklärung, welche die Amtsführung im vergangenen Geschäftsjahr billigt und dem Entlasteten für die Zukunft das Vertrauen ausspricht, und ihn von allen bei der Beschlussfassung erkennbaren Ersatzansprüchen freispricht, gehört zu den der Gesellschafterversammlung obliegenden Aufgaben (§ 46 Nr. 5 GmbHG; § 8 (1) j) des Gesellschaftsvertrages). Dass die Gesellschafterin, vertreten durch ihren Bürgermeister, eine solche Entscheidung getroffen hat, die zudem nach § 7 (4) des Gesellschaftsvertrages der Zustimmung der Gemeindevertretung bedurfte hätte, ist nicht (hinreichend) dargetan.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf die erstmals im Berufungsrechtszug aufgestellte Behauptung stützen, der Bürgermeister der Stadt ... (Ort 01) habe mit ihm noch im November 2021 einen Aufhebungsvertrag geschlossen und auf die Geltendmachung von Ansprüchen ausdrücklich schriftlich verzichtet. Eine solche Generalbereinigung durch Verzichtsvertrag ginge inhaltlich (noch) über die Entlastung des Geschäftsführers hinaus, weshalb es auch zu einer Generalbereinigung eines Gesellschafterbeschlusses (BGH, Urteil vom 08.12.1997 - II ZR 236/96 -; Drescher in: Drescher, Die Haftung des Geschäftsführers, 8. Aufl. 2019, Haftung gegenüber der Gesellschaft - Innenhaftung Rn 463) bedarf – dessen Wirksamkeit hier am Fehlen der Zustimmung der Gemeindevertretung scheitert. Hinzu kommt, dass der Bürgermeister der Stadt ... (Ort 01) zu keinem Zeitpunkt gesetzlicher Vertreter der ... (GmbH 01) gewesen ist, mit der eine Aufhebungsvereinbarung hätte geschlossen werden müssen.

4.

Nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet der Geschäftsführer einer GmbH, wenn eine unternehmerische Entscheidung pflichtwidrig ist und zu einem Schaden der Gesellschaft führt.

Die Darlegungs- und Beweislast ist bei der Inanspruchnahme eines (ehemaligen) Geschäftsführers aus § 43 Abs. 2 GmbHG derart verteilt, dass die Gesellschaft - neben dem Eintritt und der Höhe des Schadens - darlegen und ggf. beweisen muss, dass dem Schaden ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers in seinem Pflichtenkreis zugrunde liegt. Der in Anspruch genommene Geschäftsführer muss darlegen und ggf. beweisen, dass sein Verhalten nicht pflichtwidrig war, er seinen Sorgfaltspflichten aus § 43 Abs. 1 GmbHG genügt hat, ihn kein Verschulden trifft oder der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre; er trägt – wie stets – die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche anspruchsausschließenden Einwendungen sowie Mitverschuldensaspekte.

Dabei ist dem Geschäftsführer, wenn es wie hier um unternehmerische Entscheidungen geht, außerhalb zwingender Verhaltensvorgaben (etwa aus Gesetz, Satzung oder dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag) ein weiter Beurteilungsspielraum zuzubilligen, der für jede unternehmerische Tätigkeit unabdingbar ist (sog. Business Judgement Rule). Da unternehmerische Geschäfte unvermeidbar risikobehaftet sind, ist es dem Geschäftsführer nicht schlechthin verwehrt, Risiken einzugehen; deshalb ist nicht der Abschluss jeden Geschäfts, bei dem Risiken bestehen, bereits eine Sorgfaltspflichtverletzung und führt nicht jedes risikobehaftete Geschäft nach der Verwirklichung des Risikos zur Schadensersatzpflicht. Die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für den Vorstand einer Aktiengesellschaft, wonach eine Pflichtverletzung nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, strahlt auch auf das GmbH-Recht aus, die Sorgfaltspflichten eines Vorstands einer AG und eines Geschäftsführers einer GmbH laufen insoweit gleich (BGH, Urteil vom 18.06.2013 - II ZR 86/11 - Rn 27).

a) Dies vorangestellt hat der Kläger seiner Darlegungslast genügt.

aa) Er hat zu einem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten als Geschäftsführer der ... (GmbH 01) hinreichend vorgetragen.

Der mit den Strom-Leerverkäufen zu erwartende Gewinn stand nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem drohenden Verlust. Die vom Beklagten eingegangenen Leerverkäufe stellen - auch nach der eigenen Einschätzung des Beklagten - Spekulationsgeschäfte gegen die aktuelle Marktentwicklung dar, und zwar in einem das Eigengeschäft mit Endverbrauchern um ein Vielfaches übersteigenden Umfang, bei denen die Wahrscheinlichkeit des Verlustes größer war als diejenige des Gewinns. Denn bei Abschluss jedes einzelnen hier in Rede stehenden Leerverkaufsvertrages bestand - was der Beklagte als solches nicht in Abrede stellt - lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Strompreis überhaupt unter den (zuletzt) vereinbarten Verkaufspreis sinken wird. Damit allein hätte sich, da der Beklagte bei den Strom-Leerverkäufen seit dem 09.03.2021 stets einen höheren Verkaufspreis als bei dem vorangegangenen Strom-Leerverkauf vereinbart hat, lediglich der letzte Strom-Leerverkauf kostendeckend abwickeln und ein Gewinn realisieren lassen. Um insgesamt einen Gewinn durch den Einkauf von Strom im Umfang der Leerverkaufsmengen mit den bis dahin getätigten Leerverkäufen erwirtschaften zu können, hätte der Strompreis in einem bestimmten Umfang - in Abhängigkeit von der bisher verkauften Strommenge und dem insgesamt vereinbarten Preis - sinken müssen. So hätte sich ein Gewinn nach Abschluss des Leerverkaufs vom 07.06.2021 zu einem Preis von 63,45 €/MWh rechnerisch nur dann erwirtschaften lassen, wenn der Strompreis auf dem Markt auf weniger als 59,2683 €/MWh (Gesamtpreis von 3.115.143,06 € : Gesamtverkaufsmenge von 52.560 MWh) gefallen wäre, nach dem Strom-Leerverkauf vom 22.06.2021 hätte der Strompreis auf unter 62,5329 €/MWh (Gesamtpreis von 5.477.890,26 € : Gesamtverkaufsmenge von 87.600 MWh), nach dem letzten Leerverkauf am 24.06.2021 – der Strompreis betrug inzwischen 69,85 €/MWh – auf weniger als 64,6235 €/MWh fallen müssen (Gesamtpreis von 7.925.424,26 € : Gesamtverkauf von 122.640 MWh). Tatsächliche objektive Anhaltspunkte dafür, dass sich der Strompreis in absehbarer Zeit so entwickeln würde - also erstens sinken und zweitens so weit absinken, dass sich der jeweilige Leerverkauf unter Berücksichtigung der bereits getätigten Leerverkäufe letztlich gewinnbringend auswirkt – lagen nicht vor. Die Preisentwicklung im Jahr 2021 gestaltete sich nicht erst seit der zweiten Jahreshälfte, sondern bereits von Jahresbeginn an nicht wie - so der Beklagte - in den vergangenen Jahren mit "zyklischen, jahreszeitlich ausgeprägten Wellenbewegungen" und allenfalls "kurzfristigen Ausschlägen" mit alsbaldigen Einpendeln auf ein stabiles Preisniveau, sondern war geprägt durch einen kontinuierlichen Preisanstieg – wie nicht zuletzt die vom Beklagten vereinbarten Preise für die Leerverkäufe zeigen, die bei jedem späteren Leerverkauf höher als bei den vorherigen waren. Bei Fortentwicklung dieser Preisentwicklung bestand die - sich dann tatsächlich realisierende - Gefahr einer krisenhaften Entwicklung und Schädigung des Unternehmens.

Es kommt hinzu, dass der Beklagte mit jedem der in Rede stehenden drei Strom-Leerverkäufe an ... (GmbH 03) im Juni 2021 ein Mehrfaches des mutmaßlichen Gesamtjahresenergiebedarfs der ... (GmbH 01) verkauft hat - bereits der Verkauf vom 10.03.2021 machte etwa das 1,4fache des Gesamtjahresbedarfs aus -, ohne eine entsprechende Strommenge bereits zur Verfügung zu haben - die ... (GmbH 01) verfügte ausweislich ihrer Satzung nicht über eigene Energiequellen - oder zeitnah zu den Verkäufen korrelierende Einkäufe zu tätigen, wie es der Beklagte in der Vergangenheit ausweislich der von ihm eingereichten Übersicht Anlage B 2 (Bl. 39 Anlagenheft Beklagter) gehandhabt hatte. Die von dem Beklagten innerhalb von knapp drei Wochen getätigten Leerverkäufe im Umfang von insgesamt über 6 Mio. € waren vollkommen ungesicherte Warentermingeschäfte aufgrund einer hochspekulativen Wette auf sinkende Marktpreise in einer Phase stets steigender Marktpreise.

Eine solche Vorgehensweise mag für die Führung eines Fonds, der Risikokapital zwecks Erzielung einer möglichst hohen Rendite einsetzt, sachgerecht sein, ist - ungeachtet des Umstandes, dass das kommunalrechtliche Spekulationsverbot, das seine Grundlage in dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 78 Abs. 2 Satz 3 KommVerf BRB hat, auf Unternehmen privater Rechtsform, an denen die Gemeinde mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist, keine entsprechende Anwendung findet (vgl. § 96 KommVerf BRB) - von dem Unternehmenszweck der ... (GmbH 01) aber nicht gedeckt. Die ... (GmbH 01) ist ein Versorgungsunternehmen, das den örtlichen Unternehmen und privaten Haushalten im Versorgungsgebiet u.a. Energie zu sicheren und preisstabilen Bedingungen zur Verfügung zu stellen hat (vgl. § 2 Abs. 1, § 3 der Satzung vom 19.08.2019, Anlage B 10, Bl. 108ff LG-Akte). Mit diesem Gesellschaftszweck haben die getätigten Strom-Leerverkäufe nichts gemein. Denn es handelte sich eben nicht um Verkäufe überschüssiger Energiemengen - wie ausgeführt, verfügt die ... (GmbH 01) nicht über eigene Energiequellen und der Beklagte hatte unstreitig noch nicht einmal die für die Bestandskunden erforderlichen Energiemengen eingekauft - und das Volumen eines jeden der im Juni 2021 getätigten Leerverkäufe überstieg den zu erwartenden Gesamtjahresbedarf der vertraglich gebundenen Kunden der ... (GmbH 01) um ein Mehrfaches; mit jedem weiteren Strom-Leerverkauf an ... (GmbH 03) ist der Beklagte, ohne durch Einkauf von Strom die eingegangenen Lieferpflichten zu decken, weitere Verlustrisiken für die Gesellschaft eingegangen.

bb) Der Kläger hat seiner Darlegungslast auch in Bezug auf den Eintritt und die Höhe des Schadens genügt.

Schaden ist die Vermögensminderung nach der Differenzhypothese gemäß § 249 BGB. Dazu ist die durch die Pflichtverletzung eingetretene Gesamtvermögenslage der Gesellschaft mit derjenigen zu vergleichen, die sich ohne die Pflichtverletzung ergeben hätte.

Der Schadenseintritt als solcher ist nicht streitig - der Beklagte räumt mit seiner Berufung (S. 29, Bl. 49 elA-OLG) unter Bezugnahme auf die Anlage B 25 (gemeint ist hiermit Bl. 50 elA-OLG) ein, dass sich die Verbindlichkeiten "aus der Handelsposition" ... (GmbH 03) zum Zeitpunkt der Eingehung des letzten der 3 Handelsgeschäfte auf 640.969,20 € belaufen habe.

Der - rein rechnerische - Verlust der Schuldnerin durch die in Rede stehenden drei Leerverkäufe aus Juni 2021 hat nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten im Berufungsrechtszug (Bl. 42 elA-OLG) "zum Zeitpunkt der Vorbereitung der Aufsichtsratssitzung" vom 29.09.2021 am 22.09.2021 bereits 4.778.842.80 € betragen, ist am 29.09.2021 auf 6.522.783,60 € und in der Folgezeit noch weiter angestiegen, mithin war - ausgehend von den Verlustzahlen des Beklagten - der rechnerische Verlust aus jedem der drei Strom-Leerverkäufe bereits am 29.09.2021 größer als der mit der Klage jeweils geltend gemachte Schaden. Im Übrigen ist zur Schadensentwicklung im engeren Sinn hinreichend durch Verweis auf die - hilfsweise durch außerordentliche Kündigung erfolgte - Beendigung des Rahmenvertrages zwischen der Schuldnerin und ... (GmbH 03) und Abrechnung der Leerverkäufe vorgetragen, denn damit endete die Lieferverpflichtung der Schuldnerin (gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises) und an die Stelle der auszutauschenden Leistungen trat die Forderung von ... (GmbH 03) gegenüber der Schuldnerin. Den Gesamtschaden zu diesem Zeitpunkt hat der Kläger unter Bezugnahme auf die in dieser Höhe zur Tabelle festgestellte Forderung (Anlage K 7, Bl. 67 eA OLG) mit 31.876.346,88 € beziffert.

Weiterer Darlegungen bedurfte es für die Schlüssigkeit der Inanspruchnahme des Beklagten aus § 43 Abs. 2 GmbHG nicht.

b) Der Vortrag des Beklagten trägt nicht die Annahme, er habe die Sorgfaltspflichten beachtet, die ihm als Geschäftsführer der ... (GmbH 01) oblagen.

aa) Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob der Beklagte die Entscheidung für die Hoch-Risikogeschäfte auf einer hinreichenden Informationsgrundlage getroffen hat.

Der dem Geschäftsleiter bei unternehmerischen Entscheidungen eingeräumte Beurteilungsspielraum setzt voraus, dass die Entscheidungsgrundlagen sorgfältig ermittelt sind. Ohne Ausschöpfen der Informationsquellen ist das Geschäft pflichtwidrig. Dabei muss nicht nach jeder Information gesucht werden, sondern nur nach allen, die vernünftigerweise nach den Umständen objektiv erforderlich sind und mit angemessenem Aufwand erlangt werden können. Der Umfang der Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen steht aber nicht weitergehend allein im freien Ermessen des Geschäftsführers. Der Geschäftsführer muss in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen, auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung tragen. Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, ist Raum für die Zubilligung unternehmerischen Ermessens.

Dies vorausgeschickt, lässt sich nicht erkennen, dass der Beklagte alle verfügbaren Informationsquellen ausgeschöpft hat, um die Vor- und Nachteile des Abschlusses von weiteren – nach den im März 2021 geschlossenen – Strom-Leerverkäufen sorgfältig abschätzen und den erkennbaren Risiken Rechnung tragen zu können. Unstreitig hat er sich in erster Linie auf die Marktbeobachtung der vergangenen Jahre gestützt und hat erwartet, – als Quelle benennt er eine Mitteilung vom 23.08.2021 (B 22, Bl. 248 AnlH B), die indes keine Informationsquelle für die bereits im Juni getätigten Leerverkäufe gewesen sein kann – dass Nord Stream 2 im September 2021 fertiggestellt werde. Den Expertenrat der ... (GmbH 02) hat er nicht eingeholt, obgleich dieser Energiedienstleister der ... (GmbH 01) gegenüber u.a. zur Unterstützung durch Marktanalyse und Marktbeobachtung verpflichtet war. Dass die Strompreisentwicklung in den vergangenen Jahren, die nach seinen Angaben „wellenförmig“ ablief, als Informationsgrundlage für Leerverkäufe vom Strom im Jahr 2021 nicht ausreichend sein würde, ließ sich bereits daraus erkennen, dass der Strompreis sich in diesem Jahr schon bis Anfang Juni 2021 gerade nicht wellenförmig entwickelt hat, sondern – wie aus der vom Beklagten als Anlage B 9 (Bl. 97 Anlagenheft Beklagter) eingereichten Übersicht deutlich wird – eine deutlich ansteigende Tendenz aufwies und von ca. 50 €/MWh auf 54,40 €/MWh am 09.03.2021, am nächsten Tag bereits auf 55,43 €/MWh und am 07.06.2021 auf 63,45 €/MWh angestiegen war, ohne in der Zwischenzeit auch nur annähernd auf das Preisniveau im März 2021 gesunken zu sein.

Soweit der Beklagte des Weiteren mit Schriftsatz vom 24.05.2023 (dort S. 24f, Bl. 206f eA-LG) vorgetragen hat, er habe „sich auch in den Monaten März und Juni 2021 über verfügbare elektronische Quellen, Newsletter und im Gespräch mit anderen Marktakteuren eine Marktmeinung gebildet“ und verweise „exemplarisch“ auf die Newsletter von Montel, Südweststrom, VNG, ... (Gesellschaft 02) und Energy&More und den regelmäßigen Austausch mit den Herren … (Name 06), … (Name 07), … (Name 08) und … (Name 09), bleibt im Unklaren, was er aus diesen Quellen und Gesprächen im Einzelnen an Erkenntnissen gewonnen haben will und inwieweit es sich bei den benannten Gesprächspartnern überhaupt um verlässliche Informationsquellen gehandelt haben soll. Auch sein weiteres Vorbringen, worauf er die Erwartung auf Preiserholung gestützt haben will, bleibt hinsichtlich der Quellenangabe ersichtlich unkonkret.

bb) Entscheidend ist aber ohnehin, dass der Beklagte mit den Strom-Leerverkäufen im Juni 2021 weitere Risiken in (erheblich) steigendem Umfang eingegangen ist, nachdem sich seine Erwartungen für die im März 2021 getätigten Strom-Leerverkäufe nicht realisiert haben.

Die mit Abschluss der Strom-Leerverkäufe im März 2021 eingegangene Wette auf sinkende Strompreise ist nicht aufgegangen. Die Erwartung des Beklagten, aufgrund derer er die beiden März-Geschäfts abgeschlossen hatte, die Strompreise würden sinken, hat sich bis Juni 2021 nicht realisiert; im Gegenteil sind die Strompreise weiter angestiegen und lagen am 07.06.2021 ca. 17 % höher als noch am 09.03.2021 und ca. 14,5 % über denjenigen vom 10.03.2021. Aus dieser Ausgangslage heraus - am 07.06.2021 - einen weiteren Strom-Leerverkauf zu einem inzwischen 17 % bzw. 14,5 % höheren Preis zu tätigen über eine Strommenge, die der Summe des im März 2021 verkauften Stroms entspricht, stellt eine übermäßig riskante Unternehmensentscheidung dar, bei der naheliegender war, dass das Geschäft zu einer Schädigung des Unternehmens führt, als dass es sich für die GmbH als vorteilhaft erweist. Dasselbe gilt für die am 22.06.2021 und 24.06.2021 getätigten Strom-Leerverkäufe über jeweils eine Strommenge, die der Summe des mit Strom-Leerverkäufen vom 10.03. und 07.06.2021 verkauften Stroms entsprach, zu einem gegenüber dem am 09.03.2021 vereinbarten Strompreis um inzwischen ca. 24 % bzw. ca. 29 % gestiegenen Preis.

Der Beklagte hat damit das ohnehin aufgrund der bereits im März 2021 getätigten Strom-Leerverkäufe - bis zur Insolvenz der ... (GmbH 01) - aus den im angefochtenen Urteil auf S. 21/22 zutreffend dargelegten Gründen bestehende unbegrenzte Verlustrisiko durch Abschluss weiterer Strom-Leerverkäufe im Juni 2021 erhöht. Die rein rechnerische Wahrscheinlichkeit eines Preisanstiegs nach Abschluss der Leerverkäufe betrug 50 %. Objektive Umstände, die die Annahme einer geringeren tatsächlichen Wahrscheinlichkeit rechtfertigen könnten, hat der Beklagte auch in seiner Anhörung durch den Senat nicht dargetan. Danach will er aus den ihm von der ... (GmbH 02) übermittelten „historischen Informationen“ festgestellt haben, „dass schon im Juni der Preis bei dem Maximum dessen war, was in den letzten 10 Jahren sich ergeben hatte“, weshalb er erwartet hat, dass „sich der Preis in die richtige Richtung bewegen“, also sinken würde. Ein sachlicher Grund, weshalb der Strompreis einen historischen Höchststand aus den vergangenen zehn Jahren nicht übersteigen sollte, lässt sich nicht erkennen, zumal der Preis sich im Jahr 2021 bis Juni schon nicht, wie vom Beklagten für die Vorjahre beschrieben, in „Wellenbewegungen“ entwickelt hat, sondern – in der graphischen Darstellung Anlage B 9 (Bl. 97 elA-LG) gut zu erkennen – mit Ausnahme eines kurzfristigen Preisrückgangs im Mai, dem allerdings ein starker Preisanstieg vorausgegangen war, stetig angestiegen ist. Damit bestand bei jedem der drei in Rede stehenden Leerverkäufe im gleichen Umfang wie die Wahrscheinlichkeit eines Preisrückgangs das Risiko, dass der Strompreis (weiter) steigt. Der bloße Preisrückgang als solcher mit einer - zugunsten des Beklagten - Wahrscheinlichkeit von ebenfalls 50 %, hätte allerdings nicht ausgereicht, um den Verlusteintritt bei der ... (GmbH 01) verhindern zu können. Hierzu hätte - aus den bereits oben dargelegten Gründen - zum Zeitpunkt des letzten Leerverkaufs am 24.06.2021 der Strompreis auf dem Markt von 69,85 €/MWh auf unterhalb von 64,6235 €/MWh sinken müssen.

Der Einwand des Beklagten, er habe mit dem ersten Juni-Geschäft den Verlust aus den vorangegangenen Handelsgeschäften um 510.200 € reduziert, geht - wie bereits im Verhandlungstermin vom 10.07.2024 dargelegt - fehl. (Auch) der erste Strom-Leerverkauf im Juni 2021 erfolgte auf der Basis eines höheren Preises als die vorgehenden Leerverkäufe und hat weitere Verlustrisiken für die hiermit gebundene Gesellschaft geschaffen. Für eine auch nur teilweise Reduzierung des Verlustes hätte der Beklagte, statt weiter Strom(leer)Verkäufe zu tätigen, Stromeinkäufe über eine den bisherigen Leerverkäufen entsprechende Strommenge vornehmen müssen, was er unstreitig nicht getan hat.

Die Einhaltung der dem Beklagten als Geschäftsführer der ... (GmbH 01) obliegenden Sorgfaltspflichten lässt sich auch nicht darauf stützen, dass Spekulationsgeschäfte gerade darauf beruhten, dass aus der Beobachtung des Marktes andere Erwartungen abgeleitet würden, die nicht aus der Marktmeinung hergeleitet werden könnten, und die Spekulation gerade dann, wenn sich die von der Marktmeinung abweichende Sicht bestätige, erfolgreich sei. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass sich das spekulative Geschäft mit Strom-Leerverkäufen gerade dann als erfolgreich erweist, wenn sich der Strommarkt anders entwickelt als die Marktmeinung zum Zeitpunkt des Strom-Leerverkaufs zugrunde gelegt hat. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass der Beklagte ein erlaubtes Risiko eingegangen ist. Die Sichtweise des Beklagten liefe letztlich darauf hinaus, dass - zumal unabhängig vom Unternehmenszweck - die Anforderungen an die einzuholenden Informationen um so geringer wären und der dem Geschäftsführer eines Unternehmens eingeräumte Ermessensspielraum um so größer wäre, je unkalkulierbarer das Risiko ist.

c) Der Beklagte hat den ihm obliegenden Nachweis fehlenden Verschuldens nicht geführt.

Der Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 24.05.2023, der exorbitante Strompreisanstieg in der zweiten Jahreshälfte und die Entwicklung im Juni 2021 seien nicht vorhersehbar gewesen, ist unbehelflich. Fahrlässigkeit i.S.d. § 276 BGB setzt die Vorhersehbarkeit der Gefahr voraus. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - und des Senats - braucht sich die Vorhersehbarkeit aber nicht darauf zu erstrecken, wie sich der Schadenshergang im Einzelnen abspielt und in welcher Weise sich der Schaden tatsächlich verwirklicht. Es genügt vielmehr, dass der Schädiger die Möglichkeit des Eintritts eines schädigenden Erfolges im Allgemeinen hätte voraussehen können (BGH, Urteil vom 30.05.1972 - VI ZR 6/71 - Rn 28; vom 13.07.1971 - VI ZR 125/70 - Rn 21; und Urteil vom 10.11.1992 - VI ZR 45/92 - Rn 12). Darauf, ob die konkrete Preisentwicklung bei Abschluss der Leerverkäufe vorhersehbar war, kommt es daher nicht an. Ausreichend ist, dass die Gefahr weiter steigender Preise als solche und überdies das Risiko vorhersehbar war, dass die Preise nicht so weit sinken würden, dass die ... (GmbH 01) die mit den Strom-Leerverkäufen eingegangenen Lieferpflichten durch entsprechend günstige Stromeinkäufe (mindestens) hätte ausgleichen können.

d) Den kausal durch die Pflichtverletzung eingetretenen (Erst)Schaden stellt der Beklagte, wie oben ausgeführt, nicht in Abrede. Der Schaden besteht auch in der geltend gemachten Höhe von 3.500.000 € und beruht auf der Pflichtverletzung des Beklagten (§ 287 ZPO).

aa) Durchgreifende Einwände gegen die Höhe des Gesamtschadens von 31.876.346,88 € erhebt der Beklagte nicht. Die Feststellung der Forderung von ... (GmbH 03) gegen die ... (GmbH 01) zur Insolvenztabelle ist zwar zu Lasten des Beklagten nicht bindend; der Beklagte wendet aber hiergegen nichts Konkretes ein. Für die Höhe des Gesamtschadens ist nicht bedeutsam, ob die in § 13 des - ohnehin vom Beklagten entgegen der Zusage nicht vorgelegten - Rahmenvertrages getroffene Aufhebungsklausel den höchstrichterlichen Anforderungen an „insolvenzrechtliche Lösungsklauseln“ (BGH, Urteil vom 27.10.2022 - IX ZR 213/21) entspricht, denn gegen die Wirksamkeit der hilfsweise erklärten außerordentlichen Kündigung des Rahmenvertrages durch ... (GmbH 03) bringt der Beklagte nichts vor. Die bloße Rüge, das Landgericht hätte die Rechtmäßigkeit der von ... (GmbH 03) gestellten Ansprüche prüfen müssen, reicht nicht. Im Zivilprozess besteht weder in Bezug auf anspruchsbegründende noch auf anspruchsvernichtende Tatsachen eine Amtsermittlungspflicht. Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln obliegt es vielmehr im Zivilprozess dem Beklagten, diejenigen Tatsachen vorzutragen, auf die er seine Einwendungen gegen die Inanspruchnahme durch den Kläger stützt. Daran fehlt es hier. Der Beklagte hat weder den mit ... (GmbH 03) geschlossenen Rahmenvertrag vorgelegt noch anderweitige Umstände vorgetragen, die einer wirksamen Beendigung des Rahmenvertrages - die sich letztlich auch auf eine (konkludente) einvernehmliche Vertragsaufhebung aufgrund widerspruchsloser Hinnahme des Schreibens von ... (GmbH 03) vom 26.12.2021 nach Insolvenzantragstellung stützen lässt - entgegen stehen könnten.

bb) Es fehlt auch nicht an der erforderlichen adäquaten Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetretenen Art geeignet ist (st.Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 19.10.2016 – IV ZR 521/14 – Rn 15; Urteil vom 14.03.1985 – IX ZR 26/84 – Rn 25; Urteil vom 18.12.1997 – VII ZR 342/96 – Rn 9); er kann fehlen, wenn der Geschädigte oder ein Dritter in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden erst endgültig herbeiführt.

Bei der gebotenen objektiven nachträglichen Prognose war es weder völlig unwahrscheinlich noch völlig ungewöhnlich, dass der Strompreis weiter angestiegen ist; vielmehr wohnte das Risiko steigender Strompreise jedem der vom Beklagten getätigten Strom-Leerverkäufe von vornherein inne. Nichts anderes gilt für die Rückstellungen, die die ... (GmbH 01) wegen der schwebenden Strom-Leerverkäufe an ... (GmbH 03) gebildet hatte und die sie wegen des weiteren Strompreisanstiegs drohenden Verluste gemäß § 249 HGB zu passivieren hatte.

e) Dem Beklagten kommt unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt eine Beschränkung der Haftung zugute.

aa) Entgegen seiner Auffassung kommt eine Haftungsbeschränkung nach den für betrieblich veranlasste Tätigkeiten von Arbeitnehmern entwickelten Grundsätzen (vormals: „gefahrgeneigte Arbeit“) nicht zum Tragen.

Die zu Haftungserleichterungen von (gewöhnlichen) Arbeitnehmern nicht nur für gefahrenträchtige Arbeit, sondern für jegliche betrieblich veranlasste Tätigkeit entwickelten Grundsätze gelten zwar auch für leitende Angestellte (BAG, Urteil vom 11.11.1976 - 3 AZR 266/75), nicht aber für Organe einer juristischen Person und damit auch nicht für den Geschäftsführer einer GmbH (BGH, Urteile vom 05.12.1983 - II ZR 252/82 - und vom 27.02.1975 - II ZR 112/72 - Genossenschaft; Drescher in: Drescher Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 8. Aufl. 2019, Haftung gegenüber der Gesellschaft - Innenhaftung Rn 436). Dies gilt ausnahmslos, soweit die Pflichtverletzung - wie es hier der Fall ist - im Zusammenhang mit der Unternehmensleitung begangen wird. Ob eine Ausnahme gelten soll, wenn der Geschäftsführer wie jeder beliebige Dritte am Rechtsverkehr teilnimmt, beispielsweise auf einer Dienstfahrt mit einem Dienstfahrzeug einen Schaden verursacht (Drescher in: Drescher Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 8. Aufl. 2019, Haftung gegenüber der Gesellschaft - Innenhaftung Rn 437) oder nach Phishing Mails Zahlungen anweist (so OLG Zweibrücken, Urteil vom 18.08.2022 - 4 U 198/21 - Rn 52ff), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn eine analoge Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung für von Arbeitnehmern betrieblich veranlasste Schäden auf den (angestellten) Geschäftsführer scheidet für den Bereich der organschaftlichen Verantwortung aus, weil der Geschäftsführer das unternehmerische Risiko eingegangen ist, das im Verhältnis des gewöhnlichen Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber letzterer zu tragen hat. Hinzu kommt, dass eine Haftungsprivilegierung zu Lasten der Gläubiger und Gesellschafter wirken würde, da die Vermögenseinbuße im Gesellschaftsvermögen dann überhaupt nicht ausgeglichen würde (so Nock/Servatius/Haack, GmbHG 23. Aufl. 2022, § 43 Rn 43; Münchner HbArbR, 6. Aufl. 2024, § 57 Rn 66; grundsätzlich eine Haftungsprivilegierung des GmbH-Geschäftsführers ablehnend: Staudinger-Fischinger (2022) § 619a BGB Rn 71; Haftungsprivilegierung nur wenn aufgrund konkreter Ausgestaltung des Vertrages stark einschränkendes Weisungsrecht: BeckOK Arbeitsrecht, Stand 01.03.2024, § 619a, Rn 6).

bb) Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf ein mitwirkendes Verschulden berufen.

Fügt ein gesellschaftsfremder Dritter einer GmbH einen Schaden zu, wirkt aber bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des verfassungsmäßigen Organs der GmbH mit, dann kann sich der Umfang des von dem Dritten zu leistenden Ersatzes nach §§ 31, 254 Abs. 1 BGB je nach den Umständen ermäßigen. Ein solcher Fall der Drittschädigung liegt jedoch im Innenverhältnis einer GmbH nicht vor, wenn ein (anderes) Gesellschaftsorgan oder eines seiner Mitglieder die Gesellschaft durch pflichtwidriges Verhalten schädigt. In der juristischen Person, die als solche nicht handeln kann, sind nämlich die Pflichten der für sie tätigen Organe so ausgestaltet, dass sie nebeneinander bestehen, jedes Organ für die Erfüllung seiner Pflichten im Rahmen seines gesetzlichen oder satzungsmäßigen Geschäftsbereichs selbständig verantwortlich ist und deshalb im Falle einer Pflichtwidrigkeit für den verursachten Schaden der juristischen Person auch voll einzustehen hat. Kein Gesellschaftsorgan kann der Gesellschaft gegenüber einwenden, seine Ersatzpflicht sei gemindert, weil ein anderes Gesellschaftsorgan für den Schaden mitverantwortlich sei. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, wenn mehrere Mitglieder des Geschäftsführungsorgans verantwortlich sind. Aus § 43 Abs. 2 GmbHG folgt, dass sich ein Geschäftsführer auf das Mitverschulden eines Mitgeschäftsführers nicht berufen kann; er bildet vielmehr im Verhältnis zur GmbH mit diesem zusammen eine Haftungsgemeinschaft und haftet gesamtschuldnerisch auf den gesamten Schaden. Dasselbe ist allgemein anerkannt, wenn das Mitglied eines anderen Gesellschaftsorgans für den vom Geschäftsführer herbeigeführten Schaden mitverantwortlich ist. Hat etwa das Mitglied eines in der GmbH gebildeten Aufsichtsrats seine Aufsichtspflicht verletzt, dann haftet dieses neben dem Geschäftsführer als Gesamtschuldner, und auch hier kann der Geschäftsführer nicht einwenden, die Gesellschaft habe durch das Aufsichtsratsmitglied die in ihrem Interesse gebotene Beaufsichtigung vernachlässigt, so dass seine eigene Ersatzpflicht nach § 254 BGB gemindert sei (BGH, Urteil vom 14.03.1983 - II ZR 103/82 - Rn 6 m.w.N.; Münchner Kommentar zum GmbHG 4. Aufl. 2023 § 43 Rn 387).

Bereits vor diesem Hintergrund kommt ein mitwirkendes Verschulden des Aufsichtsrates nicht in Betracht. Darauf, dass der Beklagte ohnehin lediglich pauschal behauptet hat, den Aufsichtsrat „mehrfach“ unterrichtet zu haben, und auf das Bestreiten des Klägers hin seinen Vortrag nicht konkretisiert und unter Beweis gestellt hat, kommt es nicht (mehr) an. Sein Vorbringen, in der Aufsichtsratssitzung vom 29.09.2021 habe er über die Leerverkäufe informiert, findet weder in seiner Präsentation hierzu (Anlage B 5, Bl. 44ff Anlagenheft Beklagter) noch in der von ihm erstellten Beschlussvorlage betreffend die Beschaffung der offenen Energiemengen ab 1.1.2022 unterjährig im Spot- und Terminmarkt (Anlage B 6, Bl. 84ff Anlagenheft Beklagter) eine Stütze; dies ist um so bemerkenswerter als er in seiner Präsentation mehrfach das Jahr 2021 als – die Strompreisentwicklung betreffend – „kein Normjahr“ bezeichnet und die Strompreise als im 2. Halbjahr 2021 „explosionsartig“ gestiegen beschreibt.

Der Mitverschuldenseinwand lässt sich auch nicht damit begründen, der Beklagte sei nicht hinreichend überwacht worden. Der Einwand, er sei nachlässig überwacht worden, ist dem Schädiger im Allgemeinen versagt; hiervon eine Ausnahme zu machen, besteht keine Veranlassung. Die Gesellschafterversammlung kann zwar als übergeordnetes Gesellschaftsorgan die Geschäftsführer von der Verantwortlichkeit für eine Geschäftsführungsmaßnahme befreien, wenn sie ihnen durch Beschluss im Rahmen von Gesetz, Satzung und guten Sitten dafür eine Weisung erteilt. Üben die Gesellschafter ihr Recht, die Geschäftsführung zu prüfen und zu überwachen (§ 46 Nr. 6 GmbHG), nicht oder nur unzureichend aus, so haften sie selbst gegenüber der Gesellschaft. Ihr Versäumnis entlastet den Geschäftsführer, der eigene Pflichten versäumt hat, aber nicht von seiner vollen Haftung gegenüber der Gesellschaft.

Auch der Vorwurf fehlender Unterstützung durch Bereitstellen einer sachgerechten und effektiven Organisation kann ein mitwirkendes Verschulden i.S.d. § 254 BGB nicht stützen. Vielmehr gehörte es zu den Aufgaben des Beklagten als Geschäftsführer, seine Mitarbeiter anzuleiten, geeignete Mitarbeiter einzustellen, die - vertraglich vereinbarte - Unterstützung und Beratung von ... (GmbH 02) einzufordern und etwaige Lücken, Missverständlichkeiten oder Aktualisierungen in Bezug auf das Risikohandbuch und die Risikoleitlinien durch entsprechende Hinweise und Aufforderung zur Weisungserteilung durch die anderen Gesellschaftsorgane ausräumen zu lassen. Dass der Beklagte in dieser Hinsicht tätig geworden ist, lässt sich nicht erkennen.

Dies gilt auch in Ansehung des vom Beklagten behaupteten Gesprächs "während eines Spaziergangs" am 20.07.2021 mit dem seinerzeitigen Bürgermeister. Denn weder schriftsätzlich noch im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat hat der Beklagte angegeben, welche konkreten Informationen er, zumal mit der gebotenen Empfehlung zu sofortigem Handeln, dem Bürgermeister mitgeteilt haben will, und inwieweit sich der Schaden dann günstiger entwickelt hätte. Ein mitwirkendes Verschulden in Bezug auf den Umfang des Schadens wegen Unterlassens einer objektiv gebotenen Weisung, in bestimmter Art und Weise tätig zu werden, scheidet aus.

Soweit der Beklagte eingewandt hat, es hätte aufgeklärt werden müssen, warum nach seiner Entfernung aus dem Unternehmen, keine Maßnahmen ergriffen worden seien, verkennt er, dass er als Schädiger die Umstände, die ein mitwirkendes Verschulden der ... (GmbH 01) begründen können, darlegen - und ggf. beweisen - muss. Auch die in der Berufungsbegründung (dort S. 43) aufgestellte Behauptung, nach seiner Kenntnis habe „... (GmbH 03) ein Vergleichsangebot unterbreitet, das nicht angenommen wurde“, genügt ersichtlich nicht einmal im Ansatz, um den Mitverschuldenseinwand in Bezug auf die Schadenshöhe begründen zu können.

D.

Der Antrag festzustellen, dass die mit dem Zahlungsbegehren geltend gemachte Forderung auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO beruht, ist zulässig und auch begründet.

1.

Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere besteht das für die Zulässigkeit nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.

Das rechtliche Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung des Rechtsgrundes (§ 256 Abs. 1 ZPO) folgt aus dem Bedürfnis, frühzeitig und nicht erst im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) zu klären, ob die Forderung gegen den Beklagten nach § 302 Nr. 1 InsO von einer Restschuldbefreiung ausgenommen bleibt (BGH, Versäumnisurteil vom 16.02.2012 – IX ZR 218/10 – Rn 6 mwN).

2.

Das Feststellungsbegehren hat auch in der Sache Erfolg.

Der Beklagte haftet auf Schadensersatz auch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 266 Abs. 1 StGB.

Untreue i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt.

a) Die für beide Tatbestandsvarianten erforderliche Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist gegeben, wenn der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine inhaltlich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung von dessen Vermögensinteressen innehat, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht. Hinzukommen muss, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen bleibt und ihm eine gewisse Selbstständigkeit belassen wird (st. Rspr., siehe nur BGH, Urteil vom 09.11.2016 - 5 StR 313/15 -; Beschluss vom 16.08.2016 - 4 StR 163/16).

Nach diesen Grundsätzen ist eine Vermögensbetreuungspflicht des Beklagten aus seiner Stellung als Geschäftsführer der ... (GmbH 01) zu bejahen

b) Der Beklagte hat seine Befugnis als Geschäftsführer, die ... (GmbH 01) zu verpflichten, dadurch missbraucht, dass er mit den im Juni 2021 getätigten drei Strom-Leerverkäufen über ein Mehrfaches des erwarteten Gesamtjahresenergiebedarfs der ... (GmbH 01) jeweils ein Hochrisikogeschäft abgeschlossen hat, bei denen jeweils die Gefahr eines Verlustes wahrscheinlicher war als die Aussicht auf Gewinn und das Ausmaß des möglichen Verlustes infolge jedes der drei Strom-Leerverkäufe unbegrenzt war. Dadurch hat der Beklagte eindeutig die Grenzen des wirtschaftlich vertretbaren und den Regeln kaufmännischer Sorgfalt entsprechenden Risikos überschritten.

Jeder der im Juni 2021 vom Beklagten geschlossenen Strom-Leerverkäufe barg das Risiko eines Verlustes in erheblicher Höhe nicht nur dann, wenn der Strompreis - wie im Zeitraum zwischen März und Juni 2021 und zwischen dem ersten Strom-Leerverkauf am 07.06.2021 und den weiteren Strom-Leerverkäufen - weiter ansteigen würde, sondern bereits dann, wenn der Strompreis bis zum Zeitpunkt des Fälligwerdens der jeweiligen Lieferverpflichtung im Jahr 2022 nicht unter den jeweils vereinbarten Preis gefallen wäre. Ein Verlust wäre nur dann nicht eingetreten, wenn nach Abschluss des Vertrages vom 07.06.2021 der Strompreis auf dem Markt auf weniger als 59,2683 €/MWh, nach dem Strom-Leerverkauf vom 22.06.2021 auf unter 62,5329 €/MWh und nach dem letzten Leerverkauf am 24.06.2021 auf weniger als 64,6235 €/MWh gefallen wäre. Die Chance einer solchen Preisentwicklung war geringer als das Risiko, dass der Strompreis oberhalb dieser Preismarken bleiben würde. Schlechthin unvertretbar wird das Handeln des Beklagten als Geschäftsführer eines (klein)städtischen Unternehmens, das den örtlichen Unternehmen und privaten Haushalten im Versorgungsgebiet u.a. Energie zu sicheren und preisstabilen Bedingungen zur Verfügung zu stellen hat, durch die Größenordnung der eingegangenen Strom-Leerverkäufe und das Fehlen von jeglichen Maßnahmen zur Risikobegrenzung. Die mit den Strom-Leerverkäufen eingegangenen Lieferpflichten überstiegen den jährlichen Gesamtstrombedarf des Unternehmens um ein Mehrfaches; sie standen weder zeitlich noch in Bezug auf ihre Größenordnung in Zusammenhang mit dem eigentlichen Kern der unternehmerischen Tätigkeit des vom Beklagten geleiteten Energieversorgers. Der Gegenwert der Lieferpflichten war mit über 1,6 Mio € (Verkauf vom 07.06.2021), über 2,3 Mio € (Verkauf vom 22.06.2021) bzw. über 2,4 Mio € (Verkauf vom 24.06.2021) vereinbart; mithin standen, würden sich die Strompreise nicht so entwickeln wie erwartet, Verluste in Millionenhöhe bis hin zum Insolvenzrisiko des vom Beklagten geleiteten Unternehmens im Raum. Eine Regelung zur Begrenzung des Verlustrisikos hat der Beklagte im Zusammenhang mit den Strom-Leerverkäufen nicht vereinbart, noch hat er anderweitig Maßnahmen getroffen, um das erhöhte Risiko von Verlusten in erheblichem Umfang einzugrenzen.

c) Infolge der Pflichtverletzungen des Beklagten ist der ... (GmbH 01) auch ein Nachteil (mindestens) in Höhe des mit der Klage für den jeweiligen Strom-Leerverkauf geltend gemachten Betrages entstanden.

Nachteil ist jede auf die Tathandlung zurückzuführende Vermögenseinbuße, wobei nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung der Vergleich des Vermögens im Ganzen vor und nach dem beanstandeten Rechtsgeschäft nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmen ist (Schönke/Schröder, 19. Aufl. 2023, § 266 StGB Rn 40 mwN).

Nach dieser Maßgabe liegt ein Nachteil nicht lediglich in Form einer Vermögensgefährdung vor und die vom Beklagten aufgeworfene Problematik des sog. Verschleifungsverbotes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.03.2009, 2 BvR 1980/07) stellt sich hier nicht. Die ... (GmbH 01) war wegen der vom Beklagten getätigten Strom-Leerverkäufe an ... (GmbH 03) einer Gesamt-Ausgleichsforderung i.H.v. über 31. Mill. € ausgesetzt, die sich aus dem am 22.12.2021 an der Strombörse eex festgestellten Marktpreis für Strom i.H.v. 324,60 €/MWh errechnete, mithin für den Strom-Leerverkauf vom 07.06.2021 mindestens i.H. der geltende gemachten 950.000 € (324,60 €/MWh x 26.280 MWh - 63,45 €/MWh x 26.280 MWh = 6.863.022 €) und für die Strom-Leerverkäufe vom 22.06. und 24.062021 jeweils mindestens i.H. der geltend gemachten 1.275.000 € (324,60 €/MWh x 35.040 MWh - 67,43 €/MWh x 34.040 MWh = 9.011.236,80 €; 324,60 €/MWh x 35.040 MWh - 69,85 €/MWh x 34.040 MWh = 8.926.440 €).

Der geltend gemachte Vermögensschaden ist dem Beklagten auch zurechenbar. Insbesondere ist nicht erforderlich, dass die Vermögensminderung "unmittelbar" i.S. eines engen zeitlichen Zusammenhangs durch die pflichtwidrigen Handlungen herbeigeführt wird (BGH, Beschluss vom 13.04.2011 - 1 StR 94/10 - Rn 59). Die Kausalität zwischen der Vornahme der pflichtwidrigen Handlung - Abschluss der Strom-Leerverkäufe - und dem daraus resultierenden Vermögensnachteil - Verpflichtung zur Ausgleichszahlung (erst) nach Beendigung des Rahmenvertrages mit ... (GmbH 03) Ende Dezember 2021 - wird durch das Auseinanderfallen der beiden Ereignisse nicht unterbrochen. Es genügt, dass der negative Saldo bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre und auch sonst dem Schädiger objektiv zuzurechnen ist.

Dies ist aber hier der Fall. Die Bildung von Rückstellungen in das Eigenkapital der ... (GmbH 01) übersteigender Höhe, die ihrerseits ursächlich waren für die Insolvenzantragstellung, wäre ohne die vom Beklagten getätigten Strom-Leerverkäufe und die damit ab 01.01.2022 fälligen Lieferpflichten zu Preisen, die lediglich einen Bruchteil der Ende des Jahres 2021 bestehenden Marktpreise ausmachten, nicht erforderlich geworden. Der Geschehensablauf liegt auch keineswegs außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, so dass die Beendigung des Rahmenvertrages nach Insolvenzantragstellung dem Beklagten nicht mehr zugerechnet werden könnte; es hat sich vielmehr gerade das Risiko verwirklicht, das den hochspekulativen Strom-Leerverkäufen immanent war. Ob erst das Zusammentreffen der vom Beklagten im März 2021 abgeschlossenen Strom-Leerverkäufe mit den im Juni 2021 getätigten - (allein) den Tatbestand der Untreue verwirklichenden - Strom-Leerverkäufen zu dem Vermögensschaden geführt hat, ist weder für das Bestehen des Ursachenzusammenhangs noch für die Zurechenbarkeit des Schadenseintritts bedeutsam (vgl. Eisele in Schönke/Schröder 30. Aufl. 2019, Vorbemerkungen zu den §§ 13ff StGB Rn. 83).

d) Der Beklagte handelte mit bedingtem Vorsatz, auch in Bezug auf die Zufügung eines Nachteils gegenüber der ... (GmbH 01).

aa) Der Beklagte war sich der Pflichtwidrigkeit seines Handelns bewusst. Ihm war klar, dass er seine Befugnis, Verpflichtungen für das von ihm vertretene Unternehmen einzugehen, mit jedem der von ihm im Juni abgeschlossenen Strom-Leerverkäufe missbraucht, denn damit ging er jeweils ein spekulatives Risikogeschäft ein, das unbegrenzte Verlustrisiken barg und bei dem die Gefahr eines Verlustes wahrscheinlicher war als die Aussicht auf Gewinn. Diese Erkenntnis drängte sich dem Beklagten bereits deshalb auf, weil sich der Strompreis bereits in den knapp drei Monaten seit den ersten beiden Strom-Leerverkäufen im März bis zum 07.06.2021 gerade nicht so entwickelt hatte, wie vom Beklagten seinerzeit (im März 2021) erwartet, sondern weiter - bis zum 07.06.2021 bereits um 17 % bzw. um 14,5 % - angestiegen ist. Dem Beklagten war auch bei Vornahme jedes der drei Strom-Leerverkäufe im Juni 2021 bewusst, dass allein sinkende Strompreise keinen Gewinn versprachen, sondern der Strompreis unter eine bestimmte Preismarke sinken muss, damit die Strom-Leerverkäufe nicht zum Verlust führen. Abgesehen davon, dass dies auch einem betriebswirtschaftlichen Laien klar ist, geht der Senat davon aus, dass der nach seinen eigenen Angaben bei der Anhörung durch den Senat „langjährig“ in „Handelsgeschäften zwischen Energieversorgungsunternehmen“ berufserfahrene Beklagte die oben dargelegte - ohnehin einfache - Rechenoperation tatsächlich vorgenommen hat, will er doch mit den Strom-Leerverkäufen im Juni den „Hebel“ vergrößert haben, um bei sinkenden Preisen die Verluste zu verringern. Dass diese Vergrößerung des „Hebels“ mit den Juni-Verkäufen zwar eine Chance auf Verringerung der Verluste gab, zugleich aber die Verlustrisiken vergrößert hat, weil insbesondere bei steigenden Strompreisen erheblich höhere Verluste drohten, lag auf der Hand und wurde auch vom Beklagten erkannt. Aus der maßgeblichen Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters (BGH, Urteil vom 10.02.2022 - 3 StR 329/21 - Rn 14; Urteil vom 12.10.2016 - 5 StR 134/15 - Rn 34, juris) konnte der Beklagte daher vernünftigerweise nicht annehmen, dass er mit den getätigten Strom-Leerverkäufen im Juni 2021 zum Wohle der Gesellschaft handelt.

bb) Der Beklagte nahm auch den Eintritt des Vermögensschadens bei der ... (GmbH 01) durch die Strom-Leerverkäufe vom 07.06., 22.06. und 24.06.2021 mindestens billigend in Kauf.

Der Beklagte hat, nachdem ihm aus den im März 2021 getätigten Strom-Leerverkäufen das Risiko erheblich - innerhalb von weniger als drei Monaten um 17 % bzw. 14,5 % - ansteigender Strompreise vor Augen geführt worden war, keinerlei Bemühungen unternommen, um die von ihm erkannten Verlustrisiken, die nicht nur durch weiter ansteigende Strompreise, sondern auch durch nicht weit genug sinkende Strompreise entstehen können, auszuschalten. Er hat sich in Kenntnis seiner eigenen Fehleinschätzung im März 2021 zur Marktpreisentwicklung vor Abschluss der weiteren Strom-Leerverkäufe im Juni 2021 nicht bemüht, seine Markteinschätzung auf eine bessere und sicherere Grundlage zu stützen. Ihm war nach seinen eigenen Angaben bei seiner Anhörung bewusst, dass er keine besseren Marktinformationen hat als sein Handelspartner ... (GmbH 03), und der Anstieg der Strompreise seit den getätigten Strom-Leerverkäufen im März den Erwartungen der Trader dieses länderübergreifend agierenden Unternehmers entsprach. Gleichwohl hat er danach keinerlei Maßnahmen unternommen, um die Verlustrisiken, die mit den weiteren Strom-Leerverkäufen im Juni 2021 einhergingen, steuerbar zu halten.

Dafür dass der Beklagte sich bei Abschluss der jeweiligen Strom-Leerverkäufe im Juni 2021 mit dem Eintritt eines - auch erheblichen - Vermögensnachteils bei der von ihm vertretenen Gesellschaft abgefunden hat, spricht auch der Umstand, dass er es bei seiner Anhörung als Erfolg seiner Strategie angesehen hat, mit der Vergrößerung des Hebels den „Verlust von ca. 650.000 € (...) um 200.000 €“ (rechnerisch) verringert zu haben. Auch wenn der Beklagte in diesem Zusammenhang davon spricht, dass ihm das „Risiko zu groß“ erschien, die Positionen aus den im März geschlossenen Strom-Leerverkäufen sofort zu schließen, konnte er, weil er mit den Strom-Leerverkäufen im Juni die von ihm vertretene Gesellschaft in ungleich größerem Umfang verpflichtet und erkanntermaßen ungleich größere Risiken eingegangen ist, realistischweise nicht davon ausgehen, dass er rechtzeitig vor Fälligkeit der Lieferverpflichtungen aus den von ihm getätigten Strom-Leerverkäufen die hierzu - sowie für die Belieferung der Stromkunden der ... (GmbH 01) - benötigten Strommengen günstiger wird einkaufen können. Auch dadurch, dass der Beklagte den nach „Vergrößerung des Hebels“ durch die Strom-Leerverkäufe vermeintlich noch i.H.v. „400.000 €“ verbleibenden Verlust lediglich zum Anlass genommen haben will, um - das allerdings erst fast vier Wochen nach dem letzten Strom-Leerverkauf am 24.06.2021 - „dann ja den Bürgermeister“ zu informieren, hat er zu erkennen gegeben, dass er bereit war, um der erkanntermaßen zweifelhaften Chance auf Gewinnerzielung durch die im Juni 2021 getätigten Strom-Leerverkäufe willen, Vermögensnachteile bis hin zur Existenzgefährdung der von ihm vertretenen Gesellschaft hinzunehmen.

Zusätzlich gestützt wird die Annahme, der Beklagte habe den Eintritt eines Vermögensnachteils bei der Gesellschaft billigend in Kauf genommen, durch die Angaben des Beklagten, die seine Motivation offenlegen. Der Beklagte handelte bei Abschluss der in erhöhtem Maße risikobehafteten Strom-Leerverkäufe im Juni aus dem Wunsch heraus, sein eigenes Renommee in der Gesellschaft zu verbessern. Bei seiner Anhörung kam zum Ausdruck, dass der Beklagte sich selbst als einen der „Marktmaker“ gesehen hat, der aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung in der Lage ist, die „widersprüchlichen Informationen“, die von den „Marktteilnehmern unterschiedlich ausgewertet werden“, richtig auszuwerten. Der Beklagte, der sich in dem von ihm geleiteten Unternehmen „verschiedenen Feindseligkeiten“ ausgesetzt sah, wollte derjenige sein, der für sich allein in Anspruch hätte nehmen können, sich als „Marktmaker“ neben den großen Energieversorgungsunternehmen behauptet zu haben. Hiermit in Einklang steht, dass er weder vor Abschluss der Strom-Leerverkäufe im März noch im Juni 2021 konkrete Unterstützungsleistungen der ... (GmbH 02) angefordert und - trotz Kenntnis der entgegen seiner Erwartung bei den Strom-Leerverkäufen im März gestiegenen Strompreise - weder die Gesellschafterin noch den Aufsichtsrat vor Abschluss der im Juni 2021 getätigten weiteren Strom-Leerverkäufe über sein Vorhaben unterrichtet hat. In der Aufsichtsratssitzung vom 16.06.2021 will er ausweislich der in Bezug genommenen „Präsentationsunterlagen“ Anlage B5 (Bl. 44 Anlagenheft Beklagter) - tatsächlich handelt es sich hierbei um eine auf den 29.09.2021 datierte Präsentation zur „11. Aufsichtsratssitzung ... (GmbH 01)“ - lediglich einen „Überblick über die Projekte der Stadtwerke“ gegeben und zur Marktsituation auf dem Strom- und Energiemarkt referiert haben. Dass die Erwartung, mit weiteren Strom-Leerverkäufen noch größeren Umfangs „die Situation der Stadtwerke zu verbessern“, eine bloß fernliegende und nicht durch greifbare Tatsachen untermauerte Hoffnung darstellte, die eingegangenen Risiken die Existenz des von ihm vertretenen kleinstädtischen Unternehmen bedrohen, hat der Beklagte hierbei „wie ein Spieler“ - der überdies kein eigenes Geld einsetzt - bewusst ausgeblendet.

Nach alledem bestehen im Hinblick auf die Motivation des Beklagten keine Bedenken gegen das Vorliegen des volontativen Elements des Vorsatzes (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.05.2013 - 5 StR 551/11 - Rn 23), auch wenn der Beklagte einen und sei es auch nur mittelbaren finanziellen Vorteil aus den von ihm getätigten Geschäften nicht gezogen hat.

e) Der infolge der Verletzung des § 266 StGB als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB eingetretene und von dem Beklagten zu ersetzende Schaden besteht im selben Umfang wie derjenige aus § 43 Abs. 2 GmbHG. Insoweit wird, auch in Bezug auf die Kausalität zwischen Schutzgesetzverletzung und Schaden, die Aspekte der Haftungsbeschränkung und des Mitverschuldens, auf die Ausführungen unter C. Bezug genommen.

E.

Der hilfsweise gestellte Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht bleibt ebenfalls ohne Erfolg, da die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Revisionszulassung ist nicht veranlasst, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO auf 3.550.000 € festgesetzt. Dabei hat der Senat für den Zahlungsantrag den geforderten Betrag und für das Feststellungsbegehren des Klägers - der Wertangabe in der Klageschrift folgend - 50.000 € angesetzt.