Gericht | VG Cottbus 8. Kammer | Entscheidungsdatum | 13.02.2025 | |
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Aktenzeichen | VG 8 L 63/25 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2025:0213.8L63.25.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Antragstellenden in Gesamtschuldnerschaft.
Der Beschluss ergeht gemäß § 87a Abs. 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer.
Der sinngemäße Antrag der Antragstellenden,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches vom 1. Februar 2025 gegen den das Kind M_____ betreffenden Inobhutnahmebescheid des Antragsgegners vom 29. Januar 2025 wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Der gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag ist nicht begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, zweiter Halbsatz VwGO kann das Gericht in Fällen, in denen wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes von der Behörde besonders angeordnet wurde, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wiederherstellen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Dabei trifft es eine eigene Ermessensentscheidung, in deren Rahmen es abzuwägen hat, ob das private Interesse der Antragstellenden an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfes oder das von der Behörde geltend gemachte öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt. Maßgeblich ist hierfür auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes abzustellen; sind diese im Rahmen der im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage offen, bedarf es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen.
Hiervon ausgehend erweist sich der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorliegend als unbegründet. Das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der Inobhutnahme überwiegt vorliegend das auf eine Beendigung ihrer Trennung von ihrer am 3_____ geborenen Pflegetochter gerichtete Aussetzungsinteresse der Antragstellenden. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Inobhutnahme vorliegend rechtmäßig ist, so dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellenden ausfällt.
Der Bescheid vom 29. Januar 2025 ist formell rechtmäßig, insbesondere konnte in der besonderen Situation der Inobhutnahme im Zuge des Hausbesuches am 28. Januar 2025 von einer vorherigen Anhörung der Antragstellenden im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 des Brandenburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) abgesehen werden.
Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Bescheid auch materiell rechtmäßig ist.
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Inobhutnahme hat der Antragsgegner in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung muss mit einer auf den konkreten Fall abstellenden und nicht lediglich formelhaften schriftlichen Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes versehen werden. Aus dieser Begründung muss hinreichend deutlich hervorgehen, dass und warum die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist nicht ausreichend. Die rechtsstaatlich gebotene Begründungspflicht soll zum einen die Betroffenen in die Lage versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zu der Anordnung des Sofortvollzugs bewogen haben, ihre Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abzuschätzen. Zum anderen soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen („Warnfunktion“), ob tatsächlich ein besonderes Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 24. März 1999 – 10 CS 99.27 –, juris Rn. 17 f.; Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 20. Juli 2022 – W 3 S 22.1108 –, juris Rn. 85 f.).
Allerdings dürfen andererseits nicht allzu hohe Anforderungen an die Begründung gestellt werden, namentlich bei Maßnahmen, die – wie die Inobhutnahme – der Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter dienen und die grundsätzlich nur in akuten Gefährdungssituationen in Betracht kommen, sind die Anforderungen zur Begründung des besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses regelmäßig deutlich geringer. Ergibt sich in diesen Fällen bereits aus der Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes die besondere Dringlichkeit auch für die Vollziehungsanordnung, sind also für die Vollziehungsanordnung dieselben Gründe maßgeblich, wie für den Verwaltungsakt selbst, kann hierauf Bezug genommen werden.
Die hier von dem Antragsgegner zur Begründung sowohl der Inobhutnahme als auch der Anordnung des Sofortvollzuges aufgeführte Begründung genügt diesen formellen Anforderungen. Der Antragsgegner nimmt auf die Kinderschutzmeldung der Schule M_____ vom 27. Januar 2025 zur Gefahr einer körperlichen Misshandlung des Kindes und die am nächsten Tag geführten Gespräche Bezug, in deren Ergebnis gewichtige Anhaltspunkte dafür gesprochen hätten, dass das seelische und körperliche Wohl des Kindes bei den Pflegeeltern nicht mehr länger sichergestellt werden könne. Einen zeitlichen Aufschub dulde der Schutz des Kindes vorliegend nicht.
Hierdurch hat der Antragsgegner erkennen lassen, dass er sich unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls des Ausnahmecharakters der Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst war und welche Erwägungen er hierfür als maßgeblich angesehen hat. Einer weiteren Differenzierung bedurfte es im Hinblick darauf, dass die von dem Antragsgegner festgestellte Dringlichkeit der Inobhutnahme gleichzeitig deren sofortige Vollziehbarkeit erfordert, hier nicht.
b) Rechtsgrundlage der hier erfolgten Inobhutnahme der Pflegetochter der Antragstellenden ist § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII).
Eingriffe in das – hier den Antragstellenden mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 5. Dezember 2022 – 52 F 57/21 – gemäß § 1630 Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches übertragene – Elternrecht sind nach dem sowohl in § 1666 BGB als auch in der Regelung des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b) und Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers grundsätzlich dem Familiengericht vorbehalten; das Jugendamt ist hierzu nur ausnahmsweise zur vorläufigen Krisenintervention befugt. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII ist das Jugendamt dementsprechend berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen (lit. a) oder eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann (lit. b). Darüber hinaus muss die Inobhutnahme auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, d.h. es darf insbesondere keine das Elternrecht weniger stark tangierende, gleich geeignete Maßnahme zur Sicherung des Kindeswohles geben (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichthof, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 12 CS 16.2181 -, juris Rn. 8). Die Vorschrift des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b) SGB VIII verdeutlicht, dass die Inobhutnahme gegenüber familiengerichtlichen Entscheidungen nachrangig ist und deshalb grundsätzlich nur in besonders gelagerten akuten Gefährdungssituationen in Betracht kommt (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. März 2017 – OVG 6 S 8.17 -, juris Rn. 7; Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26. April 2018 – 1 LZ 238/17 -, juris Rn. 6; sowie bereits Beschluss der Kammer vom 31. August 2020 – VG 8 L 387/20 -, juris Rn. 13, und vom 8. Oktober 2021 – VG 8 L 338/21 –, juris Rn. 9). Eine solche war hier im Zeitpunkt der Inobhutnahme am 28. Januar 2025 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben.
Wie oben bereits dargelegt, hat der Antragsgegner zur Begründung der Inobhutnahme im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Meldung der Schule nach § 8a SGB VIII Anhaltspunkte für eine gegenüber M_____ verübte körperliche Gewalt enthalten habe, die durch die nachfolgenden Gespräche insbesondere mit der Klassenlehrerin von M_____, den Antragstellenden sowie M_____ und ihrer Pflegeschwester M_____ nicht entkräftet hätten werden können. Die Schule hatte in ausdrücklicher ernsthafter Sorge um das Wohlbefinden des Mädchens Beobachtungen aus einem Zeitraum vom 26. November 2024 bis zum 13. Januar 2025 geschildert, in welchem M_____ wiederholt Hämatome und Verletzungen im Gesicht bzw. am Kopf aufgewiesen habe. Eine gegenüber den Antragstellenden thematisierte Unterstützung durch das Sozialpädagogische Beratungszentrum und das Jugendamt hätten diese abgelehnt. Die Klassenlehrerin hat ergänzend hierzu erklärt, dass M_____ zwar schon immer mal blaue Flecken gehabt habe, diese aber seit November verstärkt aufgetreten seien. M_____ zerstöre zuhause viele Dinge und werde von ihren Pflegeeltern als „Terrorsitin“ betitelt. Auf Situationen zuhause angesprochen, fange sie an zu zittern. M_____ selbst gab zunächst an, dass sie – anders als in der Schule – zuhause gegen verschlossene Türen laufe und dadurch blaue Flecken bekomme. Später korrigierte sie dies und erklärte, dass die blauen Flecken „vom Schimpfen von Mama und Papa“ kämen. Diese würden viel mit ihr schimpfen, weshalb sie oft weine und allein in ihrem Zimmer sei. Sie traue sich nicht, ihre Themen anzusprechen und verspüre zuhause – wiederum anders als in der Schule – Wut im Bauch. Auch M_____ bestätigte in ihrer Befragung, dass die Pflegeeltern viel mit M_____ schimpfen würden, die oft in ihrem Zimmer weine. M_____ selbst müsse dann immer das Zimmer verlassen. Grund des Schimpfens sei die Behinderung M_____. Die Antragstellenden selbst haben, nachdem sie im Rahmen des unangekündigten Hausbesuches am Nachmittag des 28. Januars 2025 über die Kinderschutzmeldung in Kenntnis gesetzt worden waren, erklärt, dass M_____ schon immer blaue Flecken gehabt habe, da sie hierfür anfällig sei. Das Hämatom am Auge habe sich über Weihnachten im Zuge einer Auseinandersetzung mit einem anderen Kind zugezogen, die anderen Verletzungen könnten sie sich nicht erklären. Ein von M_____ geschilderter Vorfall, bei dem die Antragstellerin zu 1) sie an die Wand gedrückt haben soll, könne passiert sein, als das Kind im Morgenstress zu oft die Treppe hoch und runter gelaufen sei. Später hat der Antragsteller zu 2) eingeräumt, dass es mit M_____ nicht immer leicht sei. Die Pflegeeltern seien bemüht, es sei aber auch herausfordernd.
Auf Grundlage dieser Feststellungen und Erwägungen erscheint die erfolgte Inobhutnahme M_____ gerechtfertigt.
Eine dringende Gefahr im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII muss angesichts des mit der Inobhutnahme bewirkten schwerwiegenden Eingriffs in das Elternrecht stets eine konkrete Gefahr sein. Eine lediglich latente bzw. abstrakte Gefahr für das Kindeswohl reicht zur Rechtfertigung einer Inobhutnahme nicht aus (vgl. Bayersicher Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 12 CS 16.2181 – juris Rn. 9; Verwaltungsgericht Bayreuth, Beschluss vom 20. August 2024 – B 8 E 24.735 –, juris Rn. 40). Konkret ist eine Gefahr bei einer Sachlage, die aus der maßgeblichen ex-ante-Sicht bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall in absehbarer Zeit mit einer gemessen am Gewicht der drohenden Rechtsgutsverletzung hinreichenden Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Rechtsguts, hier des Kindeswohls, führt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Dezember 2022 – 1 BvR 1345/21 – juris Rn. 187; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 3. Juli 2002 – 6 CN 8/01 – juris Rn. 35). Die Annahme einer solchen Gefahr erfordert stets eine hinreichende Tatsachengrundlage, aus der ablesbar ist, dass entweder bereits ein Schaden beim Kind eingetreten oder jedenfalls mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist (vgl. Bayersicher Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 12 CS 16.2181 – juris Rn. 12; Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 30. Juli 2024 – M 18 S 24.4443 –, juris Rn. 40). Mutmaßungen und Vermutungen reichen nicht aus (vgl. Verwaltungsgericht Bayreuth, Beschluss vom 20. August 2024 – B 8 E 24.735 –, juris Rn. 40).
Dass der Antragsgegner aus seiner ex-ante Sicht hier vom Vorliegen einer akuten und konkreten Gefahr für das seelische und körperliche Wohl M_____ ausgegangen ist, ist im Rahmen einer summarischen Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden. Mit den seitens der Schule zuletzt verstärkt festgestellten Hämatomen und Verletzungen und dem berichteten häufigen Weinen und Alleinsein in ihrem Zimmer lagen gewichtige Anhaltspunkte für eine entsprechend konkrete Gefährdung des Kindeswohls vor. Soweit insbesondere hinsichtlich des Rechtes des Mädchens auf körperliche Unversehrtheit Schäden bereits eingetreten sind, rechtfertigt dies zudem die Annahme, dass dem Kind ohne ein Eingreifen absehbar weitere Misshandlungen drohen.
Keinen durchgreifenden Zweifeln unterliegt zudem, dass der Antragsgegner im Ergebnis seiner diesbezüglichen Ermittlungen eine Herausnahme M_____ aus dem Haushalt der Antragstellenden für erforderlich erachtet hat. Zwar ist der Sachverhalt ersichtlich noch nicht mit letzter Gewissheit aufgeklärt und deshalb noch nicht erwiesen, dass die Hämatome und Verletzungen – zumindest teilweise – auf eine entsprechende körperliche Misshandlung durch ihre Pflegeeltern zurückgehen. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen erscheint dies andererseits aber auch nicht. Vor allem die Erklärung M_____, dass die blauen Flecken „vom Schimpfen von Mama und Papa“ kämen und das Zugeständnis der Antragstellerin zu 1), dass es „im Morgenstress passiert sein könne“, dass sie M_____ an die Wand gedrückt habe, sprechen gewichtig für die Annahme, dass die Antragstellenden im – sicher auch herausfordernden – Umgang mit M_____ zumindest in Konflikt- oder Stresssituationen einen unangemessen rüden Umgang pflegen, der dem körperlichen und seelischen Wohl des Kindes nicht entspricht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass M_____ sich in der Schule – wie auch in der Einrichtung, in der sie derzeit untergerbacht ist – nicht in vergleichbarer Häufigkeit verletzt und auch keine motorischen Unsicherheiten aufweist, wie sie für den Haushalt der Pflegeeltern behauptet wurden. Gleiches gilt hinsichtlich der „Wut im Bauch“, die M_____ nur zuhause verspüre. Dies rechtfertigt die Verortung der Problematik bei den Antragstellenden. Im Hinblick auf das hohe Gewicht des beeinträchtigten Rechtsgutes und angesichts des Umstandes, dass es sich bei M_____ aufgrund der bei ihr diagnostizierten Alkohol-Embryopathie (mit Dysmorphien) und den daraus folgenden erheblichen Entwicklungsverzögerungen und kognitiven Einschränkungen um eine besonders vulnerable Person handelt, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner angesichts dieser Situation hinreichende Gründe für eine Inobhutnahme angenommen hat. Die damit verbundene Einschätzung, dass die Maßnahme geeignet und notwendig sei, um sicherzustellen, dass M_____ zunächst bis zur Klärung der Sachlage und des weiteren Vorgehens keiner Gefahr erneuter Misshandlungen ausgesetzt ist, trägt.
Da sich an der von dem Antragsgegner zugrunde gelegten Sachlage bislang nichts geändert hat, ist davon auszugehen, dass die angenommene Gefährdungssituation nach wie vor fortbesteht.
Mit ihren hiergegen gerichteten Einwänden vermögen die Antragstellenden nicht durchzudringen.
Ihr Vortrag, dass M_____ dazu neige, schnell blaue Flecken zu bekommen, und demgemäß auch in der Vergangenheit entsprechende Hämatome aufwies, zumal sie sehr lebhaft sei und öfter in Konflikte mit anderen Kindern gerate, erklärt zum einen das zuletzt verstärkte Auftreten von Verletzungen geraden in der häuslichen Sphäre nicht hinreichend. Zudem erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch frühere Hämatome auf eine körperliche Einwirkung durch die Pflegeeltern zurückgingen. Beispielhaft wird auf den Gesprächsvermerk vom 17. Mai 2022 verwiesen, der eine Situation dokumentiert, in der M_____ im Supermarkt weglaufen hatte wollen und von ihrer Pflegemutter am Arm festgehalten worden sei, was zu einem blauen Fleck geführt habe. Diesbezüglich hatten die Antragstellenden damals erklärt, verunsichert zu sein, wie streng sie sein dürfen. Die seitens des Antragsgegners getroffene Einschätzung, dass es zuletzt angesichts eines zunehmend herausfordernden Verhaltens M_____ zu einer Überforderung der Pflegeeltern gekommen sein könne, die in eine rüde Behandlung und emotionale Vernachlässigung M_____ eskaliert sei, erscheint auch vor diesem Hintergrund plausibel und ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Auch M_____ Äußerung, dass M_____ Behinderung der Grund sei, aus dem die Pflegeeltern so häufig mit ihrer Pflegeschwester schimpften, spricht für diese Annahme.
Die Antragstellenden sind dem nicht wirkungsvoll entgegengetreten. Namentlich ihre Bezugnahme darauf, dass in der Vergangenheit stets ein kindeswohldienliches Aufwachsen M_____ festzustellen gewesen sei, verkennt zum einen schon, dass es sich hierbei um die Formulierung des Richtungsziels der Vollzeitpflege handelte, und zum anderen, dass die Inobhutnahme ausdrücklich an die aktuellen Feststellungen zu einem verstärkten Auftreten von Hämatomen und Verletzungen anknüpft, aufgrund derer der Antragsgegner von einer akut eingetretenen Situation ausgegangen ist. Insofern verfängt auch der Hinweis auf das erfolgreich abgeschlossene Clearingverfahren nicht, das die Antragstellenden nach Misshandlungsvorwürfen gegenüber dem Antragsteller zu 2) in Bezug auf von ihm im Rahmen seiner Tätigkeit als Erzieher betreute Kinder 2021 durchlaufen hatten.
Zum anderen ist der Antragsgegner der Behauptung der Antragstellenden, M_____ neige zu einer schnellen Hämatombildung, unter Hinweis auf die Auskünfte der Mitarbeitenden des M_____ derzeit betreuenden Kinderdomizils S_____ entgegengetreten, wonach keine diesbezügliche Anfälligkeit festgestellt werden könne. M_____ Bewegungen seien flüssig und koordiniert, selbst ein Besuch in einem Trampolinpark habe nicht zu neuen Hämatomen geführt. Ebenso wenig findet die als Mitursache behauptete besondere Lebhaftigkeit M_____ in den beigezogenen Verwaltungsvorgängen hinreichenden Niederschlag. Ausweislich der dortigen Feststellungen ist M_____ – anders als ihre selbstbewusste Pflegeschwester M_____ – vielmehr ein eher schüchternes bis ängstliches, zurückhaltendes Kind, dem es an Eigenantrieb fehle.
Soweit die Antragstellenden die Herkunft des blauen Auges einschließlich einer Verletzung an Wange und Nase, die von der Schule am 2. Januar 2025 festgestellt worden waren, mit einem Konflikt mit einem anderen Kind während der Weihnachtsfeiertage erklärt haben, hat M_____ selbst erzählt, von ihrer Schwester geschlagen worden zu sein. Dessen ungeachtet vermochten die Antragstellenden die Herkunft der übrigen Verletzungen aus dem Zeitraum seit dem 26. November 2024 nicht zu erklären. Ihre Darstellung des von M_____ geschilderten Vorfalls, von ihrer Pflegemutter an die Wand gedrückt worden zu sein, dahingehend, dass die Antragstellerin zu 1) M_____ im Rahmen einer bewussten und behutsamen erzieherischen Intervention leicht von der Tür weggeschoben habe, weicht erheblich von der Spontanäußerung der Antragstellerin zu 1) im Zuge der Inobhutnahme am 29. Januar 2025 ab, dass es im Morgenstress „passiert sein könne“, dass sie M_____ gegen die Wand gedrückt habe. Die nunmehrige Darstellung erweckt demgegenüber den Eindruck einer verfahrenstaktischen Schutzbehauptung, zumal M_____ sich bei dem Vorfall eine Beule an der Stirn zugezogen hatte.
Nicht zu überzeugen vermag schließlich der Einwand der Antragstellenden, es sei nicht ersichtlich, dass eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig hätte eingeholt werden können.
Bei einem Widerspruch der Personensorgeberechtigten kommt eine Inobhutnahme gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b) SGB VIII nur in Betracht, wenn eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann. Die Inobhutnahme ist somit ultima ratio und gegenüber Entscheidungen des Familiengerichts nachrangig. Vor der Inobhutnahme muss deshalb grundsätzlich versucht werden, eine Entscheidung des Familiengerichts einzuholen, wobei maßgeblich ist, ob die Entscheidung – ggf. etwa eine einstweilige Anordnung – tatsächlich noch rechtzeitig hätte erwirkt werden können, um der Kindeswohlgefährdung zu begegnen (zum Ganzen: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4. März 2016 – OVG 6 S 60.15 –, juris Rn. 4; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Januar 2017 – 12 CS 16.2181 – juris Rn. 14; Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26. April 2018 – 1 LZ 238/17 –, juris Rn. 6, Verwaltungsgericht Bayreuth, Beschluss vom 20. August 2024 – B 8 E 24.735 –, juris Rn. 49; Dürbeck in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 42 Rn. 15).
Hier haben die Antragstellenden der Inobhutnahme nach summarischer Prüfung jedoch zunächst nicht widersprochen. Dessen ungeachtet durfte der Antragsgegner im hier vorliegenden Einzelfall aber auch davon ausgehen, dass eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.
Die abschließende Entscheidung über die Inobhutnahme wurde ausweislich der vorliegenden Unterlagen zur Gefährdungseinschätzung im Zuge des von 16 bis 21 Uhr dauernden unangekündigten Hausbesuches bei den Antragstellenden am 28. Januar 2025 getroffen. Hierfür spricht namentlich, dass im Zuge dieses Hausbesuches ersichtlich alternative Möglichkeiten einer einstweiligen Unterbringung M_____ außerhalb des Haushaltes der Pflegeeltern erwogen wurden. So wurde insbesondere geprüft, ob die Mutter der Antragstellerin zu 1) M_____ Betreuung übernehmen könne, und zu diesem Zweck mit ihr telephoniert. Nach Beendigung des Hausbesuches schloss sich eine ärztliche Untersuchung der Verletzungen M_____ im C_____-Klinikum in C_____ an, zu der der Antragsteller zu 2) M_____ begleitete. Erst dort wurde die Inobhutnahme ersichtlich endgültig ausgesprochen, wobei eine Zustimmung des Antragstellers zu 2) vermerkt ist. Auch im Rahmen des Gesprächs am darauffolgenden Tag, in dessen Zuge den Antragstellenden der schriftliche Inobhutnahmebescheid ausgehändigt wurde, äußerten sich die Antragstellenden ausweislich des Gesprächsvermerks zwar verwundert über die Maßnahme, ein erkennbarer Widerspruch ist jedoch nicht vermerkt. Diesen erhoben die Antragstellenden vielmehr ersichtlich erst mit Schreiben vom 1. Februar 2025. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Antragsgegner bereits an das Familiengericht gewandt.
Aber selbst wenn die Antragstellenden bereits im Zuge der Inobhutnahme am 28. Januar 2025 hinreichend erkennen haben lassen sollten, dass sie das Eingreifen des Antragsgegner nicht nur nicht verstehen, sondern ihm widersprechen, konnte der Antragsgegner angesichts der fortgeschrittenen Uhrzeit nicht mehr damit rechnen, noch eine sofortige familiengerichtliche Entscheidung erwirken zu können, derer es angesichts der konkreten Sachlage und insbesondere im Hinblick auf die im Raum stehende körperliche Misshandlung M_____ aber bedurft hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung: