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Beschwerde; einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung; Vollstreckungsgegenklage; Aufrechnung; Aufrechnungslage; Präklusion; Aufrechnungsverbot; Vorausleistungsbescheid; Säumniszuschläge; Insolvenz; Insolvenzverfahren; Insolvenzverwalter; Insolvenzforderung; nsolvenzgläubiger; Masseforderung; Massegläubiger; Altmasseverbindlichkeit; Neumasseverbindlichkeit; Anzeige der Masseunzulänglichkeit


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 27.09.2011
Aktenzeichen OVG 10 S 48.10 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 VwGO, § 767 ZPO, § 769 ZPO, § 387 BGB, § 133 Abs 3 BauGB, § 12 Abs 1 Nr 5b KAG BB, § 240 AO, § 38 InsO, § 39 Abs 1 Nr 1 InsO, § 53 InsO, § 55 InsO, § 87 InsO, § 94 InsO, § 95 Abs 1 S 3 InsO, § 208 InsO, § 209 Abs 1 Nr 2 InsO

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 233.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin möchte die einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus einem rechtskräftigen Zahlungsurteil erreichen.

Der Antragsgegner ist Insolvenzverwalter eines Erschließungsträgers, der von der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin mit der Erschließung eines Industrie- und Gewerbegebiets beauftragt worden war. Mit Urteil vom 2. September 2002 stellte das Verwaltungsgericht die Nichtigkeit des Erschließungs- und Finanzierungsvertrages fest und verurteilte die Antragstellerin zur Zahlung von umgerechnet 1.626.894,04 Euro zuzüglich Prozesszinsen als Wertersatz für die vom Erschließungsträger erbrachten Erschließungsleistungen auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Die Berufung der Antragstellerin wies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 13. Dezember 2006 zurück; dieses Urteil wurde nach erfolgloser Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht am 27. November 2007 rechtskräftig.

Noch während des Verwaltungsrechtsstreits wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erschließungsträgers eröffnet und der Antragsgegner als Insolvenzverwalter eingesetzt.

Mit elf Vorausleistungsbescheiden vom 24. August 2006 setzte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner Vorausleistungen für die Herstellung von Erschließungsanlagen in Höhe von insgesamt 1.449.772,90 Euro fest und forderte die Zahlung bis zum 30. September 2006. Gegen diese Bescheide erhob der Antragsgegner jeweils Widerspruch. Seinem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Widersprüche gab das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. August 2008 statt. Auf die Beschwerde der Antragstellerin änderte das Oberverwaltungsgericht diesen Beschluss und lehnte den Aussetzungsantrag mit Beschluss vom 26. Januar 2010 ab. Die Widersprüche des Antragsgegners wurden durch Bescheide vom 11. August 2010 zurückgewiesen, woraufhin der Antragsgegner Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Klageverfahrens beantragte.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2008 erhob die Antragstellerin Säumniszuschläge wegen der Nichtzahlung der geforderten Vorausleistungen; der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 28. Februar 2008 zurückgewiesen, wobei der ursprünglich festgesetzte Betrag auf 217.994,93 Euro herabgesetzt wurde. Über die dagegen gerichtete Klage des Antragsgegners ist noch nicht entschieden.

Am 13. Februar 2008 erhielt das Amtsgericht Hamburg die Anzeige des Antragsgegners, dass Masseunzulänglichkeit vorliege.

Die Antragstellerin, die bereits unter dem 31. Januar 2008 die Aufrechnung mit ihren Zahlungsansprüchen erklärt hatte, hat am 27. Januar 2010 Vollstreckungsgegenklage erhoben mit dem Ziel, die Vollstreckung aus dem Urteil vom 2. September 2002 für unzulässig zu erklären, und zugleich einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus diesem Urteil gestellt. Zur Begründung beruft sie sich auf die - vorsorglich (erneut) erklärte - Aufrechnung mit ihren Ansprüchen aus den Vorausleistungsbescheiden vom 24. August 2006 und dem Zinsbescheid vom 1. Februar 2008. Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2010 hat sie vorsorglich die Aufrechnung mit den bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Säumniszuschlägen erklärt, die sie auf 666.885,- Euro beziffert hat.

Mit Beschluss vom 21. Juli 2010 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragstellerin habe einen Anspruch nicht glaubhaft gemacht. Mit dem Einwand der Aufrechnung mit den Forderungen aus den Vorausleistungsbescheiden vom 24. August 2006 sei sie nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert, weil sie die Aufrechnung mit den ab dem 1. Oktober 2006 fälligen Forderungen bereits im Ausgangsprozess in der Berufungsverhandlung am 13. Dezember 2006 hätte geltend machen können und müssen. Hinsichtlich der beanspruchten Säumniszuschläge sei die Aufrechnung mit den bis zum 13. Dezember 2006 verwirkten Säumniszuschlägen ebenfalls präkludiert. Die Säumniszuschläge, die nach dem 13. Dezember 2006, aber vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 13. Februar 2008 entstanden seien, unterlägen zwar keinem Aufrechnungsverbot, die Aufrechnung rechtfertige jedoch die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht, weil jedenfalls noch ein erheblicher zu vollstreckender Betrag verbleibe. Für die nach dem 13. Februar 2008 verwirkten Säumniszuschläge bestehe ein Aufrechnungsverbot in entsprechender Anwendung der §§ 94, 95 Abs. 1 Satz 1 und 3 der Insolvenzordnung (InsO).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Beschwerde der Antragstellerin, in der sie sich weiterhin auf die Aufrechnung mit ihren Zahlungsansprüchen beruft.

II.

Die nach § 146 Abs. 1, Abs. 4 Sätze 1 bis 3 VwGO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Vorbringen der Antragstellerin, das allein Gegenstand der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt eine Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.

1. Gemessen am Beschwerdevorbringen spricht alles dafür, dass das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Antragstellerin mit dem Einwand der Aufrechnung ihrer Forderungen aus den Vorausleistungsbescheiden vom 24. August 2006 nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift sind Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen spätestens geltend gemacht werden müssen, entstanden sind. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Ansprüche auf Vorausleistungen nach Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist am 1. Oktober 2006 fällig geworden sind, so dass die Antragstellerin in der (letzten) mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2006 die Aufrechnung hätte erklären können und müssen.

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin demgegenüber geltend, Haupt- und Gegenforderung hätten sich erstmals mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 2. September 2002 am 27. November 2007 aufrechenbar gegenübergestanden. Zu diesem Zeitpunkt sei das vorläufig vollstreckbare Urteil als Titel gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. VwGO untergegangen und ein neuer Vollstreckungstitel im Sinne des § 168 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. VwGO entstanden. Die erst nach diesem Zeitpunkt erklärte Aufrechnung könne nur bis zum Entstehen dieses Titels am 27. November 2007 zurückreichen. Mit dieser Argumentation verkennt die Antragstellerin, dass die Hauptforderung des Antragsgegners, gegen die sie mit ihren Forderungen aus den Vorausleistungsbescheiden aufrechnet, nicht der Vollstreckungstitel ist, sondern der diesem zugrundeliegende materielle Anspruch, nämlich der Zahlungsanspruch der Erschließungsgesellschaft auf Erstattung der im Rahmen der Erschließungstätigkeit erbrachten Leistungen. Das Titulieren dieses Anspruchs betrifft dessen Durchsetzbarkeit, nicht jedoch seinen materiellen Inhalt. Voraussetzung für die Aufrechnung ist gemäß § 387 BGB, dass die Antragstellerin die ihr gebührende Leistung fordern und die ihr obliegende Leistung bewirken kann. Dies bedeutet, dass die Gegenforderung, mit der aufgerechnet wird - hier also die Ansprüche aus den Vorausleistungsbescheiden - voll wirksam und fällig sein müssen und die Hauptforderung des Antragsgegners, gegen die aufgerechnet wird - also der Zahlungsanspruch - erfüllbar sein muss. Der aufrechnenden Antragstellerin muss eine Leistung obliegen, die sie bewirken kann, auf das Vorliegen eines Vollstreckungstitels kommt es nicht an (vgl. nur Schlüter in: MünchKomm, BGB, 5. Aufl. 2007, § 387 Rn. 38 m.w.N.).

Die Antragstellerin konnte die zur Aufrechnung gestellten Forderungen aus den Vorausleistungsbescheiden - die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide unterstellt - ab dem 1. Oktober 2006 fordern. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie auch die Möglichkeit, die vom Erschließungsträger bereits geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung von Erschließungsleistungen zu erfüllen, so dass eine Aufrechnungslage gegeben war. Da sie mithin in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2006 die Aufrechnung (jedenfalls hilfsweise) hätte erklären können, ist sie mit diesem Einwand im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Ihr Hinweis auf § 322 Abs. 2 ZPO ist in diesem Zusammenhang unzutreffend, weil diese Vorschrift nur die Rechtskraft einer Entscheidung über das Nichtbestehen der Gegenforderung betrifft, die Antragstellerin aber daraus Folgerungen für die Wirkung der Rechtskraft eines Urteils zum Bestehen der Hauptforderung ableiten will.

2. Die Einwendungen der Antragstellerin zur rechtlichen Bewertung ihrer Aufrechnung mit verwirkten Säumniszuschlägen sind ebenfalls nicht geeignet, eine Änderung des angefochtenen Beschlusses zu rechtfertigen.

Ohne Erfolg macht der Antragsgegner allerdings geltend, der Beschluss des Verwaltungsgerichts sei bereits deshalb im Ergebnis richtig, weil die gegen die Festsetzung der Säumniszuschläge erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung habe und deshalb die Aufrechnung nicht wirksam sei. Er beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach § 80 Abs. 1 VwGO die Aufrechenbarkeit solcher Gegenforderungen hindere, deren Bestand oder Fälligkeit einen Verwaltungsakt voraussetze, sofern und solange die Vollziehung dieses Verwaltungsakts ausgesetzt sei (BVerwG, Urteil vom 20. November 2008 - BVerwG 3 C 13.08 -, NJW 2009, 1099, juris Rn. 11 m.w.N.). Dies setzt jedoch voraus, dass Bestand oder Fälligkeit der Gegenforderung von einem Verwaltungsakt abhängen, was vorliegend nicht der Fall ist. Der geltend gemachte Anspruch auf Säumniszinsen beruht auf § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) i.V.m. § 240 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Säumniszuschläge bedürfen nicht der Festsetzung durch einen Verwaltungsakt, sie entstehen vielmehr kraft Gesetzes bei Verwirklichung des Tatbestandes der Säumnis und werden mit ihrer Entstehung fällig (vgl. Rüsken in: Klein, AO, 10. Aufl. 2009, § 240 Rn. 11 und § 220 Rn. 2; Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2011, § 12 Rn. 90).

Die Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass die an sich zulässige Aufrechnung mit Säumniszuschlägen hier teilweise an Präklusionsvorschriften und Aufrechnungsverboten scheitere und im Übrigen die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht rechtfertige, vermag die Beschwerde jedoch nicht zu erschüttern.

a) Dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichts eine Aufrechnung mit den bis zum 13. Dezember 2006 verwirkten Säumniszuschlägen ebenfalls nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert ist, ist aus den unter 1. dargelegten Gründen nicht zu beanstanden.

b) Die anhand einer Forderungsaufstellung näher begründete Argumentation des Verwaltungsgerichts, dass auch bei Berücksichtigung einer Aufrechnung mit Säumniszuschlägen, die zwischen der Berufungsverhandlung am 13. Dezember 2006 und der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 13. Februar 2008 entstanden seien, ein erheblicher Forderungsbetrag zugunsten des Antragsgegners verbleibe, der eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht rechtfertige, greift die Antragstellerin in ihrer Beschwerde nicht an.

c) Schließlich wendet sich die Antragstellerin auch ohne Erfolg gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass einer Aufrechnung mit den ab dem 13. Februar 2008 verwirkten Säumniszuschlägen die entsprechend anzuwendenden Vorschriften der §§ 94 ff. InsO entgegenstehen.

Das Verwaltungsgericht ist dabei davon ausgegangen, dass es sich bei diesen Forderungen um Masseforderungen im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handele. Gegen diese für sie günstige Auffassung wendet die Antragstellerin sich nicht.

Die Abgrenzung zwischen einer Insolvenzforderung im Sinne des § 38 InsO, also einem Anspruch, der bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist (vgl. im Einzelnen Bäuerle in: Braun, InsO, 4. Aufl. 2010, § 38 Rn. 6), und einer nach der Insolvenzeröffnung begründeten Masseverbindlichkeit i.S.d. §§ 53, 55 InsO ist deswegen von Bedeutung, weil nach § 87 InsO die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können. Die öffentliche Hand muss daher nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle anmelden und kann nur Masseforderungen durch Leistungsbescheide festsetzen und geltend machen (vgl. etwa OVG MV, Beschluss vom 25. September 2006 - 2 L 391/05 -, juris Rn. 7; BFH, Urteil vom 18. Dezember 2002 - I R 33/01 -, BFHE 201, 392, juris Rn. 6; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2003 - BVerwG 3 C 21.02 -, NJW 2003, 3576, juris Rn. 16 zu der von der Insolvenzordnung abgelösten Gesamtvollstreckungsordnung vom 23. Mai 1991). Die rechtliche Einordnung von Säumniszuschlägen, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirkt worden sind, folgt der Einordnung der zugrundeliegenden Vorausleistungsbescheide. Säumniszuschläge auf Insolvenzforderungen sind nachrangige Insolvenzforderungen, die gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO selbständig zur Insolvenztabelle anzumelden sind und nachrangig befriedigt werden (Bäuerle in: Braun, a.a.O., § 39 Rn. 10; Rüsken in: Klein, a.a.O., § 240 Rn. 49; so schon zur Rechtslage vor Neufassung des § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 11 AL 37/03 R -, BSGE 92, 82, juris Rn. 19). Säumniszuschläge auf Masseverbindlichkeiten sind dagegen nach § 55 InsO als Masseverbindlichkeiten zu begleichen (Bäuerle in: Braun, a.a.O., § 39 Rn. 9; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Juli 2011, § 240 AO Rn. 2). Sollten die Bescheide vom 24. August 2006 im Hinblick darauf, dass die Voraussetzungen für die Erhebung von Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag nach § 133 Abs. 3 BauGB schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorlagen, als Insolvenzforderungen anzusehen sein, hätte die Antragstellerin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die entsprechenden Bescheide nicht erlassen dürfen, so dass diese nicht Grundlage für die Verwirkung von Säumniszuschlägen sein könnten. Das Verwaltungsgericht ist demgegenüber der vorläufigen Einschätzung des 9. Senats des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg gefolgt, der wegen des der Gemeinde eröffneten Ermessens auf den Zeitpunkt des Erlasses der Vorausleistungsbescheide abgestellt und diese eher als Masseforderungen, denn als Insolvenzforderungen qualifiziert hat (Beschluss vom 26. Januar 2010 - OVG 9 S 1.09 -, NVwZ-RR 2010, 494, juris Rn. 15; im Ergebnis offen gelassen im Beschluss vom 10. Mai 2011 - OVG 9 M 11.09 -, juris Rn. 3). Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob dieser Auffassung zu folgen ist, weil die Beschwerde auch dann keinen Erfolg hat, wenn mit dem Verwaltungsgericht zugunsten der Antragstellerin davon auszugehen ist, dass die Vorausleistungsbescheide und damit auch die Säumniszuschläge als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren sind.

Auch bei Annahme des Vorliegens von Masseverbindlichkeiten kann sich die Antragstellerin bei summarischer Prüfung nicht mit Erfolg auf die von ihr erklärte Aufrechnung berufen. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Antragstellerin für den Zeitraum, in dem dem Antragsgegner vorläufiger Rechtsschutz gegen die Vorausleistungsbescheide gewährt worden ist, keine Säumniszuschläge zustehen dürften. Denn in der Zeit, in der die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragsgegners gegen die Vorausleistungsbescheide gerichtlich angeordnet war, also zwischen dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. August 2008 und dem diesen ändernden Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 26. Januar 2010, durften Vorausleistungen nicht verlangt und damit auch Säumniszuschläge nicht erhoben werden (so schon OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 10. Mai 2011, a.a.O., Rn. 4; vgl. auch Loose in: Tipke/Kruse, a.a.O., § 240 AO Rn. 28; Sauthoff in: Driehaus, a.a.O., § 12 Rn. 83, jeweils m.w.N.).

Soweit das Verwaltungsgericht im Übrigen die Zulässigkeit der Aufrechnung in entsprechender Anwendung der §§ 94 f. InsO verneint hat, rechtfertigt das Beschwerdevorbringen keine andere Einschätzung. Die Antragstellerin wendet sich nicht gegen den rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts, wonach die Vorschriften der §§ 94 bis 96 InsO, die an sich nur Insolvenzgläubiger und nicht die Gläubiger von Masseverbindlichkeiten erfassen, nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 InsO entsprechende Anwendung finden (so Kroth in: Braun, a.a.O., § 94 Rn. 7 m.w.N.; BFH, Urteil vom 4. März 2008 - VII R 10/06 -, BFHE 220, 295, juris Rn. 9). Sie macht jedoch geltend, dass dies für sie als Gläubigerin einer so genannten Neumasseverbindlichkeit nicht gelte. Ob ihr darin zu folgen ist, dass auch im Falle der Masseunzulänglichkeit für Gläubiger von sogenannten Neumasseverbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO keine Aufrechnungsbeschränkungen bestehen (so auch Kroth in: Braun, a.a.O., § 94 Rn. 7; unklar BFH, Urteil vom 4. März 2008, a.a.O., Rn. 9), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn bei summarischer Prüfung spricht viel dafür, dass die Säumniszuschläge, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit verwirkt worden sind, nicht als Neumasseverbindlichkeiten zu bewerten sind.

Unter Neumasseverbindlichkeiten werden Verbindlichkeiten i.S.d. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO verstanden, also Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören. Dies umfasst sämtliche Ansprüche nach § 55 InsO, deren Rechtsgrund nach der angezeigten Masseunzulänglichkeit geschaffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2006 - IX ZR 22/05 -, BGHZ 167, 178, juris Rn. 9). Es spricht viel dafür, als Rechtsgrund in diesem Sinne hier die Vorausleistungsbescheide anzusehen, die vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit ergangen sind. Diese Betrachtungsweise entspricht der bereits oben dargelegten Auffassung, bei der rechtlichen Einordnung von Säumniszuschlägen als Insolvenz- oder Masseforderung auf die Rechtsqualität des zugrundeliegenden Bescheids abzustellen (vgl. Bäuerle in: Braun, a.a.O., § 39 Rn. 10). So wie Säumniszuschläge auf Insolvenzforderungen auch dann, wenn sie erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge des Zeitablaufes verwirkt werden, nicht als Masseverbindlichkeiten, sondern ebenfalls als (nachrangig zu befriedigende) Insolvenzforderungen anzusehen sind, dürften auch Säumniszuschläge auf Altmasseverbindlichkeiten unabhängig vom Zeitpunkt ihrer konkreten Verwirkung stets den Altmasseverbindlichkeiten zuzuordnen sein. Eine Besserstellung derartiger Ansprüche durch Ermöglichung einer vorrangigen Befriedigung nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO erscheint dagegen nicht sachgerecht (vgl. zu entsprechenden Überlegungen im Rahmen der Abgrenzung von Insolvenz- und Masseforderungen auch BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, a.a.O., Rn. 19).

Nachdem der Antragsgegner dem Insolvenzgericht gemäß § 208 InsO die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, steht diese für das Gericht bindend fest, ohne dass es einer Überprüfung bedarf, ob tatsächlich Masseunzulänglichkeit eingetreten ist (vgl. Kießner in Braun, a.a.O., § 208 Rn. 28 m.w.N.). Da die Vorausleistungsbescheide ergangen sind, bevor die Anzeige am 13. Februar 2008 beim Insolvenzgericht eingegangen ist, gehören sie - wenn sie überhaupt als Masseforderungen zu qualifizieren sind - zu den Altmasseverbindlichkeiten, so dass auch die Säumniszuschläge als Altmasseforderungen der entsprechenden Anwendung der §§ 94 ff. InsO unterliegen. Danach bleibt eine zum Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit bestehende Aufrechnungslage erhalten (§ 94 InsO), bei nachträglichem Eintritt der Aufrechnungslage ist die Aufrechnung jedoch ausgeschlossen, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann (§ 95 Abs. 1 Satz 3 InsO). Danach dürfte die Aufrechnung vorliegend ausgeschlossen sein, weil bei Anzeige der Masseunzulänglichkeit hinsichtlich der erst später verwirkten Säumniszuschläge noch keine Aufrechnung erklärt werden konnte und selbst bei Annahme einer schon begründeten, aber noch nicht fälligen oder aufschiebend bedingten Forderung die Voraussetzungen des § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO vorlägen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG, wobei die Festsetzung im Ergebnis der der ersten Instanz entspricht. Der Senat orientiert sich hierbei allerdings nicht an der Empfehlung in Nr. II.1.6. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung Juli 2004, NVwZ 2004, 1327), da diese in erster Linie die Verwaltungsvollstreckung nach dem jeweils einschlägigen Verwaltungsvollstreckungsgesetz meinen dürfte, sondern folgt der Rechtsprechung der Zivilgerichte. Danach bemisst sich der Streitwert bei Vollstreckungsabwehrklagen nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung, wobei bei Zahlungstiteln der Betrag der Hauptforderung anzusetzen ist (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rn. 6065 m.w.N.). Da die Hauptforderung hier unstreitig bereits teilweise erfüllt worden ist und die Antragstellerin deutlich gemacht hat, dass es ihr nur um die Abwendung der noch offenen Forderung von jedenfalls unter 1 Mio. Euro geht, ist der bei Antragseingang noch offene Forderungsbetrag anzusetzen. Dieser belief sich ausweislich des Forderungskontos vom 20. September 2010 bei Eingang der Antragsschrift am 27. Januar 2010 auf ca. 934.000 Euro, wobei zu diesem Zeitpunkt lediglich ca. 350 Euro an Zinsen ausstanden, so dass es keiner Entscheidung bedarf, inwieweit Zinsen und Kosten bei der Streitwertbemessung Berücksichtigung finden können (vgl. § 43 Abs. 1 GKG, dazu Schneider/Herget, a.a.O., Rn. 6067 m.w.N.). Wegen des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens ist dieser Betrag zu reduzieren; der Senat legt insoweit in Anlehnung an die Empfehlung in Nr. II.1.5 des Streitwertkatalogs ¼ des Wertes der Hauptsache zugrunde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).