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vorläufiger Rechtsschutz, Windenergieanlagen, Anlagenänderung (Repowering), Genehmigungsfiktion, Fiktionsbescheinigung, Konzentrationswirkung


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Der 7. Senat Entscheidungsdatum 06.05.2025
Aktenzeichen 7 S 5/25 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0506.7S5.25.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen 123 VwGO, 13; 16b Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 8; 16b Abs. 9 BImSchG , 42a Abs. 3 VwVfG

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Der wörtlich gestellte Antrag vom 1. März 2025,

  1. festzustellen, dass die Genehmigung des Landesamts für Umwelt, Genehmigungsbescheid Nr. 40.051.00/22/1.6.2V/T12 vom 20.08.2024, einschließlich der Nebenbestimmungen gemäß § 16b Abs. 9 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 3 BImSchG als gemäß dem Antrag Reg.-Nr. 40.106.Ä0/24/1.6.2V/T12 vom 20.12.2024 geändert, d.h. die Änderungsgenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen des Typs Nordex N175 – 6.8 MW mit einer Nabenhöhe von 179,00 m, einem Rotordurchmesser von 175,00 m und einer Gesamthöhe von 266,50 m auf den Grundstücken in der Gemarkung P_____, Flur , Flurstück  (WEA 1), Gemarkung P_____, Flur , Flurstück  (WEA 2), Gemarkung P_____, Flur , Flurstück  (WEA 3) sowie in der Gemarkung P_____, Flur , Flurstück  (WEA 4) kraft gesetzlicher Fiktion als erteilt gilt, und die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin hierüber gemäß § 16b Abs. 9 Satz 2 BImSchG i.V.m. 42a Abs. 3 VwVfG eine Bescheinigung ohne einschränkende Zusätze und ohne Ergänzung mit weiteren Regelungen zu erteilen,

  2. festzustellen, dass für die Errichtung und den Betrieb der vorbezeichneten Windenergieanlagen keine weiteren, von § 13 BImSchG eingeschlossenen die Anlage betreffenden behördlichen Entscheidungen, insbesondere keine Baugenehmigung und keine Waldumwandlungsgenehmigung, benötigt werden,

bleibt ohne Erfolg.

a. Der Antrag zu 1. ist bereits unzulässig, soweit er auf Feststellung des Eintritts der Genehmigungsfiktion nach § 16b Abs. 9 Satz 1 BImSchG gerichtet ist. Der Antragstellerin fehlt es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO insoweit jedenfalls an einem Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsgegner bestreitet nicht, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten ist. Im Gegenteil, hat er der Antragstellerin den Eintritt der Genehmigungsfiktion im Schreiben vom 5. Februar 2025 ausdrücklich bescheinigt (§ 16b Abs. 9 Satz 2 BImSchG i.V.m. § 42a Abs. 3 VwVfG). Unterschiedliche Auffassungen bestehen zwischen den Beteiligten allein über die Frage, ob der (fingierten) Änderungsgenehmigung nach § 16b Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 8 BImSchG die Konzentrationswirkung aus § 13 BImSchG zukommt. Dabei geht es nicht um die Genehmigungsfiktion als solche, sondern um die vom Gesetz vorgegebene Reichweite der Legalisierungswirkung bzw. die gesetzlichen Folgen, die sich an die Genehmigungsfiktion – nicht anders als an eine ausdrücklich erteilte Genehmigung – knüpfen.

b. Hinsichtlich des weitergehenden Verpflichtungsbegehrens aus dem Antrag zu 1. sowie des Feststellungsbegehrens des Antrags zu 2. ist der Eilantrag zwar zulässig, aber unbegründet.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Satz 2). Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind der durch die einstweilige Anordnung zu schützende Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Nimmt die Entscheidung – wie hier – die Hauptsache zumindest teilweise vorweg, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur ausnahmsweise unter gesteigerten Anforderungen in Betracht. Erforderlich ist in einem solchen Fall unter anderem eine besondere Dringlichkeit in dem Sinne, dass dem Rechtsschutzsuchenden ohne die einstweilige Anordnung schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Oktober 2017 - OVG 3 S 84.17 u.a. - juris Rn. 2; VGH München, Beschluss vom 25. Juli 2023 - 11 CE 23.652 - juris Rn. 13).

Gemessen daran scheidet der Erlass der von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Anordnung aus. Eine die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigende besondere Dringlichkeit ist nicht zu erkennen.

aa. Das gilt zunächst für das mit dem Antrag zu 2. von der Antragstellerin verfolgte Feststellungsbegehren.

Der Antragstellerin steht es frei, von der fingierten Änderungsgenehmigung (zusammen mit der Ausgangsgenehmigung vom 20. August 2024) Gebrauch zu machen. Ihre Besorgnis, sie könne in diesem Fall von dem Antragsgegner und anderen Behörden „mit aufsichtlichem Einschreiten, Ordnungsmaßnahmen und Bußgeldern überzogen“ werden, erscheint dem Senat unter den konkreten Gegebenheiten des vorliegenden Falls und jedenfalls im gegenwärtigen Zeitpunkt fernliegend und spekulativ. Es trifft zwar zu, dass der Antragsgegner davon ausgeht, der Änderungsgenehmigung nach § 16b Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 8 BImSchG komme nicht die Konzentrationswirkung aus § 13 BImSchG zu, weshalb eine solche Änderungsgenehmigung den Vorhabenträger nicht davon entbinde, etwaig erforderliche Genehmigungen nach anderen Gesetzen einzuholen. Wie aus der von der Antragstellerin vorgelegten E-Mail vom 19. Februar 2025 hervorgeht, hat in Übereinstimmung damit auch schon der Landkreis Oberspreewald-Lausitz (im Folgenden: der Landkreis) als untere Bauaufsichtsbehörde zu einem anderen Vorhaben der Antragstellerin mitgeteilt, dass es daher erforderlich wäre, die Anlagenänderungen bauordnungsrechtlich durch eine gesonderte Baugenehmigung zu legalisieren. Indes hat der Senat in seinen beiden – ebenfalls auf Rechtsschutzersuchen der Antragstellerin ergangenen – Urteilen vom 25. März 2025 - OVG 7 A 47/24 und OVG 7 A 51/24 - (juris Rn. 38 ff. bzw. juris Rn. 27 ff.) in zwei ähnlich gelagerten Fällen zwischenzeitlich entschieden, dass die Änderungsgenehmigung nach § 16b Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 8 BImSchG zusammen mit der immissionsschutzrechtlichen Ausgangsgenehmigung Konzentrationswirkung entfaltet. Das hat zur Folge, dass ungeachtet des reduzierten Prüfprogramms im Änderungsgenehmigungsverfahren weitere auch sonst dem § 13 BImSchG unterfallende Genehmigungen wie etwa eine Baugenehmigung oder eine Waldumwandlungsgenehmigung nicht erforderlich sind. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Unter anderem weil die Frage der Konzentrationswirkung der Änderungsgenehmigung nach § 16b Abs. 7 Satz 3 i.V.m. Abs. 8 BImSchG bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist, hat der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung jeweils die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zuzulassen. Hinlängliche Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsgegner bis zum rechtskräftigen Abschluss dieser beiden „Musterverfahren“ über die Rechtsauffassung des Senats hinwegsetzen könnte, bestehen zumindest derzeit nicht. Das Gleiche gilt für ein mögliches Einschreiten anderer Behörden, insbesondere des Landkreises als unterer Bauaufsichtsbehörde oder des Landesbetriebs Forst als für die Erteilung einer Waldumwandlungsgenehmigung zuständige unter Forstbehörde.

Ohnehin dürfte der Antragstellerin ein Einschreiten – wenn überhaupt – allenfalls von anderen Stellen drohen, nicht aber von dem Antragsgegner. Das räumt auch die Antragstellerin in ihrem jüngsten Schriftsatz vom 29. April 2025 (dort S. 4) ein. Damit erscheint aber schon fraglich, ob die Antragstellerin den Antragsgegner zu Recht als sachlichen Streitgegner ansieht. Soweit die Antragstellerin ein bauordnungsrechtliches Einschreiten befürchtet, wäre ihr Eilrechtsschutzersuchen richtigerweise wohl gegen den Landkreis zu richten.

Angesichts des Vorstehenden kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob der besonderen Dringlichkeit des Feststellungsbegehrens – wie der Antragsgegner vorgebracht hat – auch die Bauzeitenregelungen in der Ausgangsgenehmigung vom 20. August 2024 entgegenstehen.

bb. Für das Verpflichtungsbegehren aus dem Antrag zu 1. kann nichts anderes angenommen werden. Aus im Wesentlichen denselben Erwägungen wie bei dem Feststellungsbegehren vermag der Senat eine besondere Dringlichkeit auch für die Ausstellung einer geänderten Fiktionsbescheinigung nicht festzustellen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Dabei legt der Senat für die mit dem Eilantrag von der Antragstellerin verfolgten drei Begehren (zwei Feststellungsbegehren, ein Verpflichtungsbegehren) in der Hauptsache jeweils den Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro zugrunde. Den so ermittelten Streitwert von 15.000,00 Euro hat der Senat ungeachtet der erstrebten (teilweisen) Vorwegnahme der Hauptsache für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf die Hälfte reduziert (vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).