| Gericht | OLG Brandenburg 1. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 02.05.2025 | |
|---|---|---|---|---|
| Aktenzeichen | 1 W 23/25 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0502.1W23.25.00 | |
| Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
| Normen | ||||
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts Cottbus vom 09.09.2024, Az. 4 O 74/24, abgeändert und der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich aus eigenem Recht gegen die Streitwertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz durch das Landgericht.
In der Sache nahm der Kläger die Beklagte als Betreiberin eines sozialen Netzwerks wegen eines Datenschutzvorfalls im Jahr 2019 in Anspruch. Er stellte folgende Anträge:
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Ausgleich für Datenschutzverstöße und die Ermöglichung der unbefugten Ermittlung der Telefonnummer sowie weiterer personenbezogener Daten der Klägerseite wie Facebook-ID, Vorname, Nachname sowie ggf. weiterer personenbezogener Daten einen immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 3.000,00 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Nichterteilung einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden außergerichtlichen Datenauskunft im Sinne des Art. 15 DSGVO einen weiteren immateriellen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 2.000,00 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen künftigen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger durch den unbefugten Zugriff Dritter auf das Datenarchiv der Beklagten, der nach Aussage der Beklagten im Jahr 2019 erfolgte, entstanden sind und/oder noch entstehen werden;
4. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft, oder einer an ihrem gesetzlichen Vertreter (Director) zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen
a. personenbezogene Daten des Klägers, namentlich Telefonnummer, FacebookID, Familiennamen, Vornamen, Geschlecht, Bundesland, Land, Stadt, Beziehungsstatus Dritten über eine Software zum Importieren von Kontakten zugänglich zu machen, ohne die nach dem Stand der Technik möglichen Sicherheitsmaßnahmen vorzusehen, um die Ausnutzung des Systems für andere Zwecke als der Kontaktaufnahme zu verhindern,
b. die Telefonnummer des Klägers auf Grundlage einer Einwilligung zu verarbeiten, die wegen der unübersichtlichen und unvollständigen Informationen durch die Beklagte erlangt wurde, namentlich ohne eindeutige Informationen darüber, dass die Telefonnummer auch bei Einstellung auf „privat“ noch durch Verwendung des Kontaktimporttools verwendet werden kann, wenn nicht explizit hierfür die Berechtigung verweigert wird;
5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über personenbezogene Daten, welche die Beklagte verarbeitet hat, zu erteilen, namentlich welche Daten durch welche Empfänger zu welchem Zeitpunkt bei der Beklagten durch eine „Web Scraping-Anwendung“ des Kontakt-Import-Tools erlangt werden konnten und zudem - soweit sie erklärt, Auskünfte nicht abgeben zu können - mögliche Negativ-Auskünfte an Eides statt zu versichern.
Den in der Klageschrift mit 11.000 Euro angegebenen Streitwert hat das Landgericht mit Urteil vom 09.09.2024 auf die Wertstufe bis 4.000 Euro festgesetzt. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.09.2024 zugestellt worden.
Der am 11.03.2025 gegen die Streitwertfestsetzung eingelegten Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der er die Festsetzung auf 7.500 Euro begehrt, hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme auf den Antrag gegeben.
II.
Die gemäß §§ 68 Abs.1 Satz1, 63 Abs. 2 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Streitwertbeschwerde hat Erfolg.
Der Streitwert beträgt 7.500 Euro und setzt sich aus den folgenden Einzelwerten der Klageanträge zusammen:
1. Der Streitwert für die Klageanträge zu 1. und 2. ergibt sich aus den vom Kläger benannten (Mindest-)Schadenersatzbeträgen in Höhe von insgesamt 5.000 Euro (3.000 Euro im Antrag zu 1. und 2.000 Euro im Antrag zu 2.). Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es insoweit unabhängig von der Frage der Begründetheit der geltend gemachten Ansprüche für die Streitwertbemessung auf die bezifferten Beträge an (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 3 ZPO, Rn. 16_145).
2. Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 3. die Feststellung begehrt, dass die Beklagte ihm auch zum Ersatz aller zukünftigen aus dem streitgegenständlichen Scraping-Vorfall entstehenden Schäden verpflichtet sei, ist diesem Antrag ein eigener wirtschaftlicher Wert beizumessen. Dieser orientiert sich grundsätzlich an den Vorstellungen des Klägers zum Klageantrag zu 1, ist aber nur mit einem Bruchteil zu bemessen, wobei hier 1/3 und damit ein Betrag in Höhe von 1.000 Euro angemessen erscheint.
3. Der Streitwert für die Unterlassungsanträge zu 4a. und b. ist unter Berücksichtigung der nach § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG für die Wertfestsetzung bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen maßgebenden Umstände des Einzelfalls – in Abweichung von der Streitwertangabe des Prozessbevollmächtigten des Klägers (jeweils 750 Euro) – auf jeweils 500 Euro festzusetzen.
Maßgeblich ist insoweit zum einen, dass sich die Anträge im Wesentlichen auf eine Wiederholungsgefahr bezüglich nur eines Teils der vom Kläger angenommenen Datenschutzverstöße der Beklagten stützen, weshalb sie wertmäßig geringer als die vermeintlich bereits erlittene Beeinträchtigung zu bemessen sind. Da mit diesen Anträgen zum anderen letztlich auch nur nicht vollstreckbare gesetzliche Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung aufgegriffen werden und die Daten des Klägers bereits ohnehin abgegriffen und veröffentlicht worden sind, erachtet der Senat einen Gesamtstreitwert der Anträge zu 4a. und b. von 1.000 Euro - d.h. von jeweils 500 Euro - für ausreichend, aber auch erforderlich, um das Klagebegehren des Klägers zu bemessen (so auch OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2023 – I-7 U 19/23 – Rn. 274ff. m.w.N; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.07.2024 – 6 W 36/24 –, Rn. 24ff., OLG Saarbrücken, Urteil vom 03.05.2024 – 5 U 72/23 –, Rn. 51, jeweils juris).
4. Der Wert des mit dem Klageantrag Ziffer 5 geltend gemachten Auskunftsanspruchs ist mit 500 Euro zu bemessen. Der Wert des Auskunftsanspruchs ist nicht identisch mit dem Leistungsanspruch, sondern in der Regel nur mit einem Teilwert des Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll. Dabei werden üblicherweise 1/4 bis 1/10 angesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2021 - III ZR 162/20 - juris). Angesichts des Umstandes, dass der Auskunftsanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung nicht zwingend der Vorbereitung eines anderen Anspruches dient, erscheint dieser Wert hier mit nicht mehr als 500 Euro angemessen eingeordnet (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.07.2023 – 10 W 5/23 –, Rn. 17, OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.07.2024 – 6 W 36/24 –, Rn. 28, OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12.07.2024 – 8 U 21/24 –, Rn. 11, OLG Dresden, Beschluss vom 03.09.2024 – 4 W 497/24 –, Rn. 26, jeweils juris).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da gemäß § 68 Abs. 3 GKG das Verfahren gebührenfrei ist und (außergerichtliche) Kosten nicht erstattet werden.