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alleinstehende Frauen und Opfer von häuslicher bzw. sexueller Gewalt als soziale Gruppe (verneint), Asyl Kamerun, Bezeichnung des Dolmetschers mit einer Kennziffer unschädlich, inländische Fluchtalternative, Vergewaltigung innerhalb der Familie


Metadaten

Gericht VG Cottbus 4. Kammer Entscheidungsdatum 10.04.2025
Aktenzeichen VG 4 K 1688/20.A ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2025:0410.4K1688.20.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen 3 ff. AsylG §§

Leitsatz

Weder alleinstehenden Frauen noch solchen, die Opfer häuslicher bzw. sexueller Gewalt geworden sind, droht in Kamerun mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (Anschluss VG Stuttgart, Urteil vom 24. September 2024 A 17 K 3378/24 -, juris)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die nach eigenen Angaben mal am 1_____ und mal am 3_____ geborene, aus Kamerun stammende Klägerin reiste aus Italien kommend im Februar 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 18. Februar 2019 einen Asylantrag.

Zur Begründung ihres Asylantrags gab die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung am 19. August 2020 an, Kamerun am 7. September 2016 im Alter von 15 Jahren verlassen zu haben. Sie habe neun Jahre die Schule besucht, einen Abschluss habe sie nicht. In Kamerun sei sie bei ihrer Tante in Douala groß geworden. Im Alter von 13 Jahren sei sie von ihrem Cousin vergewaltigt und in der Folge schwanger geworden. Ihr Onkel, der Moslem sei, sei der Meinung gewesen, dass sie ihren Cousin heiraten müsse und nicht abtreiben dürfe. Es habe aber noch keinen Termin gegeben, sie habe erst einmal das Kind zur Welt bringen sollen. Ihr Onkel habe auch gewollt, dass sie konvertiere. Sie sei dann zu ihrer anderen Tante nach Yaoundé geflohen, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Ihr Onkel aus Douala habe sie gesucht und gedroht, dass er sie töte, weil sie das Kind abgetrieben habe. Er habe sie auch in Yaoundé weiter bedroht. Manchmal sei er selbst gekommen und manchmal habe er Leute geschickt. Letztmalig sei er 2014 mit der Polizei gekommen und habe denen erzählt, dass sie abgetrieben habe. Ihre Tante und die Frau, die die Abtreibung vorgenommen habe, seien dann für einen Monat inhaftiert worden. Ihr selbst sei wegen der Abtreibung nichts passiert.

Allerdings habe ihr anderer Onkel, der Mann ihrer Tante in Yaoundé, sie auch vergewaltigt. Das müsse im Jahr 2014 gewesen sein. Sie sei 14 Jahre alt gewesen sein. Dieser Onkel habe später auch ihre Reise vorbereitet. Er habe ihr versprochen, sie nach Algerien zu bringen, um ihren dort lebenden Bruder zu sehen, wenn sie nichts von der Vergewaltigung erzähle. Auch in den Jahren 2015 und 2016 sei sie von ihrem Onkel in Yaoundé weiter vergewaltigt worden. Sie habe weder ihrer Tante noch sonst jemandem davon erzählt. Sie habe niemanden gekannt und auch keine Hilfe erwartet. Zu ihrer Mutter habe sie laut Polizei nicht gedurft. Warum wisse sie nicht. Sie sei bei ihrer Familie in Yaoundé geblieben, weil ihr Onkel ihr versprochen habe, sie nach Algerien zu bringen. Eine frühere Ausreise sei nicht möglich gewesen, weil es Prüfungen in der Schule gegeben habe. Der Schlepper habe sie dann abgeholt. Auf ihrer Reise sei sie zur Prostitution gezwungen worden.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2020 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag der Klägerin mit Blick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), die Anerkennung als Asylberechtigte (Ziffer 2) sowie die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Ziffer 3) ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorlägen (Ziffer 4). Das Bundesamt forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und drohte ihr für den Fall des Verstreichen Lassens dieser Frist die Abschiebung nach Kamerun an (Ziffer 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).

Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus: Die Klägerin sei kein Flüchtling. Eine Bedrohung oder Verfolgung durch staatliche Stellen habe sie nicht vorgetragen. Soweit die Klägerin eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, namentlich ihre beiden Onkel, geltend mache, liege ebenfalls keine Verfolgung in Anknüpfung an ein flüchtlingsschutzrelevantes Merkmal vor. Auch eine geschlechtsspezifische Verfolgung der Klägerin sei nicht anzunehmen. Die Ausführungen der Klägerin zu einer Zwangsheirat und Zwangskonversion seien widersprüchlich und mit Blick auf ihr Lebensalter in Zweifel zu ziehen. Außerdem habe sie sich der insoweit geltend gemachten Gefahr durch den Umzug nach Yaoundé entziehen können. Ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen und der Jahre später erfolgten Ausreise sei nicht herstellbar. Auch die nachfolgenden Bedrohungen des Onkels der Klägerin aus Douala stellten lediglich familiäre Bedrohungen mit strafrechtlichem Hintergrund dar, die nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal anknüpften. Soweit die Klägerin sich durch ihre Ausreise sexueller Gewalt seitens ihres Onkels in Yaoundé entzogen habe, rechtfertige auch dies nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Opfer häuslicher Gewalt bildeten keine bestimmte soziale Gruppe im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 4b des Asylgesetzes (AsylG). Es sei im Übrigen eben dieser Onkel gewesen, der der Klägerin die Ausreise ermöglicht habe. De facto sei sie also nicht von ihm geflohen.

Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Hinsichtlich der Verfolgung durch ihren Onkel in Douala müsse sich die Klägerin auf staatliche Schutzmöglichkeiten im Sinne des § 3d AsylG verweisen lassen. Insofern hätte sie sich an die Polizei wenden müssen. Dem Bundesamt lägen keine Erkenntnisse dazu vor, dass die lokalen Sicherheitsbehörden in Kamerun nicht willens oder in der Lage wären, vor Gewaltkriminalität oder sonstigen Übergriffen zu schützen. Im Übrigen sei darauf zu verweisen, dass es außer den verbalen Drohungen dieses Onkels zwischen 2014 und 2016 zu keinen weiteren Übergriffen gekommen sei, obwohl der Onkel nach dem Vorbringen der Klägerin mehrfach in Yaoundé aufgetaucht sei. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass eine tatsächliche Tötungsabsicht nicht bestanden habe.

Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine Rückkehr nach Kamerun sei der Klägerin auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zumutbar. Bei der Klägerin handele es sich um eine mittlerweile volljährige, gesunde Frau ohne Unterhaltsverpflichtungen. Sie habe ihren Lebensmittelpunkt in den Großstädten Kameruns gehabt und neun Jahre die Schule besucht. Auch wenn sie keinen Abschluss erworben habe, besitze sie die bildungsmäßigen Voraussetzungen für eine weitere berufliche Entwicklung. Es sei daher davon auszugehen, dass die Klägerin mit Unterstützung ihrer Familie und von Freunden in der Lage sein werde, ein Einkommen zu erzielen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könne. Die Klägerin verfüge nach eigenen Angaben über fünf Brüder und vier Schwestern, fünf Onkels und drei Tanten, die ebenfalls im Heimatland lebten. Auch wenn es in der Familie zu Problemen gekommen sei, müsse sich die Klägerin in dieser Situation darauf verweisen lassen, dass der traditionelle Zusammenhalt der afrikanischen Großfamilie ihr den nötigen Rückhalt geben werde, um sich in der Heimat erfolgreich zu reintegrieren. Sie habe insofern auch die Möglichkeit, die bei einer freiwilligen Ausreise vorgesehenen Hilfsprogramme der Bundesrepublik Deutschland für abgelehnte Asylbewerber in Anspruch zu nehmen.

Mit der am 23. Oktober 2020 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Zur Begründung verweist sie auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs vorliege, weil bei ihrer persönlichen Anhörung ein ungeeigneter Dolmetscher tätig geworden sei. Dies sei daraus zu folgern, dass der Name des Dolmetschers nicht bezeichnet, sondern im Anhörungsprotokoll lediglich eine Kennziffer angegeben sei. Es bestünden Zweifel an der Qualifikation des Sprachmittlers. Die Klage sei auch deshalb begründet, weil ihr für den Fall einer Rückkehr nach Kamerun Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur „sozialen Gruppe“ der alleinstehenden Frauen drohe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. Oktober 2020 zu verpflichten,

ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise ihr subsidiären Schutz zu gewähren,

weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid.

Die Klägerin ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Für den Inhalt wird auf das Protokoll der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, den seitens des Bundesamts vorgelegten Verwaltungsvorgang sowie die beigezogene Ausländerakte der Klägerin Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Gerichts.

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht durch die Einzelrichterin, nachdem die Kammer dieser den Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung übertragen hat.

Das Gericht konnte über die Klage in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten mündlich verhandeln und in der Sache entscheiden, weil das Bundesamt in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Soweit die Klägerin an ihrem Asylbegehren in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten und damit die Klage sinngemäß teilweise zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet.

Die Klägerin hat in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (dazu I.) noch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (dazu II.). Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann die Klägerin ebenfalls nicht verlangen (dazu III.). Der Bescheid des Bundesamts erweist sich auch im Übrigen als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (dazu IV.).

I. Die Klägerin ist kein Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes.

1. Nach § 3 Abs. 4 1. Halbsatz AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 der Vorschrift ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) ist nach § 3 Abs. 1 AsylG ein Ausländer, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung im Sinne dieser Vorschrift gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention EMRK) keine Abweichung zulässig ist. Gleiches gilt nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG für eine Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

Verfolgung kann nach § 3c AsylG sowohl vom Staat (Nr. 1) bzw. den diesen beherrschenden Parteien oder Organisationen (Nr. 2) als auch von nichtstaatlichen Akteuren (Nr. 3) ausgehen. Eine asylrelevante Verfolgung durch einen nichtstaatlichen Akteur liegt allerdings nur vor, sofern der Staat bzw. die ihn beherrschenden Organisationen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten.

Zwischen den nach § 3a AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen (sog. Verfolgungshandlungen) und den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Merkmalen (sog. Verfolgungsgründe) muss nach § 3a Abs. 3 AsylG zudem eine Verknüpfung bestehen. Erforderlich aber auch ausreichend ist insoweit, dass die Verfolgung oder im Falle nichtstaatlicher Verfolgungshandlungen die fehlende Schutzbereitschaft des Staates  stattfindet, weil dem Ausländer das in Rede stehende Merkmal, z. B. eine bestimmte politische Überzeugung, zugeschrieben wird. Ist dies der Fall, kommt es weder darauf an, ob der Betroffene die ihm zugeschriebene Überzeugung tatsächlich aufweist (§ 3b Abs. 2 AsylG) noch ob er aufgrund dieser tatsächlich tätig geworden ist (§ 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Ob eine Verfolgungshandlung in diesem Sinne „wegen“ eines flüchtlingsrelevanten Merkmals erfolgt, ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung anhand des inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den ohnehin kaum feststellbaren subjektiven Vorstellungen und Motiven, die den Verfolgenden oder die für ihn handelnden Personen leiten (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Juli 1996 - 2 BvR 1957/94 -, juris Rn. 18). Entscheidend ist mithin, wie sich die Verfolgungshandlung nach dem „objektiven Empfängerhorizont“ darstellt.

Eine „begründete Furcht“ vor Verfolgung der vorstehend beschriebenen Art liegt schließlich vor, wenn dem Antragsteller Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anhand einer Verfolgungsprognose zu beurteilen, die die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Geschehensabläufe bei einer hypothetisch unterstellten Rückkehr des Schutzsuchenden in seinen Heimatstaat zum Gegenstand hat. Beachtlich wahrscheinlich ist eine Verfolgung danach, wenn bei der im Rahmen dieser Prognose vorzunehmenden „zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts“ die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Insofern ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung geboten, bei der letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit maßgebend ist. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer quantitativen oder mathematischen Betrachtungsweise weniger als 50 % Wahrscheinlichkeit für dessen Eintritt besteht. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben allerdings die Gesamtumstände des Einzelfalls die „tatsächliche Gefahr“ („real risk“) einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Er wird bei der Abwägung aller Umstände zudem auch immer die Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in die Betrachtung mit einstellen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es aus Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber schwere Misshandlungen bzw. Folter oder gar die Todesstrafe riskiert (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 118/90 -, juris Rn. 17; EuGH-Vorlage vom 7. Februar 2008 - 10 C 33/07 -, juris Rn. 37).

Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei sowohl auf tatsächlich erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung bereits vor der Ausreise im Herkunftsstaat (sog. Vorverfolgung) als auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (sog. Nachfluchtgründe). Für Vorverfolgte gilt innerhalb des auch insoweit anzuwenden Maßstabes der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine Beweiserleichterung. Denn nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikationsrichtlinie) ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder unmittelbar von Verfolgung bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist. In diesen Fällen streitet also die tatsächliche Vermutung dafür, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden, wenn stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit der Verfolgung entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5/09 -, juris Rn. 22 ff.).

2. Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, droht der Klägerin auch bei Wahrunterstellung ihres Vortrags, zu dem, was ihr vor ihrer Ausreise passiert ist, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG.

a. Die Klägerin ist nicht vorverfolgt ausgereist.

Auf eine staatliche Verfolgung hat sich die Klägerin nicht berufen. In Betracht kommt von vorn herein allenfalls eine drohende Verfolgung durch nicht staatliche Akteure im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG.

Soweit die Klägerin insoweit geltend gemacht hat, ihr Onkel aus Douala habe ihr mit Zwangsheirat und Zwangskonversion gedroht, bestand eine entsprechende Bedrohungslage nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin bereits seit 2014 nicht mehr. Der Onkel der Klägerin soll zwar noch mehrmals nach Yaoundé gekommen sein und die Klägerin bedroht haben. Diese Drohungen hatten aber nicht mehr eine zwangsweise Heirat oder Konversion zum Gegenstand, sondern bezogen sich auf die von der Klägerin durchgeführte Abtreibung. Sie waren zudem ersichtlich nicht ernst gemeint, nachdem der Klägerin bis zu ihrer Ausreise zwei Jahre später nichts weiter in diese Richtung geschehen ist. Dementsprechend war es auch nach den Angaben der Klägerin letztlich nicht die Drohungen seitens ihres Onkels aus Douala, die sie zur Ausreise motiviert haben, sondern der Wunsch zu ihrem Bruder nach Algerien zu gelangen.

Die von der Klägerin zudem geschilderte sexuelle Gewalt durch ihren Onkel in Yaoundé kann nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG zwar grundsätzlich eine Verfolgungshandlung darstellen. Auch insoweit bedarf es aber der Anknüpfung an ein Verfolgungsmerkmal im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Auf Grundlage des Vorbringens der Klägerin ist hierfür nichts erkennbar. Bei lebensnaher Betrachtung ist vielmehr davon auszugehen, dass der Klägerin durch ihren Onkel kriminelles Unrecht widerverfahren ist, welches die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für sich genommen nicht rechtfertigt. Aber selbst wenn man dies anders sehen und insoweit von einer Vorverfolgung der Klägerin etwa in Anknüpfung an deren Geschlecht ausgehen wollte, was freilich voraussetzte, dass man weiter zu Gunsten der Klägerin unterstellte, dass der kamerunische Staat entweder nicht willens oder nicht in der Lage war, sie als Minderjährige vor den geschilderten Übergriffen zu schützen (vgl. hierzu VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 14. Oktober 2022 10 K 1622/20.A , juris Rn. 25), ergibt sich im Ergebnis nichts Anderes.

b. Es liegen jedenfalls stichhaltige Gründe im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie für die Annahme vor, dass die Klägerin nicht erneut von entsprechenden Übergriffen bedroht ist.

Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägerin für den Fall ihrer Rückkehr weitere sexuelle Gewalt seitens ihres Onkels droht. Zum einen hat die Klägerin Kamerun vor nunmehr fast neun Jahren verlassen und ist in dieser Zeit zu einer erwachsenen Frau herangewachsen, die auch nach dem Recht ihres Heimatlandes volljährig ist und sich ganz anders gegen familiäre Übergriffe zu Wehr setzen könnte als dies damals der Fall war. Zum anderen ist schon nicht ersichtlich, dass der Onkel der Klägerin nach all dieser Zeit überhaupt weiteres Interesse daran haben könnte, der Klägerin (sexuelle) Gewalt anzutun, geschweige denn, dass er sich hierfür die Mühe machen würde, die Klägerin aufzusuchen. Dies gilt umso mehr angesichts des Umstand, dass es eben dieser Onkel der Klägerin war, der ihr bei der Ausreise geholfen hat.

c. Unabhängig davon muss sich die Klägerin hinsichtlich geltend gemachter Bedrohungen seitens ihrer Verwandtschaft auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftsstaates keine begründete Furcht vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

Die Einzelrichterin ist zur Überzeugung gelangt, dass die Klägerin insbesondere in den Millionenstädten Yaoundé oder Douala über den genannten Anforderungen entsprechende Ausweichmöglichkeiten hinsichtlich potentieller Gefährdungen seitens ihrer Verwandtschaft verfügt.

aa. Eine solche Ausweichmöglichkeit besteht selbst bei der Verfolgung durch lokale Sicherheitsbehörden, da es kein zentrales Fahndungsregister gibt (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 13). Bei einer geltend gemachten Verfolgung durch Private gilt dies erst Recht. Angesichts eines fehlenden Meldesystems, einer Gesamtbevölkerung Kameruns von mehr als 27 Millionen Menschen sowie einer Größe des Landes von etwa 400.000 m² ist nicht davon auszugehen, dass die Onkel der Klägerin in der Lage wären, diese in der Anonymität der Millionenstädte Douala oder Yaoundé gegen ihren Willen aufzuspüren (vgl. VG Würzburg, Urteil vom 1. Oktober 2021 W 10 K 20.30832 , juris Rn. 42; VG Dresden, Urteil vom 17. Februar 2021 6 K 286/19.A – juris; VG Cottbus, Beschluss vom 5. Januar 2021 9 L 585/20.A , juris Rn. 12).

bb. Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative scheitert auch nicht daran, dass der Klägerin im Falle ihrer Rückkehr nach Kamerun mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung von anderer Seite drohen würde. Entgegen der Annahme des Prozessbevollmächtigten der Klägerin kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe etwa der alleinstehenden Frauen oder der Opfer von häuslicher bzw. sexueller Gewalt mit Verfolgungsmaßnahmen rechnen muss.

(1) Die Gefahr eigener Verfolgung kann sich freilich nicht nur aus gegen den Betroffenen selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Betroffene mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung).

Nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz AsylG gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten (a.), und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgrenzbare Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (b.). Zu beachten ist dabei, dass die mit den Buchstaben a) und b) gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz AsylG kumulativ erfüllt sein müssen (vgl. EuGH, Urteile vom 16. Januar 2024  C-621/21 , juris Rn. 40, und vom 11. Juni 2024 C646/21 , juris Rn. 40). Das selbstständige Erfordernis der "deutlich abgegrenzten Identität" schließt eine Auslegung aus, nach der eine "soziale Gruppe" im Sinn des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG allein dadurch begründet wird, dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von etwa als Verfolgungshandlung im Sinn des § 3a Abs. 1 oder 2 AsylG zu qualifizierenden Maßnahmen betroffen wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. September 2019 1 B 54.19 , juris, Rn. 8 und vom 19. Juni 2019 1 B 30.19 , juris Rn. 9 f.).

Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 4. Halbsatz AsylG kann eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht anknüpft. Nach den genannten Maßstäben ist aber auch eine allein an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung nur dann eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, wenn die Personengruppe, deren Mitglieder das gleiche Geschlecht haben, von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Januar 2024  C-621/21 , juris Rn. 40; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 14. Oktober 2022 10 K 1622/20.A , juris Rn. 21). Das kann je nach den im Herkunftsland herrschenden Verhältnissen sowohl für Frauen insgesamt als auch für einzelne Gruppen von Frauen gelten, die ein zusätzliches gemeinsames Merkmal teilen, wenn die im Herkunftsland geltenden sozialen, moralischen oder rechtlichen Normen dazu führen, dass diese Frauen von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Januar 2024  C-621/21 , juris Rn. 52 ff.).

Ist dies der Fall, muss bei der Prüfung, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG zu befürchten sind, berücksichtigt werden, dass auch diskriminierende Maßnahmen, die für sich genommen nicht als schwerwiegende Verletzung eines Menschenrechts im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu qualifizieren sein mögen, aufgrund ihrer Intensität und ihrer kumulativen Wirkung sowie der Folgen, die sie für die betroffenen Frauen haben, als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG einzustufen sein können. So hat der Europäische Gerichtshof jüngst für den Fall Afghanistans entschieden, dass die bewusste Diskriminierung von Frauen den für die Annahme einer Verfolgungshandlung erforderlichen Schweregrad erreicht, wenn Frauen in dem betroffenen Herkunftsland aufgrund ihres Geschlechts die mit der Menschenwürde verbundenen Grundrechte systematisch und hartnäckig vorenthalten werden (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2024 C-608/22 u. a. , juris Rn. 44).

(2) Dies zugrunde gelegt droht in Kamerun weder Frauen insgesamt noch alleinstehenden Frauen oder solchen, die Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt geworden sind, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.

Die Situation von Frauen in Kamerun stellt sich zusammenfassend wie folgt dar (vgl. zum Nachfolgenden insgesamt VG Stuttgart, Urteil vom 24. September 2024 A 17 K 3378/24 , juris Rn. 49 ff.):

Verfassungsrechtlich sind Frauen den Männern gleichgestellt. Gleichwohl benachteiligen viele Gesetze Frauen nach wie vor. Beispiele dafür sind die alleinige Verfügungsgewalt des Ehemannes über das eheliche Vermögen sowie sein Recht, der Ehefrau die Berufstätigkeit zu untersagen oder die Zulässigkeit der körperlichen Züchtigung der Ehefrau (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 11). Zudem werden bestehende Gesetze zur Gleichstellung oft nicht durchgesetzt (vgl. EUAA, COI Query, Kamerun, Situation of single woman in Yaoundé and Douala, 26. Januar 2022, S. 3; BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, Kamerun, Gesamtaktualisierung vom 7. März 2025, S. 32.

Das kamerunische Zivilrecht erlaubt jedem Mann über 35 Jahren, bis zu vier Ehefrauen zu heiraten (Polygamie). Dabei ist mit Zustimmung der Ehefrau bei der ersten Heirat festzulegen, ob eine polygame Beziehung gewählt wird. Der soziale Druck auf die Ehefrau, dennoch die Ehe einzugehen, ist stark (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 11).

In vielen Gegenden wird das staatliche Zivil- und Strafrecht faktisch durch traditionelles Recht ersetzt. In einigen ethnischen Gruppen wird die Frau nach traditionellem Verständnis nach der Zahlung einer Mitgift an die Familie der Braut Eigentum der Familie des Mannes. Nach dem Tod des Mannes ist sie nicht Erbin, sondern Teil des Erbes und kann zu allen gewünschten Tätigkeiten gezwungen werden. Die aus der Anwendung des traditionellen Rechts folgenden Handlungen unterliegen keiner staatlichen Kontrolle (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 11).

Zwangsheirat ist zwar nach dem kodifizierten Strafrecht strafbar, jedoch dennoch verbreitet (vgl. EUAA, COI Query, Kamerun, Situation of single women in Yaoundé and Douala, 26. Januar 2022, S. 3). Besonders im Norden Kameruns werden zahlreiche junge Mädchen zwischen 10 und 15 Jahren, zumeist aus ärmeren Verhältnissen, zwangsverheiratet und besuchen nur selten die Schule. Sie sind für Haushalt und Kinder zuständig, so dass ihre weiterführende Schulbildung erschwert wird. Dadurch bleibt der Anteil der Analphabetinnen hoch (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 11).

Das Gesetz schützt die körperliche Unversehrtheit von Personen und verbietet seit 2016 Genitalverstümmelung (FGM) bei allen Frauen. FGM ist kein Massenphänomen, wird aber im Norden und in den ländlichen Gebieten praktiziert. In der Region Far North erfolgt FGM bei Mädchen normalerweise vor Erreichen des 10. Lebensjahres, jedoch nicht nach dem 13. Lebensjahr. Im Südwesten wird FGM von mehreren Ethnien (Boki, Otu Ejagham, Bayangi) praktiziert, zum Teil an erwachsenen Frauen nach Geburt des ersten Kindes. UNICEF zufolge wird FGM bei 1 % der kamerunischen Frauen durchgeführt (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 11).

Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess einschränken, und sie beteiligen sich auch, obwohl Frauen auf allen Regierungsebenen unterrepräsentiert sind. Knapp 34 % der Abgeordneten in der Nationalversammlung und 32 % der Senatoren sind weiblich. Dies ist größtenteils auf Geschlechterquoten zurückzuführen. Nur 10 % der Gemeinderäte werden von Frauen geführt, 11 der 63 Minister sind Frauen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kamerun, Gesamtaktualisierung vom 7. März 2025, S. 32).

Geschlechtsbezogene Gewalt gegenüber Frauen ist in Kamerun verbreitet und hat durch die Konflikte in den englischsprachigen Provinzen Nordwest und Südwest weiter zugenommen (EUAA, COI Query, Kamerun, Woman victims of rape: legal framework and treatment by society, 11. Januar 2024, S. 4; EUAA, COI Query, Kamerun, Situation of single women in Yaoundé and Douala, 26. Januar 2022, S. 3; OCHA, Data on gender equality in Cameroon, 17. Oktober 2019, S. 8 f.). Im Jahr 2020 registrierten die Behörden 9.292 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt, wobei sich 856 Fälle auf Vergewaltigung bezogen (EUAA, COI Query, Kamerun, Woman victims of rape: legal framework and treatment by society, 11.01.2024, S. 3).

Das Gesetz stellt Vergewaltigung unter Strafe. Das Strafmaß reicht von fünf bis zehn Jahren Haft. Vergewaltigungen bleiben jedoch tatsächlich häufig ohne Konsequenzen für den Täter, was auch daran liegt, dass die Opfer die Taten oft aus Scham oder zum Schutz der Familie  nicht zur Anzeige bringen (vgl. EUAA, COI Query, Kamerun, Woman victims of rape: legal framework and treatment by society, 11. Januar 2024, S. 3 ff.; USDOS, 2022 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, S. 35). Ein Bericht über die Menschenrechtslage in Kamerun, der vom kamerunischen Justizministerium im Jahr 2021 erhobene Daten ausgewertet hat, beschreibt, dass von 219 Fällen von Vergewaltigung, die vor Gericht gebracht wurden, 168 zu einer Verurteilung der Täter zu Gefängnisstrafen führten (vgl. EUAA, COI Query, Kamerun, Woman victims of rape: legal framework and treatment by society, 11.01.2024, S. 3). Da aufgrund der mit einer Vergewaltigung verbundenen Stigmatisierung viele Frauen zögern, solche zu melden, kann von einer großen Dunkelziffer ausgegangen werden (vgl. EUAA, COI Query, Kamerun, Woman victims of rape: legal framework and treatment by society, 11. Januar 2024, S. 4;

Auch häusliche Gewalt ist in Kamerun weit verbreitet und die Täter werden selten strafrechtlich verfolgt (vgl. EUAA, COI Query, Cameroon, Sexual and gender-based rape (SGBV) against women, 4. Dezember 2023, S. 1 ff.; IRB Kanada, Cameroon: Domestic violence, 01. Juni 2022, S. 1). Weder Vergewaltigung in der Ehe noch häusliche Gewalt werden durch das Gesetz ausdrücklich verboten. Gleichwohl ist Körperverletzung strafbar und wird mit Freiheits- und Geldstrafen geahndet (vgl. USDOS, 2022 Country Report on Human Rights Practices: Cameroon, 20. März 2023, S. 35).

Frauen sind gegenüber Männern deutlich häufiger von Armut betroffen. Die Ursache liegt insbesondere in der unbezahlten Arbeitsbelastung, die die den Frauen obliegende Haushaltsführung (Wasserholen, Kochen, Putzen), Alten- und Krankenpflege und reproduktive Arbeit mit sich bringt, kombiniert mit der Tatsache, dass Frauen extrem eingeschränkten Zugang und Kontrolle über Ressourcen haben. UNOCHA geht davon aus, dass 39 % der Gesamtbevölkerung und 51,5 % der Frauen in Kamerun unterhalb der Armutsgrenze leben. 79,2 % der Frauen sind unterbeschäftigt (vgl. OCHA, Data on gender equality in Cameroon, 17. Oktober 2019, S. 2 f.; EUAA, COI Query, Kamerun, Situation of single women in Yaoundé and Douala, 26. Januar 2022, S. 4). Der Zugang zu Kapitalvermögen ist für Frauen kompliziert (vgl. IRB Kanada, Cameroon: Situation and treatment of single women and women who head their own households, 8. Juni 2022, S. 3).

Die Anzahl weiblich geführter Haushalte in Kamerun ist hoch. Ausgehend von der 2018 durchgeführten „Cameroon Demograhic and Health Survey“ werden 26 % aller kamerunischen Haushalte von einem weiblichen Familienmitglied geleitet, 23,4 % in ländlichen Gebieten und 28,1 % in den Städten (vgl. IRB Kanada, Cameroon: Situation and treatment of single women and women who head their own households, 8. Juni 2022, S. 1). Nach Auskunft der NGO RuWCED (the Rural Women Center for Education and Development Cameroon) gilt der Status als Single größtenteils kulturell und sozial beschämend, insbesondere für Teenagermütter und unverheiratete Frauen mit Kindern. Alleinstehende Frauen würden normalerweise stereotypisiert, als hätten sie einen „schlechten Charakter“ oder ein „Problem“, das sie von einer Heirat abhalte, da die Ehe in der kamerunischen Kultur hochgeschätzt werde (vgl. IRB Kanada, Cameroon: Situation and treatment of single women and women who head their own households, 8. Juni 2022, S. 2; EUAA, COI Query, Kamerun, Situation of single women in Yaoundé and Douala, 26. Januar 2022, S. 6).

Gegenüber dem kanadischen Einwanderungs- und Flüchtlingsrat erklärten im Jahr 2012 zwei lokale NGOs, dass es in den Städten Yaoundé und Douala für alleinstehende Frauen möglich sei, allein zu leben, solange sie über die notwendigen Mittel verfügten, wobei die Möglichkeiten der Beschäftigung vom Bildungsniveau der Frau abhingen (vgl. EUAA, COI Query, Kamerun, Situation of single woman in Yaoundé and Douala, 26. Januar 2022, S. 6).

Die Wohnungssuche in Douala und Yaoundé kann sich für alleinstehende Frauen allerdings schwierig gestalten, zumal wenn sie nicht über soziale Kontakte verfügen. Eine der größten Herausforderungen ist das Finden einer Bleibe für die Dauer der Wohnungs- und Jobsuche (vgl. IRB Kanada, Cameroon: Situation and treatment of single women and women who head their own households, 8. Juni 2022, S. 2). Zudem wird berichtet, dass manche Vermieter nach dem Familienstand der potenziellen Mieterin fragen könnten, wobei möglicherweise als Bürgen für alleinstehende Frauen fungieren müssten, damit diese eine Unterkunft erhalten würden (EUAA, COI Query, Kamerun, Situation of single women in Yaoundé and Douala, 26. Januar 2022, S. 6).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Erkenntnislage ist die Einzelrichterin nicht zu der Überzeugung gelangt, dass (auch nur einzelne Gruppen von) Frauen in Kamerun als andersartig im Sinne des § 3b Nr. 4b) AsylG wahrgenommen würden.

Wie auch aus den vorstehenden Ausführungen erkennbar wird, zeichnet sich Kamerun insgesamt durch eine ethnisch sehr heterogene Gesellschaft mit einer Vielzahl unterschiedlicher Gepflogenheiten und Bräuchen gerade auch im Umgang mit Frauen aus. Selbst wenn man davon ausginge, dass es in einigen Regionen des islamisch geprägten Nordens regelhaft zu Zwangsheiraten, sexuellen Übergriffen oder anderen Verfolgungshandlungen gegenüber (bestimmten Gruppen von) Frauen kommen sollte, ist nicht erkennbar, dass dies ebenso für die überwiegend christlich geprägten Landesteile gilt, aus denen die Klägerin stammt.

Jedenfalls in den frankophonen Gebieten kann angesichts der dargestellten Erkenntnislage nicht davon ausgegangen werden, dass (alleinstehende) Frauen allgemein oder auch nur solche, die Opfer häuslicher bzw. sexualisierter Gewalt geworden sind, eine als abgrenzbar und andersartig wahr genommene „soziale Gruppe“ bilden (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 5. September 2023 7 A 69/23 MD , juris; VG Potsdam, Urteil vom 11. Dezember 2023 VG 9 K 3043/20.A , n. v.). Hinsichtlich erlebter häuslicher und sexueller Gewalt fehlt es vielmehr zumindest außerhalb der ländlichen Gebiete im Regelfall schon an einer Wahrnehmung entsprechender Geschehnisse seitens der Gesellschaft, weil die Taten so auch im Falle der Klägerin, die niemandem von dem Erlebten erzählt haben will gar nicht erst nach außen dringen. Im Übrigen entsprechen Frauenrechte in Kamerun zwar nicht den in der Europäischen Union heute geltenden Maßstäben und besteht eine faktische Diskriminierung von Frauen. Dass (alleinstehende) Frauen von der Gesellschaft als andersartig wahrgenommen würden, lässt sich den vorliegenden Erkenntnissen indes nicht entnehmen. Allein die hohe Anzahl weiblich geführter Haushalte spricht dagegen.

Ungeachtet dessen wäre auch die erforderliche Verfolgungsdichte nicht erreicht, weil die festzustellenden Diskriminierungen von Frauen jedenfalls in den frankophonen Regionen weder im Allgemeinen noch in der Gesamtheit den Schwergrad einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG erreichen. Dies gilt auch für alleinstehende Frauen. Insbesondere geben die Erkenntnisse nichts dafür her, dass diese regelhaft in gesteigertem Maße Gefahr laufen, Opfer von sexualisierten oder sonstigen Gewalthandlungen zu werden. Allein der Umstand, dass alleinlebende Frauen in Teilen der Gesellschaft einen „schlechten Ruf“ genießen und in der Folge etwa auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden mögen (wie es in zahlreichen Ländern der Welt der Fall sein dürfte), reicht ohne das Hinzutreten weiterer gravierender Nachteile für die Annahme einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG nicht aus. Dass aber (alleinstehende) Frauen in Kamerun systematisch oder nachhaltig aus der Gesellschaft ausgegrenzt würden und ihnen die Verwirklichung sozialer Teilhabe dauerhaft verwehrt wäre, ist unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnisse nicht einmal im Ansatz ersichtlich.

cc. Droht der Klägerin nach alledem keine landesweite Verfolgung in Anknüpfung an ihr Geschlecht bzw. die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, ist es der Klägerin schließlich auch nicht aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar, sich anderswo niederzulassen und sich dort ein neues Leben aufzubauen.

(1) Unter den Staaten der zentralafrikanischen Regionalorganisation CEMAC ist Kamerun das wirtschaftlich stärkste Land. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist grundsätzlich durch eigene landwirtschaftliche Produktion und Lebensmittelimporte gesichert. Allerdings besteht ein Verteilungsproblem, das insbesondere in den drei nördlichen Provinzen zu Lebensmittelengpässen führt. UNICEF meldet aktuell 4,7 Millionen Personen, die auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind, die Mehrzahl davon Kinder (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 17).

Die Landwirtschaft trug im Jahr 2023 17,3 % zum Bruttoinlandsprodukt bei, die Industrie 25,5 % und der Dienstleistungssektor 50,2 %. Der informelle Sektor Kameruns erwirtschaftet generell mehr als der formelle. Besonders um urbanen Bereich hält sich ein Großteil der Bevölkerung (Schätzungen sprechen von fast 90 %) mit Aktivitäten im informellen Sektor über Wasser. Auch für Frauen und junge Leute bieten sich hier Chancen den Lebensunterhalt zu verdienen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kamerun, Gesamtaktualisierung vom 7. März 2025, S. 42; VG Würzburg, Urteil vom 1. Oktober 2021 W 10 K 20.30832 , juris Rn. 45), wobei in der Regel auch keine französischen Sprachkenntnisse erforderlich, wenngleich von Vorteil sind (vgl. IRB Kanada, Cameroon: Situation and treatment of single women and women who head their own households, 8. Juni 2022, S. 4).

Wer in soziale Not gerät, kann in Kamerun nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Notlagen werden in der Regel von funktionierenden sozialen Netzwerken aufgefangen. Sind solche nicht vorhanden, finden sich karitative Einrichtungen, insbesondere Missionsstationen, die in besonderen Notlagen helfen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 17 f.; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Kamerun, Gesamtaktualisierung vom 7. März 2025, S. 44; VG Würzburg, Urteil vom 1. Oktober 2021 W 10 K 20.30832 , juris Rn. 45).

(2) Dies zugrunde gelegt hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass es der Klägerin gelingen wird, jedenfalls ihre elementarsten Grundbedürfnisse zu befriedigen, auch wenn unter Umständen nur ein Leben am Rande des Existenzminimums möglich sein sollte.

Zwar gestaltet sich die Wohnungssuche für alleinstehende Frauen ohne Kontakte bei einer Rückkehr in eine Großstadt wie Douala oder Yaoundé nach den vorliegenden Erkenntnismitteln oft schwierig. Die Klägerin kann aber selbst wenn man unterstellt, dass sie über familiären Rückhalt nicht verfügt, Anlaufstellen staatlicher oder karitativer Art für eine vorübergehende Unterstützung bei der Wohnungssuche in Anspruch zu nehmen. Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, warum die Klägerin nicht jedenfalls vorrübergehend bei ihrer Mutter und ihren in Douala lebenden Brüdern und Schwestern unterkommen könnte. Zu diesem Teil der Familie, der der Klägerin auch in der Vergangenheit nichts angetan hat, besteht ausweislich der informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung Kontakt, die Klägerin unterstützt ihre Familie nach eigenen Angaben sogar finanziell. Anhaltspunkte dafür, dass diese trotzdem nicht bereit sein könnte, die Klägerin im Gegenzug für den Fall einer Rückkehr aufzunehmen und ihrerseits zu unterstützen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Soweit die Klägerin angedeutet hat, ihre Familie sei zu einer finanziellen Unterstützung nicht in der Lage, da sowohl ihre Mutter als auch ihre in Kamerun lebenden Geschwister selbst nicht erwerbstätig seien, mag dahinstehen, wie glaubhaft dieser Vortrag angesichts der zahlreichen Geschwister der Klägerin und der nicht weiteren Substantiierung dieser Behauptung ist. Ein anderes Ergebnis folgt daraus so oder so nicht, weil das Gericht überzeugt davon ist, dass es der Klägerin selbst ggf. nach einer Übergangsphase gelingen wird, ihren Lebensunterhalt selbst durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu sichern.

Für einen Übergangszeitraum wird der Klägerin die Existenzsicherung bereits deshalb gelingen, weil ihr ausreichende Rückkehrhilfen zur Verfügung stehen (zum Nachstehenden vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 26. November 2024  A 17 K 6503/24 , juris Rn. 75). Die Klägerin kann im Falle ihrer Rückkehr nach Kamerun sowohl hinsichtlich der Wohnungs- als auch der Arbeitssuche auf Rückkehrhilfen im Rahmen des Reintegrationsprogramms European Reintegration Programme (EURP) und ergänzend des durch die Bundesrepublik Deutschland finanzierten Programms „Starthilfe plus“ - letzteres in reduziertem Umfang von 400 Euro - zurückgreifen. Hinsichtlich der Rückreise könnte die Klägerin zudem eine einmalige Förderung in Höhe von 1.000 Euro aus dem REAG/GARP 2.0 in Anspruch nehmen (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes, zuletzt abgerufen am 31. März 2025). Das durch die Europäische Union finanzierte EURP gewährt zudem eine Kurzzeit-Unterstützung innerhalb von bis zu 14 Tagen nach der Ankunft von 615 Euro pro Person im Falle einer freiwilligen Rückkehr und von 205 Euro für jede rückgeführte Person. Diese wird sowohl als Sachleistung als auch als Barleistung gewährt. Weiter ermöglicht das Programm eine Langzeitunterstützung innerhalb der ersten 12 Monate nach Rückkehr in Form einer Unterstützung bei der Wohnungsfindung, in Fällen medizinischen Bedarfs bei schweren Erkrankungen, schulischen und beruflichen Bildungsmaßnahmen, Beratung zu Arbeitsmöglichkeiten und Hilfestellung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, Unterstützung bei der Gründung eines (eigenen) Geschäftes, bei der Familienzusammenführung sowie rechtliche Beratung und administrative Unterstützung und auch psychosoziale Unterstützung. Diese Hilfe wird als Sachleistung in Höhe von bis 2.000 Euro für den Hauptantragsteller im Falle einer freiwilligen Rückkehr (1.000 Euro im Falle einer Rückführung) sowie von 1.000 Euro für jedes weitere Familienmitglied gewährt (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/european-reintegration-programme-eurp, zuletzt abgerufen am 31. März 2025). Weiter könnte die Klägerin bereits in der Vorbereitung ihrer Rückkehr das StartHope@Home-Programm hinsichtlich ihrer beruflichen Reintegration nutzen, das Migrantinnen und Migranten insbesondere in der unternehmerischen Kompetenz zur Existenzgründung nach der Rückkehr in ihr Heimatland vorbereitet. Die entsprechenden Kurse sind kostenlos verfügbar (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/rueckkehrvorbereitende-massnahmen-rkvm, zuletzt abgerufen am 31. März 2025).

Jedenfalls mit den vorstehend genannten Unterstützungsleistungen, die den Unterhalt der Klägerin in Kamerun auch ohne weiteres Einkommen über viele Monate abdecken, wird es der Klägerin gelingen, ihren Lebensunterhalt durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch danach dauerhaft zu sichern. Zwar hat die Klägerin aufgrund ihres jungen Alters vor ihrer Ausreise nicht gearbeitet. Allerdings spricht sie Französisch und hebt sich mit einer Schulbildung von neun Jahren deutlich von den in Kamerun nach wie vor vorhandenen 25 % Analphabeten ab. Anhaltspunkte dafür, dass gerade der Klägerin abweichend von den vielen Frauen, die in Kamerun einen eigenen Haushalt führen, die Sicherung ihres Existenzminimums nicht gelingen könnte, liegen nicht vor, zumal die Klägerin auch in der Bundesrepublik jedenfalls zeitweise einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und die dort gesammelten Erfahrungen zusätzlich nutzbar machen kann.

II. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf den begehrten subsidiären Schutz nach § 4 AsylG.

Ein Ausländer ist nach § 4 Abs. 1 AsylG subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach Satz 2 der Regelung die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG die Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz (§§ 3c bis 3e AsylG) entsprechend.

Das Gericht erachtet es nicht als beachtlich wahrscheinlich, dass der Klägerin, die vor ihrer Ausreise nicht in den anglophonen Konfliktregionen gelebt hat und auch nicht dorthin zurückkehren muss, ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG droht. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen Gruppierungen beschränken sich weitestgehend auf die Regionen Südwest und Nordwest und die Übergriffe durch Boko Haram auf die Region im äußersten Norden (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Kamerun vom 22. Februar 2024, S. 13 f.).

Im Übrigen gelten die Ausführungen unter I. entsprechend. Gegenüber etwaigen Gefährdungen seitens ihrer Onkel steht der Klägerin jedenfalls interner Schutz zur Verfügung.

III. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dies ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wegen der Unvereinbarkeit mit Art. 3 EMRK insbesondere dann der Fall, wenn ernsthafte und stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung der tatsächlichen Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung ausgesetzt wäre (vgl. EGMR, Urteil vom 12. Januar 2016 Nr. 13442/98 A.G.R. v. die Niederlande , NVwZ 2017, 293 ff. Rn. 54; Urteil vom 28. Juni 2011 – Nr. 8319/07 Sufi u. Elmi v. Vereinigtes Königreich , NVwZ 2012, 681 ff. Rn. 212).

Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine erniedrigende Behandlung darstellen. Die Voraussetzungen, unter denen dies der Fall ist, sind davon abhängig, ob es für die schlechten Verhältnisse einen verantwortlichen Akteur gibt. Ist dies wie in Kamerun nicht der Fall, kann ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK nur in besonderen Ausnahmefällen angenommen werden, in dem die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung „zwingend“ sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 10 B 16.12 –, juris Rn. 8; EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 Nr. 26565/05 N. v. Vereinigtes Königreich –, NVwZ 2008, 1334 ff. Rn. 42). Insofern ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 EMRK keinen Anspruch auf Verbleib in einem Mitgliedstaat gewährt, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Ebenso wenig folgt aus der Vorschrift die Verpflichtung der Vertragsstaaten, Ausländer finanziell zu unterstützen oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund liegt auch bei einer starken Verschlechterung der Lebensverhältnisse im Fall einer Abschiebung noch kein Verstoß gegen Art. 3 EMRK vor (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 Nr. 27725/10 Mohammed Hussein u. a. v. die Niederlande und Italien , juris Rn. 70 f.; Urteil vom 21. Januar 2011 – Nr. 30696/09 M.S.S. v. Belgien und Griechenland –, juris Rn. 249) und scheidet die Annahme eines Abschiebungsverbotes aus, wenn der Rückkehrer durch Gelegenheitsarbeiten ein wenn auch nur kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben jedenfalls am Rande des Existenzminimums finanzieren kann. Demgegenüber ist eine Abschiebung wegen eines Verstoße gegen Art. 3 EMRK unzulässig, wenn sie dazu führt, dass ein Rückkehrer unabhängig von seinem Willen und seinen persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not gerät, die es ihm nicht einmal mehr erlaubt, seine elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, insbesondere sich zu ernähren, zu waschen und eine Unterkunft zu finden („Bett, Brot, Seife“), so dass er einem Zustand der Verelendung ausgesetzt wird (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: VG Cottbus, Urteil vom 10. August 2021  8 K 2326/16.A , juris Rn. 20 f. m. w. N.).

Bei der danach im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG mit Blick auf die Verelendungsgefahr anzustellenden Prognose ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in zeitlicher Hinsicht auf einen absehbaren Zeitraum nach der Rückkehr abzustellen. Nicht entscheidend ist, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so kann Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der letzten behördlichen oder gerichtlichen Tatsachenentscheidung davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Je länger der Zeitraum der durch Rückkehrhilfen abgedeckten Existenzsicherung ist, desto höher muss dabei Wahrscheinlichkeit einer Verelendung nach diesem Zeitraum sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. April 2022 - 1 C 10/21 - juris Rn. 25).

Gemessen daran ist im Fall der Klägerin, die nur für sich selbst Sorge trägt, nicht von einer Verelendungsgefahr auszugehen. Auf die Ausführungen unter I. wird verwiesen.

2. Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Betroffenen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei den in Kamerun vorherrschenden Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkung der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift, liegt nicht vor.

IV. Der Bescheid des Bundesamtes ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.

1. Die Entscheidung des Bundesamtes begegnet zunächst keinen formellen Bedenken. Die Klägerin ist insbesondere gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3, § 25 i. V. m. § 17 Abs. 1 AsylG ordnungsgemäß angehört worden.

Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin mit dem eingesetzten Sprachmittler nicht ordnungsgemäß kommunizieren konnte. Ausweislich der Niederschrift über die Anhörung hat die Klägerin am Anfang der Anhörung erklärt, dass sie sich mit dem Sprachmittler verständigen kann und an deren Ende versichert, dass es keine Verständigungsschwierigkeiten gab. Die Niederschrift wurde ihr rückübersetzt und sie hat schriftlich bestätigt, dass sie ihren Angaben in der Anhörung entspricht. Auch im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin nicht dargelegt, unter welchen konkreten Mängeln die Verständigung mit dem Dolmetscher gelitten haben sollte, oder was in der Anhörung nicht oder unzutreffend übersetzt worden wäre. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass bei der Anhörung der Klägerin und Zuziehung des Dolmetschers Rechte aus der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) nicht gewahrt worden wären.

Anders als die Klägerin meint, sind die Zuziehung und Tätigkeit des Dolmetschers auch nicht allein deshalb zu beanstanden, weil der Sprachmittler nicht namentlich, sondern mit einer Kennziffer des Bundesamts bezeichnet ist. Eine namentliche Kennzeichnungspflicht für Dolmetscher, die für die Anhörung des Bundesamtes hingezogen werden, ergibt sich weder aus Art. 14 und 15 der Verfahrensrichtlinie noch aus den Regelungen des Asylgesetzes. Zur Wahrung der schutzwürdigen Interessen der dolmetschenden Person mag es vielmehr angezeigt sein, dass sie nicht namentlich bekannt gemacht wird. Die Interessen des Antragstellers werden hierdurch nicht unangemessen beeinträchtigt. Denn im Falle weiteren Ermittlungsbedarfs ist der Dolmetscher anhand der verwendeten Kennziffer und der Unterschrift unter der Anhörung unproblematisch identifizierbar (wie hier: VG Bremen, Urteil vom 2. Oktober 2024  2 K 779/24 , juris Rn. 18; VG Berlin, Beschluss vom 3. Mai 2021  35 L 57/21 A , juris Rn. 6 ff.).

2. Die Ziffern 5 und 6 des Bescheides des Bundesamtes sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG, § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.

Das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot nach Ziffer 6 des angefochtenen Bescheides beruht auf § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 AufenthG und ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Gegen die Ermessensentscheidung des Bundesamtes, das Einreiseverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist nichts zu erinnern. In einer Situation, die  wie hier  keine Besonderheiten gegenüber gleichgelagerten Fällen aufweist, begegnet es keinen Bedenken, das abschiebungsbedingte Einreise- und Aufenthaltsverbot aus Gründen der Gleichbehandlung auf die Dauer von 30 Monaten zu befristen und damit den durch § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorgegebenen Rahmen zur Hälfte auszuschöpfen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 6. April 2017 - 11 ZB 17.30317 -, juris, Rn. 16; VG Cottbus, Urteil vom 14. August 2024  VG 1 K 263/19.A , n. v.).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 Zivilprozessordnung.

Rechtsmittelbelehrung: