Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Autohof (Tankstelle mit Verkaufsraum und Restaurantbereich), Bestätigung...

Autohof (Tankstelle mit Verkaufsraum und Restaurantbereich), Bestätigung für die Geeignetheit des Aufstellungsortes, Rücknahme, Spielgeräte


Metadaten

Gericht VG Cottbus 8. Kammer Entscheidungsdatum 28.04.2025
Aktenzeichen VG 8 L 747/24 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2025:0428.8L747.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen 1 SpielV §, 33c Abs. 3 GewO §, 48 VwVfG §, 80 Abs. 5 VwGO §

Tenor

  1. Der Antrag wird abgelehnt.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

  2. Der Streitwert wird auf 3.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Die Anträge,

die aufschiebende Wirkung der Klage vom 3. Dezember 2024 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. Mai 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2024 hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 des Widerspruchsbescheides wiederherzustellen,

sind zulässig.

Mit Ziffer 2 des Widerspruchsbescheides hat der Landrat des Landkreises O_____ als Widerspruchsbehörde in Abänderung des Ausgangsbescheides verfügt, dass die Geldspielgeräte bis zum 15. Dezember 2024 zu entfernen seien. In Ziffer 3 wird sodann die sofortige Vollziehung sowohl der Rücknahmeverfügung des Ausgangsbescheides als auch der Entfernung der Geldspielgeräte verfügt.

Der Antragsteller verfügt über ein Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren. Das Rechtsschutzbedürfnis bei einem Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung besteht, wenn der Antragsteller – zumindest gleichzeitig – Widerspruch bzw. Anfechtungsklage erhoben hat (vgl. BeckOK VwGO/Gersdorf, 68. Ed. 1.1.2024, VwGO § 80 Rn. 164 m.w.N.). Diese Voraussetzung hat der Antragsteller mit zeitgleicher Erhebung der Klage (VG 8 K 1757/24) erfüllt.

Die Anträge sind jedoch unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs i.S.d. § 80 Abs. 1 VwGO gegen einen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag der Betroffenen ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der von dem Antragsgegner ausgesprochenen Rücknahme der Geeignetheitsbestätigung und Spielgeräteentfernung und dem privaten Interesse des Antragstellers daran, von den Folgen der sofortigen Vollziehung bis zur Bestandskraft des Bescheides in der Hauptsache verschont zu bleiben. Im Rahmen der Abwägung ist von besonderer Bedeutung, ob sich der angefochtene Bescheid nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nur gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als voraussichtlich rechtmäßig erweist, da ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides nicht bestehen kann. Außerdem kann nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO die sofortige Vollziehung nur bei Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses angeordnet werden. Dieses muss stets auch bei offensichtlicher Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache vorliegen (Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 157).

In Anwendung dieser Grundsätze ist der Bescheid des Antragsgegners vom 23. Mai 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2024 aller Voraussicht nach rechtmäßig.

Der Antragsgegner stützt seine Rücknahme der am 7. Februar 2023 gemäß § 33c Abs. 3 der Gewerbeordnung (GewO) erteilten Geeignetheitsbescheinigung auf § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg. Nach Abs. 1 der genannten Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist das Vorgehen der Widerspruchsbehörde, im Wege des Widerspruchsbescheides bestehende Begründungsmängel zu beheben und erneut die sofortige Vollziehung (vgl. zur Zuständigkeit: BeckOK VwGO/Gersdorf, 72. Ed. 1.1.2024, VwGO § 80 Rn. 73) anzuordnen, nicht zu beanstanden. Vielmehr entspricht es gerade dem Wesen des Widerspruchsverfahrens, der Verwaltung die Möglichkeit zu geben, noch im Rahmen des Verwaltungsverfahrens mögliche Fehler zu beheben und einen rechtmäßigen Bescheid, nämlich in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, zu erlassen.

Die dem Antragsteller erteilte Geeignetheitsbescheinigung vom 7. Februar 2023 war von Anfang an rechtswidrig. Nach § 33c Abs. 3 GewO darf der Gewerbetreibende Geldspielgeräte nur aufstellen, wenn ihm die zuständige Behörde schriftlich bestätigt hat, dass der Aufstellungsort den auf der Grundlage des § 33f Abs. 1 Nr. 1 GewO erlassenen Durchführungsvorschriften entspricht. Nach § 33f Abs. 1 Nr. 1 GewO i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Spielverordnung (SpielV) darf ein Geldspielgerät nur in Räumen von Schank- oder Speisewirtschaften, in denen Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden, aufgestellt werden. Demgegenüber darf es nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 SpielV in Betrieben, in denen die Verabreichung von Speisen oder Getränken nur eine untergeordnete Rolle spielt, nicht aufgestellt werden. Ein Gaststättenbetrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 SpielV ist demnach nur dann gegeben, wenn die gewerblichen Räume durch den Schank- und Speisebetrieb geprägt sind und nicht überwiegend einem anderen Zweck dienen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.3.1991 - 1 B 30.91 -, juris, Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 10.12.1990 - 4 A 2423/89 -, juris, Rn. 5 ff., und Beschluss vom 3.1.2014 - 4 B 1053/13 -, juris, m. w. N.; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, 92. EL Dezember 2023, § 1 SpielV, Rn. 2).

Die Regelungen des § 1 SpielV dienen der Eindämmung der Betätigung des Spieltriebs, dem Schutz der Allgemeinheit und der Spieler sowie dem Interesse des Jugendschutzes (vgl. § 33f Abs. 1 GewO). Zur Erreichung dieser Regelungsziele hat der Verordnungsgeber die Aufstellung von Geldspielgeräten in § 1 Abs. 1 SpielV auf solche Orte beschränkt, in denen - wie bei Spiel- und Wettannahmestellen - das Spielen den Hauptzweck bildet und die deshalb bestimmten Zulässigkeitsanforderungen unterliegen, oder bei denen die Zulassung einer begrenzten Anzahl von Geldspielgeräten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 SpielV) unter Wahrung des Jugendschutzinteresses aus anderen Gründen vertretbar erscheint. Der Annahme, dass Letzteres für Schank- und Speisewirtschaften bejaht werden kann, liegt erkennbar die Erwägung zugrunde, dass derartige Betriebe nicht in erster Linie zur Befriedigung des Unterhaltungsbedürfnisses aufgesucht werden und eine Ausbreitung des Spieltriebs deshalb nicht zu befürchten ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3.1.2014 - 4 B 1053/13 -, juris, m. w. N., und Urteil vom 10.12.1990 - 4 A 2423/89 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss vom 19.5.2016 - 4 B 1329/15 -, juris; Rn. 10 f.).

Diese Voraussetzungen erfüllt der Autohof des Antragstellers nicht. Der unstreitig bestehende Schank- und Speisebetrieb prägt den Autohof nicht, vielmehr dient dieser überwiegend dem Zweck des Einkaufens und Tankens.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers kommt es vorliegend nicht darauf an, ob der Autohof überwiegend durch die aufgestellten Geldspielgeräte geprägt wird, was sicherlich zu verneinen wäre. Vielmehr muss der Schank- und Speisebetrieb den Gesamtbetrieb prägen. Wird der Betrieb durch den Tankstellen- und Shopcharakter geprägt, ist eine Aufstellung der Geldspielgeräte nicht möglich, weil die Spielverordnung eine Tankstelle als Aufstellort nicht erlaubt.

Nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten und den im Verfahren und Verwaltungsvorgang vorgelegten Bildern und Plänen umfasst der Autohof zum einen eine Tankstelle, zum zweiten einen Shop und als drittes ein Bistro bzw. Restaurant. Der Verkaufs-/Kassen- und Restaurantraum ist in der Weise gestaltet, dass man zunächst den Shop- und Kassenbereich betritt. Hiervon ist räumlich durch halb hohe Trennwände seitlich der circa gleich große Restaurantbereich teilweise abgetrennt, wobei offene Durchgänge bestehen. Türen trennen die beiden Bereiche nicht. Das Personal ist für beide Bereiche zuständig und es existiert nur eine Kasse für die Bezahlung des vor Ort verzehrten Essens, der Tankrechnung sowie der im Tank-Shop erworbenen Gegenstände.

Das Gesamtbild des Autohofes wird – nach Auswertung der vorgelegten Bilder und Pläne - optisch durch den Kassenbereich und Tank-Shop geprägt. Die Möglichkeit, hier auch Speisen und Getränke vor Ort verzehren zu können, erschließt sich erst auf den zweiten Blick durch den räumlich abgetrennten Gastronomiebereich. Auch wenn der Gastronomiebereich geräumig und das Speisenangebot vielfältig ist, ändert dies nichts daran, dass hierdurch keine Prägung des Gesamtbetriebes erzeugt wird. Unterstrichen wird dieses Ergebnis durch das Vorhandensein nur einer Kasse und des gemeinsamen Personals. Auch die fehlende Abgrenzung beider Bereiche durch Türen und die Gewerbeanmeldung vom 22. Juli 2021, wonach die angemeldete Tätigkeit ein „Autohof mit Tankstelle (aller Sorten, Qualitäten und Energieträger), Folgemärkten wie Einzelhandel, Dienstleistungen, Waschanlage und SB-Bereich, Verkauf von Blumen, Eintrittskarten, Lotterieannahme, Brief-, Post- und Paketdienstleistungen sowie genehmigungspflichtiger Schank- und Speisewirtschaft mit Cateringservice“ bestärken das Bild, wonach die Schank- und Speisewirtschaft nicht das Kerngeschäft des Autohofes darstellt.

An diesem Gesamteindruck ändern auch die vom Antragsteller vorgelegten Umsatzzahlen nichts. Diese umfassen die Umsätze im Shop und im Restaurant, wobei bereits nicht ersichtlich ist, ob bei den Umsätzen des Shops lediglich die Speisen und Getränke aufgeführt wurden, die nicht vor Ort konsumiert wurden, und ob die Aufstellung tatsächlich sämtliche Umsätze des Shops aufführt. Jedenfalls aber fehlen die Umsätze des Tankstellenbetriebes völlig (vgl. Bl. 30 und 31 d. VwV), sodass den vorgelegten Umsatzzahlen für die hier in Rede stehende Frage keine Aussagekraft zukommt.

Dass der Antragsteller – nach Darstellung des Antragsgegners - seiner Pflicht aus § 3 Abs. 1 Satz 3 SpielV zur ständigen Aufsicht der Spielgeräte nicht nachkommt, spielt dagegen für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Geeignetheitsbestätigung keine Rolle, sondern wäre ggf. im Rahmen der Zuverlässigkeit, eines Widerrufs oder im Ordnungswidrigkeitenverfahren zu prüfen.

Weiterhin begegnet die Ausübung des im Rücknahmebescheid vom 23. Mai 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2024 ausgeübten Rücknahmeermessens durch den Antragsgegner keinen Bedenken. Zwar hatte das Gericht im vorangegangenen Eilverfahren (Beschluss vom 2. Oktober 2024, VG 8 L 323/24) zunächst angemerkt, dass auch die Ermessenserwägungen im Rücknahmebescheid formelhaft erscheinen. Durch die detaillierten Ausführungen im Widerspruchsbescheid zu den Zielen, Zweckrichtungen und Schutzgütern insbesondere der Spielverordnung werden diese formelhaften Ausführungen nunmehr hinreichend konkretisiert und genügen jedenfalls in der Gesamtschau den rechtlichen Vorgaben.

Schließlich ist auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG gewahrt. Der Antragsgegner hat durch Nachricht der Gewerbeaufsicht des Landkreises vom 19. Juli 2023 Kenntnis davon erlangt, dass gegen die erteilte Geeignetheitsbestätigung rechtliche Bedenken bestehen. Zu der beabsichtigten Rücknahme hat er den Antragsteller mit Frist bis zum 21. Mai 2024 angehört und am 23. Mai 2024 eine abschließende Rücknahmeentscheidung, somit innerhalb eines Jahres, getroffen.

Die Aufforderung zur Entfernung der Geldspielgeräte folgt aus § 15 Abs. 2 GewO. Bei der Geeignetheitsbestätigung handelt es sich um eine zum Spielautomatenbetrieb erforderliche Zulassung im Sinne der Vorschrift. Diese ist mit der sofort vollziehbaren Rücknahme rückwirkend entfallen. Hinsichtlich des Ermessens gilt das zur Rücknahme Gesagte entsprechend.

Das formelle Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist durch die nunmehr im Widerspruchsbescheid aufgeführten Argumente (Seiten 8 bis 10) hinreichend beachtet. Der Vorrang des öffentlichen Interesses i.S.v. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wird nachvollziehbar mit hinreichend konkreten Ausführungen des Antragsgegners über die gefährdeten Schutzgüter des Jugend- und Spielerschutzes schlüssig dargelegt. Insbesondere Jugendliche, die den Autohof mit ihren Familien und als Gruppen ansteuerten sowie Jugendliche aus den umliegenden Dörfern, die den Autohof durch einen Radweg erreichten, seien durch das weitere Aufstellen der Geldspielgeräte aktuell gefährdet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der Wert des Streitgegenstands ist im vorliegenden Fall mit der Hälfte des für eine Gewerbeerlaubnis, Gaststättenkonzession bzw. Gewerbeuntersagung (vgl. Ziff. 54.1 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs) vorgesehenen Mindestbetrags von 15.000 Euro zu bemessen (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. November 2019 – OVG 1 N 56.19 –, juris; Rn. 20). Diesen halbiert das Gericht für die Wertfestsetzung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach dem mangels anderweitiger Anhaltspunkte anzunehmenden Interesse des Antragstellers.

Rechtsmittelbelehrung: