Gericht | VG Cottbus 9. Kammer | Entscheidungsdatum | 30.11.-0001 | |
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Aktenzeichen | VG 9 K 832/24 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2025:0515.9K832.24.00 | |
Dokumententyp | Teilurteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | 104c AufenthG §, 60a Abs. 2 AufenthG §, 60a Abs. 5 AufenthG §, 67 Abs. 1 AsylG § |
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt T_____ aus B_____ ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. §§ 114, 121 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Klägerin hat ersichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG. Es fehlt an der Voraussetzung, dass sich die Klägerin am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat (§ 104c Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
Soweit es eine etwaige Aufenthaltsgestattung betrifft, ist diese durch die Ablehnung des vom der Klägerin gestellten Asylantrages als offensichtlich unbegründet mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. Januar 2016 und der Vollziehbarkeit der darin ausgesprochenen Abschiebungsandrohung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 4 AsylG kraft Gesetzes erloschen; die von der Klägerin gegen den Bescheid vom 25. Januar 2016 erhobene Klage (zuletzt: VG 5 K 195/16.A) hat hieran nichts geändert, da die Klage gegen diesen Asylbescheid wegen der der Klägerin gesetzten einwöchigen Ausreisefrist gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hatte. Dies hat die Kammer in dem den Beteiligten bekannten und rechtskräftigen Gerichtsbescheid vom 16. August 2021 (VG 9 K 1328/20), auf den im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich verwiesen wird, bereits festgestellt.
Der Klägerin fehlt es aber auch an einer bis zum Stichtag 31. Oktober 2022 seit 5 Jahren ununterbrochenen Duldung. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin Inhaberin einer Duldungsbescheinigung gewesen ist und/oder sie während des in Rede stehenden Fünf-Jahres-Zeitraums einen Anspruch auf eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehabt hätte. Jedenfalls ihr Aufenthalt in Polen, der aktenkundig zumindest vom 16. Juli 2018 (EMail des Verbindungsbeamten des BAMF in Warschau, wonach sich die Klägerin in Polen aufhalte und sie ihren Pass zurückhaben möchte) bis zur Rückführung der Klägerin aus Polen über den Luftweg Warschau – Hamburg am 30. August 2018 andauerte, führte zu einer Unterbrechung der Duldungshistorie der Klägerin. Dies folgt unmittelbar aus § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG, wonach die Aussetzung der Abschiebung mit der Ausreise des Ausländers erlischt.
Soweit die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vorbringen lässt, dass nach der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 20/3717, Seite 44) und den Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zur Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts vom 23. Dezember 2022 „kurzfristige Unterbrechungen des Aufenthalts im Bundesgebiet von bis zu drei Monaten, die keine Verlegung des Lebensmittelpunkts enthalten, unschädlich“ seien, kann die Klägerin zu ihren Gunsten hieraus nichts gewinnen.
Anhaltspunkte dafür, dass dies nach dem Willen des Gesetzgebers auch für Unterbrechungen des Aufenthaltsstatus unabhängig von einer tatsächlichen Aufenthaltsunterbrechung im Bundesgebiet gelten soll, ergeben sich nicht. Die Formulierung des Gesetzgebers als Ausgangspunkt für die teleologische Auslegung ist allein dahin zu verstehen, dass Unterbrechungen des rein physischen Aufenthalts im Bundesgebiet unschädlich sind. Der Gesetzgeber hat sich gerade nicht dazu geäußert, ob dies auch für Unterbrechungen gilt, die den physischen Inlandsaufenthalt unberührt lassen und nur die geforderte Grundlage des Aufenthalts (geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis) betreffen (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2019 – 1 C 34.18 - juris Rn. 50 zur ähnlich formulierten Gesetzesbegründung zu § 25b AufenthG <BT-Drs. 18/4097, S. 43>). Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Bundesgesetzgeber auf eine durchgehende Statuskette verzichtet hat, wobei zu berücksichtigen ist, dass auch Zeiten, in denen lediglich ein materieller Duldungsanspruch, ein materieller Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder eine Verfahrensduldung bestand oder die Aufenthaltserlaubnis fiktiv fortgalt, zu berücksichtigen sind (vgl. Kabis in Hofmann, Ausländerrecht, 3. Aufl. 2023, § 104c AufenthG Rn. 5). Dieses Verständnis wird auch von den Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums des Innern und für Heimat zur Einführung des Chancen-Aufenthaltsrechts (dort S. 3) gestützt, in denen der Zusatz erfolgt, dass „Unterbrechungen des Aufenthalts aufgrund einer vorherigen Rückführung wie auch Zeiten des Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel oder Duldung […] hingegen nicht angerechnet“ werden (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. März 2024 – 19 ZB 23.1280 – juris Rn. 8).
So liegt der Fall aber hier. Denn der Aufenthalt der Klägerin in Polen führte nicht bloß dazu, dass ihr physischer Aufenthalt im Bundesgebiet unterbrochen war. Ihr Aufenthalt in Polen führte auch zu einer Unterbrechung ihres Status als „geduldete“ Ausländerin und zwar unabhängig davon, ob sie von der Ausländerbehörde – etwa in Form der Aushändigung einer Duldungsbescheinigung – geduldet worden ist oder ihr – freilich nur bei einem Aufenthalt im Bundesgebiet – ein Duldungsanspruch zur Seite gestanden hätte. Denn – wie bereits ausgeführt – erlischt nach § 60 Abs. 5 Satz 1 AufenthG eine Duldung im Fall der Ausreise der Ausländerin von Gesetzes wegen.
Zudem gilt nach der Gesetzesbegründung und den Anwendungshinweisen eine kurzfristige Unterbrechung des Aufenthalts im Bundesgebiet nur dann als unschädlich, wenn dies nicht mit einer Verlegung des Lebensmittelpunkts einhergeht. Letzteres trifft aber auf die Klägerin ersichtlich nicht zu. Sie befand sich in Polen nicht bloß lediglich aus Besuchsgründen oder etwa, um in Polen für ein paar Tage oder Wochen Urlaub zu machen. Sie ist wie sich aus dem Dokument über ihre Rückführung (Blatt 264 des Verwaltungsvorgangs) ergibt, nach der Dublin-Verordnung 604/2013 nach Deutschland von Polen rücküberstellt worden. Die Anwendung der Dublin-Verordnung setzt aber voraus, dass die Klägerin in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, was wiederum impliziert, dass die Klägerin in Polen internationalen Schutz (Flüchtlingsschutz) begehrt hat, mithin die Klägerin sich dauerhaft in Polen als Flüchtling bzw. als Schutzberechtigte aufhalten wollte.
Rechtsmittelbelehrung: