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Ausschluss aus dem Auswahlverfahren, Informationspflicht des Dienstherrn gegenüber Bewerber, Konkurrentenstreit, Verfahrenshandlung


Metadaten

Gericht VG Cottbus 9. Kammer Entscheidungsdatum 17.12.2024
Aktenzeichen VG 9 L 175/24 ECLI ECLI:DE:VGCOTTB:2024:1217.9L175.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen 123 VwGO §, 44a VwGO §, 33 Abs. 2 GG Art.

Tenor

Der Antragsgegner wird vorläufig verpflichtet, die Bewerbung der Antragstellerin für die Funktionsstelle einer Schulleiterin an der Oberschule F_____ zum 1.2.2025 im weiteren Auswahlverfahren insoweit zu berücksichtigen, als dass ihr gegenüber weiterhin Mitteilungs- und Wartepflichten über den Ausgang des Bewerbungsverfahrens bestehen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der wörtlich gestellte Antrag,

das beklagte Land Brandenburg zu verpflichten, die Bewerbung der Klägerin für die Funktionsstelle einer Schulleiterin an der Oberschule F_____ zum 1.2.2025 im weiteren Auswahlverfahren zu berücksichtigen,

hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Er ist bereits unzulässig, soweit die Antragstellerin ihre weitere Einbeziehung in das Auswahlverfahren anstrebt, soweit es die Teile des Auswahlverfahrens nach Ziffer 4 Absatz 1 der Verwaltungsvorschriften über Auswahlverfahren zur Besetzung von Leitungsfunktionen an Schulen in öffentlicher Trägerschaft im Land Brandenburg vom 24. Februar 2019 (VV-Auswahlverfahren-Leitungsfunktionen - VV-AuswahlLfkt) betrifft und zwar insbesondere dienstliche Beurteilung, Beobachtung und Bewertung einer Unterrichtsstunde und Kolloquium. Das dies den Kern des Antragsbegehrens der Antragstellerin ausmacht, wird insbesondere daran deutlich, dass sie mit diesen Schritten des Auswahlverfahrens die Eilbedürftigkeit des von ihr gestellten Eilantrages begründet. Sie meint insbesondere auch, dass ihr ein erheblicher irreversibler Nachteil in Bezug auf ihre Beteiligung an der Besetzung der erstrebten Stelle entstehen würde, wenn sie lediglich auf die Verfolgung ihrer Rechte gegen die endgültige Entscheidung im Wege des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens verwiesen wäre. Damit hat die Antragstellerin deutlich gemacht, dass es ihr mit dem vorliegenden Antrag zuvörderst darum geht, in die weiteren Teile des Auswahlverfahrens einbezogen zu werden, weil sie – so ihre Meinung – nur dadurch (erfolgreich) im Auswahlverfahren um die ausgeschriebene Funktionsstelle einer Schulleiterin beteiligt werden könne.

Die Unzulässigkeit dieses Antragsbegehrens folgt bereits daraus, dass die Antragstellerin sich der Sache nach selbstständig gegen ihren Ausschluss vom (weiteren) Bewerbungsverfahren wendet, welcher jedoch eine unselbständige Verfahrenshandlung nach § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) darstellt, gegen die grundsätzlich nicht isoliert vorgegangen werden kann (vgl. zur Annahme einer Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO bei einem Ausschluss aus dem Bewerbungsverfahren: Bayerischer VGH, Beschluss vom 20. Juli 2020 – 3 CE 20.1463 – juris Rn. 8 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 06. April 2021 – 29 K 10475/18 – juris Rn. 30 f.; VG München, Beschluss vom 25. Mai 2020 – M 5 E 20.404 – juris Rn. 18 ff.; VG Wiesbaden, Beschluss vom 28. Januar 2009 – 8 L 682/08.WI – juris Rn. 24). Denn bei dem Ausschluss der Antragstellerin von dem weiteren Bewerbungsverfahren handelt es sich lediglich um eine Zwischenentscheidung im verfahrensgegenständlichen Auswahlverfahren, welches erst mit der Auswahlentscheidung zugunsten eines anderen Mitbewerbers als eigentliche, abschließende Sachentscheidung endet (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 20. Juli 2020 – 3 CE 20.1463 – juris Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. September 2010 – 6 A 1966/08 – juris Rn. 16).

Die Antragstellerin begehrt der Sache nach zudem mit ihrem Antrag vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz, für den ihr das erforderliche (qualifizierte) Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Das folgt aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), welcher der Gerichtsbarkeit nur die Kontrolle der Exekutivtätigkeit aufträgt, ihr aber grundsätzlich nicht gestattet, bereits im Vorhinein gebietend oder verbietend in den Bereich der Exekutive einzugreifen. Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt darum ein System nachgängigen – ggf. einstweiligen – Rechtsschutzes bereit und geht davon aus, dass dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich ausreicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 C 52.17 – juris Rn. 37). Auch in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren ist daher ein vorbeugendes Rechtsschutzbegehren gegen eine noch nicht erfolgte (Auswahl-)Entscheidung grundsätzlich unzulässig (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. August 2022 – OVG 10 S 37/22 – juris Rn. 25; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06. Juni 2017 – 4 S 1055/17 – juris Rn. 7). Nur ausnahmsweise ist vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz dann zulässig, wenn ein besonderes schützenswertes Interesse gerade an der Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht, weil der Verweis auf den nachgängigen Rechtsschutz – einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes – mit für den Kläger bzw. Antragsteller unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 C 52.17 – juris Rn. 37 m. w. N.).

Das Eilverfahren nach § 123 VwGO ist prinzipiell geeignet, den aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG resultierenden Bewerbungsverfahrensanspruch zu sichern. Insbesondere ist der Eingriff in den Bewerbungsverfahrensanspruch unterlegener Bewerber aus Gründen der beamtenrechtlichen Ämterstabilität mit dem Grundrecht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG nur dann vereinbar, wenn unterlegene Bewerber ihren Bewerbungsverfahrensanspruch vor der Ernennung in der grundrechtlich gebotenen Weise gerichtlich geltend machen können. Es muss mithin sichergestellt sein, dass ein unterlegener Bewerber die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vor der beamtenrechtlichen Ernennung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen kann, das den inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG genügt. Insoweit muss der Dienstherr zunächst die Auswahlentscheidung vor deren Vollziehung den unterlegenen Bewerbern mitteilen. Der Dienstherr darf den ausgewählten Bewerber indes erst ernennen, wenn feststeht, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung innerhalb angemessener Frist nicht gestellt wurde oder ein dahingehend gestellter Antrag aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keinen Erfolg hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 04. November 2010 – 2 C 16.09 – juris Rn. 31 ff. m.w.N.). Da die Auswahlentscheidung jedoch vorliegend noch nicht getroffen worden ist, begehrt die Antragstellerin vorbeugenden Rechtsschutz gegen die noch zu treffende Auswahlentscheidung des Antragsgegners.

Eine Rechtsvereitelung ist im streitgegenständlichen Fall schon dann nicht ernstlich zu befürchten, wenn der Antragstellerin dem Tenor entsprechend die schriftliche Mitteilung über die Stellenbesetzung erteilt wird. Der Antragstellerin ist zuzumuten, die ihr schriftlich mitzuteilende Entscheidung des Antragsgegners über die Stellenbesetzung abzuwarten und erst im Fall ihres Unterliegens innerhalb der üblichen Zwei-Wochen-Frist rechtzeitig um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Da die Auswahlentscheidung noch nicht getroffen wurde, ist zum derzeitigen Zeitpunkt auch noch nicht absehbar, ob etwaig bestehende Mängel noch behoben werden oder das Verfahren überhaupt bis zum Ende durchgeführt und nicht ggf. abgebrochen wird. Der Antragstellerin entstehen keinerlei Nachteile, wenn sie darauf verwiesen wird, die Auswahlentscheidung abzuwarten.

Allerdings hat der Antrag insoweit Erfolg, als dass der Antragsgegner seinen Mitteilungs- und Wartepflichten, die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG  sowie aus Ziffer 9 Abs. 4 der VV-AuswahlLfkt gegenüber der Antragstellerin ergeben, weiterhin nachzukommen hat. Der Dienstherr muss die Auswahlentscheidung vor der Ernennung den unterlegenen Bewerbern mitteilen. Danach muss er eine angemessene Zeit zuwarten, damit die Unterlegenen das Verwaltungsgericht anrufen können. In der Praxis der Verwaltungsgerichte hat sich eine Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet. Beantragt ein Bewerber rechtzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung, darf der Dienstherr die Ernennung erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens vornehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 2010 - 2 C 16.09 -, juris Rn. 34, mit weiteren Nachweisen. BVerwG, Beschluss vom 8. Dezember 2011 – 2 B 106.11 –, juris Rn. 12). Nach Abschluss des Auswahlverfahrens und vor der Besetzung der Stelle ist die Antragstellerin daher vom Antragsgegner darüber zu informieren, damit diese möglicherweise Rechtsschutz dagegen in Anspruch nehmen kann. In diesem Verfahren würde sodann die Auswahlentscheidung des Antragsgegners geprüft werden und der Antragstellerin müsste dann ggf. – freilich nur bei einem Erfolg eines nach der Bewerberauswahl zu erhebenden Antrags – auch ermöglicht werden, entsprechend ihres Begehrens das weitere Auswahlverfahren nach Abschnitt 2 der VV-AuswahlLfkt durchlaufen zu können.

Vorliegend steht auch zu befürchten, dass der Antragsgegner ohne die entsprechende Anordnung diesen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Dies ergibt sich vorliegend aus dem Umstand, dass der Antragsgegner die Bewerbung der Antragstellerin nach drei Wochen vernichten wollte. Es ist daher naheliegend, dass die Antragstellerin im weiteren Verfahrensverlauf keinerlei Mitteilungen mehr erhalten hätte, da sie aus Sicht des Antragsgegners nicht mehr Teil des Bewerbungsverfahrens ist. Auch sonst lässt sich dem Schreiben des Antragsgegners vom 26. Februar 2024, dem Widerspruchsbescheid vom 25. März 2024 sowie dem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren nichts dazu entnehmen, dass der Antragsgegner die Antragstellerin noch insoweit an dem Verfahren beteiligt sieht, dass er ihr gegenüber noch eine Pflicht zur Information wahrzunehmen habe. Vielmehr spricht alles dafür, dass der Antragsgegner meint, mit dem Schreiben vom 26. Februar 2024 und dem Widerspruchsbescheid vom 25. März 2024 alles Erforderliche getan zu haben.

Die grundsätzlich gegenüber der Antragstellerin bestehenden Mitteilungs- und Wartepflichten erlöschen hier auch nicht dadurch, dass der Antragsgegner die Antragstellerin entsprechend der Bezeichnung im Widerspruchsbescheid durch „Bescheid“ vom weiteren Bewerbungsverfahren ausgeschlossen hat. Im Ergebnis kann dahinstehen, ob der Antragsgegner durch entsprechende Benennung der Mitteilung als Bescheid im Widerspruchsbescheid vom 25. März 2024 aus der schlichten Mitteilung, dass die Antragstellerin im weiteren Verfahren nicht berücksichtigt werde, einen Verwaltungsakt gemacht hat. Selbst wenn es sich vorliegend um einen Verwaltungsakt handeln sollte, wäre keine Bestandskraft eingetreten. Die Antragstellerin hat insoweit fristgerecht Klage (VG 9 K 533/24) erhoben, so dass die Entscheidung nicht in Bestandskraft erwachsen ist. Die Klage hat vorliegend aufschiebende Wirkung (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine gesetzliche Regelung, nach der die aufschiebende Wirkung entfalle oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung sind nicht gegeben. Dies hat zur Folge, dass die Antragstellerin zumindest soweit im Bewerbungsverfahren verbleibt, als dass ihr gegenüber nach wie vor die oben aufgezeigten Mitteilungs – und Wartepflichten bestehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.04.2016 – 7 S 3.16 – juris Rn. 24 m. w. N.).

Rechtsmittelbelehrung: