Gericht | OVG Berlin-Brandenburg Der 10. Senat | Entscheidungsdatum | 03.04.2025 | |
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Aktenzeichen | 10 B 38/23 | ECLI | ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0403.10B38.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln, 9 BauVerfV 2017, 7 Nr. 5; 7 N. 9 Satz 1 Buchstabe b BO 58, 3 ; 4 Abs. 1 Nr. 3 BerlLadÖffG |
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Umwandlung des bisher an zwei Tagen in der Woche als Markthalle für mobile Marktstände genutzten überdachten Hofes ihres Wohn- und Geschäftshauses in Räumlichkeiten für vier ständige Einzelhandelsbetriebe.
Die Klägerin ist seit 2018 Eigentümerin des Grundstücks FK_____straße 31 – 35, 12209 Berlin, im Bezirk Steglitz-Zehlendorf am KP_____platz in der Nähe des S- und Regionalbahnhofs Lichterfelde-Ost. Auf diesem Grundstück steht ein mehrgeschossiger Wohn- und Geschäftshauskomplex. Er besteht aus dem um 1900 errichteten Altbau FK_____straße 31 – 32 und dem 1997 genehmigten und 1998/1999 errichteten Neubau FK_____straße 33 – 35.
Im Erdgeschoss des Altbaus befinden sich Dienstleistungseinrichtungen und eine Bäckerei. Im Erdgeschoss des 1997 genehmigten Gebäudekomplexes befand sich am Anfang ein „KP_____“-Verbrauchermarkt mit ca. 1.130 m² Verkaufsfläche, der später in zwei Einheiten („BG_____“ und „kp_____“) aufgeteilt wurde. In der jüngeren Vergangenheit wurde genehmigt, die beiden Ladeneinheiten und das bisherige Restaurant zu einer großen Einheit mit 1.283,73 m² Verkaufsfläche zusammenzulegen. Vom 1. bis zum 4. Obergeschoss weist der Gebäudekomplex eine Mischnutzung aus Arztpraxen, Büros und Wohnungen sowie einem Fitnessstudio auf. Der Neubau umschließt einen Hof, der zur FK_____straße offen ist und von einem tonnenförmigen Glasdach überdeckt wird. Die Hoffläche wurde bisher an zwei Tagen pro Woche jeweils von 8 bis 14 Uhr für den sog. F_____markt genutzt. Im Untergeschoss des Neubaus befindet sich eine Tiefgarage mit 87 Stellplätzen.
Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Baunutzungsplans, der ein gemischtes Gebiet der Baustufe II/3 (zwei Vollgeschosse; GRZ 0,3; GFZ 0,6) festsetzt. Es bestehen förmlich festgestellte Straßen- und Baufluchtlinien. Durch den Text-Bebauungsplan XIIA vom 9. Juli 1971 wurde der Baunutzungsplan hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und der überbaubaren Grundstücksflächen auf die entsprechenden Vorschriften der BauNVO 1968 umgestellt.
Außerdem befindet sich das Grundstück im Geltungsbereich der städtebaulichen Erhaltungsverordnung Lichterfelde-Ost vom 9. Juli 1996.
Ferner liegt es im Geltungsbereich des Bebauungsplans 6-17Ba vom 10. Juli 2012 (GVBl. 2012, 235), der drei näher bestimmte Arten baulicher Nutzung („Vergnügungsstätten“, „Bordelle und bordellartige Betriebe“ und „Sexshops“) ausschließt.
Das streitige Vorhaben betrifft die Grundstücksfläche FK_____straße 35, auf der ein Teil des Neubaus von 1998/1999 steht.
Mit Vorbescheid Nr. 2018/8_____ vom 6. Dezember 2018, verlängert durch Bescheid vom 5. Mai 2021 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 7. September 2021, beantwortete der Beklagte zwei Fragen der Klägerin positiv. Erstens dürfe bauplanungsrechtlich die straßenseitige Wand der „Markthalle” im Erdgeschoss baulich durch eine Glasfassade geschlossen werden. Planungsrechtliche Vorschriften stünden nicht entgegen, weil die Fläche bereits Bestand des genehmigten baulichen Nutzungsmaßes sei. Zweitens sei eine Nutzung der bestehenden „Markthalle“ für stationären Einzelhandel (Ladengeschäfte) bauplanungsrechtlich zulässig, weil Ladengeschäfte nach § 7 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe b BO 58 allgemein im gemischten Gebiet zulässig seien.
Mit dem hier in Rede stehenden Bauantrag vom 9. November 2021 begehrte die Klägerin für das Grundstück FK_____straße 35 die Genehmigung des Umbaus für das Vorhaben „Ersetzen des Glasdaches durch ein Flachdach und Neuorganisation der Verkaufsflächen im Erdgeschoss“.
Die Bauzeichnung zum Grundriss Erdgeschoss (VVG Bl. 48) sieht eine Aufteilung in vier mit „EZH“ gekennzeichnete Flächen vor. Sie sind mit „0.2“, „0.3“, „0.4“ und 0.7“ bezeichnet und zwischen etwa 59 m² und knapp 770 m² groß, wovon zwischen ca. 50 m² und 654 m² als „VF“ dienen sollen.
In der Baubeschreibung (VVG Bl. 40) heißt es unter „Nutzungskonzept“, es sei beabsichtigt, die „offene Markthalle“ zu schließen und die Hoffläche neu aufzuteilen. Der Vorbescheid Nr. 2018/3152 habe die Genehmigung des Einbaus einer Senkrechtverglasung und die Nutzung des dadurch entstehenden Innenraumes der Markthalle für dauerhafte Verkaufsflächen in Aussicht gestellt. Der Platz der Markthalle und der umliegenden Läden werde dauerhaft aufgeteilt in vier Mietflächen für stationären Einzelhandel, die alle von der FK_____straße aus erschlossen werden würden. Für die einzelnen Nutzungseinheiten würden Nutzungsanträge gestellt werden.
Die Betriebsbeschreibung (VVG Bl. 39) führt u.a. aus, dass die Warenanlieferung der Ladengeschäfte im Erdgeschoss im Bereich der ehemaligen Markthalle über die Ferdinandstraße 35 erfolge und sich die Betriebszeiten der Ladengeschäfte nach den gesetzlichen Ladenöffnungszeiten richteten.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2022, Versagung Nr. 2021/5016, lehnte der Beklagte den hier in Rede stehenden Bauantrag ab. Zur Begründung führte er aus, durch den Wegfall der offenen Marktfläche und den Ersatz durch separate Einzelhandelseinheiten seien städtebauliche Auswirkungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO zu befürchten (Infrastrukturelle Ausstattung, Verkehr, Versorgung der Bevölkerung, Verdrängung kleiner Gewerbebetriebe, Entwicklung der zentralen Versorgungsbereiche, Ortsbild). Der jetzige Charakter eines Einkaufszentrums mit Markt, zentralem Eingang und aus der Halle zu erreichenden Läden gehe verloren, es entstünden separate Einheiten. Das Vorhaben sei in der Gesamtbetrachtung mit einem Mischgebiet nicht mehr vereinbar. Durch die geplante Überbauung und den daraus folgenden Wegfall des Platzes für die marktmäßige Nutzung des Ferdinandmarktes liege auch ein Verstoß gegen die Erhaltungsverordnung vor, weil die Fläche als Markt mehr als einhundert Jahre das Stadtbild von Lichterfelde Ost geprägt habe. Diese Marktnutzung sei von historischer und sonstiger Bedeutung für die Eigentümlichkeit des Erhaltungsgebiets.
Gegen die Versagung legte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Juni 2022 Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 28. Juni 2022 begründete.
Am 8. Dezember 2022 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Die Versagung sei rechtswidrig, weil § 11 Abs. 3 BauNVO nicht anwendbar und das Vorhaben mit dem Gebietscharakter des Mischgebiets vereinbar sei. Auch stehe dem Vorhaben kein erhaltungsrechtlicher Schutz der Marktfläche entgegen, weil die Nutzung als Marktfläche nicht die städtebauliche Bedeutung einer baulichen Anlage im Sinne von § 172 Abs. 3 Satz 1 BauGB ausmachen könne. Zudem habe der Vorbescheid in Gestalt des Abhilfebescheides die Schließung der Glasfassade bereits bestätigt.
Während des Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht hat der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 5. April 2023 zurückgewiesen und dabei seine Begründung des Versagungsbescheides bestätigt und vertieft.
Das Verwaltungsgericht hat im Laufe des Klageverfahrens auf Bedenken hingewiesen, dass die Art der baulichen Nutzung nicht hinreichend konkret benannt und der Bauantrag deshalb nicht bescheidungsfähig sein könnte. Daraufhin hat die Klägerin ihr Vorhaben hilfsweise dahin konkretisiert, dass auf der „Fläche 0.2“ ein Drogeriemarkt entstehen solle. Die anderen Flächen „0.1, 0.3 und 0.4“ seien für kleinen Einzelhandel vorgesehen, denkbar seien hier kleine Boutiquen, Optiker oder Schreibwarenhandel (Schriftsatz vom 20. Juni 2023, S. 4 f.).
Mit Urteil vom 29. Juni 2023 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, der Bauantrag sei mangels Bestimmtheit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht bescheidungsfähig. Aus dem Grundsatz der Einheit von Substanz und Funktion des Bauvorhabens ergebe sich, dass ein Bauantrag die künftige Nutzung genau bezeichnen müsse und diese nicht einem weiteren Genehmigungsverfahren vorbehalten dürfe. Der gemäß § 133 BGB auszulegende Bauantrag gebe keine konkrete Nutzung an. Sie ergebe sich weder aus dem Antragsformular noch aus der Baubeschreibung und den Bauzeichnungen. Der Begriff „Einzelhandel“ stelle keine hinreichend klare und abschließende Bezeichnung der konkret beabsichtigten Nutzung dar. Er umfasse vielmehr als bauplanungsrechtlicher Begriff einer Nutzungsart jeden unmittelbaren Verkauf an Endverbraucher und damit eine Vielzahl von unterschiedlichen gewerblichen Nutzungen. So liege nach der Rechtsprechung eine Nutzungsänderung im Sinne von § 29 Abs. 1 Fall 3 BauGB schon dann vor, wenn etwa die Verkaufsfläche eines im Sinne der BauNVO (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO) großflächigen Lebensmittelmarkts ohne Änderung des Nutzungstyps um knapp 180 m² vergrößert werde oder wenn ein für den Großhandel genehmigtes Gebäude für den Einzelhandel genutzt werden solle oder wenn mit der neuen Nutzung erhöhte Belastungen für die Nachbarschaft verbunden sein könnten. Der Begriff „Ladengeschäfte“ nach § 7 Nr. 9 Buchstabe b BO 58 im Vorbescheid helfe insoweit ebenfalls nicht weiter (UA S. 6).
Der Bauantrag sei auch infolge der nachträglichen Veränderung durch die Klägerin immer noch nicht hinreichend bestimmt. Lediglich die Nutzung durch einen Drogeriemarkt im Erdgeschoss (Fläche 0.2) sei hinreichend konkret. Die Nutzungen der anderen Flächen 0.1, 0.3 bis 0.7 seien jedoch weiterhin unbestimmt, da keine konkret beabsichtigte, sondern lediglich eine mögliche Nutzung für „kleine Boutique, Optiker oder Schreibwarenhandel“ als „denkbar“ angegeben werde. Es fehle damit weiterhin auch an einem insoweit erforderlichen, grundsätzlich nicht nachholbaren Antrag bei der Baubehörde. Die Klägerin habe im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine den Voraussetzungen der Bauverfahrensverordnung genügenden Bauunterlagen über alle konkreten Nutzungen vorgelegt. Die Änderung sei auch nicht unerheblich, denn die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines offensichtlich vorgesehenen größeren Drogeriemarktes (769,42 m²) lasse sich im Hinblick auf das Gebot der Rücksichtnahme und den Lieferverkehr regelmäßig nur anhand eines Lärmgutachtens bzw. entsprechend konkreter Angaben beurteilen. Der geänderte Antrag sei deshalb auch nicht unzweifelhaft genehmigungsfähig.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hinsichtlich der Bestimmtheit und Bescheidungsfähigkeit eines Bauantrages mit der Nutzungsart „Einzelhandel“.
Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 9. August 2023 zugestellt worden.
Mit der Berufung vom 31. August 2023, die am selben Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen ist, und der Berufungsbegründung vom 6. Oktober 2023, die am selben Tag beim Oberverwaltungsgericht eingegangen ist, verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Zur Begründung führt sie aus:
Der Bauantrag enthalte mit der beantragten Nutzungsart „Einzelhandel“ eine hinreichend bestimmte Nutzungsangabe. Die vom Verwaltungsgericht angeführte Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Lüneburg habe in einem vergleichbaren Sachverhalt die Nutzungsart „Geschäftshaus“ für hinreichend bestimmt erachtet. In einem vergleichbaren Fall habe das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hinsichtlich der „Zulässigkeit einer Grundgenehmigung für ein Einkaufszentrum mit nachgeschalteten Nutzungsanträgen“ die Baugenehmigung für ein „Wohn-, Büro- und Geschäftshaus“ als hinsichtlich der Nutzungsart für hinreichend bestimmt bezeichnet und durch diese Angabe auch das Maß möglicher Beeinträchtigungen nachbarlicher Belange für bestimmt genug geregelt gehalten, weil aufgrund der geplanten Nutzungsart in Verbindung mit den zeichnerischen Darstellungen der Bauvorlagen das darauf entfallende Kundenaufkommen und das Verkehrsaufkommen prognostisch hinreichend sicher zu ermitteln gewesen sei. Bei dem hier in Rede stehenden Bauantrag ergebe sich entsprechend aus den in den Planzeichnungen eingetragenen Flächen eine Größenordnung, aus der in Verbindung mit der Bezeichnung „Einzelhandel“ das Ausmaß des zu erwartenden Besucher- und Verkehrsaufkommens hinreichend prognostiziert werden könne. Durch die Bezeichnung „Einzelhandel“ sei die beabsichtigte Nutzung hinreichend konkret umrissen. Es gebe kein Erfordernis, im Bauantrag stets die kleinste, einheitliche Nutzungsart bzw. Nutzungsunterart zu benennen. Jedenfalls müsse dies für Gebäude mit einer Vielzahl von Verkaufsflächen gelten. Dies entspreche den praktischen Bedürfnissen von Betreibern solcher Anlagen sowie der typischen Abfolge in der Genehmigungspraxis.
Soweit das Verwaltungsgericht auf die Feinsteuerungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 9 BauNVO Bezug nehme, seien diese zu kleinteilig, um sie sinnvollerweise auf die Bestimmtheitsanforderungen für einen Bauantrag übertragen zu können. Weiterhin würde eine solche Sichtweise faktisch dazu führen, dass keine der in der BauNVO typisierten Nutzungsarten dem Bestimmtheitsgebot genüge. Etwas anderes könne allenfalls dann gelten, wenn das Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mit entsprechender Festsetzung liege, was hier jedoch nicht der Fall sei.
Schließlich vermöge auch der im Urteil angeführte Vergleich mit den Voraussetzungen einer Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 Fall 3 BauGB nicht zu überzeugen. Soweit das Verwaltungsgericht anführe, dass etwa bereits eine Vergrößerung der Verkaufsfläche um 180 m² oder eine Erhöhung der Belastungen für die Nachbarschaft eine entsprechende Genehmigungspflicht auslösen könnten, folge daraus nicht die Unbestimmtheit eines Bauantrags mit der Nutzungsbezeichnung „Einzelhandel“. Denn das verkenne die anerkannte zweistufige Genehmigungspraxis – Grundgenehmigung mit nachgeschalteten Nutzungsanträgen – für Vorhaben mit einer Vielzahl von Verkaufsflächen. Außerdem hätte das Urteil in seiner konsequenten Befolgung zur Folge, dass solche späteren Änderungen der individuellen Nutzer – etwa durch Kündigungen und Neuvermietungen – ausgeschlossen wären. Zudem spreche die zitierte Rechtsprechung vielmehr für die hinreichende Bestimmtheit der Bezeichnung „Einzelhandel“. Denn indem das Bundesverwaltungsgericht festhalte, dass die Änderung von Großhandel zu Einzelhandel eine Nutzungsänderung darstelle, stelle es implizit fest, dass Einzelhandel eine hinreichend bestimmte Nutzungsart sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. Juni 2023 – 13 K 348/22 – zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Versagungsbescheids des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf Nr. 2021/4_____ vom 1. Juni 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides derselben Behörde vom 5. April 2023 zu verpflichten, die am 9. November 2021 beantragte Baugenehmigung zu erteilen,
hilfsweise festzustellen, dass die Versagung Nr. 2021/4_____ des Bezirksamts Steglitz-Zehlendorf vom 1. Juni 2022 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend, das Verwaltungsgericht habe die Klage zu Recht mangels Bestimmtheit der Bauunterlagen als unbegründet abgewiesen. Auf eine weitergehende Begründung verzichte er, weil die Klägerin am 20. Juli 2023 einen auf das gleiche Bauvorhaben gerichteten Bauantrag gestellt habe. In dem neuen Baugenehmigungsverfahren habe die Klägerin Unterlagen eingereicht, insbesondere Betriebsbeschreibungen der einzelnen Einzelhandelseinheiten, die den wesentlichen Klageabweisungsgrund des Verwaltungsgerichts aufgriffen und bestimmte Aussagen zur Art der Nutzung der Ladenflächen träfen. Aufgrund der nunmehr bestimmten Antragsunterlagen sei allerdings im Rahmen der Genehmigungsprüfung noch eine sog. Auswirkungsanalyse nachgefordert worden, insbesondere zu den Themen Lärm und Verkehr. Hierzu träfen die von der Klägerin eingereichten Unterlagen keine Aussagen. Diese Anforderung sei üblich bei der Erweiterung oder dem erweiternden Umbau einer Gewerbefläche um (mehrere) zusätzliche Ladeneinheiten, da und wenn hierdurch geänderte städtebauliche Auswirkungen auf das Umfeld zu befürchten seien. Dem entsprechend habe auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil zutreffend ausgeführt, dass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nur anhand solcher konkreter Angaben beurteilen ließe. Diese Auswirkungsanalyse liege noch nicht vor. Zeige die Analyse keine negativen, in der Gesamtbetrachtung mit einem Mischgebiet unvereinbaren Auswirkungen auf, werde der Bauantrag nach derzeitiger Einschätzung vorbehaltlich einer abschließenden Prüfung bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig sein. Bei Erteilung dieser Baugenehmigung würde sich das Klagebegehren vollständig erledigen und für die Fortsetzung des Verfahrens das Rechtsschutzbedürfnis fehlen.
Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte die Baugenehmigung Nr. 2023/7_____ vom 12. Februar 2024 erteilt, mit der er dem weiteren Bauantrag der Klägerin vom 20. Juli 2023 entsprochen hat. Unter dem 27. März 2024 hat die Klägerin den Ausführungsbeginn der Bauarbeiten angezeigt.
Die Klägerin hat dazu ausgeführt, sie gehe dennoch nicht davon aus, dass durch die Erteilung die Erledigung eingetreten sei, da die erteilte Baugenehmigung von der im Klageverfahren beantragten Baugenehmigung abweiche. Für den Fall, dass das Gericht dennoch von der Erledigung ausgehe, stelle sie den Hilfsantrag, den sie mit einem Präjudizinteresse begründe, weil sie gegenüber dem Beklagten einen Schaden durch die langjährige Verzögerung geltend mache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (2 Bände), des Verwaltungsvorgangs und des Widerspruchsvorgangs sowie auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs zur Baugenehmigung Nr. 2023/7_____ vom 12. Februar 2024 verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist aufgrund der Zulassung im Urteil des Verwaltungsgerichts statthaft und von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 124a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 VwGO.
Das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ist nicht infolge der Baugenehmigung vom 12. Februar 2024 entfallen. Diese Genehmigung betrifft zwar dasselbe Grundstück und dieselbe Vorhabenfläche. Sie unterscheidet sich indessen in mehreren Punkten von der hier begehrten Baugenehmigung.
Die erteilte Baugenehmigung betrifft nur drei eigenständige Einzelhandelsbetriebe, die hier vorgesehene vierte Einzelhandelsfläche „0.7“ mit eigenem Zugang von der FK_____straße ist dort mit Zugang nur über die größte der drei anderen Einzelhandelsflächen (Fläche „0.2“) vorgesehen. Zudem sind die dort vorgesehenen Einzelhandelsnutzungen sowohl in der Bauzeichnung für den Grundriss Erdgeschoss als auch in den gesonderten Betriebsbeschreibungen jeweils konkretisiert für die Fläche „0.2“ als „Drogerie“ bzw. „Drogeriekette“, für die Fläche „0.3“ als „Bäckerfachgeschäft“ bzw. „Bäckerei“, für die Fläche „0.4“ als „Hörgeräteakustiker“ und für die Fläche „0.7“ als „Lagerfläche“. Außerdem bezieht die Baugenehmigung ausdrücklich die Fläche „0.1“ ein, während die Baubeschreibung des hier streitigen Bauantrags nur von einer Neuaufteilung der Marktfläche „in 4 Mietflächen“ ausgeht (VVG Bl. 40) und damit wohl nur die Flächen 0.2, 0.3, 0.4 und 0.7 meint. Zudem konkretisiert die Baugenehmigung die Nutzung der Fläche 0.1 mit „TY_____“, gibt deren „Verkaufsfläche“ mit 79,50 m² an (im hier streitigen Bauantrag stattdessen „VF 68,58 m² (DIN)“) und enthält für diesen Einzelhandelsbetrieb ebenfalls eine gesonderte Betriebsbeschreibung. Darüber hinaus sind der Baugenehmigung eine schalltechnische Untersuchung vom 12. Dezember 2023 und eine verkehrstechnische Stellungnahme vom 21. Dezember 2023 beigefügt, welche die Nutzungen der Einzelhandelsbetriebe und der Lagerfläche und ihre Auswirkungen konkretisieren.
2. Die Berufung der Klägerin ist indessen unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die Versagung der Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, §113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln auf Erteilung der Baugenehmigung. Denn aus den Gründen des angefochtenen Urteils ist ihr Bauantrag nicht genehmigungsfähig. Es fehlen nähere Angaben zur Nutzungsart, welche hinreichend bestimmt auszuschließen vermögen, dass die Benutzung der vier anstelle der Marktfläche geplanten Einzelhandelsflächen entgegen der im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 7 Nr. 5 BO 58 Nachteile oder Belästigungen verursachen kann, die für die nähere Umgebung nicht zumutbar sind.
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Zu diesen Vorschriften gehören die Regelungen über die bauplanungsrechtlich zulässige Art der baulichen Nutzung. Im hier nach dem Baunutzungsplan festgesetzten gemischten Gebiet richtet sich die Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung nach § 7 Nr. 9 und Nr. 5 BO 58.
Danach muss die beabsichtigte Art der Nutzung erstens sich begrifflich einer der Bezeichnungen in § 7 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe b BO 58 zuordnen lassen. Zweitens muss sie konkret baugebietsverträglich sein (vgl. § 7 Nr. 5 Fall 1 BO 58). Drittens darf sie konkret keine Nachteile oder Belästigungen verursachen, die für die nähere Umgebung nicht zumutbar sind (§ 7 Nr. 5 Fall 2 BO 58). Der Bauantrag für einen bestimmten Einzelhandelsbetrieb muss entsprechend hinreichend bestimmte Angaben zu Art und Umfang dieses Einzelhandelsbetriebes enthalten. Nichts anderes gilt für jeden einzelnen der vier konkreten eigenständigen Einzelhandelsbetriebe, welche die Klägerin hier in einem Bauantrag zusammengefasst hat. Während der Bauantrag der Klägerin für die erste der drei Voraussetzungen noch hinreichend bestimmte Angaben enthalten mag, ist das jedenfalls hinsichtlich der dritten Voraussetzung der konkreten Zumutbarkeit des jeweiligen Einzelhandelsbetriebes für die nähere Umgebung, insbesondere hinsichtlich der Wohnnutzung auf demselben Grundstück und im selben Gebäude, nicht der Fall, weil die Bauunterlagen keine näheren Angaben zu Art und Umfang des jeweiligen Einzelhandelsbetriebes enthalten und die stärkere Beeinträchtigung der Wohnnutzung durch die beabsichtigte gegenüber der früheren Nutzung der Vorhabenfläche nahe liegt. Insoweit hilft auch die von der Klägerin kurz vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nachgeschobene Angabe zur Drogeriemarktnutzung der größten der für vier Einzelhandelsbetriebe vorgesehenen Flächen (Schriftsatz vom 20. Juni 2023, S. 4) nicht weiter. Es ist nicht Sache des Beklagten, sondern der Klägerin, einen Einzelhandelsbetrieb, dessen Nutzung konkret keine der näheren Umgebung unzumutbaren Nachteile und Belästigungen verursachen kann, nach Art und Umfang prüffähig genau zu beschreiben und zur Genehmigung zu stellen.
Dazu im Einzelnen:
Soweit für das Vorhaben der baulichen Änderung und Nutzungsänderung der früheren Marktfläche in Räumlichkeiten für vier Einzelhandelsbetriebe die nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zunächst eine Zuordnung zu einer der Bezeichnungen in § 7 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe b BO 58 fordern, erscheint dies hier noch möglich. Die vier Einzelhandelsflächen, die in der Baubeschreibung (VVG Bl. 40 f.) unter „Nutzungskonzept“ als „dauerhafte Verkaufsflächen“, „4 Mietflächen“ und „Nutzungseinheiten“, und in der Betriebsbeschreibung (VVG Bl. 39) als „Ladengeschäfte“, neue Verkaufsräume und „Mieteinheiten“ bezeichnet werden und die in der Bauzeichnung zum Grundriss Erdgeschoss (VVG Bl. 48) jeweils mit „EZH“ (wohl für Einzelhandel) gekennzeichnet sind, lassen sich in die Begriffskategorie der grundsätzlich zulässigen „Ladengeschäfte“ in § 7 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe b BO 58 einordnen (zum Begriff vgl. Rau, in: Meyer/Achelis/von Alven-Döring/Hellriegel/Kohl/Rau, Bauordnung für Berlin, 7. Auflage 2021, Teil II – Berliner Planungsrecht, § 7 BO 58 Rn. 49 – 52 und 78).
Indessen greift die Klägerin zu kurz, wenn sie in ihrer Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 6. Oktober 2023, S. 2) meint, schon allein „Einzelhandel“ beschreibe begrifflich eine hinreichend konkrete Nutzungsart, jedenfalls müsse dies für Vorhaben mit einer „Vielzahl von Verkaufsflächen“ – wie hier – gelten. Dies entspreche der üblichen und in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannten Genehmigungspraxis. Der Begriff des Einzelhandels sei als Nutzungsart durch die Baunutzungsverordnung (BauNVO) vorgegeben und auch daher nicht zu beanstanden.
Zum einen geht es hier keineswegs um eine „Vielzahl von Verkaufsflächen“, wie etwa in den beiden Sonderfällen der Errichtung eines Einkaufszentrums (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013 – OVG 2 S 72.12 –, nicht veröffentlicht, „Mall of Berlin“) oder der Errichtung eines Geschäftshauses (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012 – 1 ME 226/11 – juris), welche die Klägerin in der Berufungsbegründung (a.a.O., S. 7 und 10 bzw. S. 6, 10 und 11) anführt. Vielmehr betrifft der in Rede stehende Bauantrag ein bereits mehr als 10 Jahre zuvor genehmigtes und errichtetes Wohn- und Geschäftshaus und nur vier im Grundriss Erdgeschoss (VVG Bl. 48) konkret ausgewiesene Flächen, die jeweils einem Einzelhandelsbetrieb zuzuordnen sind, der mit einem eigenen Zugang zur Straße ausgestattet ist. Trotz der geringen Zahl und der baulich gewährleisteten Eigenständigkeit bezeichnet die Klägerin den jeweiligen Einzelhandelsbetrieb in ihren Bauunterlagen aber lediglich mit „0.2 EZH“, „0.3 EZH“, „0.4 EZH“ bzw. „0.7 EZH“, ohne ihn an irgendeiner Stelle, etwa in der vermeintlichen Betriebsbeschreibung (VVG Bl. 39), nach Art und Umfang näher zu beschreiben und verweist für die Betriebszeiten nur pauschal auf die „gesetzlichen Ladenöffnungszeiten“ (Betriebsbeschreibung, VVG Bl. 39), die in Berlin nur an Sonn- und Feiertagen eingeschränkt sind (vgl. § 3 BerlLadÖffG) und selbst dann noch Ausnahmen für bestimmte Warengruppen vorsehen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 BerlLadÖffG).
Zum anderen ist die Vorstellung der Klägerin, die bloße Bezeichnung „Einzelhandel“ sei eine hinreichend konkrete Beschreibung der Art der baulichen Nutzung, schon mit dem Wortlaut der nach § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Art der baulichen Nutzung nicht vereinbar, der – wie bereits ausgeführt – ausdrücklich zusätzliche Anforderungen an die konkrete Gebietsverträglichkeit des Vorhabens (vgl. § 7 Nr. 5 Fall 1 BO 58) und an die konkrete Rücksichtnahme auf die nähere Umgebung (vgl. § 7 Nr. 5 Fall 2 BO 58) stellt. Denn ungeachtet der begrifflichen Zuordnung der geplanten Art der baulichen Nutzung zu einer in dem Baugebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungsart, etwa zu den in einem Mischgebiet zulässigen „Einzelhandelsbetrieben“ (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) bzw. zu den hier im „gemischten Gebiet“ zulässigen „Ladengeschäften“ (§ 7 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe b BO 58), verlangen die Regelungen der „Art der baulichen Nutzung“ (so die amtlichen Überschriften zu §§ 1 – 15 BauNVO bzw. hier zu § 7 Nr. 4 bis 12 BO 58) darüber hinaus auch, dass das Vorhaben nach „Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung“ der baulichen Anlagen nicht konkret gebietsunverträglich (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO) bzw. – hier – nach „Art, Umfang und Zweck“ der baulichen Anlagen konkret gebietsverträglich ist (§ 7 Nr. 5 Fall 1 BO 58). Außerdem fordern die einschlägigen Normen zur Art der baulichen Nutzung ausdrücklich, dass von dem Vorhaben konkret keine „Belästigungen oder Störungen“ bzw. „Nachteile oder Belästigungen“ ausgehen, die für die Umgebung „unzumutbar“ bzw. „nicht zumutbar“ sind (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BauNVO bzw. – hier – § 7 Nr. 5 Fall 2 BO 58). Entsprechend müssen die Bauunterlagen für die Genehmigung eines Einzelhandelsbetriebs – bzw. hier für die Genehmigung von vier konkret jeweils mit ihrer Fläche ausgewiesenen Einzelhandelsbetrieben – hinreichende Angaben über Art und Umfang des Einzelhandelsbetriebs enthalten, um die Bauaufsichtsbehörde in die Lage zu versetzen, in dem normativ ausdrücklich vorgegebenen Prüfungsumfang über die bauplanungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Art der baulichen Nutzung zu entscheiden und ggf. – soweit dies nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich sein sollte – zusätzliche Angaben zur vom Vorhaben ausgehenden Lärm- oder Verkehrsbelastung zu verlangen, was besonders naheliegt, wenn Gebäude in demselben Baugebiet oder sogar in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabens auch zu Wohnzwecken genutzt werden und erst recht, wenn das – wie hier – bei demselben Gebäude auf demselben Grundstück der Fall ist.
Danach kann ein den Einzelhandel betreffendes Vorhaben trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit von Einzelhandelsnutzungen im jeweiligen Baugebiet im Einzelfall gegen § 7 Nr. 5 BO 58 verstoßen und gehört diese Frage im Genehmigungsverfahren zum Prüfungsprogramm der „öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ im Sinne von § 71 Abs. 1 Satz 1 BauO Bln. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Vorhaben, die an sich ihrer Art nach bauplanungsrechtlich zulässig sind, im Einzelfall nach § 7 Nr. 5 BO 58 unzulässig sein können, wenn sie in einer Situation verwirklicht werden sollen, in der sie städtebaulich nicht mehr verträglich sind und die Umgebung sie nicht mehr aufnehmen kann (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – OVG 2 S 80.10 – juris Rn. 5). Über die bloße Bezeichnung der Art der baulichen Nutzung als Einzelhandelsbetrieb oder als „Ladengeschäft“ hinaus müssen die Bauunterlagen deshalb weitere hinreichend bestimmte Angaben mit einer prüffähigen Beschreibung (vgl. § 9 Satz 1 BauVerfV) dafür enthalten, dass die beiden Grundvoraussetzungen von § 7 Nr. 5 BO 58 erfüllt sind. Das betrifft hier insbesondere die zweite dieser Voraussetzungen. Danach sind in den Baugebieten nur bauliche Anlagen, Betriebe und sonstige Einrichtungen zulässig, die durch ihre Benutzung keine Nachteile oder Belästigungen verursachen können, die für die nähere Umgebung nicht zumutbar sind.
Die Nachteile oder Belästigungen für die nähere Umgebung können sich bei einem Einzelhandelsbetrieb insbesondere aus dem durch ihn verursachten Lärm und Verkehr ergeben. Sie hängen nicht nur von den Betriebs- und Lieferzeiten, sondern regelmäßig vom Kundenaufkommen und ggf. auch vom Lieferverkehr ab. Kundenaufkommen und Lieferverkehr werden typischerweise maßgebend sowohl von der Größe der Verkaufsfläche als auch vom Warenangebot bestimmt (zur Bedeutung der Verkaufsfläche für die planungsrechtliche Beurteilung von Einzelhandelsbetrieben vgl. Bischopink/Kuschnerus/Wirth, Der standortgerechte Einzelhandel, 2. Auflage 2018, Rn. 29 – 45, zur Bedeutung des Warensortiments als neben der Verkaufsfläche weiterer wichtiger Parameter vgl. dies., a.a.O., Rn. 46 – 60). Deshalb sind jedenfalls in Baugebieten, die – wie hier nach § 7 Nr. 9 Satz 1 Buchstabe a BO 58 – zumindest gleichermaßen auch dem Wohnen dienen, in einem Bauantrag für die Genehmigung eines Einzelhandelsbetriebs jedenfalls in der Nähe einer Wohnnutzung in der Regel Angaben nicht nur zu den Betriebs- und Lieferzeiten und zur Verkaufsfläche, sondern insbesondere auch zum Warensortiment zu machen, wenn sich der Ausschluss der Unzumutbarkeit für die nähere Umgebung nicht zweifelsfrei aus anderen Angaben (z.B. Lärm- oder Verkehrsgutachten) ergibt.
Die nähere Umgebung zeichnet sich hier dadurch aus, dass – nach dem Abschnitt „Bestand“ in der von der Klägerin selbst eingereichten Baubeschreibung (VVG Bl. 40) – auf demselben Vorhabengrundstück die Gebäudeteile, die auf drei der vier Seiten unmittelbar an die Vorhabenfläche für die vier geplanten Einzelhandelsgeschäfte anschließen, ab dem ersten Obergeschoss unter anderem auch zu Wohnzwecken genutzt werden.
Während sich die bisherige Nutzung der Vorhabenfläche für mobile Marktstände nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten (Klageerwiderung vom 14. April 2023, S. 3 ) auf lediglich zwei Tage in der Woche und jeweils nur den Zeitraum von 8 Uhr bis 14 Uhr beschränkte, heißt es für die beabsichtigte geänderte Nutzung durch stationäre Einzelhandelsbetriebe in der Betriebsbeschreibung (VVG Bl. 39) allgemein: „Die Betriebszeiten der Ladengeschäfte richten sich nach den gesetzlichen Ladenöffnungszeiten.“ Eine konkrete Begrenzung für den jeweiligen Einzelhandelsbetrieb auf bestimmte Wochentage oder Uhrzeiten ist den Bauunterlagen und dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Ebenso wenig enthalten sie konkrete Angaben zum Warenangebot (Sortiment) der vier geplanten Einzelhandelsgeschäfte. Die Bauzeichnung zum Grundriss Erdgeschoss (VVG Bl. 48) beschränkt sich für jeden der vier geplanten Einzelhandelsbetriebe auf Flächenangaben mit dem nicht näher erläuterten Kürzel „VF“ und dem ebenfalls nicht weiter bestimmten Zusatz „(DIN)“. Damit dürfte die jeweilige Verkaufsfläche gemeint sein (vgl. erstinstanzlichen Schriftsatz der Klägerin vom 20. Juni 2023, S. 3; die Bedeutung von „VF“ als „Verkehrsfläche“ nach DIN 277 – Grundflächen und Rauminhalte im Hochbau – ist offensichtlich nicht gemeint). Ist danach mit Betriebszeiten der vier Ladengeschäfte jedenfalls an sechs Tagen der Woche und für deutlich mehr als nur sechs Stunden am Tag und mit einem weitreichenden, nicht auf bestimmte Branchen verlässlich eingrenzbaren Warensortiment zu rechnen, so liegt schon deshalb die Annahme nahe, dass die beabsichtigte geänderte „ständige“ Einzelhandelsnutzung im Vergleich zur bisherigen Marktnutzung ein wesentlich höheres Kundenaufkommen sowie einen häufigeren Liefer- und ggf. auch zusätzlichen Beschäftigtenverkehr auslösen kann und damit für die schon auf demselben Grundstück unmittelbar umgebende Wohnnutzung eine erheblich stärkere Lärm- und Verkehrsbelastung zu bewirken vermag. Hinreichend konkrete Angaben, um die von der beabsichtigen geänderten Einzelhandelsnutzung ausgehenden Beeinträchtigungen auf ihre Zumutbarkeit für die im selben Gebäude unmittelbar angrenzende Wohnnutzung überprüfen zu können, fehlen hier.
Soweit die Klägerin gegenüber dem Verwaltungsgericht neun Tage vor der mündlichen Verhandlung angegeben hat, auf der Fläche 0.2 mit 769,43 m² solle ein Drogeriemarkt entstehen, es gebe hierzu Gespräche mit einer Drogeriemarktkette, die Interesse an der Anmietung der Fläche habe, und die anderen Flächen 0.1 (gemeint wohl: 0.7), 0.3. und 0.4 sollten für kleinen Einzelhandel entstehen, denkbar seien hier kleine Boutiquen, Optiker oder Schreibwarenhandel (Schriftsatz vom 20. Juni 2023, S. 4), ist darin allenfalls für die Fläche 0.2 eine möglicherweise verbindliche Festlegung auf die Drogeriebranche zu erkennen, auch wenn dies nur vorgesehen sein „soll“ und einleitend lediglich als der „aktuelle“ Planungsstand bezeichnet wird. Indessen ergibt sich für die drei anderen geplanten Einzelhandelsbetriebe aus dem Wort „denkbar“ keine verbindliche Festlegung auf ein bestimmtes Warensortiment, wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat (UA S. 6 f.). Daraus folgt weder ein Ausschluss noch auch nur eine Flächenbegrenzung bestimmter Arten von Einzelhandel, die sich durch ein höheres Kundenaufkommen und ggf. einen entsprechenden Lieferverkehr auszeichnen, wie z.B. die Einzelhandelskategorien „Lebensmittel“ oder „Unterhaltungselektronik“ (vgl. die von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung, Schriftsatz vom 6. Oktober 2023, S. 7 und 10, selbst angeführte Entscheidung zum Einkaufszentrum „Mall of Berlin“, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013 – OVG 2 S 72.12 –, BA S. 3 – 4) oder bei denen der Kunden- und Lieferverkehr mit besonderen Lärmbelästigungen insbesondere für eine Wohnnutzung im selben Gebäude verbunden ist, wie beim An- und Abtransport voller und leerer Getränkekästen in einem Getränkemarkt (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 9. August 1995 – VG 13 A 329/95 – BA S. 2 f. zu einer nach § 7 Nr. 5 BO 58 unzulässigen Nutzungsänderung eines Ladenlokals der Post mit einer Nutzfläche von 220 m² in einen Getränkeabholmarkt in einem gemischten Gebiet im Sinne von § 7 Nr. 9 BO 58 in Berlin-Lichterfelde knapp 2 km südwestlich vom hier streitigen Vorhaben entfernt).
Unabhängig davon fehlen auch für die erst kurz vor Ende des erstinstanzlichen Verfahrens genannte Drogeriemarkt-Nutzung Angaben, welche die Betriebszeiten innerhalb der allgemeinen Ausrichtung „nach den gesetzlichen Ladenöffnungszeiten“ (Betriebsbeschreibung, VVG Bl. 39) weiter eingrenzen, wie etwa in der schalltechnischen Untersuchung vom 12. Dezember 2023 (Schriftsatz des Beklagten vom 19. Februar 2024, Anlage BB3), die der Baugenehmigung vom 12. Februar 2024 zugrunde liegt. Jene schalltechnische Untersuchung geht nämlich von Betriebs- und Lieferzeiten des jeweiligen Einzelhandelsbetriebs zwischen 6 Uhr und 22 Uhr und wohl nur an Werktagen aus (a.a.O., S. 16 f.). Das ist ein deutlich engerer Zeitrahmen als ihn die gesetzlichen Ladenöffnungszeiten in Berlin, auf die der hier in Rede stehende Bauantrag in der Betriebsbeschreibung (VVG Bl. 39) pauschal verweist, an Werktagen (§ 3 BerlLadÖffG) und für bestimmte Warengruppen außerdem an Sonn- und Feiertagen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 BerlLadÖffG) setzen.
Nichts anderes ergibt sich aus der von der Klägerin (Schriftsatz vom 6. Oktober 2023, S. 6, 10 und 11 bzw. S. 7 und 10) angeführten Rechtsprechung zu Baugenehmigungen für die Errichtung von Einkaufszentren (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012 – 1 ME 226/11 – juris, „Geschäftshaus“; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013 – OVG 2 S 72.12 –, nicht veröffentlicht, „Mall of Berlin“), bei denen „nur“ eine Grundgenehmigung in Rede gestanden haben soll, auf die noch Genehmigungen nachfolgen sollten, die sie jeweils konkretisieren.
Die beiden zitierten Fälle sind entgegen der Auffassung der Klägerin schon nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Denn hier geht es gerade nicht um eine Baugenehmigung für die – erstmalige – Errichtung eines „Geschäftshauses“ mit einer „Vielzahl möglicherweise im Zeitablauf wechselnder Einzelläden“, die – ähnlich einem sog. Factory Outlet Center – als „ein einziges Bauvorhaben“ zusammengefasst werden sollen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012, a.a.O., Rn. 25) und für das zunächst eine „Grundgenehmigung“ (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012, a.a.O., Leitsatz 1 und Rn. 24) begehrt wird, die „bestimmte Prüfungen weiteren Genehmigungsverfahren vorbehält“ (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012, a.a.O., Rn. 22). Ebenso wenig ähnelt das streitige Vorhaben der – erstmaligen – Errichtung eines Gebäudekomplexes mit einer Mischnutzung bestehend aus einem Einkaufscenter mit 34.599 m² Verkaufsflächen, 648 m² Dienstleistungs- und 2.857 m² Gastronomiebetriebsflächen („Mall of Berlin“, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013 – OVG 2 S 72.12 –, zum Sachverhalt vgl. VG Berlin, Urteil vom 9. Juni 2016 – VG 19 K 284.12 – juris Rn. 5).
Vielmehr betrifft das vorliegende Bauvorhaben ein bereits mehr als 10 Jahre vor dem hier in Rede stehenden Bauantrag genehmigtes und errichtetes Wohn- und Geschäftshaus und begehrt die Klägerin hier nur eine Baugenehmigung für die bauliche Änderung und Nutzungsänderung einer Teilfläche, die von einer zur Straße hin offenen Markthalle in vier abgeschlossene stationäre Einzelhandelsbetriebe mit jeweils eigenem Zugang zur Straße umgewandelt werden soll. Bei ihrem Vergleich mit den beiden entschiedenen Fällen lässt die Klägerin außer Acht, dass für die bauplanungsrechtliche Beurteilung grundsätzlich allein auf den jeweils eigenständigen Einzelhandelsbetrieb abzustellen ist (vgl. Bischopink/Kuschnerus/Wirth, Der standortgerechte Einzelhandel, 2. Auflage 2018, Rn. 16 – 18 und 21 m.w.N.). Diesen kennzeichnet ein eigener Eingang zur Verkaufsstätte, eine eigene Anlieferung, eigene Personalräume und die Möglichkeit, die Verkaufsstätte unabhängig von anderen Betrieben öffnen und schließen zu können (dies., a.a.O., Rn. 17). Das ist hier nach der Baubeschreibung (VVG Bl. 40), der Betriebsbeschreibung (VVG Bl. 39) und der Bauzeichnung zum Grundriss Erdgeschoss (VVG Bl. 48) für jeden der vier geplanten Einzelhandelbetriebe der Fall, wobei Personalräume – auch gemeinsame – nicht vorgesehen sind.
Demgegenüber kommt eine Zusammenfassung mehrerer Einzelhandelsnutzungen zu einem einzigen (Gesamt-)Betrieb nur unter den besonderen Umständen des Vorliegens einer Funktionseinheit in Betracht (vgl. Bischopink/Kuschnerus/Wirth, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.), die hier wegen der baulichen Eigenständigkeit der vier geplanten Einzelhandelsbetriebe und mangels Erkennbarkeit einer betrieblich-funktionellen Verknüpfung ersichtlich nicht gegeben sind. In den beiden entschiedenen Fällen der „Grundgenehmigung“ für die Errichtung des niedersächsischen Geschäftshauses bzw. des Berliner Einkaufszentrumkomplexes dürften solche besonderen Umstände hingegen vorgelegen haben.
Dessen ungeachtet ist auch nach den Maßstäben, welche die Rechtsprechung in den beiden zitierten Fällen der Errichtung von Einkaufszentren an die Bestimmtheit der Baugenehmigung hinsichtlich der Zumutbarkeit des Vorhabens für die nähere Umgebung angelegt hat, der hier in Rede stehende Bauantrag der Klägerin nicht hinreichend bestimmt und daher nicht genehmigungsfähig. Ebenso wie hier der Bauantrag war in jenen Fällen, welche die Entscheidung über Eilrechtsschutzbegehren von Nachbarn betrafen, die jeweilige Baugenehmigung darauf zu überprüfen, ob das genehmigte Vorhaben sich in unzumutbarer Weise auf die Nachbarn auswirken und ihre Rechte verletzen würde. Deshalb musste die „Grundgenehmigung“ – ungeachtet in ihr enthaltener Prüfvorbehalte für nachfolgende Genehmigungen – bereits selbst insoweit hinreichend konkrete Angaben enthalten, um eine Beachtung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots – wie es hier die im Baugenehmigungsverfahren stets zu prüfende Grundregel des § 7 Nr. 5 BO 58 in der zweiten Voraussetzung konkretisiert – feststellen zu können. In beiden von der Klägerin zitierten Fällen erwiesen sich die Angaben zur Art der baulichen Nutzung in den Baugenehmigungen als insoweit hinreichend bestimmt, um eine unzumutbare Beeinträchtigung der näheren Umgebung auszuschließen. In keiner der beiden Entscheidungen hat das Gericht die pauschale Angabe als Einzelhandelsnutzung und die bloße Angabe der Verkaufsflächen ausreichen lassen.
Bei dem niedersächsischen Vorhaben der Errichtung eines Geschäftshauses hat das Gericht die Baugenehmigung, obwohl sie bestimmte Prüfungen weiteren Genehmigungsverfahren vorbehielt, für hinreichend bestimmt gehalten, weil davon auszugehen sei, dass die als „Grundgenehmigung“ erteilte Baugenehmigung die zu erwartende Nutzung insgesamt größenordnungsmäßig korrekt zugrunde lege (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012 – 1 ME 226/11 – juris Rn. 24), jener Prüfvorbehalt „nachbarrechtlich nicht ins Gewicht“ fiele, nachfolgende Baugenehmigungen sich im Rahmen der ursprünglichen Genehmigung zu halten hätten und bei ihnen nur noch ein beschränktes Prüfprogramm abgewickelt werde (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012, a.a.O., Rn. 29). Bestandteil der Baugenehmigung sei eine zum Bauantrag eingereichte schalltechnische Untersuchung mit den darin angegebenen Betriebszeiten (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012 – 1 ME 226/11 – juris Rn. 34), so dass bei der Ausnutzung der Baugenehmigung keinerlei Variationsspielraum zu Lasten der Nachbarn bestehe (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012, a.a.O., Rn. 34). Eine gleichartige hinreichende inhaltliche Bestimmtheit der erstrebten Baugenehmigung ermöglichen die Angaben zur hier erstrebten Baugenehmigung nicht.
Im Übrigen weist der von der Klägerin zitierte Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts auf zwei weitere Entscheidungen jenes Gerichts hin (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012, a.a.O., Rn. 25 – 28 und 29 – 32), deren Maßstäbe hier ebenfalls nicht erfüllt sind. In der ersten Entscheidung ging es um eine Baugenehmigung zur Errichtung von zwölf Verkaufsstätten mit 143 Einstellplätzen und einer Gesamtverkaufsfläche von rund 3.157 m² (OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. November 2005 – 1 ME 172/05 – juris Rn. 1). In jenem Fall hatte das Gericht für unbedenklich gehalten, dass das Sortiment, das in den zwölf Verkaufsstätten angeboten werden solle, in den Bauunterlagen nicht näher bezeichnet worden sei, weil aus dem Widerspruchsbescheid hervorginge, dass in diesen zwölf Geschäften „Textil- und Sportartikel“ feilgehalten werden sollten und dies eine realistische Annahme sei, welche damit zugleich den Bauschein verbindlich konkretisiere (im Original OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. November 2005 – 1 ME 172/05 – juris Rn. 51, zit. in OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012 – 1 ME 226/11 – juris Rn. 27). In der zweiten in dem Beschluss (OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012, a.a.O., Rn. 29) angeführten Entscheidung hatte das Gericht zur Rüge erhöhter Verkehrsbelastung und unzureichender Stellplätze in der Klage einer Nachbarin gegen den Neubau eines Einkaufszentrums mit 436 Einstellplätzen in Oldenburg (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 1 LA 274/09 – juris Rn. 1 und 3) ausgeführt, dass es bei einem Vorhaben jener Größenordnung nicht ungewöhnlich sei, wenn im Laufe der Zeit im Detail gelegentlich baugenehmigungsbedürftige bauliche Änderungen vorgenommen werden würden, z.B. um geänderten Kundenerwartungen zu entsprechen. Insoweit müsse aber die „Grundgenehmigung“ des Vorhabens von vornherein berücksichtigen, welche „maximalen Nutzungsmöglichkeiten“ das Vorhaben biete, und jedenfalls größenordnungsmäßig die hierfür erforderliche Anzahl an Stellplätzen festsetzen (zit. nach OVG Lüneburg, Beschluss vom 26. Januar 2012, a.a.O., Rn. 30; im Original OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Dezember 2010, a.a.O., Rn. 32). Demgegenüber hat hier die Klägerin für die in Rede stehenden nur vier Einzelhandelsbetriebe weder entsprechende Konkretisierungen der Warengruppen wie in der erstgenannten Entscheidung vorgenommen noch hat sie hinsichtlich der zu erwartenden Verkehrs- und Lärmbelastung „maximale Nutzungsmöglichkeiten“ im Sinne der zweitgenannten Entscheidung angegeben.
Im zweiten von der Klägerin zitierten Fall der Errichtung eines Gebäudekomplexes in Berlin mit einer Mischnutzung bestehend aus einem Einkaufszentrum mit 34.599 m² Verkaufsflächen, 648 m² Dienstleistungs- und 2.857 m² Gastronomiebetriebsflächen („Mall of Berlin“, OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013 – OVG 2 S 72.12 –; zum Sachverhalt s.o.), hielt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Baugenehmigung deshalb für inhaltlich hinreichend bestimmt, um unzumutbare Beeinträchtigungen der Eilrechtsschutz begehrenden Nachbarin durch die Art der baulichen Nutzung auszuschließen, weil die Betriebsbeschreibung, deren Vorgaben zum rechtlich bindenden Inhalt der Baugenehmigung geworden seien, für einzelne Sortimente Höchstanteile bzw. im Übrigen Mindestanteile vorsehe und damit eine nach dem unterschiedlichen Kundenaufkommen der Sortimente differenzierende Regelung treffe (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013 – OVG 2 S 72.12 –, BA S. 5 f.). Die Betriebsbeschreibung, die eine flexible Aufteilung der Flächen des Einkaufszentrums zulasse, sehe für einzelne Nutzungen („Gastronomie“, „Dienstleistung“, „Einzelhandel Lebensmittel“ und „Einzelhandel Unterhaltungselektronik“) maximale Flächenanteile jeweils bis zu einem bestimmten Prozentbetrag, zusammengerechnet höchstens 25 % vor, während für die „sonstigen Einzelhandelssortimente“ ein Mindestanteil von 75 % geplant sei. Es sei nicht zu erkennen, weshalb das Ausmaß möglicher Beeinträchtigungen nachbarlicher Belange hierdurch nicht bestimmt genug geregelt sein sollte. Zwar sei der „Nutzungsmix“ in der Betriebsbeschreibung mit einem „Flexibilitätsvorbehalt“ versehen, der sich auf eine mögliche Änderung der Nutzung der Flächen des Einkaufscenters beziehe. Es sei aber nicht ersichtlich, dass damit eine geänderte Aufteilung dieser Nutzungen nicht lediglich in dem durch die Prozentangaben in der Betriebsbeschreibung bestimmten Rahmen vorbehalten bleibe, sondern der Bauherrin ein weitergehender Spielraum eingeräumt werde, der auch Änderungen erlaube, die diese Prozentangaben über- bzw. unterschritten (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013 a.a.O., S. 3).
In Verbindung mit den zeichnerischen Darstellungen der Bauvorlagen, aus denen sich ergebe, welche Flächen insgesamt für Gastronomie-, Dienstleistungs- und Einzelhandelsnutzungen zur Verfügung stünden, erlaube die Festlegung eines maximalen Anteils für einzelne Nutzungen zu bestimmen, welche Flächen für diese Nutzungen insgesamt höchstens in Anspruch genommen werden dürften. Auf dieser Grundlage ließen sich das darauf entfallende Kundenaufkommen und das hierdurch verursachte – für eine Beeinträchtigung nachbarlicher Belange bedeutsame – Verkehrsaufkommen prognostisch ermitteln.
Durch die Festsetzung eines Höchstanteils für die Nutzungen mit einem höheren Kundenaufkommen und – damit korrespondierend – eines Mindestanteils für sonstige Einzelhandelsnutzungen mit einem geringeren Kundenaufkommen lasse die Betriebsbeschreibung lediglich eine Verschiebung der Flächenanteile zugunsten der sonstigen Einzelhandelsnutzungen zu. Das würde zu einer Verringerung des Kundenaufkommens und damit der Verkehrsbelastung führen. Eine Verschiebung in die umgekehrte Richtung mit einem höheren Kundenaufkommen sei dagegen ausdrücklich ausgeschlossen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013, a.a.O., S. 5 f.).
Zudem verwies das Gericht bei dem Berliner Einkaufszentrum auf ein der Betriebsbeschreibung zugrundeliegendes Verkehrsgutachten, in dem für die unter dem Begriff der sonstigen Einzelhandelssortimente zusammengefassten Branchen jeweils das gleiche Kundenaufkommen veranschlagt werde. Es sei daher ohne Bedeutung, wie sich der Anteil von 75 % für den sonstigen Einzelhandel im Detail zusammensetze. Die Festsetzung einer Mindestfläche für die sonstigen Einzelhandelssortimente beruhe im Übrigen darauf, dass das Kundenaufkommen für diese Sortimente niedriger sei als das Kundenaufkommen, das in dem Verkehrsgutachten für die gesondert ausgewiesenen und auf einen maximalen Flächenanteil begrenzten Nutzungen veranschlagt werde (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. Mai 2013, a.a.O., S. 4).
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin weder eine entsprechende Flächenbeschränkung oder eine sonstige Beschränkung für konkrete, ein höheres Kundenaufkommen bewirkende Einzelhandelskategorien vorgenommen noch gutachterliche Stellungnahmen zur Lärm- oder Verkehrsentwicklung vorgelegt oder sonst nähere Angaben gemacht, nach denen sich im Sinne von § 7 Nr. 5 BO 58 für die Wohnnutzung in der näheren Umgebung ihres Vorhabens nicht zumutbare Nachteile oder Belästigungen durch die Benutzung der vier vorgesehenen Einzelhandelsgeschäfte hinreichend sicher ausschließen ließen.
Über den Hilfsantrag war nicht zu entscheiden, weil die Voraussetzung der Erledigung des Hauptantrages nicht eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.