Gericht | OLG Brandenburg 3. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 05.05.2025 | |
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Aktenzeichen | 3 W 80/24 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0505.3W80.24.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Die Beteiligte zu 3 war die ehemalige Lebensgefährtin des Erblassers, der Eigentümer eines Grundstücks in … (Ort01) war. Die Beteiligten zu 1 und 2 waren seine Brüder.
Es existiert ein handschriftliches, mit „Testament Mein letzter Wille“ überschriebenes, mit dem Namenszug des Erblassers unterzeichnetes und auf den 15.03.2018 datiertes Schriftstück. In diesem werden die Beteiligte zu 3 sowie ihr Sohn … (Name01) als Erben nach dem Erblasser eingesetzt.
Am 14.09.2021 hat die Beteiligte zu 3 unter Berufung auf das privatschriftliche Testament des Erblassers vom 15.03.2018, welches von dem Amtsgericht Königs Wusterhausen am 24.08.2021 eröffnet worden ist, die Erteilung eines sie und ihren Sohn als Erben ausweisenden Erbscheins beantragt. Nach Einholung eines Schriftvergleichsgutachtens hat das Nachlassgericht mit der angefochtenen Entscheidung ausgesprochen, dass die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 3 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet würden, die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt werde. Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass es das oben bezeichnete Schriftstück vom 15.03.2018 für ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament des Erblassers halte. Im Wesentlichen hat sich das Nachlassgericht auf die Ausführungen des Sachverständigen … (Name02) vom 25.01.2023 (Bl. 184-219 der Akte) gestützt.
Gegen diesen ihnen am 19.03.2024 (Bl. 281 der Akte) bzw. 20.03.2024 (Bl. 281a der Akte) zugestellten Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit den am 05.04.2024 (Bl. 287 der Akte) und 17.04.2024 (Bl. 301 der Akte) beim Nachlassgericht eingegangenen Rechtsmitteln. Das Nachlassgericht hat die Beteiligten zu 1, 2 und 3 im Abhilfeverfahren am 20.06.2024 angehört (Bl. 336-340 der Akte) und der Beschwerde mit Beschluss vom 26.06.2024 (Bl. 345-345R der Akte) nicht abgeholfen sowie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beteiligten zu 1 und 2, die die Echtheit des Schriftstücks vom 15.03.2018 in Abrede stellen, verfolgen mit ihren Beschwerden ihren im ersten Rechtszug vertretenen Standpunkt weiter und ergänzen und vertiefen ihr Vorbringen hierzu. Der Beteiligte zu 6 führt weiter mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.05.2024 (Bl. 321-322 der Akte) im Wesentlichen aus, dass das Amtsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht den Sachverständigen hätte beauftragen müssen, ob die dem Sachverständigen vorgelegten Schriftstücke im Großen und Ganzen aus der Feder der Beteiligten zu 3 hätten stammen können. Diese habe jahrelang die Schreibarbeiten für den Erblasser erledigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Nachlassakte (Aktenzeichen: 61 IV 692/21) sowie auf die Testamentsakte des Amtsgerichts Königs Wusterhausen (61 IV 483/21) Bezug genommen.
II.
Die zulässigen Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 bleiben in der Sache ohne Erfolg.
Gemäß § 26 FamFG wird im Erbscheinsverfahren die Gültigkeit des Testaments von Amts wegen geprüft. Soll ein Erbschein erteilt werden, muss nicht nur der erbrechtliche Charakter der Erklärung - der hier nicht in Zweifel gezogen werden kann - feststehen, sondern auch deren Echtheit und Eigenhändigkeit. Fehlt insofern die Überzeugung des Gerichts, geht dies zulasten desjenigen, der Rechte aus der Urkunde herleiten will (OLG Köln, NJW-RR 2004, S. 1015). Im Zweifelsfall ist zwar von Amts wegen – was hier erfolgt ist – ein schriftvergleichendes Gutachten einzuholen. Gleichwohl war das Nachlassgericht nicht gehalten, den Sachverständigen um Ergänzung seines Gutachtens zu ersuchen. Das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen überzeugt bereits mit dem vorliegenden Inhalt.
Da eine absolute Gewissheit der Echtheit eines Testaments im naturwissenschaftlichen Sinne fast nie zu erreichen und die theoretische Möglichkeit des Gegenteils der Tatsache, die festgestellt werden soll, kaum auszuschließen ist, genügt für die richterliche Überzeugung nach herrschender Rechtsprechung insoweit ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt. Eine solche Gewissheit liegt auch in Amtsverfahren – wie dem Erbscheinsverfahren – vor, wenn diese einen Grad erreicht hat, "der den Zweifeln Einhalt gebietet", ohne sie völlig ausschließen zu können (vgl. BGH NJW 1993, 935; BGH NJW 1994, 1348; BGH NJW-RR 1994, 567). Es reicht daher aus, wenn das zur Entscheidung im Erkenntnisverfahren berufene Gericht nach diesen Grundsätzen keine "vernünftigen Zweifel" an der Echtheit des Testaments hat, auch wenn der Sachverständige in seinem wissenschaftlich begründeten Gutachten im Hinblick auf die objektiven Befundlücken nur von einer weit überwiegenden, einfachen oder hohen Wahrscheinlichkeit der Urheberschaft des Erblassers ausgegangen ist. Das Beweismaß des Sachverständigen hat sich nämlich nach wissenschaftlichen Maßstäben zu richten, während für den Tatrichter das Beweismaß der persönlichen Überzeugung gilt, d.h. ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der vernünftige Zweifel ausschließt (vgl. zum Ganzen OLG Düsseldorf, Beschl. V. 17.11.2014, Az: 25 Wx 84/14).
Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall auf der Grundlage der vom Nachlassgericht durchgeführten Beweisaufnahme ohne weitere Ermittlungen durch den Senat festgestellt werden, dass die handschriftliche, auf den 15.03.20218 datierte Erklärung von dem Erblasser stammt.
Dafür spricht zunächst das vom Sachverständigen gefundene Ergebnis, Testamentstext sowie Unterschrift seien mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von dem Erblasser gefertigt worden. Der Sachverständige hat zwar hervorgehoben, dass die zur Verfügung stehenden Vergleichsschriften in qualitativer Hinsicht keine optimalen Voraussetzungen für eine schriftvergleichende Analyse geboten hätten. Die Zurückhaltung des Sachverständigen beruhte allerdings darauf, dass die überwiegende Anzahl der Vergleichsschriften nur auf der Grundlage von Nichtoriginalen analysiert werden konnte. Gleichwohl hätte die systematische Vergleichsanalyse der Testamentsbeschriftungen eine Befundkonfiguration geliefert, die in allen realisierbaren grafischen Merkmalen Analogien aufweist. Dem Gutachten kann weiter entnommen werden, dass der Sachverständige die systematische Merkmalsvergleichung auf zahlreiche grafische Grundkomponenten, nämlich im Einzelnen Strichbeschaffenheit, Druckgebung, Bewegungsfluss, Bewegungsführung, Bewegungsrichtung, vertikale Ausdehnung, horizontale Ausdehnung und Flächengliederung erstreckt hat und im Einzelnen unter Benennung der Vergleichsschriftproben ausgeführt hat, dass zwar nicht alle Schrifteigentümlichkeiten beim Testament in völliger Ausprägung der Vergleichsschriftproben bestätigt werden konnten, jedoch keine Befunde zu erheben waren, die mit der Authentizitätshypothese nicht in Einklang gebracht werden konnten. Im Ergebnis konnte er anhand des Vergleichsmaterials feststellen, dass das Testament nebst Unterschrift von dem Erblasser herrührte. Wegen der weiteren Einzelheiten kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche und zutreffende Begründung des Amtsgerichts in seinem Beschluss verwiesen werden. Die Bewertung des Sachverständigen stellen die Beteiligten zu 1 und 2 gar nicht in Frage. Vielmehr mutmaßt insbesondere der Beteiligte zu 1, dass die Beteiligte zu 3 das Testament nebst Unterschrift selbst gefertigt habe. Dabei handelt es sich lediglich um eine nicht weiter objektivierbare Spekulation, zumal er seine Zweifel nicht weiter begründet. Allein der von dem Beteiligten zu 1 pauschal vorgetragene Umstand, dass die Beteiligte zu 3 für den Erblasser Schreibarbeiten erledigt habe, reicht insofern nicht aus. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass bei dem handschriftlichen Testament keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dies gefälscht worden ist. Es ist zudem fernliegend, dass in dieser Konsequenz die Beteiligte zu 3 sämtliche Vergleichsproben ebenfalls angefertigt hätte. Dagegen spricht schon die anwaltliche Versicherung der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 3, wie das Amtsgericht zutreffend hervorgehoben hat. Insofern hat das Amtsgericht zu Recht von der Anforderung einer Handschriftprobe der Beteiligten zu 3 zum Zwecke des Vergleichs abgesehen. Angesichts dessen vermittelt die vom Sachverständigen festgestellte Wahrscheinlichkeit einen brauchbaren Grad von Gewissheit der Urheberschaft des Erblassers.
Es sind auch keine weiteren Umstände erkennbar, die der Bewertung des Sachverständigen entgegenstehen könnten. Dies gilt insbesondere für die vermeintlichen Äußerungen des Erblassers in Bezug auf die Beteiligte zu 3. Insofern kann auf die Ausführungen des Nachlassgerichts verwiesen werden.
Insofern kommt auch nicht die Einholung oder Erhebung weiterer Beweise in Betracht. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben insoweit nichts vorgetragen, was einer Erhebung weiterer Beweismittel zugänglich sein könnte. Es bliebe also nur, die Einholung eines weiteren Gutachtens in Betracht zu ziehen. Dieser Weg ist aber nur eröffnet, wenn etwas dafür ersichtlich wäre, dass das vorliegende Gutachten ungenügend wäre oder Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen aufgekommen wären (§§ 30 FamFG, 412 ZPO; vgl. nur BGH NJW 1970, 946). Hierfür ist genauso wenig ersichtlich wie für ein Erfordernis, die Frage zu beantworten, aufgrund welcher Anhaltspunkte man zur Feststellung der Echtheit oder zur Feststellung des gegenteiligen Ergebnisses, der Wahrscheinlichkeit einer Fälschung, gelangen könnte.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 1 und 2 zu tragen. Sie haben der Beteiligten zu 3 auch die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 84 Abs. 1 FamFG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nach § 70 Abs. 1 und 2 FamFG nicht vor.