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Anhörungsrüge, Ablehnung wegen Befangenheit


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg Der 12. Senat Entscheidungsdatum 18.03.2025
Aktenzeichen 12 RL 1/25 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2025:0318.12RL1.25.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen 54;152a VwGO, 42 ZPO

Leitsatz

Die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit kann auch im Anhörungsrügeverfahren zulässig sein.

Tenor

Richter am Oberverwaltungsgerichtt_____ ist wegen Besorgnis der Befangenheit von der weiteren Mitwirkung im Verfahren OVG 12 RL 1/25 ausgeschlossen.

Gründe

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin vom 8. März 2025 ist zulässig (1) und begründet (2).

  1. Die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO ist auch im Anhörungsrügeverfahren gemäß § 152a VwGO zulässig (so zutreffend Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 152a Rn. 19; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 152a Rn. 10; Wysk, in: ders., VwGO, 4. Aufl. 2025, § 54 Rn. 27 für den Fall, dass sich - wie hier - erst im Anhörungsrügeverfahren ein Ablehnungsgrund zeigt; wohl auch Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 152a Rn. 38; a. A. OVG TH, Beschluss vom 9. November 2020 - 3 EN 750/20 -juris Rn. 1; VGH BW, Beschluss vom 8. Juni 2016 - 1 S 783/16 - juris Rn. 3 ff., und Bay. VGH, Beschluss vom 7. November 2016 - 10 BV 962/16 - juris Rn. 6 ff., jeweils m.w.N.). Daran ändert nach Auffassung des Senats nichts, dass die Anhörungsrüge die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung unberührt lässt.

    Denn das Recht auf den gesetzlichen Richter in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet, dass der Rechtssuchende stets vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteiisch ist sowie die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet. Die §§ 41 ff. ZPO (i. V. m. § 54 VwGO) enthalten insoweit keine zeitliche Beschränkung. Ihr Zweck ist darauf gerichtet, eine Entscheidung unter Mitwirkung eines voreingenommenen Richters zu verhindern; sie gelten daher bis zum vollständigen Abschluss der Instanz für alle Verfahrensabschnitte, in denen eine Ausübung des Richteramts in Betracht kommt. Eine gerichtliche Entscheidung ist unabhängig von ihrem Ausgang auch diejenige über die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO. Daher ist es sachgerecht, den ein Ablehnungsrecht ausschließenden Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nicht ausnahmslos an die Rechtskraft, sondern daran zu knüpfen, ob eine richterliche Tätigkeit inmitten steht, welche sich noch auf den Aus- oder Fortgang des Verfahrens auswirken kann (vgl. hierzu - und zu den weiteren möglichen negativen Konsequenzen einer Anknüpfung allein an die Rechtskraft einer Entscheidung - zutreffend BVerwG, Beschluss vom 29. November 2018 - 9 B 26.18 - juris Rn. 3 ff., welches die Rechtsfrage der Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs im Anhörungsrügeverfahren jedoch im Ergebnis offenlassen konnte).

    Nichts anderes folgt daraus, dass die Zulässigkeit des Ausschlusses bzw. der Ablehnung eines Richters im Anhörungsrügeverfahren zur Folge haben kann, dass das Gericht in einer anderen personellen Zusammensetzung über die Anhörungsrüge entscheidet als es über die ihr vorausgegangene Entscheidung befunden hat. Aufgrund des Verzichts auf eine dem § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO vergleichbare Regelung in § 152a VwGO hat der Spruchkörper ohnehin jeweils in der aktuellen geschäftsplanmäßigen Zusammensetzung über die Anhörungsrüge zu entscheiden, auch wenn sie von derjenigen bei der vorausgegangenen Entscheidung abweicht (vgl. statt Aller Kuhlmann/Wysk, in: Wysk, VwGO, 5. Aufl. 2025, § 152a Rn. 15 m. w. N. zur Rspr. des BVerwG).

  2. Nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO kann eine Richterin oder ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen ihre oder seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Würdigung aller Umstände begründete Zweifel erwecken kann, die Richterin oder der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht (mehr) unvoreingenommen gegenüber. Die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit verlangt mithin nicht, dass die Richterin oder der Richter tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2009 - 1 BvR 182/09 -, juris Rn. 13, BVerwG, Beschluss vom 11. September 2018 - 9 A 2.18 -, juris Rn. 5; OVG BE-BB, Beschluss vom 3. September 2019 - OVG 10 S 43.19 -, juris Rn. 1).

    Nach diesen Maßstäben liegt hier ein Ablehnungsgrund vor. Der abgelehnte Richter ist ausweislich seiner dienstlichen Äußerung vom 24. Februar 2025 der Ehemann von K_____. Diese war als R_____ sowohl im Verwaltungsverfahren (vgl. Widerspruchsbescheid i_____ vom 23. Juli 2021, GAp Bl. 68) als auch im anschließenden Klageverfahren VG 2 K 350/22 (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 23. Januar 2023, GAp Bl. 119) in maßgeblicher Funktion mit den hier streitgegenständlichen Auskunftsanträgen der Klägerin nach dem Informationsfreiheitsgesetz befasst. Diese Nähebeziehung führt zwar nicht zum Ausschluss des abgelehnten Richters nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 41 Nr. 2 ZPO, ist aber geeignet, vom Standpunkt der Klägerin aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Richters aufkommen zu lassen (vgl. die entsprechende Fallgruppe bei Heinrich, in: Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 42 Rn. 15). Die begründete Besorgnis der Befangenheit entfällt nicht dadurch, dass die Ehefrau des abgelehnten Richters seit Mitte 2023 nicht mehr im O_____ tätig ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).