Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 11 U 143/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 11. Zivilsenat Entscheidungsdatum 15.05.2025
Aktenzeichen 11 U 143/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0515.11U143.24.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 19. Juni 2024, das mit dem Beschluss vom 2. Juli 2024 berichtigt worden ist, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 42.746,23 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt eine Leistung aus einer Fahrzeugkaskoversicherung nach einem Unfall des versicherten Pkw.

Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten für ihren Pkw Audi S5 TDI qattro - … - eine Fahrzeugversicherung (Nr. …) mit Vollkaskoschutz. Wegen der Einzelheiten des Versicherungsvertrages und der Versicherungsbedingungen wird auf die Anlage BLD 1 verwiesen.

Am 2. Januar 2022 kam der Pkw während der Fahrt in … (Ort01) auf der … (Straße01) von der Fahrbahn ab. Bei der Fahrt durch den Seitenstreifen überfuhr es die Schachtabdeckung eines Kanals. Der stählerne Deckel wurde herausgeschleudert. Der Betonring, in dem der Deckel lag, zerbrach in mehrere Stücke. In die Grasnarbe des Seitenstreifens gerieten tiefe Reifenspuren. An dem Fahrzeug brach ein Scheinwerfer heraus; im Radkasten rissen Teile ab. Durch den Anstoß an einen Gegenstand schlug die Ölwanne des Motors leck. Auf die von Polizeibeamten aufgenommenen Beschreibungen und Lichtbilder, die den Unfallort und das Fahrzeug betreffen, wird verwiesen (Anlagen BLD 2 und 3).

Das Fahrzeug wurde ohne Wartezeit an der Unfallstelle in die … (Straße02) in … (Ort01) gefahren und dort auf dem Parkplatz eines Lokals abgestellt. Der Geschäftsführer der Klägerin begab sich in das Lokal, fragte dort erfolglos nach Hilfe und ging dann zu Fuß zu seiner ungefähr 5,5 km entfernten Wohnung. Von dort kehrte er zum Abstellort zurück; ein Nachbar fuhr ihn dorthin. Inzwischen anwesende Polizeibeamte testeten bei dem Geschäftsführer die Atemalkoholkonzentration; der Test ergab keine Alkoholisierung.

Die Klägerin hat von der Beklagten den Ersatz der Reparaturkosten und einer Wertminderung - zusammen 42.746,23 Euro - verlangt sowie Zinsen und vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten. Sie hat behauptet, ihr Geschäftsführer habe den Pkw bei dem Unfall gefahren. Er habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren, weil ein Tier in den Fahrweg gelaufen sei. Er habe bei der Fahrt neben der Fahrbahn Beschädigungen am Fahrzeug oder von Sachen außerhalb des Fahrzeugs nicht bemerkt. Auf Beschädigungen hindeutende Geräusche habe er nicht gehört. Der Geschäftsführer habe nicht angenommen, fremde Sachen beschädigt oder andere gefährdet zu haben. Er habe seine Fahrt nach Hause fortsetzen wollen und erst unterbrochen, als die Warnlampe zu niedrigen Öldruck angezeigt habe. Da er kein Telefon bei sich gehabt habe und die Mitarbeiter im Lokal ihm nicht geholfen hätten, habe er nach Hause gehen müssen. Die Beschädigungen des Fahrzeugs seien ihm erst im Gespräch mit den Polizeibeamten nach der Rückkehr an den Abstellort aufgefallen.

Die Beklagte hat gemeint, sie müsse nicht leisten, weil die Klägerin, nämlich ihr Geschäftsführer als Repräsentant, gegen Aufklärungsobliegenheiten verstoßen habe. Der Fahrer habe sich unerlaubt vom Unfallort entfernt. Die Beklagte hat dieses Verhalten für arglistig gehalten. Der Geschäftsführer habe bemerkt, den Seitenstreifen und die Schachtabdeckung und das Fahrzeug selbst beschädigt zu haben. Durch das unerlaubte Entfernen seien Feststellungen mit Hilfe Dritten, die sich in der Nähe des Unfallortes aufgehalten oder kurz nach dem Unfall hätten hinzukommen können, nicht möglich gewesen, so dass unklar geblieben sei, ob der Geschäftsführer oder eine andere Person das Fahrzeug bei dem Unfall geführt habe und ob der Fahrer fahrtüchtig oder alkohol- oder rauschmittelbedingt eingeschränkt fahrtüchtig gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte müsse wegen Verstoßes gegen die Aufklärungsobliegenheit nicht leisten. Der Geschäftsführer der Klägerin habe den Unfall und die Beschädigung der Schachtabdeckung bemerkt. Die Klägerin sei dem Vortrag der Beklagten nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten, die Bilder der Schäden drängten die Annahme auf, das Geschehen können nicht unbemerkt geblieben sein. Der Geschäftsführer habe in Kauf genommen, dass die Feststellungen der Beklagten durch das Entfernen vom Unfallort erschwert würden. Dadurch habe er sich arglistig verhalten.

Mit ihrer Berufung wiederholt die Klägerin ihre Auffassung, ihr Geschäftsführer habe sich nicht falsch verhalten; jedenfalls habe sich sein Verhalten nicht auf die Feststellungen zum Umfang der Versicherungsleistung ausgewirkt. Der Geschäftsführer sei selbst gefahren. Er sei uneingeschränkt fahrtüchtig gewesen. Er habe vom Anstoß an dem Schachtdeckel und von den Beschädigungen des Fahrzeugs nichts bemerkt. Ein Sachverständigengutachten könne das bestätigen. Das Landgericht habe unrichtig jedes unerlaubte Entfernen vom Unfallort für arglistig gehalten. Der Geschäftsführer habe nichts falsch angegeben und nichts verschwiegen, verdeckt oder verdunkelt. Er habe sich gegenüber den Mitarbeitern des Lokals offenbart und danach den Polizeibeamten alle erforderlichen Feststellungen ermöglicht. Wenn er bei dem Fahrzeug geblieben wäre, hätte nichts besser oder schneller festgestellt werden können.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 19.06.2024 verkündeten Urteil des LG Frankfurt/O. - 15 O 70/23 - die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.746,23 € nebst Zinsen von 4 % hieraus vom 06.02.2022 bis zur Rechtshängigkeit, von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.514,95 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise die Klägerin von letzteren freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Dazu verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 20. März 2025 (Bl. 50 ff.). Mit ihrer Entgegnung (Schrs. v. 22. April 2025, Bl. 54 ff.) hat die Klägerin nicht von einer ihr günstigeren Beurteilung überzeugen können. Die Klägerin verweist darauf, eine Zeugin könne bestätigen, dass der Geschäftsführer vor Fahrtantritt uneingeschränkt fahrtüchtig gewesen und selbst gefahren sei. Damit zeigt sie, dass ihr Geschäftsführer die maßgeblichen Feststellungen erschwert hat, indem er vereitelt hat, am Unfallort und zur Zeit des Unfalls festzustellen, wer in welchem Zustand das Fahrzeug lenkte. Die benannte Zeugin kann nicht bekunden, was geschehen ist, nachdem der Geschäftsführer bei ihr abfuhr. Dass Feststellungen zur Fahrtüchtigkeit und zu den Einzelheiten des Unfallgeschehens von hoher Bedeutung für die Leistungspflicht des Versicherers sein müssen, musste sich dem Geschäftsführer der Klägerin - wie jedem - aufdrängen: Das Abkommen von einer befestigten, trocknen Fahrbahn spricht stets für die Möglichkeit grober Fahrfehler, mangelhafter Aufmerksamkeit und eingeschränkten Bewusstseins des Fahrers.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO, die Wertfestsetzung auf den §§ 63 II, 47 I 1 GKG.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 ZPO. Eine besondere Anordnung über die „Bankbürgschaft einer EU-Bank“ (Ber.begr., S. 2 = Bl. 22) ist angesichts des § 53 b KWG entbehrlich.