Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 1. Senat | Entscheidungsdatum | 08.06.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 1 B 31.08 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | Art 49 AEUV, Art 56 AEUV, Art 12 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 161 Abs 2 VwGO, § 11 VwVG, § 13 Abs 6 S 2 VwVG, § 284 StGB, § 4 Abs 1 GlüStVtr BE, § 4 Abs 4 GlüStVtr BE, § 5 GlüStVtr BE, § 10 Abs 2 GlüStVtr BE, § 5 GlSpielWStVtrAG BE |
1. Die Androhung eines Zwangsgeldes "für jeden Verstoß" gegen eine Untersagungsverfügung ist als sog. Vorratsandrohung unzulässig (Anschluss an BVerwG, GB v. 26. Juni 1997 - 1 A 10.95 -).
2. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer umfassend ausgesprochenen und in die Zukunft wirkenden Untersagung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten (Dauerverwaltungsakt) ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung maßgebend.
3. Die Vermittlung des Wettangebots eines ausländischen Anbieters, das ausschließlich im Internet vertrieben wird, verstößt gegen das Internet-Verbot des Glücksspielstaatsvertrages. Sie ist verboten, nicht erlaubnisfähig und strafbar.
4. Das Internet-Verbot ist unions- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und gilt unabhängig vom staatlichen Veranstaltungsmonopol für jedermann; es wird durch den Erlaubnisvorbehalt und den Straftatbestand des verbotenen Glücksspiels gesichert.
5. Ist die Unterlassungspflicht bezüglich der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten unabhängig von der konkreten Betätigung des Pflichtigen und deren Gefahren mit dem Ausschluss Privater begründet, hängt ihre Rechtmäßigkeit von der Vereinbarkeit des staatlichen Veranstaltungsmonopols mit höherrangigem Recht, auch hinsichtlich der tatsächlichen Anwendung des einfachen Rechts, ab.
6. Eine konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit, die auch bei zulässiger Betätigung privater Anbieter und Vermittler verboten, nicht erlaubnisfähig und strafbar ist und deshalb ohne Entscheidungsspielraum der zuständigen Behörden bei Aufhebung einer umfassenden, auf den Schutz des staatlichen Veranstaltungsmonopols gestützten Untersagungsverfügung sogleich erneut verboten werden müsste, lässt einen sonst ggf. durch die Unzulässigkeit des Veranstaltungsmonopols begründeten Aufhebungsanspruch des Pflichtigen entfallen.
7. Ob das staatliche Veranstaltungsmonopol für öffentliche Glücksspiele mit höher-rangigem Recht vereinbar ist, ist eine offene Frage. Ihre Beantwortung hängt wesentlich davon ab, dass der Staat die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages wirklich verfolgt und auf die Einhaltung der Beschränkungen des staatlichen Glücksspielangebots achtet, keine Expansionspolitik betrieben wird und die Einnahmeerzielung nur eine Nebenfolge bleibt. Dafür ist die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des gesamten Glücksspielsektors unter Berücksichtigung der von den einzelnen Glücksspielarten drohenden Suchtgefahren zu betrachten. Wesentlicher Indikator ist das Werbeverhalten der staatlichen Anbieter in den Bundesländern.
8. Ob die Hörfunkwerbung für Jackpot-Ausspielungen im Lotto "6 aus 49" den An-forderungen an nach dem Glücksspielstaatsvertrag zulässige Werbung genügt, hängt davon ab, welche Wirkung die Ausstrahlung der Werbespots ("Hörerlebnis") auf den durchschnittlichen, nicht zur Teilnahme an der Lotterie Entschlossenen Zuhörer hat.
1. Das Verfahren wird eingestellt.
2. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. September 2008 wird für wirkungslos erklärt.
3. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge werden gegen-einander aufgehoben.
4. Der Streitwert wird auf 25.000 Euro festgesetzt.
Das Verfahren ist durch die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt und war daher entsprechend §§ 125 Abs 1 i.V.m. 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Das erstinstanzlich ergangene Urteil war für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
Über die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entsprach insoweit die aus der Entscheidungsformel ersichtliche Kostenaufhebung, nach der die Kläger und der Beklagte die Gerichtskosten je zur Hälfte tragen und die außergerichtlichen Kosten jeder selbst trägt.
Diese Kostenverteilung berücksichtigt den Sach- und Streitstand bei Eintritt der Hauptsachenerledigung mit der Erwägung, dass das Risiko, mit voller Kostenlast im Berufungsverfahren zu unterliegen, nach dem zugrunde zu legenden Erkenntnisstand beide Seiten in gleicher Weise traf. Auf Klägerseite geht darin ein, dass der Kläger zu 3) bei Auslegung der angefochtenen Bescheide aus der Sicht eines verständigen Empfängers durch die Untersagungsverfügung nicht persönlich, sondern nur als Organ der Klägerin zu 1) betroffen war und deshalb mangels persönlicher Betroffenheit nicht klagebefugt war; seine Klage hätte schon deshalb als unzulässig abgewiesen werden müssen. Zu Lasten des Beklagten ist berücksichtigt, dass die Anfechtungsklage im Übrigen jedenfalls insoweit begründet war, als die Zwangsmittelandrohung „für jeden Verstoß“ die Festsetzung des Zwangsgeldes vorsah, denn eine solche „Vorratsandrohung“ widerspricht § 5a BlnVwVfG i.V.m. 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG und kann mangels ausreichender Bestimmtheit auch nicht in dem Sinne aufrechterhalten werden, dass sie bei Verstößen gegen die Unterlassungspflicht jedenfalls eine Zwangsgeldfestsetzung ermöglicht (vgl. zur bundesrechtlichen Anwendung des VwVG: BVerwG, Gerichtsbescheid vom 26. Juni 1997 – 1 A 10.95 – NVwZ 1998, 393).
Für die Bewertung des Kostenrisikos des Anfechtungsbegehrens gilt im Einzelnen:
1. Ausgehend davon, dass für die rechtliche Beurteilung der hier umfassend ausgesprochenen und – wenngleich mit der Einschränkung der Erteilung einer behördlichen Genehmigung – in die Zukunft wirkenden Untersagung der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung maßgebend ist, richtet sich die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung nach den Bestimmungen des Landesgesetzes über das öffentliche Glücksspiel vom 15. Dezember 2007 (GVBl. S. 604), insbesondere der Anlage zu Art. I § 1 Abs. 2, dem Glücksspielstaatsvertrag – GlüStV -, und dem in Art. II enthaltenen, dazu erlassenen Ausführungsgesetz – AG GlüStV -. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts richtet sich nach dem jeweiligen materiellen Recht. Enthält dieses insoweit keine Regelung, gilt für Anfechtungsklagen im Zweifel die Regel, dass bei Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend ist, bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung hingegen auch spätere Veränderungen der Sach- und Rechtslage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung des Tatsachengerichts zu berücksichtigen sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. März 2004 – 3 C 16.03 - NVwZ 2005, 87; vom 21. August 2003 – 3 C 15.03 - NJW 2004, 698; vom 22. Januar 1998 – 3 C 6.97 - BVerwGE 106, 141; und vom 27. Januar 1993 – 11 C 35.92 - BVerwGE 92, 32; Senatsurteil vom 26. Februar 2008 – 1 B 35.05 – juris Rn. 19). Der Glücksspielstaatsvertrag regelt nicht, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Untersagungsverfügungen abzustellen ist. Weil die Untersagungsverfügung einen Dauerverwaltungsakt darstellt, ist folglich nach allgemeinen Grundsätzen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hier der Erledigung der Hauptsache durch übereinstimmende Erklärungen, abzustellen (ständige Senatsrechtsprechung in Sportwett-Untersagungsfällen seit Beschluss vom 27. November 2008 – 1 S 81.08 – juris). Der GlüStV enthält insoweit die gegenüber der allgemeinen ordnungsrechtlichen Generalklausel spezielleren Ermächtigungsgrundlagen.
2. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Nr. 3 GlüStV kann die zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen treffen, damit unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben; sie kann insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagen. Es unterliegt auch keinem Zweifel, dass die konkrete frühere Betätigung der Kläger, die den Anlass für den Erlass der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung gab, gemessen an den Bestimmungen des GlüStV nicht nur wegen des Tätigwerdens eines privaten Vermittlers und der Vermittlung eines gewerblichen Angebots eines privaten Wettveranstalters mangels Vermittlungserlaubnis unerlaubt war, sondern dass sie als solche verboten und nicht erlaubnisfähig ist. Denn die Klägerseite, die die fragliche Tätigkeit in Befolgung der Untersagungsverfügung eingestellt hat, vermittelte ein Wettangebot eines in Malta ansässigen Veranstalters, das ausschließlich im Internet vertrieben wurde und auf dessen Gestaltung sie nach dem vorliegenden Vermittlungsvertrag mit dem Wettveranstalter keinen Einfluss hatte. Denn die Lizenz des maltesischen Wettanbieters („Class II Remote Gaming Licence“) gestattet nur Abschlüsse im „Cyberspace“ (vgl. Schreiben der maltesischen Lotteries and Gaming Authority vom 15. August 2006 an den Vorstandsvorsitzenden von C... [Malta] Ltd.). Eine solche Wettveranstaltung verstößt gegen das Internetverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV und ist in Berlin – und sonst im Geltungsbereich des GlüStV - verboten. Es kann deshalb auch nicht zulässiger Gegenstand einer Vermittlung in hiesigen privaten Wettbüros sein, selbst wenn diese nicht in der Weise erfolgen sollte, dass der Spieler die Wetten über ein Wettterminal aussucht und bucht, was als unmittelbares Wetten im Internet anzusehen wäre, auch wenn der Bezahlungsvorgang körperlich im Wettbüro erfolgen sollte. Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht, es liege ein bloßes Weitergeben des Wettangebots über Online-Standleitungen vor, folgt der Senat nicht. Sie verkürzt die Betrachtung auf einen Teil des technischen Vorgangs und übersieht, dass die Wetten von C... (Malta) Ltd. – soweit ersichtlich - ausschließlich im Internet angeboten werden und die Vermittlung einer vom Vermittler ggf. terrestrisch angenommenen Wette nur erfolgen kann, wenn sie gleichsam in Bits und Bytes umgesetzt wird. Hiervon ausgehend bestehen keine Zweifel daran, dass die frühere Betätigung der Klägerseite aktuell als unerlaubt, verboten, nicht erlaubnisfähig und auch strafbar nach § 284 StGB anzusehen wäre (vgl. auch KG, Urteil vom 2. Februar 2011 – (4) 1 Ss 371/10 (234/10) -). Das Internetverbot in § 4 Abs. 4 GlüStV ist sowohl verfassungsrechtlich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 1 BvR 928/08 – BVerfGK 14, 328, Rn. 40, 48 u. 58 f.) als auch unionsrechtlich (EuGH, Urteile vom 8. September 2009 – Rs. C-42/07 Liga Portuguesa – Rn. 69 ff., vom 3. Juni 2010 – Rs. C-203/08 Sporting Exchange – Rn. 33 ff., und vom 8. September 2010 – Rs. C-46/08 Carmen Media – Rn. 101 ff.) nicht zu beanstanden; es ist, wie bereits die Auslegung einfachen Rechts ergibt, keine das staatliche Veranstaltungsmonopol lediglich flankierende Maßnahme, sondern gilt für alle Veranstalter und Vermittler der vom GlüStV erfassten öffentlichen Glücksspiele (vgl. nach dem Inhalt der bislang allein vorliegenden Presseerklärung: BVerwG, Urteil vom 1. Juni 2011 – 8 C 5.10 -). Soweit es reicht, sind auch der – nach dem GlüStV allgemein geltende - Erlaubnisvorbehalt nach § 4 Abs. 1 GlüStV und die akzessorische Strafnorm des § 284 StGB im Hinblick auf die von ihnen ausgehende Beschränkung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der unionsrechtlichen Grundfreiheiten betreffend Niederlassung und Dienstleistungen (Art. 49 und 56 AEUV) nicht zu beanstanden und anzuwenden (so bereits im Zusammenhang mit dem Trennungsgebot des § 21 Abs. 2 Satz 1 GlüStV: BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 – 8 C 13.09 – Rn. 77).
3. | Die Untersagungsverfügung des Beklagten ist jedoch nicht auf ein Verbot in dem vorbeschriebenen Sinne der Vermittlung über einen verbotenen Vertriebskanal angebotener Sportwetten beschränkt, sondern knüpft – aus der Sicht im Zeitpunkt ihres Erlasses verständlich und nachvollziehbar – schlichtweg daran an, dass die Veranstaltung von Oddset-Wetten nach wie vor der Geltung des GlüStV dem staatlichen Veranstalter vorbehalten wird. Sie ist deshalb umfassend formuliert und soll jegliche Betätigung Privater auf diesem Glücksspielsektor und die Werbung dafür ausschließen, wenngleich vom Senat nicht verkannt wird, dass die Ordnungsverfügung ausführlich und auch unter Hinweis auf die vielfältigen, mit unerlaubtem Glücksspiel verbundenen Gefahren unter Bezeichnung auch derjenigen Schutzgüter und Gemeinwohlbelange, die mit dem Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV verfolgt werden, begründet wurde. |
a) Die damit begründete Unterlassungspflicht geht aber über die vom Kläger seinerzeit ausgeübte und – wie ausgeführt - aktuell formell und materiell illegale Betätigung hinaus. Sie beruht nicht nur auf der Erwägung, entsprechende Betätigungen wegen der damit verbundenen spezifischen Gefahren zu unterbinden, sondern schlichtweg darauf, dass die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten durch private Anbieter als Folge des staatlichen Veranstaltungsmonopols nicht vorgesehen ist.
b) Die umfassende Rechtmäßigkeit einer solchen Verfügung ist daran zu messen, ob das staatliche Veranstaltungsmonopol mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Verfassungs- und Unionsrecht vereinbar ist. Denn der Beklagte hat die Unterlassungspflicht nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages und auch später nicht auf das nach den vorstehend gemachten Ausführungen rechtmäßige Ausmaß beschränkt, sondern verfolgt seinen Standpunkt, dass das staatliche Veranstaltungsmonopol rechtmäßig ist und die einschlägige Rechtsgrundlage dazu ermächtigt, private Anbieter und die Vermittler privater Angebote auszuschließen.
c) Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob der Senat – unterstellt das Veranstaltungsmonopol wäre mit höherrangigem Recht nicht vereinbar - die dann aktuell jedenfalls hinsichtlich eines umfassenden Verbots rechtswidrige Verfügung auch umfassend aufzuheben hätte. Nach § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hebt das Berufungsgericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid (nur) auf, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Von einer Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung durch die hier streitbefangene Unterlassungspflicht kann indes nur ausgegangen werden, wenn die von den Klägern früher ausgeübte, den Anlass für die Untersagung gebende Betätigung infolge etwaiger Unzulässigkeit des konkreten staatlichen Veranstaltungsmonopols ohne jede Reglementierung zulässig wäre. Das ist nach dem GlüStV jedoch nicht der Fall. Jeder Anbieter von Sportwetten muss nämlich bestimmte gesetzliche Anforderungen an Art und Zuschnitt der Sportwetten und an die Art und Weise des Vertriebs beachten; für gewerbliche Vermittler gilt neben besonderen persönlichen Anforderungen, insbesondere der Zuverlässigkeit, dass die Erlaubnisfähigkeit der Vermittlung davon abhängt, dass auch der jeweilige Anbieter, dem vermittelt werden soll, die zuvor beschriebenen zwingenden gesetzlichen Anforderungen beachtet. Da insoweit der Erlaubnisvorbehalt und seine bundesrechtliche Strafbewehrung umfassend eingreifen, spricht viel dafür, dass die Kläger eine Aufhebung der streitbefangenen Ordnungsverfügung nicht verlangen konnten, soweit sich die von ihnen ausgeübte Betätigung nach der inzwischen geltenden Rechtslage als rechtswidrig und strafbar darstellt. Dabei handelt es sich nicht um eine Problematik des Nachschiebens von Ermessenserwägungen im Sinne des § 114 VwGO oder gar von (neuen) Gründen, sondern um eine Auswirkung der im Klageverfahren zu berücksichtigenden geänderten Rechtslage, die – soweit es um materiell illegales und strafbewehrtes Verhalten geht – wegen der auf dem Spiel stehenden Belange des Gemeinwohls das Untersagungsermessen des Beklagten auf „null“ reduzieren dürfte (vgl. hierzu bei Verstößen gegen das Trennungsgebot gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 GlüStV: BVerwG, Urteil vom 24. November 2010 – 8 C 13.09 – Rn. 88). Es drängt sich auf, dass in solchen Fällen dem Kassationsanspruch der Arglisteinwand entgegengehalten werden kann, denn der Kläger begehrt damit die Aufhebung eines Verwaltungsakts in einem Umfang, in dem ihn der Beklagte sogleich erneut erlassen müsste. Das setzt dem Individualrechtsschutz Grenzen, ohne dass es auf die Frage entscheidend ankommt, ob und inwieweit die streitbefangene Ordnungsverfügung umdeutungsfähig ist und der Umdeutung bedarf. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet keine andere Betrachtung: Ein – wiederum unterstellt das staatliche Veranstaltungsmonopol sei in der bisherigen Ausgestaltung nicht mit höherrangigem Recht vereinbar – ursprünglich gegebener Aufhebungsanspruch kann auch durch darüber hinaus zu berücksichtigende Änderungen der Rechtslage ganz oder teilweise entfallen; ein Kläger, der dies – und sei es auf gerichtlichen Hinweis - erkennen muss, kann das Verfahren im Hinblick auf die für ihn ungünstige Änderung der Rechtslage für erledigt erklären, um einer sonst drohenden Kostenlast zu entgehen. Dieser Gesichtspunkt kann es rechtfertigen, dem Beklagten die Kostenlast zu überbürden. Beschränkt ein Kläger seine Klage in Anbetracht einer solchen Situation hingegen nicht, rechtfertigt dies wiederum seine Beteiligung an der Kostenlast.
d) Die Beteiligung des Beklagten an der Kostenlast rechtfertigt sich hier jedoch – von der eingangs erwähnten Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung abgesehen – durch die offenen Erfolgsaussichten. Denn es ist nach den Anforderungen, die einerseits der Gerichtshof der Europäischen Union und andererseits das Bundesverwaltungsgericht an die Vereinbarkeit des - in § 10 Abs. 2 GlüStV und § 5 AGGlüStV landesrechtlich verorteten – staatlichen Veranstaltungsmonopols und die es flankierenden Regelungen stellen, aus der Sicht des Senats eine noch offene Frage, ob die tatsächliche Ausgestaltung des Veranstaltungsmonopols dem Grundrecht der Berufsfreiheit und der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit genügt. Bezüglich Letzterer muss sich die Kohärenzprüfung darauf erstrecken, ob die gesetzliche Regelung oder die Anwendungspraxis in anderen – auch bundesrechtlich geregelten - Glücksspielbereichen, insbesondere solchen mit vergleichbarem oder höherem Suchtpotential, die Verbraucher zur Teilnahme am Glücksspiel ermuntert oder anreizt, oder ob sie in anderer Weise – insbesondere aus fiskalischen Interessen – auf eine Expansion gerichtet ist oder diese duldet, wobei es an einem Beitrag zur systematischen und kohärenten Begrenzung der Spiel- und Wetttätigkeit schon dann fehlt, wenn die legitimen Zwecke des Sportwettenmonopols in anderen Glücksspielbereichen normativ oder durch die Praxis der Rechtsanwendung konterkariert werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 – 8 C 14.09 und 15.09 – Rn. 80 ff.). Bezüglich der Beachtung der die Werbung des Monopolanbieters beschränkenden Werbevorschriften des GlüStV wird unter Beachtung deren verfassungskonformer Auslegung – räumlich umfassend für Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union - zu klären sein, inwieweit eine danach unzulässige Werbung seit dem 1. Januar 2008 tatsächlich betrieben und von den Überwachungsbehörden ggf. nicht konsequent verfolgt und unterbunden worden ist. Die vom Senat bereits punktuell betriebene Aufklärung hinsichtlich der Jackpot-Werbung im Berliner Hörfunk, die ausweislich der vorgelegten Unterlagen mit Billigung der zuständigen Aufsichtsbehörde erfolgt ist, lässt derzeit eine abschließende Beantwortung der Frage nicht zu. Zwar deutet die Schaltung von Werbespots im Hörfunk als eines an beliebige Zuhörer gerichteten Mediums, zumal im Zusammenhang mit einem bei einer Jackpot-Höhe von zwischen fünf und achtzehn Millionen Euro erkannten besonderen Informationsbedürfnis an den letzten Tagen vor Annahmeschluss, darauf hin, dass sie auf die Teilnahme noch nicht zum Wetten Entschlossener zielt und nicht lediglich eine Informations- und Erinnerungsfunktion für ohnehin oder potentiell zur Teilnahme am Zahlenlotto „6 aus 49“ entschlossene Spieler bezweckt. Der Gehalt des vorgelegten Storyboards der Hörfunkspots enthält allerdings nur die sachliche Information über Höhe des aktuellen Jackpots der auf die Ausstrahlung folgenden Ausspielung, wie er zur Erfüllung einer solchen Informations- und Erinnerungsfunktion notwendig ist; zudem enthält er auch einen Hinweis auf die außerordentlich geringe Gewinnwahrscheinlichkeit von etwa 1 zu 140 Millionen und klare Hinweise auf die Suchtgefahren und Möglichkeiten, ihnen zu begegnen. Für die erforderliche Bewertung, ob eine zum Mitspielen verleitende oder anreizende Werbebotschaft vorliegt, kommt es indessen nicht allein auf die Intention des die Ausstrahlung veranlassenden Monopolträgers, sondern auf den nach dem Horizont des durchschnittlichen Empfängers zu bestimmenden Aussagegehalt an. Das Bundesverwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass für diese Beurteilung nicht zwischen einer auf die sachliche Information beschränkten Werbebotschaft und einer darüber hinaus zulässigen werbetypischen Umrahmung oder Aufmachung unterschieden werden könne; die Botschaft oder der Aussagegehalt einer Werbung sei vielmehr nicht unabhängig vom Kontext der Aufmachung zu ermitteln, sondern werde durch diese mit bestimmt, so dass es entscheidend sei, wie die aus Text und Aufmachung zusammengesetzte Werbeaussage vom durchschnittlichen Empfänger verstanden werde (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. November 2010 – 8 C 14.09 und 15.09 – Rn. 49). Übertragen auf einen Hörfunkspot bedarf es für eine abschließende Bewertung deshalb auch des Hörerlebnisses, um beurteilen zu können, welchen Aussagegehalt ein durchschnittlicher Empfänger dem Spot zumisst und ob von dem Spot eine psychologische Wirkung ausgeht, die im Sinne einer Anreizfunktion zu verstehen ist, die über den Hinweis auf eine legale Möglichkeit, einen vorhandenen Entschluss zum Wetten umzusetzen, in unzulässiger Weise hinausgeht. Diese – möglicherweise bereits entscheidende - Beweisaufnahme kann im vorliegenden Verfahren nicht mehr erfolgen. Die abschließende Bewertung wird auch das Suchtpotential der beworbenen Glücksspielart in die Betrachtung einzubeziehen haben. In Anbetracht dessen, dass bei jeder Form von Werbung nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie auch nicht zum Spielen entschlossene Personen erreicht und von ihnen beachtet wird, dürfte es sich verbieten, von den konkreten Suchtgefahren unabhängige starre Maßstäbe dafür aufzustellen, ob die Werbung aus der Sicht des durchschnittlichen Empfängers zum Spielen verleitet oder lediglich auf die Spielmöglichkeit hinweist.
e) Da es allerdings auch den Klägern ersichtlich – jenseits von zusätzlichen Restriktionen des GlüStV bezüglich des Einsatzes des Internets für entsprechende Geschäftsmodelle – um die Klärung dieser offenen Frage ging und die Erledigungserklärung nicht durch zu berücksichtigende weitere Veränderungen der Rechtslage, sondern durch tatsächliche und rechtliche Veränderungen in der eigenen Sphäre motiviert ist, entspricht es billigem Ermessen, sie nach den oben genannten Grundsätzen in gleicher Weise an den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu beteiligen, soweit sie nicht ohnehin unterlegen wären.
Die Streitwertfestsetzung für die zweite Instanz beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 2 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).