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Entscheidung 2 U 10/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 2. Zivilsenat Entscheidungsdatum 14.10.2024
Aktenzeichen 2 U 10/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2024:1014.2U10.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26. März 2024 zum Aktenzeichen 12 O 101/23 teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.921,20 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die beklagte Stadt wendet sich gegen ihre Verurteilung zum hälftigen Ersatz von Schäden, die dem Kläger wegen Straßenschäden an seinem Auto entstanden sein sollen.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befuhr der Kläger am 1. Dezember 2022 mit seinem Auto gegen 7:05 Uhr die ... (Straße 01) in ... (Ort 01), eine unbefestigte Anliegerstraße aus Schotter und Sand. Durch Wettereinflüsse löst sich regelmäßig der Verbund und entstehen Löcher in der Fahrbahnoberfläche. Die Beklagte verfüllt diese etwa einmal im Jahr mit Sand. Der Weg mündet in die ... (Straße 02), die zumindest an dieser Stelle betoniert ist. Am Schadenstag befand sich am Übergang zur betonierten Fläche ein ca. 4 bis 5 m breites, in Teilen 15 cm tiefes, mit Wasser gefülltes Loch. Beim Durchfahren des Lochs setzte das klägerische Fahrzeug auf und wurde an der rechten vorderen Seite beschädigt. Die zu Kosten von 748,51 € gutachterlich geschätzten Nettoreparaturkosten betragen 2.593,88 €; auch nach Reparatur verbleibt ein Minderwert von 500 €.

Das Landgericht – Einzelrichterin – hat unter Annahme eines hälftigen Mitverschuldens des Klägers seiner Klage zur Hälfte dieser Beträge stattgegeben und die Klage im Übrigen, auch wegen der Umsatzsteuer auf die Reparaturkosten, abgewiesen. In seinem Urteil, auf das im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, heißt es zur Begründung: Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus Amtshaftung. Sein Fahrzeug sei am Schadenstag beim Durchfahren des Schlaglochs beschädigt worden. Das habe die Beweisaufnahme ergeben. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt. Sie sei verpflichtet gewesen, einen für den Benutzer hinreichend sicheren und gefahrlosen Zustand der Verkehrswege herbeizuführen und zu erhalten. Zwar seien die Sorgfaltsanforderungen auf wenig befahrenen Nebenstraßen wie hier grundsätzlich geringer. Die Anlieger können und müssen sich auf den ihnen ersichtlichen Straßenzustand und die hieraus folgenden Gefahren einstellen. All diese Umstände befreiten die Beklagte jedoch nicht vollständig von ihren Sorgfaltspflichten. Der hier betroffenen Nebenstraße komme eine höhere Bedeutung zu, da sie eine von nur zwei Straßen sei, über die Anwohner das Wohngebiet verlassen könnten, wobei die andere Straße wegen ihrer Enge eigene Gefahren durch beispielsweise Gegenverkehr berge. Am Übergang von der betonierten Fläche zur nur mit Sand und Schotter belegten der hier in Rede stehenden Straße bestehe durch Ausspülungen eine besonders hohe Gefahr einer scharfen, hohen Kante. Das Schlagloch habe Ausmaße angenommen, auf die sich auch ein ortskundiger Fahrer nicht hätte einstellen können. Das vorhandene Warnschild sei nur aus der anderen Fahrtrichtung zu sehen und habe ohnehin nicht genügt, da Fahrer ihre Fahrweise nicht auf die nicht abschätzbare Gefahr einstellen könnten. Ebenso wenig genügten jährliche Ausbesserungen mit Sand, der leicht weggespült werde; erforderlich seien eine dauerhaftere Verfüllung und bei starkem Regen Kontrollen und Ausbesserungen. Der Kläger müsse sich aber ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen, da er die Alternativroute hätte wählen können. Der Zustand seines Fahrzeugs begründe dagegen kein weiteres Mitverschulden. Es sei nicht festzustellen, dass es eine besonders geringe Bodenfreiheit aufweise; die Beklagte sei dem klägerischen Privatgutachten nicht substantiiert entgegengetreten. Die Nettoreparaturkosten, der Minderwert und die Gutachterkosten seien hälftig zu ersetzen, nicht aber auch die noch nicht angefallene Umsatzsteuer.

Das am 26. März 2024 verkündete Urteil ist der Beklagten am 28. März 2024 zugestellt worden. Sie hat am 22. April 2024 Berufung eingelegt und am 28. Mai 2024 auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. Juni 2024 angetragen, was ihr gewährt worden ist. Die Berufungsbegründung ist an diesem Tag eingegangen.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe ihr Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt durch zu hohe Anforderungen an ihren Vortrag zum Mitverschulden des Klägers wegen der Gestaltung des Fahrwerks seines Fahrzeugs. Gleiches gelte für ihren Vortrag zur fehlenden Notwendigkeit einer Vermessung des Fahrwerks im Rahmen der Reparatur. Die Beweiswürdigung zum vermeintlichen Unfallhergang sei unzureichend. Sie habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Dem Kläger sei der Zustand des Weges bekannt gewesen, ihm hätte ein Alternativweg zur Verfügung gestanden. Der Straßenzustand habe vor sich selbst gewarnt. Dass in der Pfütze eine Unebenheit war, sei offensichtlich gewesen. Eine Kontrolle nach jedem Regen sei ihr nicht zuzumuten. Eine Kontrolle am Vorabend hätte den Straßenzustand auch nicht aufdecken können. Der Kläger selbst habe angegeben, dass er die Straße am Vorabend ohne weiteres passieren habe können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder vom 26.03.2024, Aktenzeichen: 12 O 101/23, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Die Ausstattung des Fahrzeugs mit einem so genannten Sportfahrwerk sei wiederholt und ausreichend erörtert worden. Die Beklagte biete keinen Beweis für ihre dem Urteil widersprechenden Behauptungen zum erforderlichen Reparaturaufwand an. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Die so genannte Alternativstrecke sei unbefestigt, zu eng und insgesamt nicht zumutbar. Es träfe nicht zu, dass die Unebenheit am Vorabend noch nicht vorhanden gewesen sei. Der Kläger ergänzt: Die Stadt habe sich bereits im Jahr 2008 gegenüber den Voreigentümern des Grundstücks verpflichtet, die Straße in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen, dies aber noch immer nicht erfüllt.

II.

1.

Die ohne weiteres zulässige Berufung ist begründet. Dem Kläger steht aufgrund des Unfallereignisses vom 1. Dezember 2022 ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG und § 10 Abs. 1 BbgStrG als der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage nicht zu.

a)

Die Beklagte ist unstreitig als Gemeinde Straßenbaulastträger für die in Rede stehende Gemeindestraße, § 9a Abs. 1 Satz 3 BbgStrG, und also solche verpflichtet, die Straßen in einem den regelmäßigen Verkehrsbedürfnissen genügenden Zustand zu unterhalten, § 9 Abs. 1 Satz 2 BbgStrG, bzw. jedenfalls auf einen nicht verkehrssicheren Zustand vorbehaltlich anderweitiger Maßnahmen der Straßenverkehrsbehörden durch Verkehrszeichen oder Verkehrseinrichtungen hinzuweisen, § 9 Abs. 2 BbgStrG.

Der Inhalt der Straßenverkehrssicherungspflicht geht dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen – wie alle sonstigen einem Verkehr eröffneten Räume oder Sachen – möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Verkehrsflächen drohen (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1972 – III ZR 121/70, BGHZ 60, 54 = NJW 1973, 460). Das erfordert nicht, dass die Straße praktisch völlig gefahrlos sein muss. Das ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen und kann deshalb von dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht verlangt werden. Vielmehr muss sich auch der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss dagegen in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht erkennbar sind und auf die er sich nicht einzurichten vermag. Ob danach eine Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand ist, entscheidet sich im Einzelnen nach der allgemeinen Verkehrsauffassung. Art und Häufigkeit der Benutzung des Verkehrsweges und seine Bedeutung sind dabei zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2024 – 2 U 21/24 –, Rdnr. 4; Beschluss vom 4. Oktober 2022 – 2 U 23/22 –, Rdnr. 6, Urteil vom 17. Juli 2012 – 2 U 56/11, DAR 2012, 578 = BeckRS 2012, 15693; vgl. weiter bei Reinert/Kümper, in: Beck‘scher Online-Kommentar zum BGB, 71. Edition mit Stand 1. August 2024, § 839 BGB Rdnr. 70).

Hindernisse auf oder in der Fahrbahn sind grundsätzlich zu beseitigen, soweit sich aus ihnen Gefahren ergeben, die unvermutet sind und die Verkehrsteilnehmer nicht oder nicht ohne weiteres erkennen, und auf die sie sich nicht rechtzeitig einrichten können (BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 – III ZR 240/11 –, NVwZ-RR 2012, 831 = MDR 2012, 1088, Rdnr. 11). Das umfasst auch erhebliche Fahrbahnunebenheiten wie Schlaglöcher. Zwar muss jeder Kraftfahrer grundsätzlich mit Hindernissen auf der Fahrbahn rechnen und sich auf sie einstellen. Hierzu gehört es, das Sichtfahrgebot des § 3 StVO zu wahren, um Gefahrenstellen rechtzeitig zu erkennen und ihnen auszuweichen. Ein besonders schlechter Straßenzustand warnt daher gewissermaßen vor sich selbst und muss daher nicht extra ausgewiesen werden (Senat, Urteil vom 13. Februar 2007 – 2 U 12/06 –, Rdnr. 16 f). Wo der Gesamtzustand einer Straße so schlecht ist, dass sie einem einzigen Schlagloch gleicht, wird kein Kraftfahrer mehr berechtigte Sicherheitserwartungen haben können. Der Verkehrssicherungspflichtigen ist allerdings dann nicht vollständig entlastet, wenn die Gefahrenstelle zwar erkennbar ist, der konkrete Umfang aber für den Verkehrsteilnehmer nicht oder in der konkreten Situation nicht vollständig eingeschätzt werden kann (Rebler, Verkehrssicherungspflicht: Straßenzustand, Bauarbeiten, Bäume, ZfSch 2019, 185/187 f; Tassarek-Schröder/Rönsberg in: Rotermund/Krafft, Kommunales Haftungsrecht, 5. Auflage 2013, Kapitel I Rdnr. 598 f). Zudem muss sich der Benutzer rechtzeitig auf die Gefahren einstellen können (BGH, Urteil vom 5. Juli 2012 – III ZR 240/11 –, NVwZ-RR 2012, 831 = MDR 2012, 1088, Rdnr. 11).

Die Rechtsprechung hat daher die Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht angenommen bei einem mit 20 cm außergewöhnlich tiefen Schlagloch in einer wichtigen innerstädtischen Durchfahrtsstraße (OLG Celle, Urteil vom 8. Februar 2007 – 8 U 199/06 –, NJW-RR 2007, 972 = MDR 2007, 1075 m. u. N.; OLG Naumburg, Urteil vom 5. Oktober 2012 – 10 U 13/12 –, MDR 2013, 91) oder einer Kreisstraße (OLG Naumburg, Urteil vom 16. April 1997 – 5 U 266/96 –, NJ 1997, 432), sowie bei einem quer verlaufenden Absatz im Straßenbelag in entsprechender Höhe (OLG Jena, Urteil vom 15. Oktober 2002 – 3 U 964/01 –, DAR 2003, 69; OLG Dresden, Urteil vom 16. November 1998 – 6 U 538/98 –, DAR 1999, 122). Verbreitet wird hier eine Grenze bei 15 cm gezogen (OLG Schleswig, Beschluss vom 14. November 2023 – 7 U 114/23 –, MDR 2024, 372; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Januar 2014 – 11 U 76/13 –, Rdnr. 17 m. u. N.). Entsprechend wurde eine Pflichtverletzung verneint bei einer nicht scharfkantigen Absackung in einer innerörtlichen Straße von bis zu 8 cm Tiefe (LG Köln, Urteil vom 8. Juli 2008 – 5 O 127/08 –, Schaden-Praxis 2009, 214; LG Bonn, Urteil vom 8. November 2006 – 1 O 195/06 –, NJW-RR 2007, 969). Auf einer Straße ohne gesteigerte Verkehrsbedeutung mit einem Straßenbelag erkennbar älteren Datums und in einem schlechten Zustand mit Anzeichen mehrfacher Ausbesserung wurde die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch das Belassen auch eines Schlaglochs von 10 cm bis 15 cm Tiefe verneint (OLG Köln, Beschluss vom 7. Januar 2016 – 7 U 160/15 –; Beschluss vom 22. März 2017 – 7 U 176/16 –, NZV 2018, 88 = VersR 2018, 626). Auf einer viel befahrenen Straße oder Brücke kann hingegen schon ein größeres Schlagloch von 10 cm Tiefe die Sicherungspflicht begründen (OLG Jena, Urteil vom 31. Mai 2010 – 4 U 884/10 –, NVwZ-RR 2011, 928; OLG Koblenz, Urteil vom 26. Mai 2014 – 12 U 13/12 –, Rdnr. 12). Bei einer innerörtlichen Hauptverkehrsstraße mit täglich 38.000 passierenden Fahrzeugen in beide Richtungen können schon 5 cm genügen (KG, Urteil vom 20. Februar 2015 – 9 U 188/13 –, NVwZ-RR 2015, 772, Rdnr. 7). Auf Autobahnen und ähnlichen Schnellstraßen gelten mit Blick auf die hohen dort gefahrenen Geschwindigkeiten deutlich strengere Maßstäbe (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 3. März 2008 – 12 U 1255/07 –, NVwZ-RR 2008, 651 = NZV 2008, 580, sowie die Nachweise bei Rebler ebd., ZfSch 2019, 185/188).

Der Senat hat sich dem angeschlossen. Im Hinweisbeschluss vom 19. Juli 2017 zum Aktenzeichen 2 U 5/17 heißt es insoweit:

„Was die Beherrschbarkeit von Schlaglöchern für den Kraftfahrzeugverkehr angeht, wird von dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, eine Verkehrssicherungspflicht nur für auf verkehrswichtigen Straßen gelegene Schlaglöcher mit einer Tiefe von mindestens 15 cm angenommen und lediglich auf Autobahnen bereits Schlaglöcher ab einer Tiefe von 10 cm als eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle angesehen (OLG Hamm, Urteil vom 23.7.2014, 11 U 107/13 –, juris m.w.N.). Während von Teilen der Rechtsprechung eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bei Vorhandensein von Schlaglöchern bereits generell mit der Begründung verneint wird, dass es keinen Anspruch des Straßenbenutzers darauf gebe, dass sich die Straßen stets in einem glatten und einwandfreien Zustande befinden (so etwa: früher OLG Celle, OLGR 1995, 174; LG Lüneburg, SP 2006, 5; LG Rostock, MDR 2005, 396 OLG Rostock, MDR 2000, 638), vertritt ein wohl überwiegender Teil der Rechtsprechung die Auffassung, dass unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine Verkehrssicherungspflicht nur für auf verkehrswichtige Straßen gelegene Schlaglöcher mit einer Tiefe von mindestens 15 cm anzunehmen ist, weil erst bei Schlaglöchern solcher Tiefe, die bei einigen Fahrzeugen bereits zu einer Bodenberührung führen kann und deren Befahrbarkeit auch von einem umsichtigen Fahrer kaum mehr gewährleistet ist, nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass ein Autofahrer mit derartig gravierenden Unebenheiten rechnen und sich auf diese einstellen muss (OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.2014 – 11 U 76/13 unter Hinweis auf: OLG Jena, DAR 2003, 69: Absatz im Straßenbelag von 19 cm; OLG Dresden, DAR 1999, 122: 21 cm tiefe Bodenwelle in einer verkehrswichtigen Straße; OLG Naumburg, NJ 1997, 432: 20 cm tiefes Schlagloch in einer Kreisstraße; LG Dresden, DAR 2000, 480: 15-18 cm tiefes Schlagloch in einer Hauptverkehrsstraße im Innenstadtgebiet; LG Dresden, DAR 1994, 327: 15 cm tiefes Schlagloch innerorts in einer Umgehungsstraße; LG Chemnitz, DAR 1998, 144: 21 cm tiefe Fahrbahnrinne in verkehrswichtiger Durchgangsstraße; LG Augsburg, ZfS 1991, 404: 20 cm tiefer Frostaufbruch in innerstädtischer Straße mit hohem Verkehrsaufkommen; OLG Celle, Urteil vom 08.02.2007, 8 U 199/06 – Rdnr. 7 bei juris: 20 cm tiefes Schlagloch auf wichtiger innerstädtischer Durchfahrtstraße; LG Meiningen, VersR 2007, 964: etwa 15 cm tiefes und ca. 80 - 100 cm durchmessendes Schlagloch). Lediglich für Autobahnen stellen bereits Schlaglöcher ab einer Tiefe von 10 cm eine von dem Verkehrssicherungspflichtigen zu beseitigende, abhilfebedürftige Gefahrenquelle dar (OLG Nürnberg, DAR 1996, 59: 10 cm tiefes Schlagloch auf Bundesautobahn; LG Halle, DAR 1999, 28: 12 cm tiefes Schlagloch auf Bundesautobahn).

...

Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen ist eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten damit zu verneinen. Bei der vom Kläger befahrenen Straße handelte es sich um eine untergeordnete Gemeindestraße. Die von dem Kläger zur Veranschaulichung des Straßenzustands zur Akte gereichten Lichtbilder in Kopie ... weisen zwischen der erhabenen Straßenmitte und der unfallverursachenden Vertiefung zudem einen Unterschied von nur bis zu 14,5 cm auf.“

Die allgemeinen Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der in Rede stehenden Straße werden vorliegend auch nicht dadurch modifiziert, dass die Beklagte nach dem – unbestrittenen – Vortrag des Klägers den Voreigentümern seines Grundstücks den Ausbau der Straße zugesagt hat. Die angegebene Zusicherung im Erschließungs- und Verpflichtungsvertrag vom 10./23. Juni 2008, die Straße „in einen Ausbauzustand [zu] versetz[en] und so [zu] erhalten, dass die öffentliche Erschließung der in der Präambel dieses Vertrages bezeichneten Flurstücke vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplanes Nr. 18 an, spätestens jedoch Ende 2008, hinreichend gesichert ist“, hat allein die öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen der Bebaubarkeit der Grundstücke im Blick (§ 30 Abs. 1 BauGB). Den Zustand der Straßenoberfläche berührt dies nicht.

b)

Nach diesen Maßstäben liegt die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte fern. Die in Rede stehende Straße ist eine Anwohnerstraße mit unstreitig geringerer Verkehrsbedeutung. Sie erschließt zwar das Wohngebiet, ist aber nicht die einzige diesem Zweck dienende Straße. Dass sie von einer erheblichen Anzahl an Fahrzeugen im oben genannten Sinne benutzt würde, ist nicht vorgetragen oder sonst erkennbar. Vor allem aber kann die Straße aufgrund ihres allgemeinen Zustandes nicht mit höheren Geschwindigkeiten befahren werden. Nach den Angaben des Klägers ist die Straße im fraglichen Bereich unbefestigt. Sie besteht – ohne weiteres erkennbar – weitestgehend aus Sand und Schotter. Bei Regen bilden sich größere Pfützen, die die durch das Landgericht vernommene Zeugin als „kleine Seen“ bezeichnet hat. Dies ist den Anliegern ebenso bekannt bzw. unmittelbar ersichtlich wie der Umstand, dass die Straßen der unmittelbaren Umgebung solche mit schlechten Belägen, großen Unebenheiten und Schlaglöchern sind. Der Kläger hat angegeben, er fahre deshalb dort stets vorsorglich sehr langsam. Auf einer solchen Straße ist mit auch höheren Unebenheiten zu rechnen, und damit auch mit einem 15 cm tiefen Schlagloch.

Ob etwas anderes anzunehmen ist, wenn die Bodenunebenheit wie hier durch die Ausspülung sandigen Untergrundes unmittelbar an der Betonfläche eine scharfe Kante aufweist, kann vorliegend dahinstehen. Denn dem Beklagten war die Gefahrenstelle in ihrer konkreten Ausprägung nicht bekannt. Sie verletzte damit nicht ihre Pflicht, die ihr bekannten Gefahren zu beseitigen oder zumindest vor ihnen zu warnen.

c)

Ebenfalls nicht zu entscheiden ist, ob die Beklagte ihre Pflicht zur regelmäßigen Kontrolle der Straße verletzte. Zwar oblag ihr eine Kontrollpflicht in Bezug auf das in ihrer Verantwortung stehende Straßennetz, um Gefahren feststellen und beseitigen zu können, die den Verkehrsteilnehmern vom Straßenzustand drohen. Die Kontrollen müssen in zeitlichen Abständen durchgeführt werden, die sich an der Verkehrsbedeutung der Straße und der Gefährlichkeit orientieren. Ihr Umfang und ihre Intensität sind durch die Zumutbarkeit begrenzt. Dies erfordert eine Berücksichtigung der finanziellen und personellen Leistungsfähigkeit der Kommune. Stark befahrene Durchgangsstraßen mit erheblicher Verkehrsbedeutung können insoweit engmaschige Kontrollen erfordern, bis hin zu einem wöchentlichen oder gar täglichen Turnus (vgl. OLG Celle, Urteil vom 8. Februar 2007 – 8 U 199/06 –, NJW-RR 2007, 972 = MDR 2007, 1075, Rdnr. 12 m. w. N.; Tassarek-Schröder/Rönsberg ebd. Rdnr. 594; Rotermund/Krafft, Verkehrssicherungspflichten, 6. Auflage 2016, Rdnr. 116). Für eine Straße der in Rede stehenden – wie erwähnt – geringen Verkehrsbedeutung gibt es solche allgemeinen Leitlinien nicht.

Hierauf kommt es vorliegend allerdings nicht entscheidend an. Denn es ist nicht festzustellen, dass die Beklagte eine ihr obliegende Kontrollpflicht nicht nur schuldhaft, sondern auch schadenskausal verletzt hat. Nach dem Vortrag des Klägers wird die Straße durch stärkeren Regen so aufgeweicht, dass ihre Oberfläche teilweise ausgespült wird. Dies erfolgt aber nicht stets an den gleichen Stellen im gleichen Ausmaß. Er selbst gab in seiner persönlichen Anhörung durch das Landgericht an:

„Es ist ein grober Unterbau und wenn es regnet, spült es aus. Wie bei einer Wanderdüne, sind die Schlaglöcher mal da und mal nicht und mal hier, mal dort.“

„Je nach Wettergegebenheiten hat man mehr oder weniger Ausspülungen.“

Es kann damit nicht festgestellt werden, dass bei einer regelmäßigen Kontrolle der angegebenen Schadensstelle an der Betonkante der Einmündung in die ... (Straße 02) eine erhebliche Ausspülung hätte erkannt werden müssen. Näher liegt, dass die Ausspülung erst kurz vor dem Schadensereignis eine gefahrenträchtige Tiefe erreicht hat. Der Kläger gibt an, er habe die Stelle nur wenige Tage zuvor noch ohne weiteres passieren können. Eine tägliche Kontrolle ist der Beklagten aber bei einer Straße mit dieser geringen Verkehrsbedeutung bei gleichzeitiger offenen Erkennbarkeit der Gefahren durch Schlaglöcher, Ausspülungen und anderer Untiefen nicht zuzumuten. Die Straßenbenutzer können sich auf die ihnen hieraus drohenden Gefahren einrichten. Das gilt auch mit Blick darauf, dass die Straße eine wesentliche Zuwegung zum Wohngebiet bildet. Nicht abschätzbar tiefe Pfützen können über den Alternativweg umfahren werden. Das ist auch nach den Angaben des Klägers nicht unzumutbar. Der ca. 200 Meter lange unbefestigte Weg bietet zwar seinen Angaben nach keine Ausweichmöglichkeit. Auch sei die Fahrbahn sehr eng und beidseitig von hohen Hecken begrenzt, die bei der Durchfahrt eines Pkw an jeder Seite nur ca. 15 bis 20 cm Platz ließen. Das allein steht aber einem – langsamen, § 3 Abs. 1 StVO entsprechenden – Befahren auch nach den zur Illustration des Vortrags eingereichten Lichtbildern nicht entgegen.

2.

Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 und 544 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, die Streitwertentscheidung auf §§ 47 und 48 GKG.

Gründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.