Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 12 U 138/24


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 12. Zivilsenat Entscheidungsdatum 19.06.2025
Aktenzeichen 12 U 138/24 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0619.12U138.24.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

  1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.869,85 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2022 zu zahlen.

  2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin die außergerichtlich entstandenen Anwaltsgebühren des Prozessbevollmächtigten i.H.v. 468,15 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2022 zu zahlen.

  3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, jeden weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfall vom ... (Datum 01), der sich gegen 17:46 Uhr in ... (Ort 01), ... (Straße 01)/... (Straße 02) zwischen den beteiligten Fahrzeugen der Beklagten und der Klägerin ereignete, zu 75 % zu ersetzen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

  4. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 37 % und die Beklagten zu 63 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 61 % und die Beklagten zu 39 %.

  5. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

  6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall am ... (Datum 01) um 17:46 Uhr in ... (Ort 01) im Bereich der nicht durch Verkehrszeichen geregelten T-Kreuzung ... (Straße 02) Ecke ... (Straße 01) geltend.

Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 4.772,47 € und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass sie als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte zu 1 habe gegen die Vorfahrtsregelung verstoßen. Nach dem Sachverständigengutachten sei sie mit 12 bis 15 km/h gefahren, habe sich bereits im Kreuzungsbereich befunden und dabei die Regelung „rechts vor links“ missachtet. Für die Zeugin ... (Name 01) habe hingegen ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG vorgelegen. Sie habe auf ihr Vorfahrtsrecht vertrauen dürfen und sei berechtigt mit mäßiger Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich eingefahren. Dies stehe nach der glaubhaften Aussage der Zeugin fest. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Ausführungen wird auf das Urteil in der Fassung der Berichtigungsbeschlüsse vom 28.02.2025 und 17.03.2025 Bezug genommen.

Die Beklagten haben gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 05.12.2024 zugestellte Urteil mit einem am 12.12.2024 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der auf fristgemäßen Antrag verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 26.02.2025 begründet. Sie führen aus, nach den Zeugenaussagen sei die Kollisionsstelle offen geblieben; nach der Aussage des Zeugen ... (Name 02) könne sich der Unfall auch außerhalb des Einmündungstrichters ereignet haben. Das angefochtene Urteil enthalte keine Ausführungen dazu, warum der Zeugin ... (Name 01) mehr Glauben zu schenken sei als dem Zeugen ... (Name 02). Das eingeholte Sachverständigengutachten habe hierzu, nachdem keine Fotos der Unfallstelle existierten, keine Erkenntnisse bringen können. Die aus den Schäden ableitbare relative Kollisionsstellung lasse sich mit keiner Unfalldarstellung der Parteien vereinbaren. Es sei nach dem Gutachten lediglich wahrscheinlicher, dass die Kollision im Einmündungsbereich stattgefunden habe. Mangels positiver Feststellungen könne nicht von einer Vorfahrtsverletzung der Beklagten zu 1 ausgegangen werden. Auch eine Vermeidbarkeitsbetrachtung könne ohne Fotos nicht durchgeführt werden. Aus den vom Sachverständigen gefertigten Fotos ergebe sich jedoch, dass die Sicht der Zeugin ... (Name 01) nach rechts nicht frei gewesen sei und sie deshalb mit von dort kommenden Fahrzeugen habe rechnen müssen. Sie habe daher mit äußerster Sorgfalt in den Einmündungsbereich einfahren müssen, was sie bei einer Geschwindigkeit von 9 bis 14 km/h nicht getan habe. Diese Sorgfaltspflicht diene auch dem Schutz des von links kommenden Wartepflichtigen, weil dadurch Zusammenstöße an gefährlichen und unübersichtlichen Straßenstellen verhindert werden sollten. Mithin sei von einer Schadensteilung auszugehen. Damit seien die fiktiven Reparaturkosten i.H.v. 2.610,06 € netto anzusetzen, wobei UPE Aufschläge sowie teilweise Lackierungskosten nicht zu berücksichtigen seien. Dazu verhalte sich das Landgericht nicht; es sei eine Beweiserhebung notwendig. Ferner seien die Sachverständigenkosten von 817,53 € und eine Unkostenpauschale von 20 € jeweils hälftig zu erstatten. Eine Nutzungsausfallentschädigung sei nicht geschuldet, nachdem sich die Klägerin zum Nutzungswillen und zur Nutzungsmöglichkeit nicht verhalte. Zudem sei unfallbedingt die Verkehrssicherheit des Klägerfahrzeugs nicht beeinträchtigt gewesen. Der bloße Hinweis auf das Sachverständigengutachten rechtfertige den Ansatz nicht.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 03.12.2024, Az. 12 O 294/22, unter Klageabweisung im Übrigen teilweise aufzuheben (richtig: abzuändern) und wie folgt neu zu fassen:

  1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz i.H.v. 1.723,80 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2022 zu zahlen.

  2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin die außergerichtlich entstandenen Anwaltsgebühren des Prozessbevollmächtigten i.H.v. 280,60 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2022 zu zahlen.

  3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, jeden weiteren Schaden aus dem Verkehrsunfall vom ... (Datum 01), der sich gegen 17:46 Uhr in ... (Ort 01), ... (Straße 01)/... (Straße 02) zwischen den beteiligten Fahrzeugen der Beklagten und der Klägerin ereignete, zur Hälfte zu ersetzen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise auch in der Sache begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten - die Beklagte zu 1 als Halterin und Fahrerin des Pkw´s Chrysler mit dem amtlichen Kennzeichen ... (Kennzeichen 01), der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist - einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der Beschädigung des in ihrem Eigentum stehenden Pkw VW Polo mit dem amtlichen Kennzeichen ... (Kennzeichen 02) aufgrund des Verkehrsunfalls am ... (Datum 01) um 17:46 Uhr in ... (Ort 01) im Bereich der nicht durch Verkehrszeichen geregelten T-Kreuzung ... (Straße 02) Ecke ... (Straße 01) aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, § 823 BGB i.V.m. § 115 VVG, § 1 PflVG.

1. Die Beklagten nehmen für sich - zu Recht - ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG nicht in Anspruch. Auch die Klägerin hat ein unabwendbares Ereignis nicht nachgewiesen, wie nachfolgend weiter auszuführen sein wird. Bei der Frage der Haftung der Unfallbeteiligten ist mithin im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge nach § 17 Abs. 1 StVG auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände einzustellen (vgl. nur BGH NJW 2007, 506). Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (BGH NZV 1996, S. 231).

1.1. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme geht auch der Senat davon aus, dass die Beklagte zu 1 das der Zeugin ... (Name 01) zustehende Vorfahrtsrecht nicht beachtet hat, § 8 StVO.

Ist wie hier die einmündende Straße trichterförmig erweitert, gehört die ganze bis zu den Endpunkten des Trichters erweiterte Fahrbahn der bevorrechtigten Straße zum Einmündungsbereich. Der Wartepflichtige muss sich, solange er nicht zumindest den Einmündungstrichter einsehen kann, darauf einstellen, nötigenfalls vor dessen Beginn auf seiner rechten Fahrbahnhälfte anhalten zu können (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke, 28. Aufl. 2024, StVO § 8 Rn. 5, beck-online). Der Wartepflichtige hat die Vorfahrt des Berechtigten zu beachten und muss ihm die ungehinderte Durchfahrt ermöglichen. Er muss noch vor der Kreuzungs- bzw. Einmündungsfläche warten (MüKoStVR/Bender, 1. Aufl. 2016, StVO § 8 Rn. 45, beck-online). Diesen Anforderungen ist die Beklagte zu 1 nicht gerecht geworden.

Der Sachverständige ... (Name 03) hat in seinem Gutachten zwar mangels Anknüpfungstatsachen weder die genaue Unfallstelle, noch die konkrete Anstoßkonstellation in Bezug auf die Unfallörtlichkeit feststellen können. In seinem Gutachten arbeitet er jedoch technische Aspekte des Unfallgeschehens auf, die in Zusammenschau mit den Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen ein Gesamtbild begründen, die eine tragfähige Grundlage für eine Entscheidung im Sinne des § 286 ZPO bilden können.

Dabei kann zunächst nach den übereinstimmenden Unfalldarstellungen der Parteien davon ausgegangen werden, dass die Zeugin ... (Name 01) beabsichtigte, aus der ... (Straße 02) kommend nach links in die ... (Straße 01) einzubiegen, während die Beklagte zu 1 von der ... (Straße 01) kommend weiter geradeaus fahren wollte. Die Fahrbahn war für die Zeugin ... (Name 01) durch rechtsseitig geparkte Fahrzeuge eingeengt; auch die Sicht nach rechts wurde durch auf der rechten Straßenseite geparkte Fahrzeuge erschwert. Es ist daher nachvollziehbar, wenn die Zeugin ausführt, langsam nach vorn gefahren zu sein, um dem von rechts kommenden bevorrechtigten Verkehr die Vorfahrt einräumen zu können. Die Sichteinschränkungen lassen ebenfalls den Schluss auf ein weites Einfahren in den Trichter zu, wie es der Sachverständige in seiner vermuteten Unfallversion auf Bild 21.1 darstellt. Die Beklagte zu 1 fuhr ebenfalls nicht an der rechten Straßenseite, sondern eher linksorientiert. Der Kollisionswinkel der Fahrzeuge beträgt nach dem Sachverständigengutachten etwa 125° und ist ebenfalls mit dem Bild 21.1 in Übereinstimmung zu bringen. Dieses korrespondiert im Übrigen auch mit geringfügigen Abweichungen mit der Unfallskizze der Beklagten zu 1 im Bußgeldverfahren. Auch dort wird die Unfallstelle nahe der Einmündung mit einem Kollisionswinkel eingezeichnet, der dem sachverständig ermittelten sehr nahe kommt. Damit in Einklang stehen die im Bußgeldverfahren von der Beklagten zu 1 vorgelegten und nachträglich gefertigten Fotos mit dem auf der Straße, leicht links von der Straßenmitte liegenden Fahrzeugkennzeichen. Diese Fotos lassen, auch wenn sie im linken Bildrand den Einmündungstrichter nicht deutlich werden lassen, den Schluss zu, dass die Kollisionsstelle im Grenzbereich, aber schon im Einmündungstrichter zu verorten ist, wovon auch der Sachverständige allein nach dem Unfallverlauf gemäß Bild 21.1 ausgeht. Die von beiden Zeugen bei der Vernehmung durch das Landgericht gefertigten Unfallskizzen stehen dem nicht entgegen. Wie der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt hat, sind beide Versionen mit den dort eingezeichneten Kollisionswinkeln nicht realistisch mit dem Unfallgeschehen in Einklang zu bringen.

An dieser Beurteilung lässt auch die Aussage des Zeugen ... (Name 02) nicht zweifeln. So konnte der Sachverständige die Angaben des Zeugen auf eine Kollisionsstelle deutlich vor der Kreuzung technisch nicht widerlegen. Es verbleiben aber auch nach der Aussage selbst Zweifel. So hat der Zeuge ausgeführt, er sei direkt hinter seiner Frau gefahren, während eine weitere, unbekannte Zeugin hinter ihm gefahren sei. Dem widerspricht bereits die von der Beklagten zu 1 initiierte Zeugensuche (Anlage K5), nach der die Zeugin genau hinter dem Beklagtenfahrzeug gefahren sei. Wenig nachvollziehbar ist weiter die Aussage, er habe sich damals bei der Polizei nicht als Zeuge gemeldet und wolle nunmehr die Sache im richtigen Licht darstellen. Nach dem Polizeiprotokoll habe er sich vielmehr nicht ausweisen wollen und lediglich hinzugefügt, hinter dem Beklagtenfahrzeug gefahren zu sein.

Zugleich ist der Senat davon überzeugt, dass für die Beklagte zu 1 kein Anlass bestand, von der für sie rechten Fahrspur wegen parkender Fahrzeuge abzuweichen. Die Zeugin ... (Name 01) hat ausgesagt, im unmittelbaren Kreuzungsbereich hätten auf der Fahrbahn der Beklagten zu 1 keine parkenden Fahrzeuge gestanden. Das wird durch die von der Polizei gefertigten Fotos bestätigt. Auch der Zeuge ... (Name 02) zeichnet lediglich ein parkendes Fahrzeug deutlich hinter dem Kreuzungsbereich in seine Unfallskizze im Bereich eines weißen Bungalows ein. Weitere parkende Fahrzeuge hätten sich dort nicht befunden. Es bestand mithin für die Beklagte zu 1 kein Anlass, straßenmittig bzw. (teils) auf der linken Fahrbahnhälfte zu fahren und es erklärt sich ein leichtes Einlenken nach rechts kurz vor der Kollision, das der Sachverständige in seine Bewertung aufgenommen hat. Darin liegt zugleich ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot.

Welche Geschwindigkeit das Klägerfahrzeug fuhr, steht nicht fest. Der Sachverständige hat aufgrund der Fahrzeugschäden eine relative Kollisionsgeschwindigkeit von 15 km/h +/- 3 km/h ermittelt. Dabei konnte er anhand der Schäden nachvollziehbar ausschließen, dass das Beklagtenfahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision stand. Dem entspricht es, wenn die Beklagte zu 1 gegenüber den Polizeibeamten bei der Unfallaufnahme mitgeteilt hat, sie sei auf die Einmündung zugerollt und erstaunt und erschrocken gewesen, warum die Zeugin nicht anhalte, was im Übrigen auch dafür spricht, dass der Beklagten zu 1 ihre Wartepflicht jedenfalls nicht in dem gebotenen Umfang bewusst war. Die Fahrgeschwindigkeiten der beiden Fahrzeuge zueinander ist von Unwägbarkeiten geprägt. So lässt sich weder feststellen, wie die Zeugin ... (Name 01) (zügig oder zurückhaltend) an- oder durchgefahren war und welche Strecke sie bis zur Kollisionsstelle zurücklegte, noch lässt sich der Fahrverlauf des Beklagtenfahrzeugs näher eingrenzen. Fest steht lediglich, dass beide Fahrzeuge eine Geschwindigkeit unter 15 km/h gefahren waren. Damit steht zugleich eine überhöhte Annäherungsgeschwindigkeit des Klägerfahrzeugs nicht fest.

Nach allem hat die Beklagte zu 1 ihr Fahrverhalten nicht so eingerichtet, dass sie so rechtzeitig vor der Kreuzungsfläche angehalten hat, dass sie die bevorrechtigte Zeugin ... (Name 01) weder gefährdet noch wesentlich behindert (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke, 28. Aufl. 2024, StVO § 8 Rn. 38f, beck-online). Da der Vorfahrtsberechtigten, die aus der bevorrechtigten in die untergeordnete Straße einbiegt, um diese in entgegengesetzter Richtung wie die Wartepflichtige zu befahren, auch auf der für die Wartepflichtige linken Fahrbahnhälfte die Vorfahrt zusteht (vgl. nur Spelz in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 8 StVO (Stand: 21.12.2023), Rn. 62) ist auch danach ein Vorfahrtsverstoß gegeben.

1.2. Aber auch für die Zeugin ... (Name 01) war der Unfall nicht unvermeidbar. Es handelt sich vorliegend um eine schwierige Kreuzung, die für alle Verkehrsteilnehmer eine besondere Rücksichtnahme erfordert. Insoweit ist der Vertrauensgrundsatz eingeschränkt, sobald der Vorfahrtsberechtigte aus besonderen Umständen erkennt oder bei der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können, dass ihm der Wartepflichtige die Vorfahrt nicht einräumt. Hat der Wartepflichtige erkennbar nicht mehr die Möglichkeit, sein Fahrzeug unfallverhütend zum Stehen zu bringen, muss der Vorfahrtsberechtigte hierauf reagieren; er muss – soweit möglich – auf Fehler des Wartepflichtigen reagieren (Spelz a.a.O., Rn. 67). Vorliegend hätte die Zeugin ... (Name 01) jedenfalls erkennen müssen, dass die Beklagte zu 1 die Weiterfahrt auf der für die Zeugin rechten Spur behindert. Hierauf hätte sie durch Abbremsen reagieren müssen. Ob auch in diesem Fall der Unfall so wie geschehen erfolgt wäre, steht zwar nicht fest, so dass die für einen schuldhaften Verkehrsverstoß der Zeugin ... (Name 01) beweisbelasteten Beklagten den Nachweis nicht geführt haben. Jedoch trägt für Unvermeidbarkeit eines Unfalls nach § 17 Abs. 3 StVG die Klägerin die Beweislast, so dass sie sich vorliegend jedenfalls die Betriebsgefahr zurechnen lassen muss.

1.3. Die Abwägung der Verursachungsanteile der Unfallbeteiligten führt zu einer Haftung der Beklagten von 75 %. Dabei ist vor allem berücksichtigt, dass der Zusammenstoß in erster Linie von der Beklagten zu 1 verursacht worden ist und zu Lasten der Klägerin lediglich die einfache Betriebsgefahr zu berücksichtigen ist. Allerdings ist die vorliegende Unfallkonstellation im schwierigen Kreuzungsbereich nicht geeignet, die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs vollständig zurücktreten zu lassen.

2.

2.1. Mit der entsprechenden Haftungsquote zu ersetzen sind die Nettoreparaturkosten von 2.988,94 €. Diese sind sachverständig ermittelt und stehen lediglich in zwei Punkten im Streit.

a) Die „Ersatzfähigkeit der UPE-Aufschläge“ von 257,49 € richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ersatzfähigkeit von Reparaturkosten. Danach darf der Geschädigte, sofern die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensberechnung vorliegen, dieser grundsätzlich die üblichen Ersatzteilkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Unter den Voraussetzungen einer zulässigen zumutbaren Verweisung gem. § 254 Abs. 2 BGB ist jedoch auf der Grundlage der günstigeren Reparaturmöglichkeit abzurechnen, die sich auch daraus ergeben kann, dass die Referenzwerkstatt günstigere Ersatzteilpreise, beispielsweise ohne solche UPE-Aufschläge, anbietet (BGH NJW 2019, 852 Rn. 13; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249, beck-online). Soweit die für ein Mitverschulden darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten einwenden, auch im Einzugsbereich der Klägerin böten die Fachwerkstätten die Leistungen ohne UPE-Aufschläge an, ist der Vortrag lediglich allgemein gehalten und nicht durch konkreten Sachvortrag unterlegt, so dass eine Beweisaufnahme auf eine unzulässige Ausforschung hinausliefe. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

b) Soweit weiter Lackierkosten i.H.v. 121,39 € beanstandet werden, macht der Senat von der Möglichkeit der Schadensschätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO Gebrauch. Es handelt sich insgesamt um sachverständige Schätzungen des Reparaturaufwandes, die naturgemäß durch Unwägsamkeiten geprägt sind (BGH, Urteil vom 17. September 2019 – VI ZR 396/18 –, Rn. 14, juris). Es besteht daher kein Anlass, hier im Grundsatz berechtigte Einzelpositionen insoweit weiter zu hinterfragen, in welcher Form die Arbeiten konkret durchgeführt werden könnten, zumal es sich um geringfügige Kosten handelt.

2.2. Weiter sind die Sachverständigenkosten von 817,53 € sowie eine Pauschale von 20 € entsprechend der Quote zu berücksichtigen.

2.3. Eine Nutzungsausfallentschädigung steht der Klägerin nicht zu.

Im Grundsatz hat der Geschädigte einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer der Reparatur bzw. die Dauer der Begutachtung durch einen Sachverständigen, § 249 Satz 2 BGB (BGH, Urteil vom 29. Oktober 1974 – VI ZR 42/73 –, BGHZ 63, 182-189, Rn. 10 - 18). Anerkanntermaßen kann Nutzungsausfall auch in den Fällen verlangt werden, in denen der eigentliche Fahrzeugschaden fiktiv geltend gemacht oder auf Totalschadenbasis abgerechnet wird. Richtigerweise wird in der Rechtsprechung allerdings verlangt, dass substantiiert zu dem tatsächlichen Ausfall der Nutzung vorgetragen wird. Die Vorlage einer Reparaturbescheinigung und Geltendmachung von Nutzungsausfall anhand einer vom Sachverständigen ermittelten Reparaturdauer reicht nicht aus. Der Geschädigte hat deshalb substantiiert vorzutragen, an welchen konkreten Tagen sein Fahrzeug reparaturbedingt nicht genutzt werden konnte, und dieses ggf. zu beweisen (BeckOK StVR/Türpe, 26. Ed. 15.01.2025, BGB § 249 Rn. 198, beck-online). So ist der Nutzungsausfallschaden nicht notwendiger Teil des am Kraftfahrzeug in Natur eingetretenen Schadens, der begrifflich alsbald festliegt. Vielmehr handelt es sich um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er hängt vielmehr davon ab, ob der Geschädigte den Wagen überhaupt nutzen wollte und konnte, ggf. auch durch Überlassung an Dritte (BGH, Urteil vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74 –, BGHZ 66, 239-250, Rn. 30). Das setzt voraus, dass unter Anknüpfung an die bisherige Nutzung die ausgefallene Nutzung zumindest dargelegt wird und auch vorzutragen ist, dass aus anderen Gründen (Urlaub u.ä.) der Nutzungswille nicht unterbrochen war (KG Berlin, Urteil vom 27. August 2015 – 22 U 152/14 –, Rn. 33 m.w.N., juris; Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 249 BGB, Rn. 213; Geigel, Haftpflichtprozess, 1. Teil Allgemeine Begriffe und Rechtsverhältnisse des Haftpflichtrechts 3. Kapitel. Schadensersatz wegen Beschädigung oder Zerstörung von Sachen Rn. 97, beck-online; BHHJ/Jahnke, 25. Aufl. 2018, BGB § 249 Rn. 182). Für die Schlüssigkeit des Anspruchs muss ebenfalls dargelegt werden, ob weitere nutzbare Fahrzeuge vorhanden waren. Zwar wird in der Rechtsprechung auch vertreten, es entspräche der Lebenserfahrung, dass ein zur Reparatur gegebenes Fahrzeug ebenso wie im Falle einer Ersatzbeschaffung auch benutzt worden wäre. Selbst bei dieser weiten Auslegung fehlt es vorliegend am Vortrag zu einer Reparatur. Vielmehr beschränkt sich der Vortrag der Klägerin auf die Behauptung, das Fahrzeug sei nicht mehr verkehrssicher gewesen und in dem unsubstantiierten Vortrag im Senatstermin, es habe eine teilweise Reparatur stattgefunden. Weitere Ausführungen fehlen trotz wiederholten nachdrücklichen Bestreiten durch die Beklagten bereits in erster Instanz als auch mit der Berufung, so dass auch nicht von einem spürbaren Vermögensschaden ausgegangen werden kann.

Der von der Klägerin beantragte Schriftsatznachlass nach § 139 Abs. 5 ZPO war nicht zu gewähren, da alle in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angesprochenen tatsächlichen und rechtlichen Aspekte bereits Gegenstand der ausführlichen Erörterungen der Parteien bzw. der Schriftsätze geworden sind. Neue Gesichtspunkte wurden nicht angesprochen, so dass eine sofortige Äußerung nach den konkreten Umständen und den Anforderungen des § 282 Abs. 1 ZPO erwartet werden konnte. Auch der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 11.06.2025 gibt weder Anlass für eine andere Beurteilung in der Sache, noch zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

2.4. Der ersatzfähige Schaden ermittelt sich daher wie folgt:

Reparaturkosten 2.988,94 €
Sachverständigenkosten 817,53 €
Pauschale 20,00 €
Summe 3.826,47 €, davon 75 % = 2.869,85 €.

Der Feststellungsantrag ist ebenfalls unter Berücksichtigung der Mithaftung begründet, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass z.B. im Falle der Reparatur weitere Kosten anfallen.

Vorgerichtliche Anwaltskosten sind unter Berücksichtigung der berechtigten Klageforderung und der geltend gemachten Aktenübersendungsgebühr von 12 € erstattungsfähig mit 468,15 €.

Der Zinsausspruch folgt aus Verzug.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.