Gericht | OLG Brandenburg 4. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 19.06.2025 | |
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Aktenzeichen | 13 WF 17/25 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0619.13WF17.25.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Der Antragsteller beanstandet eine im Rahmen eines Verfahrens auf Ersetzung der Einwilligung in eine Abstammungsuntersuchung ergangene Kostenentscheidung nach Antragsrücknahme.
Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.06.2024 unter Fristsetzung bis zum 12.07.2024 und Erinnerung mit Schreiben vom 16.07.2024 unter erneuter Fristsetzung bis zum 23.07.2024 erfolglos auf, ihre Einwilligung zur Durchführung einer genetischen Untersuchung zur Klärung der Abstammung des eingangs genannten Kindes zu erteilen und die Entnahme einer geeigneten genetischen Probe für die Untersuchung zu dulden.
Mit Schriftsatz vom 25.07.2024, eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag, hat der Antragsteller - wie in seinen beiden Schreiben für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs angekündigt - die gerichtliche Ersetzung der Einwilligung beantragt.
Am 29.07.2024 ging dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die am 24.07.2025 von der Antragsgegnerin unterzeichnete und auf die Post gegebene geforderte Einwilligungs- und Duldungserklärung zu.
Daraufhin hat der Antragsteller seinen Antrag am 30.07.2024 zurückgenommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen Inhalt der Senat wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstands verweist (Bl. 28 eiP AG), hat das Amtsgericht dem Antragsteller gemäß § 81 Abs. 1 FamFG die Kosten des Verfahrens auferlegt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, im Hinblick darauf, dass das Kind bereits 14 Jahre alt sei und der Antrag sehr kurzfristig nach den knapp bemessenen Fristsetzungen eingereicht worden sei und die Mutter noch vor Zustellung des Antrages dem Anliegen des Antragstellers nachgekommen sei, seien die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er geltend macht, dass Amtsgericht habe verkannt, dass die Antragsgegnerin Anlass für das gerichtliche Verfahren gegeben habe.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß (Bl. 34 eiP AG),
den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 02.01.2025 abzuändern und der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die gesetzten Fristen seien unangemessen kurz gewesen. Das erste Schreiben des Antragstellers sei ihr einen Tag vor dem 14. Geburtstag des gemeinsamen Sohnes zugestellt worden. Bis zum Zeitpunkt des Schreibens vom 20.06.2024 sei die Antragsgegnerin überzeugt davon gewesen, dass der Antragsteller auch der biologische Vater des gemeinsamen Sohnes sei und das Schreiben habe sie in eine Ausnahmesituation versetzt. Ihr sei zudem Zeit einzuräumen gewesen, sich Rechtsrat einzuholen. Des Weiteren sei zu bedenken, dass die Antragsgegnerin auch dem gemeinsamen Sohn habe erklären müssen, dass und warum sein Vater nach 14 Jahren die Untersuchung der genetischen Abstammung verlange.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Nach der hier gemäß § 83 Abs. 2 FamFG bei Antragsrücknahme anwendbaren Vorschrift des § 81 FamFG ist über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen zu entscheiden. Die vom erstinstanzlichen Gericht auf der Grundlage dieser Vorschriften getroffene Entscheidung ist dabei nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen. Vielmehr ist das Beschwerdegericht zu einer eigenen Ermessensentscheidung berufen (BGH FamRZ 2013, 1876; Senat, BeckRS 2023, 3251 Rn. 7; Senat BeckRS 2022, 738 Rn. 12).
Dies führt zur Auferlegung der Kosten auf die Antragsgegnerin.
Gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise dem Beteiligten auferlegen, der durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat. Grobes Verschulden verlangt Vorsatz oder eine Außerachtlassung der nach den Umständen erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße unter Nichtbeachtung dessen, was jedem einleuchten muss (Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG § 81 Rn. 38, beck-online).
So liegt der Fall hier. Die Antragsgegnerin hatte nach Zustellung des außergerichtlichen Aufforderungsschreibens am 22.06.2024 bis zum Ablauf der Nachfrist am 23.07.2024 über einen Monat Zeit, um die bereits vorbereitete Einwilligungserklärung zu unterschreiben und so auf den Postweg zu geben, dass sie bis Fristablauf beim Verfahrensbevollmächtigten eingeht. Dieser Zeitraum war auch in Ansehung der von ihr vorgetragenen Überraschung über den Inhalt des Schreibens, des Geburtstags des Kindes, einer Notwendigkeit zur Einholung von Rechtsrat - wobei offen geblieben ist, ob ein solcher erstinstanzlich überhaupt eingeholt wurde - und der Information des Kindes über die Situation nicht unangemessen kurz.
Die Antragsgegnerin hat es in Kenntnis des Risikos, dass es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt, schlicht dabei belassen, innerhalb der ersten gesetzten Frist und auch innerhalb der Nachfrist nicht erkennbar zu reagieren, obwohl sie gemäß § 1598 a BGB zur Abgabe der verlangten Einwilligungserklärung verpflichtet war. Mit dieser sorgfaltslosen Untätigkeit hat die Antragsgegnerin beim Antragsteller vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorgerufen, er werde ohne gerichtliches Verfahren nicht zu seinem Recht kommen und dadurch Anlass zur Antragserhebung gegeben (vgl. BGH NJW 2021, 941 Rn. 18; 2016, 572 Rn. 19; KG NJW 2024, 517 Rn. 2; Anders/Gehle/Anders, 83. Aufl. 2025, ZPO § 269 Rn. 42, beck-online). Die Antragsgegnerin hat die erforderliche Sorgfalt auch in besonders großem Maße vernachlässigt. Wenn es der Antragsgegnerin - wie sie meint - aus mehreren Gründen vor Fristablauf nicht möglich gewesen sein soll, die Einwilligungserklärung rechtzeitig zu erteilen, lag es auf der Hand, um Fristverlängerung zu bitten. Auf jeden Fall war es der Antragsgegnerin nach Erteilung der Einwilligung am 24.07.2024 mangels anderweitiger Anhaltspunkte ohne weiteres zumutbar, in Kenntnis des bereits erfolgten Fristablaufs und der zweifach angekündigten Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens hiernach, etwa telefonischen Kontakt zum Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers aufzunehmen und auf die verspätete Absendung hinzuweisen. Dass in der von der Antragsgegnerin hervorgerufenen Situation mit einem Gerichtsverfahren zu rechnen ist, leuchtet schließlich auch jedem verständigen Dritten ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Entscheidung über den Beschwerdewert beruht auf § 35 FamGKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG), besteht nicht.