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Entscheidung 9 WF 60/11


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 26.05.2011
Aktenzeichen 9 WF 60/11 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 8. Oktober 2009 wird der Beiordnungsbeschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 24. September 2009 – Az. 51 F 203/94 – abgeändert und der Antragstellerin – insoweit in Abänderung des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 20. Januar 1995 – mit Wirkung ab Antragstellung am 4. August 2009 Rechtsanwalt … in … beigeordnet.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1. Die Beteiligten sind durch Urteil vom 18. Juni 1997 geschiedene Eheleute; der Versorgungsausgleich wurde mit Beschluss vom selben Tage abgetrennt.

Der Antragstellerin war für das Scheidungsverfahren einschließlich der Folgesache Versorgungsausgleich mit Beschluss vom 20. Januar 1995 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G… beigeordnet worden (Bl. 7 Pkh-Heft). Nach rechtskräftiger Scheidung im Jahre 1997 scheiterten in den Folgejahren verschiedentliche Versuche der Durchführung des Versorgungsausgleichs. Das Verfahren gewann an Dynamik, als die Deutsche Rentenversicherung B… unter dem 1. Februar 2008 eine Auskunft über die ehezeitlich erworbenen Rentenanwartschaften des Antragsgegners vorlegte (Bl. 122 GA). Diese Auskunft gelangte – wohl für die Antragstellerin - in die Hände des Beschwerdeführers, der unbestritten in der Vergangenheit als Abwickler der Kanzlei des zwischenzeitlich verstorbenen Rechtsanwalts G… bestellt war. Der Beschwerdeführer, der seinerzeit keinen Kontakt zur Antragstellerin hatte, teilte zunächst unter dem 24. April 2008 mit, dass seine „Tätigkeit als Abwickler für RA G… (…) beendet (ist)“ (Bl. 144 GA) und erklärte sodann unter dem 25. Oktober 2008, in dem Versorgungsausgleichsverfahren nicht mandatiert zu sein (Bl. 152 GA). Unter dem 4. August 2009 (Bl. 165 GA) legte der Beschwerdeführer – persönlich und nicht (mehr) als Abwickler für Rechtsanwalt G… – eine am 3. August 2009 von der Antragstellerin gezeichnete Verfahrensvollmacht vor und suchte um Beiordnung seiner Person im Wege der Prozesskostenhilfe nach (Bl. 165 GA).

Diesen Prozesskostenhilfeantrag „unter meiner Beiordnung“ hat der Beschwerdeführer unter dem 22. September 2009 wiederholt (Bl. 193 GA). Mit Beschluss vom 24. September 2009 (Bl. 194 GA) wurde dann allerdings die ursprüngliche Prozesskostenhilfebewilligung vom 25.10.2005 (richtig wohl: 25. Januar 1995, vgl. Bl. 7 Pkh-Heft) abgeändert und Rechtsanwalt … „als Abwickler der Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts G… beigeordnet“.

Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 28. September 2009 zugestellt (Bl. 30 Pkh-Heft). Mit einem am 8. Oktober 2009 eingegangenen Schriftsatz erklärte der Verfahrensbevollmächtigte erneut, nicht mehr als Abwickler tätig zu sein, sondern das Mandat als eigenes geführt zu haben. Mit dieser Begründung bat er „um abändernden Beschluss ohne den Zusatz „als Abwickler der Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts G…“ (Bl. 199 GA). Ferner wurde – in Unkenntnis der Tags zuvor ergangenen Entscheidung – zur Hauptsache ausgeführt. Darauf teilte die Abteilungsrichterin mit, es verbleibe bei den erlassenen Beschlüssen. Die Stellungnahme sei verspätet eingegangen; im Übrigen möge Beschwerde eingelegt werden (Bl. 200 GA).

Im Zuge des Vergütungsfestsetzungsverfahrens nach § 47 RVG wurde (erneut) offenbar, dass der Beiordnungsbeschluss vom 24. September 2009 sich auf den Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Abwickler der Kanzlei G… bezogen hat, weil dies Konsequenzen für den Umfang des Vergütungsanspruchs hat. Im Zuge des Verfahrens nach §§ 47 ff. RVG verwies Rechtsanwalt … unter dem 27. August 2010 darauf, dass er „mit Schriftsatz vom 08.10.09 (…) Rechtsmittel eingelegt“ habe und seine im September 2009 erfolgte Beiordnung als Abwickler schon deshalb ins Leere habe gehen müssen, weil er seine Abwicklertätigkeit bereits zum 31. Dezember 2006 beendet habe. Nach erfolglosem Erinnerungsverfahren nach § 56 RVG verwies Rechtsanwalt … unter dem 24. Januar 2011 erneut auf seinen Schriftsatz vom 8. Oktober 2010 (richtig 8. Oktober 2009) und fügte hinzu: „Dieses Schreiben ist als Beschwerde auszulegen, über die bis heute nicht entschieden wurde.“ - verbunden mit der Bitte um Abänderung des Beiordnungsbeschlusses und antragsgemäße Vergütungsfestsetzung (Bl. 274 GA).

Auf die Frage, ob das Schreiben vom 24. Januar 2011 als – unzulässige – Beschwerde gegen die Entscheidung im Erinnerungsverfahren nach § 56 RVG angesehen werden solle, erklärte der Beschwerdeführer erneut, „der Schriftsatz vom 08.10.2009 (sei) als Beschwerde gegen den Beschluss vom 24.09.2009 auszulegen.“ (Bl. 278 GA).

Mit Beschluss vom 24. Februar 2011 (Bl. 279 GA) half das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde des Antragstellervertreters vom 24.01.2011 gegen den Prozesskostenhilfebeschluss vom 24.09.2009“ nicht ab und legte die Sache dem Senat zur Entscheidung vor.

2. Die sofortige Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ist nach § 127 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO zulässig.

a) Dem Amtsgericht ist zwar selbstverständlich darin beizupflichten, dass unter dem 24. Januar 2011 tatsächlich nicht mehr fristgerecht sofortige Beschwerde gegen den am 28. September 2009 zugestellten Prozesskostenhilfebeschluss vom 24. September 2009 eingelegt werden konnte. Allerdings hat der Beschwerdeführer mit diesem Schriftsatz vom 24. Januar 2011 offenkundig auch kein Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 24. September 2009 eingelegt, sondern vielmehr ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass bereits unter dem 8. Oktober 2009 und damit fristgerecht sofortige Beschwerde eingereicht worden, diese allerdings weiterhin nicht beschieden sei.

b) Abweichend von der vom Amtsgericht vertretenen Ansicht ist der Senat der Auffassung, dass in dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 8. Oktober 2009 die Einlegung einer sofortigen Beschwerde zu sehen ist.

Gemäß § 569 Abs. 2 Satz 2 ZPO muss die Beschwerdeschrift die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt werde. Wegen der geringen Formstrenge reicht es dabei aus, wenn die Schrift bei großzügiger Auslegung den Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung und das Anliegen der Überprüfung derselben durch die höhere Instanz hinreichend klar erkennen lässt. Ist allerdings ein Anfechtungswille auch bei großzügiger Auslegung nicht erkennbar, kann eine Eingabe an das Gericht nicht nachträglich dadurch zu einer Beschwerde gemacht werden, dass die Erklärung nachgeschoben wird, die Eingabe möge als Beschwerde gewertet werden. Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH NJW 1992, 243; MDR 2004, 1112 – jeweils mit weiteren Nachweisen).

Im Streitfall enthält der Schriftsatz vom 8. Oktober 2009 weder die Bezeichnung des Beschlusses vom 24. September 2009 noch den Begriff „Beschwerde“ oder Rechtsbehelf o.ä. Auch wenn eine größere Klarheit wünschenswert, von einem Rechtsanwalt eigentlich fast zu erwarten gewesen wäre, so kommt doch in dem Inhalt dieses Schriftsatzes vom 8. Oktober 2009, in dem unter Hinweis auf die das Änderungsbegehren tragenden Begründung („nicht mehr als Abwickler tätig“, „eigenes Mandat“) um Überprüfung der Beiordnungsentscheidung und Abänderung dahin, dass die Beiordnung „ohne den Zusatz „als Abwickler der Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwaltes G…““ erfolgen möge, nachgesucht wird, eindeutig das Anliegen zum Ausdruck, die ergangene Entscheidung so nicht hinnehmen zu wollen, sondern auf Abänderung zu dringen. Diese deutlich zum Ausdruck gekommene Absicht schließt – nach dem Auslegungsgrundsatz, dass im Zweifel das Vernünftige und Richtige gewollt ist - nach der hier vertretenen Ansicht die Vorlage an das Beschwerdegericht ein für den Fall, dass dem Begehren nicht im Wege der Abhilfe durch das Amtsgericht stattgegeben werden sollte.

Richtig ist natürlich, dass es – gerade für einen Rechtsanwalt – durchaus nahe gelegen hätte, auf die – bei der gegebenen Sachlage (dazu unter 3.) allerdings wenig verständliche - Zwischenmitteilung des Amtsgerichts vom 9. Oktober 2009 dahin, dass es „bei den bisher erlassenen Beschlüssen (bleibt)“ und Beschwerde eingelegt werden möge, klarzustellen, dass der Schriftsatz vom 8. Oktober 2009 bereits als Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss vom 24. September 2009 gewertet werden solle. Das Auslassen dieser Möglichkeit kann aber nicht dazu führen, dass ein bereits aus sich heraus als Rechtsmittel auszulegender und zu behandelnder Schriftsatz nunmehr dahin interpretiert werden könnte, dass eine Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht nun doch nicht mehr erreicht werden solle.

Ist der Schriftsatz vom 8. Oktober 2009 allerdings als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 24. September 2009 auszulegen, so ist das Rechtsmittel zulässig eingelegt.

3. Das Rechtsmittel hat schließlich auch in der Sache Erfolg.

Der Beschwerdeführer war bereits seit dem 1. Januar 2007 nicht mehr als Abwickler für die Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts G… tätig. Er hat dies im laufenden Verfahren bereits mit Schriftsatz vom 4. März 2008 (Bl. 144 GA) ausdrücklich angezeigt. Er hat – sachlich konsequent - ferner mit Schriftsatz vom 4. August 2009 (Bl. 165 GA) unter Vorlage einer entsprechenden Prozessvollmacht die eigene Mandatierung durch die Antragstellerin glaubhaft gemacht und im Prozesskostenhilfeverfahren um Beiordnung (seiner Person) nachgesucht. Für die Beiordnung des Beschwerdeführers mit dem Zusatz „als Abwickler der Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts G…“ bestand nach alledem überhaupt kein sachlicher oder rechtlicher Grund. Bezeichnenderweise ist in den Beschlüssen des Amtsgerichts vom 7. Oktober 2009 (Bl. 185 GA) und vom 18. November 2009 (Bl. 215 GA) als Prozessbevollmächtigter der Antragstellerin der Beschwerdeführer ohne den einschränkenden Zusatz auf eine Funktion als Abwickler aufgeführt. Dem Senat erschließt sich bei der hier gegebenen Sachlage nicht, weshalb das Amtsgericht an der unstreitig sachlich falschen Beiordnungsentscheidung unbedingt festhält und das Versehen bei der Beschlussfassung vom 24. September 2009 dadurch perpetuiert.

Die angefochtene Entscheidung war nach alledem im Beschwerdeverfahren antragsgemäß abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.