Gericht | OLG Brandenburg 1. Strafsenat | Entscheidungsdatum | 16.06.2025 | |
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Aktenzeichen | 1 Ws 65/25 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0616.1WS65.25.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wird der Beschluss der großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam vom 11. April 2025 aufgehoben.
Der Antrag des Verurteilten, die lebenslange Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) (Az. 25 Ks 9/99) vom 10. Januar 2000 zur Bewährung auszusetzen, wird zurückgewiesen.
Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 465 StPO analog).
I.
Mit Urteil vom 10. Januar 2000, rechtskräftig seit 22. September 2000, hat das Landgericht Frankfurt (Oder) (Az. 25 Ks 9/99) gegen den Verurteilten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge sowie räuberischer Erpressung eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe verhängt.
Den Urteilsfeststellungen zufolge nutzte der Verurteilte gemeinsam mit einem Mitgefangenen im August 1998 einen ihm gewährten Hafturlaub zur Flucht aus der Justizvollzugsanstalt („Ort 01“), in der er sich damals befand. Dieser vorausgegangenen Haft lag eine Verurteilung durch das Landgericht („Ort 01“) vom 19. Februar 1991 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten wegen schwerer räuberischer Erpressung in sechs Fällen in Tatmehrheit mit versuchter räuberischer Erpressung zugrunde. Planlos zogen die Männer durch die Bundesrepublik und lebten dabei zunächst von einem größeren Geldbetrag, den der Mitgefangene seiner Schwester entwendet hatte. Als das Geld ausging, entschlossen sie sich, die notwendigen finanziellen Mittel durch Straftaten zu erlangen. So begingen sie verschiedene Einbrüche in Gartenlauben, stahlen mehrere Pkw, indem sie die Autoschlüssel von den Besitzern erpressten, und nutzen die Fahrzeuge zur Fortsetzung ihrer Flucht. Auf der Flucht konsumierten sie u.a. auch Drogen.
Am 29. September 1998 waren die beiden Männer zu Fuß im Land („Ort 02“) unterwegs und auf der Suche nach einem Pkw, um sich bequemer fortbewegen zu können. Zuvor hatten sie ein sogenanntes „Finnmesser" erworben, welches der Verurteilte bei sich führte. Sie benötigten das Messer, da sie häufig auch im Wald übernachteten. In den Vormittagsstunden des 29. September 1998 waren sie in der Nähe von („Ort 03“), bei („Ort 04“), unterwegs und gelangten dort an einen See, wo sie einen parkenden Pkw Ford Puma feststellten, in dem sich ihr späteres Opfer befand. Der Führer des Pkw hatte sich dort hingestellt, um eine Pause einzulegen und Zeitung zu lesen. Der Verurteilte und sein Mittäter entschlossen sich sodann, sich in den Besitz des Pkw Ford zu bringen. Der Verurteilte breitete eine Landkarte auf der Motorhaube des Ford aus und brachte den Fahrzeugführer so unter dem Vorwand, ihn nach dem Weg fragen zu wollen, dazu, den Pkw zu verlassen. Hiernach bedrohte er ihn mit dem bei sich geführten „Finnmesser“ und forderte ihn zur Herausgabe des Fahrzeugschlüssels auf. Der Fahrzeugführer wehrte sich jedoch und trat karatemäßig auf den Verurteilten ein, wobei er ihn auch einmal am Kehlkopf traf und ihn zudem mit Fäusten in das Gesicht schlug. Um sich über den Widerstand des Fahrzeugführers hinwegzusetzen und sich so in den Besitz des Pkws zu bringen, stach der Verurteilte („Name 01“) nunmehr 17 Mal mit dem „Finnmesser“, welches eine Klingenlänge von 14 cm hatte, mit zum Teil erheblicher Wucht auf den Oberkörper seines Opfers ein, wobei sowohl dessen Herz als auch dessen Lunge verletzt wurden. Die Täter flüchteten mit dem Pkw des Opfers, als sich Spaziergänger dem Tatort näherten. Ihr Opfer verstarb aufgrund des Blutverlustes noch am Tatort. Der Verurteilte sowie sein Mittäter benutzen den Ford Puma, bis die Tankfüllung geleert war, und stellten ihn dann in einem Waldgebiet ab.
Am 9. Oktober 1998 überfielen sie die Volksbank („Ort 05“). Der Verurteilte erpresste von der Kassiererin unter Einsatz einer Schreckschusspistole 1.800,00 DM und flüchtete sodann zu Fuß bis zur („Adresse 01“), wo der Mittäter mit dem zuvor entwendeten Fluchtfahrzeug bereit stand. Das entwendete Geld diente ihnen zur Beschaffung von Nahrungsmitteln und Kleidung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe Bezug genommen.
Der zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Taten bereits wiederholt straffällig gewordene und hafterfahrene Verurteilte befindet sich seit dem 29. August 1990 in Haft. Im Zeitraum vom 06. Juli 1991 bis zum 17. August 1998 wurde zunächst ein Teil der mit Urteil des Landgerichts („Ort 01“) am 19. Februar 1991 (Az. 40 VRs 248/91 LGSbr. 8-28/90) wegen schwerer räuberischer Erpressung in sechs Fällen in Tatmehrheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten in der Justizvollzugsanstalt („Ort 01“) vollstreckt. Diese Vollstreckung wurde durch die oben genannte Flucht des Verurteilten während eines Hafturlaubes unterbrochen und nach seiner erneuten Festnahme vom 15. Oktober 1998 bis zum 27. April 2000 fortgesetzt; die Strafe war dann vollständig vollstreckt. Vom 28. April bis zum 21. September 2000 befand sich der Verurteilte in dem Anlassverfahren in Untersuchungshaft, die Strafhaft in dieser Sache wird seit dem 22. September 2000 vollstreckt. Im Zeitraum vom 30. Oktober 2000 bis 29. September 2005 und 12. Februar 2018 bis 07. August 2024 war der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) inhaftiert, davon im Zeitraum vom 27. Juli 2022 bis 09. Januar 2023 im dortigen offenen Vollzug; im Übrigen in der Justizvollzugsanstalt („Ort 07“).
Am 27. April 2015 hatte der Verurteilte 15 Jahre der lebenslangen Freiheitsstrafe verbüßt.
Vom 28. April 2015 bis zum 27. November 2015 war die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Vollstreckung der durch Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel am 27. April 2007 (Az. 25 Ds 237/06) verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten wegen übler Nachrede und Veräußerung von Betäubungsmitteln unterbrochen.
Seit dem 28. November 2015 wird hiernach wieder die lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt.
Der Senat hat zuletzt mit Beschluss vom 18. August 2023 entschieden, dass eine Aussetzung der Strafe im Hinblick auf die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit nicht verantwortet werden kann.
Mit Verteidigerschriftsatz vom 17. Januar 2024 hat der Verurteilte beantragt, die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Januar 2000, Az. 25 Ks 9/99, zur Bewährung auszusetzen. Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) ist diesem Antrag mit Stellungnahme vom 01. März 2024 entgegengetreten; nach dortiger Einschätzung wird eine Entlassungsperspektive bei einem bestmöglichen Behandlungsverlauf erst im Jahre 2027 gesehen. Unter dem 13. März 2024 erklärte sich der Verurteilte mit seiner bedingten Entlassung gemäß § 57 StGB einverstanden.
Mit Verfügung vom 02. April 2024 beantragte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen. Mit ergänzender Stellungnahme vom 02. August 2024 teilte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) mit, dass für den Verurteilten mangels Erfolges beim Wecken der Behandlungsmotivation und tragfähiger Veränderungen der Risikofaktoren trotz langjähriger, mannigfacher Behandlungsangebote die Rückverlegung in den Regelvollzug festgelegt worden sei.
Unter dem 09. August 2024 beauftragte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam („Name 02“), Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Forensische Psychiatrie (ÄK, DGPPN) mit der Erstellung eines forensischen Prognosegutachtens, das dieser unter dem 31. Januar 2025 erstellte. Inhaltlich wird auf dieses Gutachten verwiesen.
Aufgrund des langen Zeitraums bis zur Gutachtenerstellung wurde seitens der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) unter Festhalten am Antrag vom 02. April 2024 bei der nach Verlegung zuständigen Leiterin der Justizvollzugsanstalt („Ort 07“) eine ergänzende Stellungnahme angefordert, die diese unter dem 19. März 2025 abgab. Dabei stimmte diese unter Verweis auf die beanstandungsfreie Führung des Verurteilten seit Rückverlegung in den geschlossenen Vollzug einer vorzeitigen Entlassung zu, soweit unter Klärung der Kostenfrage der Wohnraum bei der Freien Hilfe fest zur Verfügung stünde, und schloss sich der seitens der früheren Justizvollzugsanstalt angeregten Weisungen an.
Am 21. März 2025 wurden der Verurteilte, der Sachverständige („Name 02“), Herr („Name 03“) als potentieller Bewährungshelfer und Frau („Name 04“) von der Freien Hilfe („Ort 03“) vor der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam mündlich angehört. Mit Beschluss vom 11. April 2025 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam den weiteren Vollzug der mit Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Januar 2000, Az.: 25 Ks 9/99, erkannten lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus. Im Beschlusstenor heißt es:
„1. Der weitere Vollzug der mit Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 10. Januar 2000, Az. : 25 Ks 9/99, 244 Js 344/98, erkannten lebenslangen Freiheitsstrafe wird ab dem 5. Mai 2025, jedoch nicht vor Rechtskraft dieser Entscheidung, zur Bewährung ausgesetzt.
2. Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre.
3. Der Verurteilte wird für die Dauer der Bewährung der Aufsicht und Leitung des hauptamtlichen Bewährungshelfers, Herrn („Name 03“) von den Sozialen Diensten der Justiz („Ort 03“), („Adresse 02“) unterstellt.
4. Der Verurteilte wird angewiesen:
a) Er hat keine psychotrop-wirkenden Substanzen (insbesondere Kokain, Amphetamine, Cannabinoide und Benzodiacepine) einschließlich Alkohol zu sich zu nehmen.
b) Er hat sich regelmäßig unangekündigten Alkohol- und Drogentests zu unterziehen (mindestens alle zwei Monate ein Drogenurintest, mindestens einmal im Vierteljahr Bestimmung des CDT-Werts und des ETG-Werts im Blut). Die Untersuchung bezieht sich auf alle gängigen Drogen, insbesondere Kokain, Amphetamine, Cannabinoide und Benzodiacepine. Insoweit hat er auf Aufforderung des Bewährungshelfers oder der Forensisch-Therapeutische Ambulanz eine Urinprobe (einmal innerhalb von zwei Monaten) abzugeben oder eine Blutentnahme zu dulden (einmal im Vierteljahr). Die anfallenden Kosten trägt die Staatskasse.
c) Er hat nach seiner Entlassung seinen Wohnsitz in der betreuten Wohneinrichtung der Freien Hilfe („Ort 03“) e.V. in der („Adresse 03“) Wohnung zu nehmen und alles zu unterlassen, was Anlass für eine von ihm zu vertretende Beendigung des zugrundeliegenden Mietvertrages führen könnte.
d) Er darf seinen Wohnsitz nur in Abstimmung mit der Bewährungshilfe und mit
Zustimmung der Strafvollstreckungskammer wechseln.
e) Er hat sich während der Bewährungszeit mindestens einmal monatlich bei der Bewährungshilfe zu melden, wobei diese bestimmt, ob der nächste Kontakt telefonisch oder durch persönliche Vorspräche des Verurteilten wahrzunehmen ist.
f) Er hat sich erstmals binnen einer Woche nach der Entlassung und sodann alle 14 Tage mindestens einmal bei der Forensisch-Therapeutische Ambulanz, („Adresse 04“) in („Ort 03“) vorzustellen. Ab dem 1. November 2025 hat er sich nur noch einmal monatlich vorzustellen.
g) Es ist ihm verboten, Hieb- und Stichwaffen sowie diesen gleichstehende Werkzeuge in der Öffentlichkeit zu führen.
h) Er hat sich bei der zuständigen Bundesagentur für Arbeit oder einer anderen zur Arbeitsvermittlung zugelassenen Stelle innerhalb einer Woche nach Entlassung zu melden.
i) Die Aufnahme/Änderung eines Arbeitsverhältnisses bedarf der Absprache und Zustimmung der Bewährungshilfe.“
Gegen diesen, ihr am 14. April 2025 zugestellten, Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) vom 16. April 2025, die sie mit weiterer Verfügung vom 29. April 2025 begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist in ihrer Stellungnahme vom 13. Mai 2025 der sofortigen Beschwerde beigetreten und beantragt, den angefochtenen Beschluss auszuheben und den Antrag des Verurteilten auf Aussetzung der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung abzulehnen.
Der Verurteilte ist diesem Antrag mit Verteidigerschriftsatz vom 03. Juni 2025 entgegengetreten.
II.
Die nach § 454 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ist zulässig und begründet.
Eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß §§ 57a Abs. 1 Nr. 3, 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3, Satz 2 StGB kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit trotz der mittlerweile extrem langen Haftdauer nicht verantwortet werden.
Grundsätzlich kommt eine vorzeitige bedingte Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB nur in Betracht, wenn konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Verurteilte habe infolge des bisherigen Strafvollzugs die Persönlichkeitsdefizite, die in seinen Straftaten deutlich geworden sind, behoben und die Fähigkeit erworben, Tatanreizen künftig zu widerstehen, so dass ein gleichwohl verbleibendes, durch den Strafvollzug verringertes Risiko der Begehung neuer Straftaten auch im Hinblick auf die hierbei drohende Rechtsgutverletzung insgesamt hinnehmbar erscheint und deshalb verantwortet werden kann (vgl. hierzu und dem Folgenden: OLG Koblenz, Beschluss vom 09. Dezember 2019, Az. 2 Ws 474/19 m.w.N.). Erforderlich ist aber in jedem Fall, dass die zukünftige Straffreiheit wahrscheinlich ist; das bloße Bestehen einer entsprechenden Chance reicht hierfür nicht aus. Von Bedeutung ist nur eine durch feststellbare Tatsachen belegte günstige Entwicklung während des Vollzugs, die von besonderem Gewicht sein muss. Dazu zählt etwa die Beseitigung von Defiziten im Sozialverhalten, vor allem aber die Behebung von tatursächlichen Persönlichkeitsmängeln. Diese allgemeinen Maßstäbe gelten grundsätzlich auch für die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57a StGB.
Bei Kapitalverbrechen wie dem vom Verurteilten begangenen Mord kommt dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit grundsätzlich eine ganz besonders hohe Bedeutung zu (vgl. hierzu und dem Folgenden: OLG Koblenz, Beschluss vom 09. Dezember 2019, Az. 2 Ws 474/19 m.w.N.). Eine bedingte Entlassung lässt sich in diesen Fällen schon dann nicht verantworten, wenn konkrete, über eine bloße Möglichkeit hinausgehende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Verurteilte erneut ein schweres Verbrechen begehen werde, sei die Gefahr auch nur gering. Die besonders hohe Wertschätzung des Lebens rechtfertigt die weitere Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe daher nicht nur in Fällen, in denen eine fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten positiv festgestellt wird, sondern bereits dann, wenn trotz Beachtung des verfassungsrechtlichen Gebots entsprechender zureichender richterlicher Sachaufklärung keine günstige Gefährlichkeitsprognose zugunsten des Verurteilten gestellt werden kann. Dabei gehen verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose regelmäßig zu Lasten des Verurteilten.
Eine in diesem Sinne gesicherte günstige Sozialprognose des Verurteilten kann senatsseits nicht festgestellt werden und lässt sich auch nicht dem Gutachten des Sachverständigen („Name 02“) vom 31. Januar 2025 entnehmen.
Vielmehr kann es nach den dargestellten Grundsätzen zum jetzigen Zeitpunkt nicht verantwortet werden, den Verurteilten aus dem Strafvollzug zu entlassen. Es sind noch nicht alle im Vollzugsrecht vorhandenen Möglichkeiten ausgeschöpft worden, um das von dem Verurteilten ausgehende Gefahrenrisiko auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.
Gegen eine bedingte Entlassung spricht insbesondere der Umstand, dass sich der Verurteilte im offenen Vollzug der Sozialtherapie, in dem er sich vom 27. Juli 2022 bis 09. Januar 2023 bei der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) befand, nicht bewährt hat, sondern den Vorzügen des offenen Vollzuges aufgrund des Rückfalls in Verhaltensauffälligkeiten, insbesondere deutlichen Schwierigkeiten in den Risikofaktorenbereichen Bedürfnisaufschub (unmittelbare Bedürfnisbefriedigung), Fähigkeit zum vorausschauenden Denken sowie deliktfördernde Einstellung zuvorderst bei der Einhaltung von Regeln und Normen sowie dem Umgang mit Autoritäten bei übergreifender eingeschränkter Vereinbarungsfähigkeit verlustig wurde und nach Wiederaufnahme in den geschlossenen Vollzug der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) nach weiterem festgestellten therapeutischem Stillstand nach dem 07. August 2024 wieder in den Regelvollzug der Justizvollzugsanstalt („Ort 07“) verlegt wurde.
Worauf sich die Idee begründet, den Verurteilten ohne erfolgreiche Erprobung im offenen Vollzug als Stufe der Resozialisierung, in der der Gefangene an der Einübung der Regularien des freien Lebens arbeitet und sich an die vorgegebenen Regeln halten muss, auf Bewährung zu entlassen, erschließt sich dem Senat auch beim zweiten Anlauf nicht. Ebenso wenig überzeugt die Einschätzung des Sachverständigen („Name 02“), der in seinem Gutachten vom 31. Januar 2025 (Seite 120) ausführt, dass „bei den Schilderungen des Probanden bzw. der Betrachtung seiner Geschichte und der Aktenlage“ auffalle, „dass sich Herr („Name 01“) zum einen jeweils als Opfer von Situationen oder anderen Menschen darstellte, somit eigene Verantwortung verringerte bzw. ganz von sich wies und des Weiteren, dass immer wieder ein ähnlicher Modus vor der Straffälligkeit bzw. vor wichtigen Lebensabschnitten zum Vorschein kam, nämlich der, dass er, kurz bevor er einen wichtigen Abschnitt erfolgreich beendete, durch entsprechendes eigenes Fehlverhalten diesen jeweils verhinderte bzw. ein entsprechende positives Vorankommen“, es „jedoch in den letzten Jahren nicht mehr der Fall gewesen“ sei. Denn gerade durch sein Verhalten im offenen Vollzug der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“), das durch Verstärkung der dissozialen Muster des Verurteilten, Weisungsverstöße, Einsichtsreduktion und therapieablehnendes Verhalten gekennzeichnet war, was zur Entscheidung der Vollzugsplankonferenz am 09. Januar 2023 führte, die zuvor erkannte Eignung des Verurteilten für den offenen Vollzug zu widerrufen, offenbart dieser genau das bekannte „selbstmanipulative“ Fehlverhalten, mit dem er sich selbst in der Vergangenheit bei positiven Entwicklungen immer wieder zu Fall brachte und von dem der Sachverständige nun meint, der Verurteilte würde es „seit Jahren“ nicht mehr an den Tag legen. Das Fortbestehen dieses - vom Sachverständigen als abgelegt konstatierten - Modus wird umso deutlicher, als der Verurteilte dann wieder eine positive Kehrtwende nahm, als der Senat ihm in seiner Entscheidung vom 18. August 2023 in gewisser Weise die „Last“ der Aussetzung der Bewährung zum 01. März 2024, wie es die Strafvollstreckungskammer in ihrer seinerzeit angefochtenen Entscheidung vom 13. Februar 2023 ausgesprochen hatte, nahm, wie es die Leiterin der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 01. März 2024 konstatierte. So hatten sich sowohl die Behandlungsmotivation als auch die Mitarbeitsbereitschaft verbessert, und er nahm seit Oktober 2023 an der Behandlungsmaßnahme „Selbstmanagementprogramm - Allgemein Gewalt- und Sexualstraftaten)“ teil, um seine Verhaltensauffälligkeiten aufzuarbeiten.
Dass es in der Folge zu einer erneuten Verschlechterung dergestalt kam, dass die Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) in der Vollzugsplankonferenz vom 23. Juli 2024 mangels Erreichens tragfähiger Veränderungen der Risikofaktoren trotz langjähriger, vielfältiger Behandlungsangebote die Rückverlegung in den Regelvollzug festlegte (vgl. gutachterliche Stellungnahme vom 02. August 2024), führt nicht im Umkehrschluss dazu, dass der Verurteilte nun ohne die Vorstufe des offenen Vollzuges direkt und „gleich“ (Sachverständiger („Name 02“) in der mündlichen Anhörung vom 21. März 2025) in die Erprobung in der Außenwelt entlassen werden kann. Dies sollte bereits per se keiner weiteren Begründung bedürfen, doch erst recht nicht vor dem Hintergrund, als dass nicht erkennbar ist, dass der Verurteilte infolge des bisherigen Strafvollzugs die Persönlichkeitsdefizite, die in seinen Straftaten deutlich geworden sind, behoben und die Fähigkeit erworben hat, Tatanreizen künftig zu widerstehen. Bereits im Rahmen der allgemeinen Maßstäbe ist - wie bereits beschrieben - eine durch feststellbare Tatsachen belegte günstige Entwicklung während des Vollzugs, die von besonderem Gewicht sein muss, erforderlich, indes nicht zu erblicken.
In seinem Gutachten stellt der Sachverständige fest, dass - bei fortbestehender, handlungsleitender dissozialer Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.2) des Verurteilten sowie retrospektiv moderatem Alkoholabhängigkeitssyndrom (ICD-10: F10.21) bei Abstinenz seit 2008 unter den geschützten Bedingungen des Vollzugs -, statistisch das Lebensalter des Probanden positiv, die breit gefächerte strafrechtliche Vergangenheit, die Vorstrafen, die Bewährungswiderrufe und die Straffälligkeit aus der Haft heraus negativ zu bewerten seien. Ihm „fiel eine deutliche Bagatellisierungsneigung, eine Opferhaltung bezüglich eigener Straftaten und entsprechender Selbstverantwortung der Bestrafungen sowie eine allgemeine Bagatellisierungsneigung bezüglich seiner strafrechtlichen Vorgeschichte auf“ (Seite 96 des Gutachtens). Inwieweit der seitens des Sachverständigen („Name 02“) erkannte Umstand, dass er „dennoch“ „bezüglich des Tötungsdelikts Reue, nicht nur in Bezug auf die von ihm dadurch erlittenen negativen Konsequenzen, sondern auch in Richtung einer Opfer-Empathie“ zeige, (Seite 96 f. des Gutachtens), dazu führe, dass „die Entwicklung von Herrn („Name 01“) im Rahmen der Persönlichkeitsstörung sowie seiner Sozialisation bemerkenswert gut verlaufen ist und in eine entsprechende prosoziale Richtung weist“ (Seite 97 des Gutachtens), und es auch in Ansehnung dessen, dass dies ausschließlich im Rahmen vorgegebener Strukturen in der Justizvollzugsanstalt zu beobachten war, „dennoch“ dem Sachverständigen „die weitere Inhaftierung des Probanden als wenig sinnvoll“ erscheinen lässt, „sowohl in Bezug auf die Sicherheit/ den Schutz der Allgemeinheit als auch in Bezug auf weitere sinnvolle (therapeutische) Maßnahmen für eine Weiterentwicklung im Sinne einer Gefährlichkeitsminimierung des Probanden“, bleibt dem Senat verborgen. Dafür dürfte weder die anteilige „Reue in Richtung einer Opfer-Empathie“ noch der seit 2017 in den Gutachten rückläufige Score in der PCL-R (von ursprünglich 25 als Grenzwert für einen hohen Psychopathie-Score über 22 im Gutachten von („Name 05“) vom 12. Juni 2020 über 21 im Gutachten von („Name 06“) vom 27. April 2022, 19 im Gutachten von („Name 06“) vom 14. November 2022 und nunmehr 18 im Gutachten von („Name 02“)), den der Sachverständige („Name 02“) als „objektiven Nachweis der Nachreifung und konsekutiven tragfähigen Verhaltensänderung des Probanden“ einordnet, geeignet sein, zumal bei einem Wert von 17 bis 24 eine mittelgradige Ausprägung des Psychopathie-Merkmals vorherrscht. Insoweit fehlt es dem Senat auch an der Belastbarkeit der aus dem Vorbeschriebenen hervorgehenden Aussage des Sachverständigen in seinem Gutachten vom 31. Januar 2025, wonach „die Augenblicksgebundenheit von Handlungen sowie die geringe Weitsicht bezüglich Konsequenzen, die hedonistisch rücksichtslose Denkweise sowie die fehlende Opferempathie einer offensichtlichen und grundsätzlichen Wende“„unterliegen“, „da sie nun gerade nicht mehr erkannt werden“ (Seite 120 des Gutachtens). Zumal den Ausführungen der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) in ihrer gutacherlichen Stellungnahme vom 18. Januar 2023 zufolge der Verurteilte bei seinen negativen Verhaltensänderungen im offenen Vollzug konstatierte, er werde „sich jetzt im offenen Vollzug nicht mehr reglementieren lassen“ und auch der Sachverständige („Name 02“) im Rahmen seiner diagnostischen Erwägungen zur festgestellten dissozialen Persönlichkeitsstörung ausführte: „Hierbei sind zunächst die allgemeinen Kriterien einer Persönlichkeitsstörung als erfüllt anzusehen, die tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster umfasst, welche sich in starren Reaktionen auf unterschiedliche soziale Lebenslagen zeigten. Hierbei sind bei Herrn („Name 01“) (Anmerkung: richtig („Name 01“)) gegenüber einer Peer-Group deutliche Abweichungen im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in der Beziehungsgestaltung festzustellen, die sich relativ stabil auf mehrfache Bereiche von Verhalten sowie psychischen Funktonen darstellen lassen bzw. ließen.
Spezifisch ist hier Rücksichtslosigkeit gegenüber den Gefühlen der Umwelt in vielen Situationen, grobe und andauernde Verantwortungslosigkeit sowie Missachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen, ein Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger tragfähiger Beziehungen, eine verminderte Fähigkeit, aus Erfahrung zu lernen, insbesondere aus negativen Sanktionen prosoziale Rückschlüsse und Verhaltensänderungen zu generieren sowie eine ausgeprägte Rationalisierungsneigung mit der starken Tendenz eigenes Verhalten und Versagen auf die Umwelt zu externalisieren“. (Seite 101 f. des Gutachtens)
Auch können ein „Therapieerfolg“ und „entsprechende Nachreifung“ (Seite 120 des Gutachtens), bzw. „definitive Nachreifung“, die nach Ansicht des Sachverständigen bei dem Probanden „eingetreten zu sein scheint“ (Seite 113 des Gutachens, Unterstreichung erfolgte durch erkennenden Senat zum Zwecke der Hervorhebung) und ein dank ihnen durchbrochener Modus des „Selbstzufallbringens“ nicht gesehen werden, da, wie vorbeschrieben, dieser Modus jedenfalls bis zum Jahre 2023/2024 entgegen den sachverständigen Ausführungen nicht durchbrochen worden sein dürfte und sich auch im Übrigen Therapieerfolg wie Nachreifung jedenfalls in beständiger und zuverlässiger Weise aus Sicht des Senats nicht ausmachen lassen.
Mögen die von der Justizvollzugsanstalt („Ort 02“) in Bezug genommenen Verstöße wie beispielsweise Konsum von Betäubungsmitteln und zwei statt einer Haarschneidemaschine von dem Sachverständigen auch abgetan und in ihrer Intensität sicherlich nicht unübertroffen sein, so geht damit nicht gleichermaßen eine für die Bewährungsaussetzung erforderliche Verhaltensänderung i.S.d. Abschwächung der Initialstörung und dem Beherrschen von Skills, um ihr zu begegnen, einher. Erst recht nicht, als dass nach den Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Anhörung vom 21. März 2025 die „Verhaltens- und Gefühlsstörungen“ bei dem Verurteilten „über Jahre etabliert seien“, so dass „die kleineren Verstöße in der SothA-Behandlung nicht verwunderlich“ seien.
Die gutachterliche Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt („Ort 07“) vom 19. März 2025, die sich dem Gutachten des Sachverständigen („Name 02“) anschließt, führt zu keiner anderen Gewichtung, nicht zuletzt, da sich der Proband beim Abfassen selbiger erst wieder für den Zeitraum von sechs Monaten in dieser befand und sich die Ausein(„Name 02“)etzung mit dem Gutachten von („Name 02“) durch den dortigen psychologischen Dienst in dem Vermerk vom 06. März 2025 in einer bloßen Rekapitulation desselben und Darstellung des eigenen Explorationsgesprächs mit dem Probanden erschöpft.
Wie bereits in dem Senatsbeschluss vom 18. August 2023 festgehalten, befindet sich der Verurteilte mit Ausnahme der Fluchtzeit von zwei Monaten inzwischen 35 Jahre ununterbochen in Haft und hat einschließlich der weiteren von ihm verbüßten Jugend- bzw. Freiheitsstrafen mehr als 36 Jahre seines Lebens in Vollzugsanstalten verbracht. Vor einer Entlassung auf Bewährung ist insoweit zunächst die Lebenstüchtigkeit des Verurteilten in Freiheit durch (erneut) einzuleitende und im (Falle des positiven) Verlaufs kontinuierlich auszuweitende Lockerungsmaßnahmen zu testen. Denn je länger der Strafvollzug angedauert hat, desto schwieriger ist die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und scheint ohne sorgfältige Vorbereitung kaum möglich (vgl. bereits vorbenannten Senatsbeschluss zum Az. 1 Ws 97/23).
Vor dem Hintergrund der bestehenden begründeten Zweifel an einer günstigen Sozialprognose des Verurteilten war die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung nach § 57a Abs. 1 Nr. 3, 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3, Satz 2 StGB zum gegenwärtigen Zeitpunkt abzulehnen.