Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 6 W 39/25


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 6. Zivilsenat Entscheidungsdatum 17.06.2025
Aktenzeichen 6 W 39/25 ECLI ECLI:DE:OLGBB:2025:0617.6W39.25.00
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 20.03.2025 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsteller zu 1. und 2. sind Eigentümer eines Einfamilienhauses in … (Ort01), welches sie gemeinsam mit ihrer Tochter, der Antragstellerin zu 3., bewohnen. Die Antragsgegnerin stellt in ihrem Betrieb in … (Ort01) Sicht- und Sonnenschutzanlagen her und führt dabei unter anderem Lackierarbeiten aus.

Mit Antrag vom 28.06.2024 haben die Antragsteller beantragt, im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens Beweis über folgende Behauptungen bzw. Tatsachen zu erheben:

a) Über den Schornstein der Antragsgegnerin werden Luftemissionen ausgebracht, die gesundheitsschädlich sind.

b) Seit Sommer 2022, spätestens seit Herbst 2023 sind gesundheitsgefährdende Emissionen über den Schornstein der Antragsgegnerin auf das Grundstück der Antragsteller getroffen, wobei hierzu Proben und Abstriche vom Boden und vom Gebäude des Einfamilienhauses der Antragsteller vorzunehmen sind.

c) Die gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin zu 2. in Form von Hautausschlag im Bereich des Oberkörpers und an den Armen sowie insbesondere die gesundheitlichen Einschränkungen der Antragstellerin zu 3. in Form von großflächigen roten Flecken am gesamten Körper sowie die Schwermetallvergiftung und zuletzt die Verstärkung der Asthmabeschwerden des Antragstellers zu 1. werden durch die Emissionen vom Grundstück der Antragsgegnerin hervorgerufen.

d) Welche Kosten entstehen für die Entfernung giftiger Substanzen am Haus und im Boden des Grundstücks der Antragsteller, um wieder einen gesundheitlich unbedenklichen Zustand herbeizuführen?

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.09.2024 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zunächst über die unter a) und b) bezeichneten Behauptungen und, falls die Behauptungen zutreffen, auch über die Tatsachenfrage zu d) angeordnet.

Die Sachverständige ist in ihrem schriftlichen Gutachten vom 19.02.2025 zu dem Ergebnis gelangt, eine gesundheitsgefährdende Schadstoffbelastung des Grundstücks sei nicht festzustellen, da die bei sämtlichen Proben gemessenen Schadstoffgehalte die Prüfwerte für den Wirkungspfad Boden-Mensch (Nutzungsszenario: Wohngebiete) erheblich unterschritten. Die Beweisfrage zu d) hat sie unbeantwortet gelassen. Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen haben die Parteien auf Fristsetzung des Landgerichts nicht eingereicht.

Mit Beschluss vom 20.03.2025 hat das Landgericht den Streitwert festgesetzt und die Feststellung ausgesprochen, das Verfahren sei beendet.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie beanstanden, fehlerhaft habe das Landgericht die Beendigung des Verfahrens festgestellt. Ihrem Antrag auf Begutachtung betreffend die Beweisfrage zu c) sei nachzugehen.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller mit dem Ziel der Fortsetzung der Beweisaufnahme durch Einholung eines (medizinischen) Gutachtens auf ihren Antrag zu c) ist zulässig.

Gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens im selbständigen Beweisverfahren ist gemäß § 490 Abs. 1, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft, denn der Antrag, über welchen eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen kann, stellt ein das Verfahren betreffendes Gesuch i.S.v. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO dar (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 490 Rn. 4). Wie das Landgericht in der Nichtabhilfeentscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist mit der Feststellung der Verfahrensbeendigung eine Zurückweisung des Beweisantrages zu c) erfolgt.

Die sofortige Beschwerde ist auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden, § 569 Abs. 1 und 2 ZPO.

2.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht auf den Beweisantrag zu c) keinen Beweisbeschluss erlassen, sondern den Antrag zurückgewiesen, denn es fehlt an dem nach § 485 Abs. 2 ZPO erforderlichen rechtlichen Interesse der Antragsteller an der begehrten Begutachtung durch einen (medizinischen) Sachverständigen.

a)

Nach § 485 Abs. 1 ZPO kann während oder außerhalb eines Streitverfahrens auf Antrag einer Partei die Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen oder die Begutachtung durch einen Sachverständigen angeordnet werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Ist - wie hier der Fall - ein Rechtsstreit nicht anhängig, kann die Partei gemäß § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass unter anderem der Zustand einer Person und/oder die Ursache eines Personenschadens festgestellt wird. Nach Satz 2 der Vorschrift ist ein rechtliches Interesse anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

Der Begriff des "rechtlichen Interesses" ist dabei weit zu fassen. Dementsprechend ist ein rechtliches Interesse etwa in Fällen zu verneinen, in denen ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist, wobei es sich um eindeutige Fälle handeln muss (BGH, Beschluss vom 16. September 2004 – III ZB 33/04, NJW 2004, 3488, juris Rn. 5 m.w.N.). Ferner fehlt das rechtliche Interesse, wenn dem Sachverständigen keine Anschlusstatsachen zu Verfügung stehen und das Beweismittel deshalb offensichtlich ungeeignet ist, einen tauglichen Beweis zu erbringen (vgl. Zöller/Herget a.a.O. Nrn. 4, 7a). So verhält es sich mit dem Antrag der Antragsteller auf Einholung eines Gutachtens zu den Fragen, ob sie an gesundheitlichen Einschränkungen leiden, die durch Emissionen vom Grundstück der Antragsgegnerin hervorgerufen werden.

Zutreffend hat das Landgericht die Beweiserhebung zunächst auf die Beweisfragen zu a) und b) beschränkt, ob über den Schornstein der Produktionsstätte der Antragsgegnerin gesundheitsschädliche Luftemissionen ausgebracht werden, welche seit Sommer 2022, spätestens Herbst 2023 auf das Grundstück der Antragsteller einwirken. Die weiteren Beweisfragen zu c) und d) betreffend die Verursachung gesundheitlicher Einschränkungen der Antragsteller durch solche Emission sowie hinsichtlich der Kosten der Beseitigung einer Grundstücksverunreinigung setzen als Anknüpfungstatsache voraus, dass eine gesundheitsgefährdende Einwirkung durch von der Produktionsstätte der Antragsgegnerin ausgehende Emissionen auf dem Grundstück der Antragsteller vorliegt. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses der Antragsteller konnte mithin erst nach Einholung des Gutachtens zu den Beweisfragen zu a) und b) beurteilt werden.

Wie die Beschwerde nicht in Zweifel zieht, hat die Sachverständige einen gesundheitsgefährdenden Schadstoffeintrag auf das Grundstück der Antragsteller nicht festgestellt. Bei dieser Sachlage hat das Landgericht richtig erkannt, dass die Einholung eines (medizinischen) Gutachtens offensichtlich nicht geeignet ist, die Beweisfrage, ob (und welche) gesundheitlichen Einschränkungen der Antragsteller durch Emissionen der Produktionsstätte der Antragsgegnerin hervorgerufen werden, zu klären. Mangels Feststellung eines von der Antragsgegnerin zu verantwortenden Eintrags von Schadstoffen auf das Grundstück und die Körper der Antragsteller ist einer Prüfung, ob ein solcher Eintrag gesundheitliche Beeinträchtigungen der Antragsteller hervorgerufen hat, die Grundlage entzogen. Für den Antrag auf Einholung eines (medizinischen) Sachverständigengutachtens fehlt es deshalb an dem rechtlichen Interesse.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.