Gericht | OLG Brandenburg 7. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 18.06.2025 | |
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Aktenzeichen | 7 U 168/23 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2025:0618.7U168.23.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
I.
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus vier Titeln des Landgerichts Potsdam nach Aufrechnung gegen die titulierten Forderungen.
Der Kläger und der Ehemann der Beklagten, ... (Name 01), sind seit 2005 hälftige Miteigentümer des Gewerbegrundstücks ... (Straße 01) 106 in ... (Ort 01). Um den Erwerb des Grundstücks zu finanzieren, nahmen sie als Gesamtschuldner ein durch Grundschuld gesichertes Darlehen in Höhe von 140.000 € bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS) auf. Auf dem Grundstück betrieben der Kläger und der Ehemann der Beklagten eine KfZ-Werkstatt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Der Eigentumserwerb an dem Grundstück erfolgte, damit dieses der GbR als Geschäftssitz dauerhaft zur Verfügung stehen sollte. ... (Name 01) erklärte nach dem Grundstückserwerb die Kündigung der Gesellschaft. Bis Mai 2011 setzte der Kläger den Gewerbebetrieb alleine fort. Die Gesellschaft ist bislang nicht auseinandergesetzt.
Am 08.05.2012 kündigte die MBS gleichwohl den Darlehensvertrag und stellte die restliche Darlehensforderung in Höhe von 73.265,94 € fällig. Die Beklagte zahlte diesen Betrag an die MBS und ließ sich im Gegenzug die auf dem Grundstück lastende Grundschuld abtreten. Aus der Grundschuld betrieb sie die Zwangsvollstreckung. Der Kläger wehrte sich mit einer Vollstreckungsabwehrklage beim Landgericht Cottbus zum Aktenzeichen 4 O 200/13 und hinterlegte am 22.07.2013 einen Betrag von 73.265,94 € beim Amtsgericht Tiergarten (87 HL 2201/13) zur Abwendung der Zwangsvollstreckung. Ebenfalls im Juli 2013 bestellte er eine Grundschuld in Höhe von 50.000 € für ... (Name 02) und in Höhe von 80.000 € für ... (Name 03).
Am 4.12.2014 schlossen die Parteien vor dem Landgericht Cottbus einen Vergleich, wonach der Kläger den beim Amtsgericht Tiergarten hinterlegten Betrag von 73.265,94 € zu Gunsten der Beklagten freigab und der Auszahlung an die Beklagte zustimmte und die Beklagte im Gegenzug auf Rechte aus der Grundschuld verzichtete.
... (Name 01) und der Kläger führten in der Folge verschiedene Rechtsstreitigkeiten vor dem Landgericht Potsdam. Ihm standen aus inzwischen rechtskräftigen Titeln Forderungen gegen den Kläger in Höhe von 2.065,65 € (KFB vom 09.04.2014 1. Instanz); 1.643,15 € (KFB vom 09.04.2014 2. Instanz), 22.142,25 € (Urteil LG Potsdam vom 16.05.2014) und 2.597,14 € (KFB vom 13.11.2014) zu. Diese Forderungen trat er an die Beklagte am 12.05.2020 ab.
Mit Anwaltsschreiben vom 03.06.2020 erklärte der Kläger die Freigabe eines Teilbetrages von 36.632,97 € aus dem von ihm beim Amtsgericht Tiergarten hinterlegten Betrag an die Beklagte zum Zwecke des Forderungsausgleichs der auf die Beklagte gemäß Abtretungsanzeige vom 12.05.2020 übergegangenen Forderung. Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage zur Klageschrift zur Akte gereichte Kopie des Schreibens Bezug genommen (Bl. 62 ff. LG).
... (Name 01) und der Beklagte schlossen am 15.07.2024 in einem weiteren Verfahren vor dem Landgericht Cottbus (Az.: 1 O 250/21) einen Teilvergleich. In diesem Vergleich ist unter anderem geregelt, dass „das Grundstück ... (Straße 01) 106 in ... (Ort 01) ab dem 01.04.2009 nicht mehr Sondervermögen der ... (GbR 01) ist“. Wegen der Einzelheiten des Vergleichs wird auf das Protokoll (Bl. 60 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, dass er 5.489,93 € aus privaten Mitteln auf das Darlehen der MBS gezahlt habe und hierzu die Ansicht vertreten, dass ihm ein hälftiger Ausgleichsanspruch gegen ... (Name 01) zustehe, mit dem er aufrechne. Ferner hat er die Ansicht vertreten, dass ihm ein weiterer Ausgleichsanspruch in Höhe der Hälfte des hinterlegten Betrages zustehe und er mit dieser Forderung gemäß § 406 BGB auch gegen die Ansprüche der Zessionarin aufrechnen könne. Er hat für den Fall, dass die Aufrechnungserklärung vom 03.06.2020 unwirksam war, mit diesen Beträgen die Prozessaufrechnung erklärt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die Ansicht vertreten, dass dem Kläger Ausgleichsansprüche nicht zustünden, da sie den hinterlegten Betrag bislang nicht eingefordert habe. Abgesehen davon sei ein etwaiger Anspruch nicht fällig, da die GbR bislang nicht auseinandergesetzt worden sei
Das Landgericht Potsdam hat antragsgemäß die Zwangsvollstreckung aus den folgenden Titeln mit Urteil vom 17.11.2023 für unzulässig erklärt:
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Die Beklagte hat die Auszahlung des hinterlegten Betrages am 31.01.2024 geltend gemacht.
Gegen das landgerichtliche Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe im Ergebnis unzutreffender Rechtsanwendung eine Aufrechnungslage konstruiert, die in Wahrheit nicht bestanden habe. Der Kläger habe schon keine Aufrechnung erklärt. Das von einem Volljuristen formulierte Schreiben vom 03.06.2020 könne nicht in eine Aufrechnungserklärung umgedeutet werden. Dies widerspreche Treu und Glauben. Außerdem bestehe eine Durchsetzungssperre von Einzelpositionen im Verhältnis der Mitgesellschafter zueinander, da noch keine vereinfachte Auseinandersetzungsabrechnung der ... (GbR 01) ... (Name 01) und ... (Name 04) erstellt worden sei. Die beiden die Aufrechnung betreffenden Darlehen seien im Jahr 2005 zum Kauf des Betriebsgrundstücks der ... (GbR 01) aufgenommen worden. Es handele sich um Gesellschaftsschulden. In dem Teilvergleich vom 15.07.2024 vor dem Landgericht Cottbus sei es nur um die Tragung der laufenden Grundstücksbetriebskosten seit dem 01.04.2009 gegangen. Eine weitergehende Auslegung des Vergleichs entspreche nicht dem Parteiwillen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 17.11.2023 – 1 O 401/20 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil im Wesentlichen mit dessen Gründen. Darüber hinaus trägt er vor, in dem Verfahren vor dem Landgericht Cottbus, das zum Teilvergleich geführt habe, sei es um eine Leistungsklage des ... (Name 01) gegangen, mit der er die hälftige Beteiligung des Klägers an den Grundstücksbetriebskosten begehrt habe. Der hiesige Kläger und dortige Beklagte habe daraufhin auf die Durchsetzungssperre verwiesen. Der Vergleich sei dann geschlossen worden, um ein anderes Vorgehen als eine Auseinandersetzung in Bezug auf die Punkte der Nutzung bzw. des Erwerbs des Grundstücks zu wählen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die an die Beklagte von ihrem Ehemann abgetretenen Ansprüche aus den Titeln des Landgerichts Potsdam durch die mit Schreiben vom 03.06.2020 erklärte Aufrechnung erloschen sind.
Die gemäß § 387 BGB notwendige Aufrechnungslage ist gegeben. Sie besteht, wenn dem Schuldner einer erfüllbaren Hauptforderung eine gleichartige, voll wirksame, durchsetzbare und fällige Gegenforderung zusteht und kein Aufrechnungsverbot greift.
Den von der Beklagten vollstreckten Zahlungsansprüchen gegen den Kläger aus den an sie am 12.05.2020 abgetretenen titulierten Forderungen steht ein Anspruch gegen deren Ehemann gegenüber, mit dem der Kläger nach § 406 BGB gegenüber der Beklagten aufrechnen kann. Insbesondere hatte er bei dem Erwerb der Forderung am 4.12.2014 keine Kenntnis von der erst im Jahr 2020 erfolgten Abtretung und seine Forderung ist auch vor der Erlangung der Kenntnis von der Abtretung, nämlich am 4.12.2014, fällig geworden.
Der Kläger hat mit der vorbehaltlosen Freigabe und der Zustimmung zur Auszahlung des hinterlegten Betrages mit dem Abschluss des Vergleichs zum Verfahren des Landgerichts Cottbus zum Aktenzeichen 4 O 200/13 vom 04.12.2014 die das Grundstück ... (Straße 01) belastende Grundschuld nicht nur für sich, sondern auch zugunsten des mit ihm gesamtschuldnerisch haftenden Ehemannes der Beklagten abgelöst. Ihm steht daher gegen ... (Name 01) ein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB zu, der sich wegen der vorgenommenen Hinterlegung und verbindlich erklärten Zustimmung zur Auszahlung an die Gläubigerin auf Zahlung richtet und fällig ist.
Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass die von dem Kläger und ... (Name 01) gegründete GbR sich nach Kündigung im Liquidationsstadium befindet. Grundsätzlich können Einzelansprüche der Gesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen die Gesellschaft oder einzelne Mitgesellschafter nach Eintritt eines Auflösungsgrundes nicht mehr isoliert geltend gemacht werden. Sie bilden unselbständige Rechnungsposten in der Auseinandersetzungsbilanz (vgl. Trost in jurisPK-BGB Band 2, § 730 Rn. 27; BGH NJW 2015, 1956, Rn. 15; NZG 2019, 466 Rn. 32).
Die Regelungen über die Auseinandersetzung nach den §§ 730 ff. BGB sind indes abdingbar (vgl. Trost in jurisPK-BGB Band 2, § 730 Rn. 4, 14). Die Gesellschafter können im Gesellschaftsvertrag oder durch eine spätere Vereinbarung ein anderes Vorgehen als eine Auseinandersetzung wählen und auch nur in einzelnen Punkten abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen die Auseinandersetzung gestalten. Eine solche Vereinbarung ist hier geschlossen worden.
Der Kläger und ... (Name 01) haben ausweislich des zur Akte gereichten Vergleichs vom 15.07.2024 (Anl zum Ss vom 01.10.2024, Bl. 60 eA) eine Vereinbarung dahin getroffen, dass „das Grundstück ... (Straße 01) 106 in ... (Ort 01) ab dem 01.04.2009 nicht mehr Sondervermögen der ... (GbR 01) ist“. Diese Erklärung, die die Parteien im Stadium der Auseinandersetzung getroffen haben, legt der Senat dahin aus, dass die zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung noch offenen Forderungen, die die Nutzung oder den Erwerb des im Miteigentum der Vergleichsparteien stehenden Grundstücks betreffen, von der gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung ausgenommen sein sollen.
Ausgehend vom Wortlaut der Erklärung und deren objektivem Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts sowie sämtlicher Begleitumstände ist eine interessengerechte Auslegung vorzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 – X ZR 91/00 –, juris).
Zwar haben die Parteien das Grundstück zunächst in die Gesellschaft eingebracht und dort genutzt, bis ... (Name 01) die Kündigung der Gesellschaft erklärt hat. Zum Zeitpunkt der vergleichsweise getroffenen Einigung haben sie aber - ohne eine Auseinandersetzungsrechnung aufzustellen - begonnen, verschiedene gerichtliche Verfahren das Grundstück betreffend zu führen und hierzu wechselseitig hervorgehoben, dass eine Auseinandersetzungsrechnung aufgestellt werden müsste. Vor dem mitgeteilten Vergleichsschluss vor dem Landgericht Cottbus stand im hiesigen Verfahren der Einwand der Durchgriffssperre im Raum. Treffen die Parteien während eines solchen Rechtsstreits die Einigung, dass das einst von der Gesellschaft genutzte Betriebsgrundstück rückwirkend kein „Sondervermögen der Gesellschaft“ sein soll, spricht dies dafür, die vergleichsweise getroffene Regelung nach ihrem Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass es sich bei Ansprüchen mit Bezug zum Grundstück ... (Straße 01) 106 in ... (Ort 01), so auch dem Ausgleichsanspruch wegen der Ablösung der Grundschuld, nicht um Verbindlichkeiten handeln soll, die einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung vorbehalten bleiben sollen. Warum es ansonsten wichtig sein sollte, zu regeln, dass ein Grundstück ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht zum „Sondervermögen“ der GbR gehören soll, ist von den Parteien nicht dargelegt. Insbesondere ist diese Formulierung nicht zu verstehen, wenn es beim Vergleich – wie es die Beklagte und Berufungsklägerin vorgetragen hat - nur um Nebenkosten gegangen sein sollte. Der Senat geht daher von der dargestellten Regelung aus.
Die Forderungen sind gleichartig. Der Gegenstand der Leistung ist in beiden Fällen eine Geldzahlung.
Mit dieser Forderung hat der Kläger auch die Aufrechnung gegenüber den Zahlungsansprüchen der Beklagten erklärt. In diesem Sinn war das Schreiben des Klägers vom 03.06.2020 nach dem insoweit gem. §§ 133, 157 BGB maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont und unter Berücksichtigung der oben dargestellten Auslegungskriterien zu verstehen.
Nachdem ein Auszahlungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten bezüglich des hinterlegten Betrages nicht bestand, der Kläger aber von einem Zahlungsanspruch für sich in Höhe des Betrages, der seinem Ausgleichsanspruch gegenüber dem gesamtschuldnerisch mithaftenden ... (Name 01) entsprach, ausging, ergibt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - eine nach Sinn und Zweck der Erklärung orientierte Auslegung, dass der Kläger in dem Schreiben vom 3.6.2020 die Aufrechnung mit dem Anspruch erklärt hat, der ihm gegen Herrn L... zustand.
Im Zeitpunkt der Erklärung der Aufrechnung durch den Kläger mit Schreiben vom 03.06.2020 waren schließlich beide Forderungen fällig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Der Streitwert für die Berufung wird auf bis 30.000,00 € festgesetzt.