Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 7. Berufungskammer | Entscheidungsdatum | 15.10.2019 | |
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Aktenzeichen | 7 Sa 856/19 | ECLI | ECLI:DE:LAGBEBB:2019:0329.7SA856.19.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 611a BGB, § 1 TVG, § 3 TVG |
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. März 2019 – 6 Ca 913/18 – teilweise abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 561,81 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Juli 2018 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten auf der Grundlage des Tarifvertrages Rettungsdienst Landkreis Oder-Spree über die Stufenzuordnung des Klägers nach Höhergruppierung.
Der am … 1977 geborene Kläger ist seit dem 01. Mai 2007 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern im Rettungsdienst tätig. Er war zunächst als Rettungssanitäter, nach Ablegen der erforderlichen Prüfungen seit dem 01. Januar 2016 als Notfallsanitäter beschäftigt.
Die Beklagte vereinbarte unter dem Datum vom 27. Juni 2012 den Haustarifvertrag „Rettungsdienst Landkreis Oder-Spree“, der mit Wirkung zum 01. Januar 2012 in Kraft trat und an den – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – beide Parteien gebunden sind. Auf der Grundlage dieses Tarifvertrages leitete die Beklagte den Kläger als Rettungssanitäter in die Entgeltgruppe 6 dieses Tarifvertrages über.
Mit Wirkung zum 01. Januar 2017 trat der zweite Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrages Rettungsdienst im Landkreis Oder-Spree GmbH (im Folgenden: ÄndTV Nr. 2 TV RD LOS) in Kraft, der insbesondere Regelungen zur Bezahlung und Eingruppierung der Notfallsanitäter/Notallsanitäterinnen enthielt. Mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrages zahlte die Beklagte dem Kläger Entgelt nach der Entgeltgruppe 8a und zwar zunächst mit der Stufe 4, seit dem 01. Mai 2017 nach der Stufe 5.
Mit Schreiben vom 01. Juni 2018 (Bl. 13 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei aufgrund eines Systemfehlers zu früh der Stufe 5 zugeordnet worden. Diese stehe ihm erst ab dem 01. Januar 2020 zu. Er sei daher überzahlt und sie werde den von ihr unter Beachtung tariflicher Ausschlussfristen errechneten Überzahlungsbetrag in Höhe von 561,81 Euro mit seinem Entgelt für den Monat Juni 2018 verrechnen. In der dem Kläger für den Monat Juni 2018 erteilten Abrechnung ist dieser Betrag als Abzug unter „Restzahlung aus Vormonaten“ ausgewiesen.
Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 20. August 2018 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung des in Abzug gebrachten Betrages sowie die Feststellung, dass er seit dem 01. Mai 2017 entsprechend der Entgeltgruppe 8a Stufe 5 des Tarifvertrages Rettungsdienst Landkreis Oder-Spree vom 27. Juni 2012 zu entlohnen sei. Der Kläger hält die rückwirkende Korrektur seiner Eingruppierung schon deshalb für fehlerhaft, weil die Beklagte mit einer Zahlung der Vergütung der Entgeltstufe 4 und ab 01. Mai 2017 der Entgeltstufe 5 seine entsprechenden Beschäftigungszeiten anerkannt habe. Ein Fehler der Beklagten sei dabei nicht erkennbar und liege auch nicht vor, weil in den Tarifverhandlungen, an denen er als Mitglied der Tarifkommission auf Arbeitnehmerseite teilgenommen habe, die Mitnahme von Stufenlaufzeiten bei der Höhergruppierung zum Notfallsanitäter unstreitig gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 29. März 2019, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Entgelt nach der Entgeltgruppe 8a Stufe 5. Denn nach dem Tarifvertrag finde eine „Mitnahme“ der bereits in der Stufe 4 der Entgeltgruppe 6 als Rettungsassistent zurückgelegten Stufenlaufzeit nicht statt. Es fehle dazu an einer tarifvertraglichen Regelung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen dieses dem Kläger am 5. April 2019 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 26. April 2019 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05. Juli 2019 – am 26. Juni 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger und Berufungskläger behauptet auch in der Berufungsinstanz, Gegenstand der Tarifvertragsverhandlungen sei es gewesen, dass die in einer Stufe erreichte Laufzeit auch bei einer Umgruppierung vom Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter mitgenommen werde. Bereits vor Abschluss der Prüfungen habe er die Tätigkeit eines Notfallsanitäters bei der Beklagten ausgeübt. Jedenfalls aber habe die Beklagte dem Kläger mit der vorbehaltlosen Zuordnung zur Stufe 5 eine entsprechende arbeitsvertragliche Zusage erteilt. Eine Rückgruppierung in die Stufe 4 widerspreche Treu und Glauben und stelle auch eine Ungleichbehandlung mit denjenigen Kollegen dar, die erst nach Ablauf der Stufenlaufzeit als Notfallassistent eingesetzt und damit die höhere Entgeltgruppe unter Beibehaltung ihrer Stufe erhalten würden. Außerdem habe die Beklagte bei der Rückgruppierung tarifliche Ausschlussfristen nicht beachtet.
Hinsichtlich der Rückforderung beruft sich der Kläger auf Entreicherung und trägt dazu vor, er habe am 12. Juni 2018 für sich und seine Ehefrau eine Brille gekauft, die er so nicht gekauft hätte.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 29. März 2019, 6 Ca 913/18 die Beklagte zu verurteilen,
1. an den Kläger 561,81 Euro (netto) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01. Juli 2018 zu zahlen und
2. festzustellen, dass die Tätigkeit des Klägers seit dem 01. Mai 2017 entsprechend der Entgeltgruppe 8a Stufe 5 des Tarifvertrages Rettungsdienst Landkreis Oder-Spree vom 27. Juni 2012 zu entlohnen ist.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen mit Rechtsausführungen zur Auslegung des Tarifvertrages und trägt in Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, sie habe beim Kläger nur 551,70 Euro netto in Abzug gebracht, was sich aus den entsprechenden Nachverrechnungen ergeben würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Vorbringen in den mündlichen Verhandlungsterminen Bezug genommen.
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 511 ZPO statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519 ZPO eingelegt und begründet worden.
Die Berufung des Klägers ist daher zulässig.
2. Die Berufung des Klägers hat in der Sache indes nur teilweise Erfolg. Der mit der Feststellung geltend gemachte Antrag auf Entgelt nach der Entgeltgruppe 8a Stufe 5 erweist sich als unbegründet, wohingegen der Zahlungsantrag begründet war.
2.1 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entgelt nach der Entgeltgruppe 8a Stufe 5 des Tarifvertrages Rettungsdienst Landkreis Oder-Spree vom 27. Juni 2012, da er aufgrund der Vorbeschäftigungszeiten erst die Stufe 4 dieses Tarifvertrages erreicht hat. Dies hat das Arbeitsgericht mit ausführlicher, die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigender Begründung zutreffend dargetan. Das Berufungsgericht nimmt auf die diesbezüglichen Ausführungen des Arbeitsgerichtes Bezug und sieht von einer eigenen, lediglich wiederholenden Darstellung ab, § 69 Abs. 2 ArbGG. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz ist lediglich folgendes zu ergänzen:
2.1.1 Der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig. Es handelt sich vorliegend um eine auch außerhalb des öffentlichen Dienstes zulässige Stufenfeststellungsklage, mit der eine konkrete Vergütungsverpflichtung der Beklagten verlangt wird (vgl. BAG 20. September 2012, 6 AZR 2111/11 – AP Nr. 2 zu § 16 TVöD). Die dem Kläger zustehende Entgeltgruppe selbst ist zwischen den Parteien unstreitig, wie sie dies noch einmal im Rahmen der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärt haben. Insofern kam es hinsichtlich der Antragsstellung nicht darauf an, wie die Entgeltgruppe als solches von den Parteien bezeichnet wurde und ob dies der Bezeichnung des Tarifvertrages entspricht.
2.1.2 Der Feststellungsantrag ist indes unbegründet. Der Kläger hat weder aus einer arbeitsvertraglichen Zusage noch aus dem Tarifvertrag einen Anspruch auf Entgelt nach der Stufe 5.
2.1.2.1 Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Haustarifvertrag Rettungsdienst Landkreis Oder-Spree vom 1. Juni 2012 einschließlich der Änderungstarifverträge Anwendung. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
2.1.2.2 Die hier maßgeblich tariflichen Regelungen lauten wie folgt:
Tarifvertrag Rettungsdienst Landkreis Oder-Spree vom 1. Juni 2012
§ 15 Stufen der Entgelttabelle
(1) Die Entgeltgruppen umfassen sechs Stufen.
(2) Die jeweilige Stufe der Entgelttabelle ergibt sich ab dem 1. Januar 2017 nach Anlage B zum TVöD/VKA aus der zu Beginn des jeweiligen Monats in vollen Jahren zurückgelegten Beschäftigungszeit (Stufenlaufzeit). § 30 und § 31 bleiben unberührt.
(3) Ab dem 1. Januar 2017 werden die Beschäftigten bei Einstellung der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügt der Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2. Verfügt er über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens drei Jahren, kann bei Einstellung nach dem 31. Dezember 2016 eine Zuordnung zur Stufe 3 erfolgen. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.
(4) Die Beschäftigten erreichen – von Stufe 3 an jeweils nächste Stufe in Abhängigkeit von ihrer Leistung – nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber
(Stufenlaufzeit):
- Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1 |
- Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2 |
- Stufe 4 nach drei Jahren in Stufe 3 |
- Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4 und |
- Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5. |
(5) …
§ 16 Allgemeine Regelungen zu den Stufen
(1) Der Beschäftigte erhält von Beginn des Monats an, in dem die nächste Stufe erreicht wird, das Tabellenentgelt nach der neuen Stufe.
(2) Bei Leistungen des Beschäftigten, die erheblich über dem Durchschnitt liegen, kann die erforderliche Zeit für das Erreichen der Stufen 4 bis 6 jeweils verkürzt werden. …
(4) Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe verbleibt der Beschäftigte in der bis dahin erreichten Stufe.
Abschnitt VI: Überleitung
§ 30 Überleitung der Beschäftigten
Für die Beschäftigten, die am 31. Dezember 2011 in einem Arbeitsverhältnis zu der Rettungsdienst GmbH gestanden haben und am 01. Januar 2012 noch stehen gilt Folgendes:
(1) Die Beschäftigten werden mit Wirkung zum 01. Januar 2012 in diesen Tarifvertrag übergeleitet.
(2) Für die Überleitungen werden die Beschäftigten wie folgt den Entgeltgruppen zugeordnet …
(3) Die Stufenzuordnung bei der Überleitung bestimmt sich nach der bis zum 31. Dezember 2011 zurückgelegten Beschäftigungszeit. Vorbeschäftigungszeiten beim Rettungsdienst des Landkreises Oder-Spree werden anerkannt. …
2. Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrags Rettungsdienst im Landkreis Oder-Spree GmbH vom 01. Juni 2012 (ÄndTV Nr. 2 TV RD LOS).
§ 1 Änderung des TV RD LOS - Notfallsanitäter bzw. Notfallsanitäterin
A. Anpassung der Anlage 2
Notfallsanitäter/Notfallsanitäterin:
I. Zeitabschnitt 01. Mai 2015 bis 31. Dezember 2015
II. Zeitabschnitt ab dem 01. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016
In dem Zeitabschnitt ab dem 01. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 gilt folgende Regelung für am 01. Januar 2016 bereits im Arbeitsverhältnis stehende Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen:
a. die Tabelle der Anlage 2 des Tarifvertrages wird um folgende Zeilen wie folgt ergänzt:
Notfallsanitäter
Entgeltgruppe 8a der Entgelttabelle des TVöD Pflege in der Fassung vom 01. März 2015 bis 28. Februar 2016.
b. Die Stufe des aktuell für den Mitarbeiter oder Mitarbeiterin persönlich angewendeten Vergleichsentgelts wird für die Bildung des ab dem 01. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Vergleichsentgelts in der Entgeltgruppe G der im Dezember 2011 gültigen Fassung des DRK-TV des Landes Brandenburg angenommen.
c. Das Entgelt wird nach § 30 Abs. 4 ff. berechnet.
III. Zeitabschnitt ab 01. Januar 2017
Ab dem 01. Januar 2017 gilt folgende Regelung:
Für Beschäftigte beim RD LOS, die berechtigt sind, die Berufsbezeichnung „Notfallsanitäterin“ oder „Notfallsanitäter“ zu tragen und als solche tatsächlich beschäftigt werden, werden ab dem 01. Januar 2017 jeweils ab dem 01. des Monats, der dem Monat folgt, in dem die Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung bestandskräftig erworben und dem RD LOS zugestellt wurde, nach und auf der Grundlage der für Notfallsanitäter und –sanitäterinnen geltenden Regelungen in der Entgeltordnung zu TVöD für den Bereich der VKA eingruppiert und vergütet.
2.1.2.3 Nach diesen tariflichen Regelungen kann der Kläger keine Vergütung nach der Entgeltstufe 5 verlangen.
Bei Anwendung dieser Regelungen ist der Kläger, der bereits seit dem 01. Mai 2007 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger tätig war, als Rettungsassistent der Entgeltgruppe 6 zuzuordnen und entsprechend der bis zum 31. Dezember 2011 zurückgelegten Beschäftigungszeit von vier Jahren und acht Monaten der Stufe 3 zuzuordnen. Nach § 15 Abs. 4 hätte er dann zum 01. Mai 2014 die Stufe 4 erreicht. Tatsächlich aber hat die Beklagte dem Kläger – sowie dies das Arbeitsgericht in seinem Urteil vom 29. März 2019 auch festgestellt hat, dem Kläger Stufe 4 bereits seit dem 01. Mai 2013 gezahlt. Ob dies unter Anwendung von § 16 Abs. 2 des Tarifvertrages geschah oder aus anderen Gründen, kann vorliegend dahinstehen. Dass dem Kläger seit dem 01. Mai 2013 Entgelt nach der Stufe 4 zusteht, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
Bei einer Anerkennung der Stufe 4 ab dem 01. Mai 2013 wäre der Kläger bei Beibehaltung der Entgeltgruppe zum 01. Mai 2017 der Stufe 5 zuzuordnen gewesen.
Seit dem 01. Januar 2016 ist der Kläger jedoch – auch dies ist unstreitig - als Notfallsanitäter bei der Beklagten beschäftigt. Dementsprechend war er mit Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages gemäß § 1 A II in die Entgeltgruppe 8a der Entgelttabelle des TVöD Pflege in der Fassung vom 01. März 2015 bis 28. Februar 2016 eingruppiert.
Die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 8a erfolgte unter Mitnahme der bis dahin erreichten Stufe. Dies ergibt sich aus § 16 Abs. 4 des Tarifvertrags, wonach bei Eingruppierung in eine höhere Stufe der Beschäftigte in der bis dahin erreichten Stufe verbleibt. Da der Kläger zu diesem Zeitpunkt der Stufe 4 zugeordnet war, hatte er Anspruch auf Entgelt nach der Entgeltgruppe 8 a Stufe 4.
Dies änderte sich nicht zum 1. Mai 2017. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger keinen Anspruch auf Entgelt nach der Stufe 5, da er die dafür erforderliche Stufenlaufzeit noch nicht zurückgelegt hatte. Denn die Erfüllung der Stufenlaufzeiten setzt nach § 15 Abs. 4 Tarifvertrag Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe voraus. Damit folgen die Tarifvertragsparteien den Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst, Bereich VKA, auf den sie auch in weiteren tariflichen Regelungen wie z.B. § 15 Abs. 2 ausdrücklich Bezug nehmen. Solche Zeiten weist der Kläger, der erst seit dem 1.1.2016 die höhere Entgeltgruppe erhält noch auf.
Der Kläger war auch nicht deshalb ab dem 1. Mai 2017 der Stufe zuzuordnen, weil er bereits eine entsprechende Stufenlaufzeit in der Stufe 4 zurückgelegt hätte. Dafür fehlt es – wie das Arbeitsgericht bereits ausgeführt hat – im Tarifvertrag an einer Regelung zur Mitnahme von Stufenlaufzeiten.
§ 15 Abs. 4 des Tarifvertrages, der die Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen regelt, sieht nur vor, dass der Beschäftigte in der bereits erreichten Stufe verbleibt. Regelungen zu den Stufenlaufzeiten enthält § 15 Abs. 4 hingegen nicht. Insofern verbleibt es bei der Grundnorm zu den Stufenlaufzeiten in § 16 Abs. 4, wonach die nächsten Stufen nach den dort bestimmten Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe erreicht werden. Mit dem Verweis auf Zeiten „innerhalb derselben Entgeltgruppe“ schließt § 15 Abs. 4 aber ausdrücklich die Mitnahme von Stufenlaufzeiten aus. Wie bei den vergleichbaren Regelungen zum Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD wird mit der hier im Streit stehenden Regelung zu den Stufenlaufzeiten die gewonnene Berufserfahrung mit dem Stufenaufstieg honoriert. Die Tarifvertragsparteien sind davon ausgegangen, dass die Beschäftigten durch die Ausübung der ihnen übertragenen Tätigkeit laufend Kenntnisse und Erfahrungen sammeln, die die Arbeitsqualität und -quantität verbessern (vgl. dazu BAG vom 01. Juni 2007 – 6 AZR 751/15 – zum TVöD (VKA)). Ausgehend von diesem Zweck haben sie in § 15 Abs. 4 geregelt, dass für den Stufenaufstieg eine ununterbrochene Tätigkeit „innerhalb derselben Entgeltgruppe“ bei dem Arbeitgeber erforderlich ist. Die Stufen sind also auf die jeweilige tariflich zutreffende Entgeltgruppe bezogen. Nur die in dieser Entgeltgruppe erworbene Berufserfahrung wird durch eine höhere Vergütung honoriert. Die Anknüpfung an die „innerhalb derselben Entgeltgruppe“ erworbene Berufserfahrung schließt die vom Kläger begehrte Berücksichtigung von Zeiten aus einer anderen Entgeltgruppe grundsätzlich aus.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Änderungstarifvertrag Nr. 2, der die Entgeltgruppen für die Notfallsanitäter einführte. Auch dort werden Stufenlaufzeiten aus anderen Entgeltgruppen nicht übernommen.
Der ÄndTV Nr. 2 ergänzt die Regelungen zur Entgeltordnung um die Entgeltgruppe 8 a der Entgelttabelle des TVöD-Pflege in der Fassung vom 1. März 2015 bis 28.02.2016. Ein Verweis auf die im TVÜ-VKA geregelte Mitnahme von Stufenlaufzeiten für die KR-Gruppen liegt in dieser Ergänzung nicht. Vielmehr bestimmen die Tarifvertragsparteien damit nur die Entgeltgruppe und die sich daraus ergebende Höhe des Entgelts für die Tätigkeit als Rettungssanitäter. Dies zeigt sich schon darin, dass die Zuordnung zur Entgeltgruppe 8a auf den Zeitraum vom 01. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 beschränkt war. Dass die Tarifvertragsparteien aber nur denjenigen Mitarbeitern die Anerkennung von Stufenlaufzeiten zukommen lassen wollten, die im Zeitabschnitt vom 01. Januar 2016 bis 31. Dezember 2016 als Notfallsanitäter tätig waren, kann nicht angenommen werden. Unter III ist jedenfalls mit der Bezugnahme auf die ab dem 01. Januar 2017 geltenden Regelungen in der Entgeltordnung zum TVöD für den Bereich der VKA keine Mitnahme von Stufenlaufzeiten geregelt. Der dortige Entgelttarifvertrag VKA enthält für die Entgeltgruppe N, die Entgeltgruppe für die Notfallsanitäter, keine entsprechenden Sonderregelungen.
2.2. Dem Kläger steht auch nicht ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Anerkennung der Stufenlaufzeiten zu. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus der vorbehaltlosen Zahlung der Vergütung unter Berücksichtigung der Entgeltstufe 5 seit dem 01. Mai 2017. Mit dieser Zahlung hat die Beklagte dem Kläger weder einzelvertraglich eine vorzeitige Stufenerhöhung zugesagt, noch Stufenlaufzeiten nach § 16 Abs. 2 des Tarifvertrages abgekürzt.
Allein die Abrechnung und Auszahlung einer Vergütung nach der Entgeltgruppe 8a Stufe 5 ab dem 01. Mai 2017 beinhaltet keine Zusage an den Kläger, unabhängig von den tariflichen Voraussetzungen Vergütung nach der höheren Stufe zahlen zu wollen. Mit den Gehaltsabrechnungen will ein Arbeitgeber regelmäßig nicht auf alle Einwendungen verzichten (BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 931/12 – Rnr. 41). Die Beklagte hat in ihren Abrechnungen (vermeintliche) tarifliche Ansprüche abgerechnet. So verweisen die Abrechnungen auf die jeweilige Entgeltgruppe, nämlich zunächst Gruppe 6, zuletzt Gruppe N, wie dies den aktuellen Regelungen des durch den Änderungstarifvertrag in Bezug genommenen Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes VKA entspricht.
Die Beklagte hat mit der Zahlung der höheren Entgeltstufe ab dem 01. Mai 2017 auch nicht von ihrem Ermessen nach § 18 Abs. 2 des Tarifvertrages Gebrauch gemacht. Für eine solche Ermessensausübung fehlen jegliche Anhaltspunkte. Denn der Zeitpunkt der Zuordnung zur Stufe 5 entspricht schlicht und ergreifend dem Ablauf der Stufenlaufzeit der Stufe 4 unter Berücksichtigung der Zuordnung der Stufe 4 ab dem 01. Mai 2013. Mithin hat die Beklagte lediglich (fehlerhaft) Stufenlaufzeiten berechnet, die so – wegen der Höhergruppierung des Klägers – vom Tarifvertrag nicht vorgesehen waren. Daraus erwachsen keine vertraglichen Ansprüche, jedenfalls dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis – wie hier – durch Tarifvertrag geregelt wird.
2.3 Unabhängig von der Unbegründetheit des obigen Feststellungsantrag steht dem Kläger indes der geltend gemachte Zahlungsanspruch in voller Höhe zu. In Höhe dieses Betrages hat die Beklagte Ansprüche des Klägers auf Entgelt für den Monat Juni 2018 nicht vollständig erfüllt. Insbesondere sind Ansprüche des Klägers in dieser Höhe nicht durch Aufrechnung der Beklagten erloschen.
2.3.1 Hinsichtlich der Zulässigkeit der von der Beklagten erklärten Aufrechnung ist zunächst festzustellen, dass die Beklagte Pfändungsfreigrenzen nicht beachtet hat. Nach der Abrechnung betrug das Nettoentgelt des Klägers für den Monat Juni 2018 2.101,53 Euro. Nach der Verdienstabrechnung hat der Kläger Steuerklasse 4 und einen Kinderfreibetrag. Bei einer Unterhaltspflicht gegenüber zwei Personen wären indes gemäß § 850c lediglich 250,00 Euro pfändbar. Die darüber hinausgehende Aufrechnung geht ins Leere.
2.3.2 Hinsichtlich des darüber hinausgehenden pfändbaren Betrages hat die Beklagte ihren Rückforderungsanspruch nicht hinreichend dargetan. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht nachvollziehbar, wie sie diese Beträge errechnet hat. Auch die vom Kläger eingereichten Abrechnungen lassen keine Rückschlüsse auf die von der Beklagten angestellten Nachberechnung mit Ausnahme des Ergebnisses zu. Für die Unschlüssigkeit spricht auch, dass die Beklagte in ihrem letzten Schriftsatz selbst von einer Überzahlung in Höhe von 551,70 Euro netto ausgeht, nach den vom Kläger eingereichten Abrechnungen aber den hier zwischen den Parteien im Streit stehenden Betrag abgezogen und insgesamt mit der Juni-Abrechnung verrechnet hat.
Aus diesen Gründen war dem Kläger dieser Betrag zuzusprechen, ohne dass es auf seine Einrede des Wegfalls der Entreicherung weiter ankam.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO. Dabei waren dem Kläger die Kosten insgesamt aufzuerlegen, da die Zuvielforderung der Beklagten nur geringfügig war und keinen weiteren Gebührensprung veranlasste.
Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.