Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat | Entscheidungsdatum | 17.06.2013 | |
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Aktenzeichen | OVG 5 S 27.12 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 2 TierSchG, § 2a TierSchG, § 15 Abs 2 TierSchG, § 16a S 1 TierSchG, § 16a S 2 Nr 1 TierSchG, § 16a S 2 Nr 3 TierSchG, § 2 Abs 2 ViehSeuchG |
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 18. Oktober 2012 in der Fassung des Beschlusses vom 22. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2 500,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des angegriffenen Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass bei summarischer Prüfung Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit des von dem Antragsgegner auf der Grundlage des § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG erlassenen, mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Pferdehaltungs- und -betreuungsverbotes vom 4. September 2012 spreche. Nach dieser Vorschrift könne die zuständige Behörde, die nach § 16a Satz 1 TierSchG die zur Beseitigung festgestellter und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen treffe, demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nummer 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwiderhandelte und dadurch den von ihm gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen, Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt habe, das Halten oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen werde. Die Voraussetzungen für ein solches Einschreiten des Antragsgegners lägen mit Blick auf die amtstierärztlichen Feststellungen vor.
Soweit die Beschwerde den amtstierärztlichen Befund einer - über einen längeren Zeitraum immer wieder festgestellten - unzureichenden Versorgung der von der Antragstellerin zuletzt gehaltenen bzw. betreuten elf Pferde mit Futter in ausreichender Qualität und Quantität, die mangelnde Hufpflege sowie fehlende Einstreu in den Boxen mit dem Bemerken in Zweifel zu ziehen versucht, dass Dr. R... kein beamteter Tierarzt sei und zudem dessen Fachkenntnis in der Pferdehaltung nicht dargelegt sei, kann sie damit keinen Erfolg haben.
Bei der Einschätzung u.a. der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, ist von Bedeutung, dass beamteten Tierärzten insoweit vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt ist (§§ 15 Abs. 2, 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG; st. Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 6. Juni 2013 - OVG 5 S 10.13 -, vom 4. Juni 2013 - OVG 5 S 3.13 -, vom 11. Juni 2012 - OVG 5 S 2.12 -, vom 25. Mai 2012 - OVG 5 S 22.11 - und vom 3. Februar 2010 - OVG 5 S 28.09 -, juris Rn. 4; vgl. ferner Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, 2. Aufl. 2007, § 15 TierSchG, Rn. 10a). Ein amtlicher, wenngleich nicht im statusrechtlichen Sinne „verbeamteter“ Tierarzt gehört zu den beamteten Tierärzten im Sinne des § 15 Abs. 2 TierSchG, da beamtete Tierärzte gemäß § 2 Abs. 2 Tierseuchengesetz solche sind, die in einem Anstellungsverhältnis zur zuständigen Behörde stehen. Ein solches Anstellungsverhältnis besteht bei Herrn Dr. R.... Er ist als amtlicher Tierarzt beim Landkreis Ostprignitz-Ruppin, Amt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft, als Sachgebietsleiter für Tierseuchenbekämpfung, Tierschutz, Jagd und Fischerei beschäftigt und in diesem Rahmen mit den Aufgaben des Amtstierarztes u.a. im Bereich des Tierschutzes und der Tierseuchenbekämpfung beauftragt. Er ist stellvertretender Amtstierarzt sowie Fachtierarzt für öffentliches Veterinärwesen und besitzt die Befähigung für den amtstierärztlichen Dienst in der öffentlichen Verwaltung. Damit kommt in einem exakten Nachweisen nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen seiner fachlichen Beurteilung, die sowohl in Gutachten, aber auch in Vermerken und Protokollen ihren Niederschlag finden kann, besonderes Gewicht zu. Angesichts dieser vorrangigen Beurteilungskompetenz liegt es auf der Hand, dass die Beschwerde die hier vorgenommenen amtstierärztlichen Wertungen und die ihnen zugrundeliegenden, z.T. durch Fotos belegten Feststellungen nicht schon durch schlichtes Bestreiten und auch nicht unter Beibringung einer eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin zu entkräften vermag.
Der Vorhalt der Beschwerde, die amtstierärztlichen Feststellungen enthielten lediglich die pauschale Behauptung eines mäßigen Ernährungs- und Allgemeinzustandes der Pferde bei den Kontrollen im Mai 2012, während in dem mit Widerspruch angefochtenen Pferdehaltungs- und betreuungsverbot vom 4. September 2012 von einem mäßigen bis schlechten Ernährungs- und Allgemeinzustand der Pferde die Rede sei, verfängt nicht. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs hat D... vielmehr den Ernährungs- und Pflegezustand der Pferde am 27. Mai 2012 durch Einzelbegutachtung ermittelt und fotografisch dokumentiert. Daraus ergibt sich zweifelsfrei ein mäßiger bis schlechter Ernährungszustand der Pferde sowie ein sehr schlechter bis überfälliger Pflegezustand der Hufe.
Der Einwand der Beschwerde, bei der Kontrolle am 9. Februar 2012 seien keine gravierenden Mängel festgestellt und bei der weiteren Kontrolle am 8. März 2012 seien 15 große Rollen Heu vorgefunden worden, entlastet die Antragstellerin nicht und widerspricht auch nicht den von der Beschwerde angegriffenen amtstierärztlichen Wertungen. Der Senat hat bereits in seinem die Antragstellerin betreffenden Beschluss vom 25. Mai 2012 - OVG 5 S 22.11 -, juris Rn. 7, ausgeführt, dass das angeborene Verhalten und der Verdauungsapparat eines Pferdes auf eine kontinuierliche Nahrungsaufnahme eingestellt sind (vgl. Punkt 2.1.4. Leitlinien BML). Im Hinblick auf dieses Fressverhalten ist es naheliegend, dass bereits eine unzureichende Futterversorgung in dem Zeitraum von März 2012 bis Mai 2012 ausgereicht haben dürfte, um den von der Beschwerde bestrittenen amtstierärztlichen Befund herbeizuführen. An Letzterem ändert auch der Hinweis auf den am 8. März 2012 vorgefundenen Heuvorrat nichts, zumal bei der Kontrolle am 22. Mai 2012 nur noch eine halbe Rolle Heu in schlechter Qualität vorhanden war. Vor diesem Hintergrund stellt sich die amtstierärztliche Schlussfolgerung, dass der unzureichende Ernährungszustand der Pferde auf eine Futternot zurückzuführen sei, nicht, wie die Beschwerde moniert, als Behauptung „ins Blaue hinein“ dar, sondern bewegt sich in den Grenzen der fachlichen Vertretbarkeit. Auch der von der Beschwerde angeführte Nachkauf von Heu war unzureichend. Am Tag der Wegnahme, am 26. Mai 2012, waren zwar nach den Feststellungen des Antragsgegners vier Rollen Heu vorhanden. Davon wiesen jedoch drei Rollen eine äußerst schlechte Qualität auf und waren für Futterzwecke nicht geeignet. Bei diesem Termin konnte - im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Kontrollterminen - wieder etwas Boxenstreu vermerkt werden. Das ändert an der Gefahrenprognose indes nichts. Denn die Beschwerde setzt den unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten notwendigen Anforderungen an eine Stallpflege nur ihre eigene Auffassung entgegen: Sie meint, es sei aus Tierschutzgründen nicht geboten, die Boxen bereits am frühen Morgen neu einzustreuen. Entscheidend ist, dass Pferdeställe stets über eine genügende Einstreu verfügen müssen, damit die Pferde nicht - wie bei den Termine am 22. Mai und 24. Mai 2012 festgestellt - auf dem blanken Beton stehen müssen und ihnen eine trockene Liegefläche zur Verfügung steht.
Anders als die Beschwerde meint, kann sich die Antragstellerin ihrer tierschutzrechtlichen Verantwortlichkeit nicht durch die Behauptung entziehen, sie habe die Haltung der Pferde mit Wirkung zum 1. Oktober 2011 auf den Verein „Tiere haben Seelen und Rechte Gnadenhof Faanjo für Pferde und Tiere in Not e.V.“ übertragen. Abgesehen davon, dass eine derartige Übertragung nicht näher belegt ist, verkennt die Beschwerde, dass die Antragstellerin als Vorsitzende des Vereins für die Einhaltung der diesen treffenden tierschutzrechtlichen Verpflichtungen einzustehen hat. Im Übrigen ist nicht glaubhaft gemacht, dass sich die Antragstellerin ihrer Tierhaltereigenschaft begeben hat, die maßgeblich durch das tatsächliche, umfassende Sorgeverhältnis gegenüber einem Tier geprägt ist. Dementsprechend ist als Tierhalter grundsätzlich derjenige anzusehen, der an der Haltung des Tieres ein eigenes Interesse und eine grundsätzlich nicht nur vorübergehende Besitzerstellung und die Befugnis hat, über Betreuung und ggfs. Existenz des Tieres zu entscheiden. Abzustellen ist mithin darauf, in wessen Haushalt oder Betrieb das Tier gehalten wird, wem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht und wer aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt (vgl. Beschlüsse des Senats vom 6. Juni 2013, a.a.O., und vom 18. Februar 2013 - OVG 5 S 23.12 -, m.w.N.). Hieran gemessen ist die Antragstellerin als Halterin der Pferde anzusehen, weil nicht erkennbar ist, dass sie sich der so verstandenen Verfügungs- und Bestimmungsmacht über ihren Pferdebestand begeben hat. Denn die Tiere befanden sich bis zu deren Wegnahme durch den Antragsgegner auf dem von ihr bewohnten Grundstück, was dafür spricht, dass sie sich einen jederzeitigen Zugriff auf die Pferde ermöglichen wollte. Dementsprechend bestimmte sie, wie die anlässlich der amtstierärztlichen Kontrollen gefertigten Protokolle zeigen, auch faktisch durchgehend über die Art und Weise der Pferdehaltung.
Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerde schließlich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass angesichts der amtstierärztlich festgestellten wiederholten Verstöße gegen die Pflichten des § 2 TierSchG die Gefahrenprognose zu Lasten der Antragstellerin ausfalle und der Antragsgegner von dem ihm nach § 16a Satz 1 und 2 Nr. 3 TierSchG eingeräumten Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht habe. Soweit die Beschwerde konkrete Tatsachen vermisst, die eine zu Lasten der Antragstellerin ausgehende Gefahrenprognose belegen sollen, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Antragstellerin schon in der Vergangenheit in vergleichbarer Weise gegen die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes verstoßen hat und diese Verstöße zusammen mit den jüngsten tierschutzrechtlichen Verfehlungen der Antragstellerin die Gefahrenprognose ohne weiteres tragen. So wurde u.a. bei einer amtstierärztlichen Kontrolle am 19. April 2011 bei mehr als der Hälfte der von der Antragstellerin gehaltenen bzw. betreuten Pferde ein mäßiger bis schlechter Ernährungszustand festgestellt. Auf Grund dieser tierschutzrechtlichen Verstöße war der Antragstellerin bereits mit für sofort vollziehbar erklärter Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 29. April 2011 aufgegeben worden, zur Sicherstellung einer artgerechten Versorgung und Haltung der Pferde ihren Pferdebestand auf vier Pferde zu reduzieren. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 25. Mai 2012, a.a.O., keinen Zweifel daran gelassen, dass unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Reduzierung des Pferdebestandes auf vier Pferde sachgerecht erscheint. Der Umstand, dass die Antragstellerin trotz der Ordnungsverfügung vom 29. April 2011 weder ihr tierschutzwidriges Verhalten abgestellt noch die geforderte Reduzierung ihres Pferdebestandes eingehalten hat, zeigt, dass aus der weiteren Haltung oder Betreuung von Pferden durch die Antragstellerin eine Gefahr für die angemessene Ernährung und Pflege der Pferde resultiert, die in ihrer Person begründet ist und der nicht - wie die Beschwerde meint - durch die tatkräftige Hilfe Dritter zu begegnen ist, sondern vielmehr das von dem Antragsgegner verfügte Pferdehaltungs- und betreuungsverbot rechtfertigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).