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Bundesbeamter; Anfechtungsklage; Technischer Fernmeldeamtsrat; Besoldungsgruppe A 12; Dienstunfähigkeit; erleichterte Feststellung; Zurruhesetzung; psychische Erkrankung; Depression; somatisches Schmerzsyndrom; Anpassungsstörung; kognitive Verhaltenstherapie; Wiederherstellung der Dienstfähigkeit; Prognose; Beweisaufnahme; formelle Rechtmäßigkeit; Beteiligung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost; Mitwirkung einer anderen Behörde; Verfahrensfehler; Heilung; Unbeachtlichkeit; unvollständige Aktenvorlage; Eingliederungsmanagement; Beteiligung des Personalrats;


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 07.05.2013
Aktenzeichen OVG 6 B 2.11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 42 Abs 1 S 2 BBG, § 16 BAPostG, § 46 VwVfG, § 45 Abs 1 Nr 5 VwVfG, § 84 Abs 2 SGB 9, § 78 Abs 1 Nr 5 BPersVG, § 78 Abs 2 BPersVG

Leitsatz

1. Eine etwaige Verletzung des § 16 BAPostG wegen nicht rechtzeitiger Beteiligung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundes-post vor Erlass einer Zurruhesetzungsverfügung ist geheilt, wenn die Beteiligung nachgeholt wird.

2. Es spricht viel dafür, dass die Verpflichtung nach § 16 BAPostG zur "Vorlage der Akten" nur bei Vorlage der vollständigen Akten erfüllt ist.

3. Zur Frage der Unbeachtlichkeit eines Verstoßes gegen § 16 BAPostG nach § 46 VwVfG.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. November 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit.

Er ist am 28. Januar 1952 geboren und trat 1968 als Fernmeldepraktikant in den Dienst der Deutschen Bundespost. Zuletzt war er als Technischer Fernmeldeamtsrat in der Besoldungsgruppe A 12 der Deutschen Telekom AG zur Dienstleistung zugewiesen.

Nachdem der Kläger seit dem 26. Juli 2004 durchgängig krankgeschrieben war, beauftragte die Beklagte seine Untersuchung auf Dienstfähigkeit durch den Amts- und Vertrauensärztlichen Dienst, der mit Schreiben vom 22. Juli 2005 mitteilte, dass der Kläger aufgrund schwerer seelischer Erkrankung dienstunfähig sei. Zur Wiedererlangung der Dienstfähigkeit sei ihm die Auflage zu machen, sich in intensive psychotherapeutische und nervenärztliche Behandlung zu begeben. Es werde um Herreichung eines neuen Untersuchungsauftrages in ca. zwei Jahren gebeten, um zu kontrollieren, ob die Dienstfähigkeit wiedererlangt worden sei.

Mit auf den 19. Dezember 2005 datierten Bescheid versetzte die Beklagte den Kläger wegen dauernder Dienstunfähigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. in den Ruhestand. Hiergegen legte er unter dem 16. Januar 2006 Widerspruch ein. Nachdem der Widerspruch trotz gegenteiliger Ankündigung nicht begründet worden war, wies ihn die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. März 2006, zugestellt am 25. März 2006, als unbegründet zurück.

Die am 19. April 2006 erhobene Klage, mit der der Kläger unter anderem Einwendungen gegen die amtsärztliche Beurteilung erhoben und eine sie stützende Stellungnahme des ihn zur damaligen Zeit behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H... vom 11. November 2008 vorgelegt hat, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Zurruhesetzung sei formell rechtmäßig. Das Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX sei unerheblich, weil ein derartiges Verfahren keine formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zurruhesetzung und im Übrigen angesichts der umfassenden Dienstunfähigkeit des Klägers ohnehin nicht notwendig gewesen sei. Die Zustimmung der Bundesanstalt für Post- und Telekommunikation gemäß § 16 BAPostG liege vor. Dass der Zurruhesetzungsbescheid auf den 19. Dezember 2005 datiere und die fragliche Zustimmung auf den 20. Dezember 2005, sei unerheblich. Es sei schon zweifelhaft, ob eine unterbliebene oder fehlerhafte Einbindung der Bundesanstalt für sich genommen auf die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung überhaupt durchschlagen und eine Rechtsverletzung des betroffenen Beamten begründen würde. Jedenfalls könne im Hinblick auf die erst am 23. Dezember 2005 erfolgte Zustellung des Ausgangsbescheides davon ausgegangen werden, dass dieser den Machtbereich der Beklagten nicht vor dem 20. Dezember 2005 verlassen habe; zu diesem Zeitpunkt sei die Prüfung der Bundesanstalt abgeschlossen gewesen. Das Erfordernis, dass die Prüfung nach § 16 BAPostG unter Vorlage der Akten zu erfolgen habe, sei ebenfalls gewahrt. Zur Wahrung dieses Erfordernisses genüge es, wenn die für die beabsichtigte Entscheidung wesentlichen Akten vorgelegt würden. Das sei hier geschehen. Dem Schreiben vom 12. September 2005 zur Einholung des Einverständnisses des Vorstands seien insoweit ausreichend aussagekräftige Anlagen beigefügt gewesen. Obgleich der amtsärztliche Befund vom 22. Juli 2005 dabei nicht aufgeführt worden sei, könne nicht angenommen werden, dass dieser der Bundesanstalt nicht vorgelegen habe. Das Schreiben des Vorstands der Telekom vom 13. Dezember 2005 nehme ausdrücklich auf die Stellungnahmen des Amts- und Vertrauensärztlichen Dienstes vom 22. Juli 2005 und vom 13. Dezember 2005 Bezug. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Vorstand mit den übrigen Vorgängen auch diese an die Bundesanstalt weitergeleitet habe. Im Übrigen sei es Sache der Bundesanstalt, etwaige, für die Rechtmäßigkeitskontrolle erforderliche Akten nachzufordern. Die Zurruhesetzung sei auch materiell rechtmäßig. Die Behörde sei aufgrund der amtsärztlichen Stellungnahmen vom  22. Juni und 13. Dezember 2005 zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG vorlägen. Das dem Dienstherrn bei dieser Sachlage eingeräumte Ermessen zur erleichterten Feststellung der Dienstunfähigkeit sei nicht fehlerhaft ausgeübt worden. Aus der fachärztlichen Stellungnahme des Dr. H... vom 11. November 2008 folge nichts anderes. Das gelte schon deshalb, weil es bei der Feststellung der Dienstunfähigkeit nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG nicht darauf ankomme, ob sich eine dauernde Dienstunfähigkeit ausreichend begründen lasse. Vielmehr hätte es umgekehrt besonderer Umstände bedurft, die eine auf Dauer günstigere Prognose rechtfertigten, bzw. objektiver Anhaltspunkte für eine Gesundung. Auch die in der Stellungnahme vom 11. November 2008 geäußerten Zweifel an der Einordnung des seinerzeitigen Zustandsbildes unter die Kategorie F 43 des ICD-10 erschüttere die Ermessensentscheidung nicht. Die davon erfassten schweren Anpassungsstörungen könnten nicht nur durch außergewöhnlich belastende Lebensereignisse hervorgerufen werden. Der Einwand des Klägers, seine Erkrankung sei ursächlich durch den Dienst der Telekom entstanden, sei für die Frage der Dienstunfähigkeit irrelevant. Dasselbe gelte für den Einwand, im Zeitraum der Eingliederungsversuche im Jahre 2005 sei ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet gewesen. Raum für anderweitige Verwendung des Klägers im Sinne von § 42 Abs. 3 BBG habe nicht bestanden.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Das erstinstanzliche Urteil gehe zu Unrecht von seiner dauernden Dienstunfähigkeit aus. Es lasse eine fundierte Auseinandersetzung mit seiner Erkrankung vermissen. Die Entscheidung über die Zurruhesetzung stelle auch entgegen der Ansicht des Gerichts keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung dar. Die vom Verwaltungsgericht angesprochene erleichterte Feststellung der Dienstunfähigkeit betreffe nur die Möglichkeit einer eigenen Entscheidung des Dienstherrn ohne Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens. Hier habe sich der Dienstherr aber gerade an den Aussagen des Amts- und Vertrauensärztlichen Dienstes orientiert. Es habe kein langwieriger und unklarer Krankheitsverlauf vorgelegen. Hierzu fehle es an entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Urteil. So sei etwa die Auswirkung eines gegen den Kläger eingeleiteten Disziplinarverfahrens als nachvollziehbarer Grund für eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes unberücksichtigt geblieben. Maßgeblich sei aber, dass der Dienstherr selbst die vom Verwaltungsgericht für zulässig erachtete Erkenntnismöglichkeit einer dauerhaften Dienstunfähigkeit wegen unklaren, hoffnungslosen Krankheitsverlaufs nicht angewendet, sondern sich an den Äußerungen des amtsärztlichen Dienstes orientiert und allein auf dieser Grundlage die Zurruhesetzung vorgenommen habe. Die Mitteilung des Amtsarztes vom 22. Juli 2005 sei unergiebig. Sie sei schon bezogen auf den Zeitpunkt der Zurruhesetzung nicht aktuell. Sie sei auch inhaltlich unbestimmt, weil lediglich eine schwere seelische Erkrankung angegeben werde, die außerdem nach den eigenen Angaben des Amtsarztes revisibel sei. Ein Zeitpunkt eines solchen möglichen Erfolges sei aber nicht angegeben worden. Außerdem sei darin nur von „Dienstunfähigkeit“, nicht aber von „dauernder Dienstunfähigkeit“ die Rede. Die darin enthaltene Formulierung „unseres Erachtens“ lege zudem nahe, dass fachlich auch eine andere Auffassung vertretbar sei. Die ergänzende Stellungnahme vom 13. Dezember 2005 rechtfertige ebenfalls keine andere Entscheidung. Ein für den 19. Dezember 2005 anberaumter Vorstellungstermin des Klägers beim Amtsarzt sei nicht abgewartet worden. Dessen zweite Stellungnahme sei mithin ohne neue Befunderhebung und fachärztliche Untersuchung erfolgt. Der Amtsarzt H...sei selbst kein Neurologe oder Psychiater. Es sei unerfindlich, wie er zu dieser Neuinterpretation gekommen sei. Außerdem spreche die erkennbare Eile dafür, dass auf den Amtsarzt Einfluss genommen worden sei. Es mangele an jeglichem Anhaltspunkt für die maßgebliche zeitliche Prognose bezogen auf die Dauer einer Dienstfähigkeit herstellenden Therapie. Die Angabe von ein bis zwei Jahren entbehre jeder nachvollziehbaren Grundlage. Die amtliche Auskunft sei auch vor dem Hintergrund, dass erst wenige Monate zuvor der eigene Betriebsarzt den Zustand des Klägers auf Grundlage derselben seelischen Erkrankung als ausreichend stabilisiert angesehen habe, um zeitnah eine Dienstaufnahme zu wagen, widersprüchlich. Aus der Stellungnahme des Dr. H... vom 11. November 2008 ergebe sich, dass die der Zurruhesetzung zu Grunde liegende schwere seelische Erkrankung tatsächlich nicht vorgelegen habe. Die akute Erkrankung des Klägers habe zudem auf dienstlichen Vorgängen beruht. Er sei systematisch lächerlich und fertig gemacht worden. Das Verhalten habe in unhaltbaren Anschuldigungen gegipfelt. Ab 2002 sei er unterwertig beschäftigt worden. Er sei dienstlich auf eine Weise beurteilt worden, die fachlich neben der Sache gelegen habe. Er sei nach längerer Krankheit in das weit entfernte T...versetzt worden, wo man ihn wiederum unterwertig verwendet habe. Verschiedene Widersprüche des Klägers gegen dienstliche Maßnahmen seien nicht beschieden worden. Dass Dienstaufnahmeversuche im April 2005 fehlschlugen, habe zum Hintergrund, dass das Hamburger Modell nicht als Heranführung an seine Arbeit gedacht gewesen sei, sondern durch den Dienststellenleiter eine Überwachung und Leistungskontrolle seiner Tätigkeit angeordnet worden sei. Die Zurruhesetzungsverfügung verstoße außerdem gegen § 16 BAPostG. Die Prüfung sei nicht vor der Zurruhesetzung erfolgt, wie sich aus den Daten der entsprechenden Schreiben ergebe. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts beruhe auf einer Spekulation. Spekulativ sei ferner die Annahme des Verwaltungsgerichts, dem Schreiben vom 12. September 2005 zur Einholung des Einverständnisses des Vorstands seien die amtsärztlichen Stellungnahmen als Anlagen beigefügt gewesen. Schließlich sei zu bemängeln, dass der Dienstherr eine Wiederholungsuntersuchung durch den Amtsarzt nicht durchgeführt habe. Er habe auch einen Reaktivierungsantrag des Klägers aus dem Jahr 2007 bis heute nicht beschieden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 24. November 2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hält an den angefochtenen Bescheiden fest.

Der Senat hat zur Frage der Dienstunfähigkeit des Klägers im Sinne des § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. Beweis erhoben durch Vernehmung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H..., des Facharztes für Psychiatrie V... sowie des Psychologischen Psychotherapeuten H... als sachverständige Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 10. April und 7. Mai 2013 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten, die Personalakten des Klägers (zwei Bände), die den Kläger betreffende Gesundheitsakte, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die den Kläger betreffende Akte des Amts- und Vertrauensärztlichen Dienstes des Bezirksamtes P..., die jetzt vom Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin als zentrale medizinische Gutachtenstelle geführt wird, verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Zurruhesetzungsverfügung vom 19. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom  24. März 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte hat den Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Zurruhesetzung zu Recht als dienstunfähig angesehen, rechtlich beachtliche Verfahrensfehler sind ihr nicht unterlaufen.

1. Rechtsgrundlage für die Zurruhesetzung des Klägers ist § 42 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 m. spät. Änd. (BBG a.F.). Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Nach Satz 2 kann der Beamte auch dann als dienstunfähig angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird. Die Beklagte hat in dem Zurruhesetzungsbescheid vom 19. Dezember 2005 ausdrücklich von der erleichterten Feststellung der Dienstunfähigkeit nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. Gebrauch gemacht. Diese Möglichkeit der erleichterten Feststellung stand in ihrem Ermessen. Dagegen sind die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen für die Annahme einer Dienstunfähigkeit gerichtlich voll überprüfbar. Die Fehlzeiten können dabei aus den Krankmeldungen des Beamten und den gegebenenfalls eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in Verbindung mit der tatsächlichen Abwesenheit des Beamten vom Dienst entnommen werden, während die Prognose, dass innerhalb weiterer sechs Monate keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit besteht, ärztlicher Begutachtung bedarf. Bei der Ermessensausübung ist im Wesentlichen darauf abzustellen, ob im konkreten Einzelfall besondere Umstände eine auf Dauer günstigere Prognose für die Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit rechtfertigen. Ist insoweit nichts Besonderes erkennbar, so handelt der Dienstherr in aller Regel ermessensfehlerfrei, wenn er von der erleichterten Feststellungsmöglichkeit Gebrauch macht (Plog/Wiedow, BBG (alt), § 42, Rn. 4d).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Beklagte den Kläger in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Zurruhesetzung zu Recht als dauernd dienstunfähig angesehen. Der Kläger hatte infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor der Zurruhesetzung mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet. Er war seit dem 26. Juli 2004 bis zu seiner Zurruhesetzung im Dezember 2005 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Es bestand auch keine Aussicht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig werden würde. Nach der amtsärztlichen, auf eine entsprechende fachärztliche Stellungnahme gestützten Prognose war mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers binnen weiterer sechs Monate nicht zu rechnen. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme hat die Richtigkeit der Prognose im Ergebnis bestätigt. Im Einzelnen ergibt sich:

a. Der Kläger war im Zeitpunkt der Untersuchung durch den vom Amts- und Vertrauensärztlichen Dienst mit der Begutachtung beauftragten Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie V...am 30. Juni 2005 dienstunfähig. Das ergibt sich aus dessen Stellungnahme vom 8. Juli 2005 und entspricht auch der Einschätzung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H..., der den Kläger seinerzeit behandelt hat. Dieser hat in seiner Vernehmung als sachverständiger Zeuge gegenüber dem Senat erklärt, dass der Kläger am 16. Juni 2005 akut arbeitsunfähig gewesen sei. Auch dessen Sohn, der Psychologische Psychotherapeut H..., bei dem der Kläger vom 8. September 2004 bis zum 30. Juni 2005 in therapeutischer Behandlung war, hat in seiner Zeugenvernehmung erklärt, dass der Kläger nach seiner Einschätzung zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt gewesen sein müsse.

b. Der Kläger litt an einer psychischen Erkrankung. Er hatte sich bei dem Therapeuten H...am 8. September 2004 wegen einer depressiven Erkrankung und eines somatischen Schmerzsyndroms vorgestellt. Herr H...hat anlässlich seiner Vernehmung angegeben, der Kläger habe eine Fingerverletzung erlitten gehabt, die ihm noch immer Schmerzen verursacht hätte, obgleich hierfür keine körperlichen Ursachen mehr bestanden hätten, so dass aus therapeutischer Sicht von nicht verarbeiteten psychischen Konflikten auszugehen gewesen sei.

Auf der dargelegten psychischen Erkrankung beruhte die Mitte des Jahres 2005 gegebene Dienstunfähigkeit des Klägers. Denn die von dem Therapeuten H...zur Behandlung dieser Erkrankung durchgeführte kognitive Verhaltenstherapie war im Wesentlichen erfolglos geblieben. Er hat in seiner Vernehmung angegeben, man habe aus seiner Sicht während der gesamten Therapie nicht von einem Therapieerfolg sprechen können. Die Depression habe sich vielleicht leicht gebessert. Der Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung des Klägers und der seinerzeit bestehenden Dienstunfähigkeit wird auch durch die Äußerung des Arztes Dr. H...bestätigt. Er hat in seiner Vernehmung vor dem Senat angegeben, dass die von ihm damals angenommene akute Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgrund einer Dekompensation wegen zugespitzter Schwierigkeiten mit seinen Vorgesetzten, unter anderem der Durchführung eines Disziplinarverfahrens und einem Zusammenbruch eingetreten sei.

c. Die Richtigkeit der amtsärztlichen Prognose, dass mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers binnen sechs Monaten nicht zu rechnen sei, wird sowohl durch die Angaben des Therapeuten H... als auch durch die Angaben des Arztes Dr. H...bestätigt.

Der Therapeut H...hat in seiner Zeugenvernehmung zu dieser Frage erklärt, dass er nach dem Zustand des Klägers am 30. Juni 2005 eine Gesundung bei konsequenter Medikamenteneinnahme eines Psychopharmakums und Fortsetzung einer Psychotherapie innerhalb von sechs bis zwölf Monaten für möglich gehalten hätte. Hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit sei es für ihn sehr schwer, eine Aussage zu treffen. Er würde aber sagen, dass man bei Fortsetzung der Therapie noch bis Ende des Jahres 2005 gebraucht hätte, bis ein neuer Arbeitsversuch hätte gestartet werden können. Aus diesen Angaben ist zu folgern, dass der Kläger zur Wiederherstellung der damals nach übereinstimmender fachärztlicher wie therapeutischer Einschätzung nicht gegebenen Dienstfähigkeit weiterer therapeutischer und zudem medikamentöser Behandlung bedurft hätte. Derartige Behandlungen wurden jedoch nicht durchgeführt. Die therapeutische Behandlung bei Herrn H...hat der Kläger am 30. Juni 2005 (erfolglos) beendet und auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder aufgenommen. Eine medikamentöse Behandlung hat er zu keinem Zeitpunkt durchgeführt. Vor diesem Hintergrund muss angenommen werden, dass die Dienstunfähigkeit des Klägers andauerte und auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Zurruhesetzung noch bestand und prognostisch für weitere sechs Monate ab diesem Zeitpunkt andauerte.

Der Arzt Dr. H...hat seine Stellungnahme vom 11. November 2008, wonach sich zum damaligen Zeitpunkt, also Mitte des Jahres 2005, eine dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers nicht ausreichend sachlich habe begründen lassen, bei seiner Vernehmung durch den Senat revidiert und eingeräumt, sie auf unzutreffender Tatsachengrundlage getroffen zu haben. Er hat insoweit in der mündlichen Verhandlung am 10. April 2013 angegeben, er könne nachvollziehen, dass der sozialpsychiatrische Dienst aufgrund der am 30. Juni 2005 durchgeführten Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass mit einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers nicht vor Ablauf von sechs Monaten zu rechnen gewesen sei. Dies vor dem Hintergrund, dass der Kläger während der Therapie durch seinen Sohn, den Therapeuten H..., durchgängig dienstunfähig gewesen und dass im Juni 2005 die starke Dekompensation eingetreten gewesen sei. In seiner Stellungnahme vom 11. November 2008 sei er demgegenüber davon ausgegangen, dass der Kläger bis zu der aufgetretenen Dekompensation dienstfähig gewesen sei und dass es sich bei der von ihm am 16. Juni 2004 (richtig: 2005) durchgeführten Untersuchung um eine akut aufgetretene Arbeitsunfähigkeit gehandelt habe.

d. Der Umstand, dass der Facharzt V..., der den Kläger am 30. Juni 2005 untersucht hat, bei diesem keine Depression, sondern eine Anpassungsstörung im Sinne des ICD-10 F 43.2 festgestellt hat, stellt die Richtigkeit dieses Ergebnisses nicht in Frage, zumal depressive Reaktionen und Anpassungsstörungen deutliche Überschneidungen aufweisen. So umfassen die Anzeichen einer Anpassungsstörung u.a. depressive Stimmung, Angst oder Sorge oder eine Mischung von diesen. Außerdem kann bei der Anpassungsstörung wie bei der Depression ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein. Hervorstechendes Merkmal kann eine kurze oder längere depressive Reaktion oder eine Störung anderer Gefühle und des Sozialverhaltens sein (ICD-10 F43.2 „Anpassungsstörung“).

e. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Dienstherr habe durch entsprechendes Verhalten („Mobbing“, Disziplinarverfahren) die Dienstunfähigkeit zumindest mit verursacht. Dies spielt für die hier allein im Vordergrund stehende Frage der Dienstunfähigkeit keine Rolle, worauf schon das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil zutreffend hingewiesen hat.

f. Der Umstand, dass trotz vorheriger Ankündigung keine erneute Untersuchung des Klägers am 19. Dezember 2005 stattgefunden hat, bevor die Zurruhesetzungsverfügung erging, stellt deren Rechtmäßigkeit ebenfalls nicht in Frage. Die Beklagte ging davon aus, dass eine weitere Untersuchung im Hinblick auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit durch die Bundesanstalt notwendig sei. Das ergibt sich aus der E-Mail vom 9. Dezember 2005. Darin wird ausgeführt, dass man dem Amtsarzt gegenüber erklärt habe, ein neues Gutachten zu benötigen, weil das bisherige zur Vorlage bei der Bundesanstalt zu alt sei.

2. Der Bescheid ist im Ergebnis auch in formeller Hinsicht als rechtmäßig anzusehen.

a) Soweit der Kläger geltend macht, die Bundesanstalt sei nicht ordnungsgemäß nach § 16 des Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost - Bundesanstalt Post-Gesetz (BAPostG) - beteiligt worden, weil ihre Stellungnahme nicht vor Erlass des angefochtenen Bescheides ergangen sei, kann dahinstehen, ob dem zu folgen ist, oder ob das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgeht, dass der Bescheid tatsächlich erst nach der Stellungnahme der Bundesanstalt erging. Selbst wenn man insoweit einen Verfahrensfehler unterstellt, wäre dieser jedenfalls geheilt. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig machen, unbeachtlich, wenn die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens (§ 45 Abs. 2 VwVfG) nachgeholt wird. Hier wäre die Mitwirkung der Bundesanstalt selbst bei unterstelltem Verfahrensfehler jedenfalls nachgeholt worden; sie lag noch während des laufenden Verwaltungsverfahrens vor.

b) Soweit der Kläger einwendet, es hätten nicht alle Akten vorgelegen, ist ein etwaiger Verfahrensfehler ebenfalls unbeachtlich. Nach § 16 BAPostG sind die Akten mit der Zurruhesetzungsverfügung vorzulegen. Allerdings erscheint es zweifelhaft, wie das Verwaltungsgericht anzunehmen, dass hierfür die Vorlage der von der übersendenden Behörde als wesentlich erachteten Unterlagen ausreicht. Ebenso wenig wie es Sache der Behörden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist, aus den Verwaltungsvorgängen diejenigen Unterlagen herauszusuchen, die ihrer Ansicht nach für das Verfahren relevant sind, kann es in Fällen der vorliegenden Art Sache der Telekom sein, die ihrer Ansicht nach relevanten Unterlagen zu identifizieren und die Vorlage an die Bundesanstalt auf diese zu beschränken. Auch die Bundesanstalt muss sich ein eigenständiges Bild anhand der vollständigen Vorgänge machen können. Es spricht daher viel dafür, dass die Beteiligung der Bundesanstalt insoweit nicht ordnungsgemäß erfolgte.

Dieser Verfahrensfehler ist aber gemäß § 46 VwVfG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Von einer solchen Situation kann nur dann die Rede sein, wenn von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise feststeht, dass die Sachentscheidung auch bei ordnungsgemäßem Verfahren nicht anders ausgefallen wäre (OVG Münster, Beschluss vom 27. März 2012 - 6 B 1362/11 -, NVwZ-RR 2012, S. 692 ff., Rn. 22 bei juris m.w.N.). Vorliegend müsste daher nach jeder Betrachtungsweise feststehen, dass der Kläger auch dann zur Ruhe gesetzt worden wäre, wenn die Beteiligung der Bundesanstalt ordnungsgemäß, also unter Vorlage der vollständigen Akten, erfolgt wäre. Das kann hier ohne weiteres angenommen werden.

Eine Überprüfung der Entscheidung der Dienstbehörde durch die Bundesanstalt erfolgt allein im Hinblick auf deren Rechtmäßigkeit. Da die Dienstunfähigkeit des Klägers aus den unter 1. dargelegten Gründen feststeht, hatte die Bundesanstalt nicht die Möglichkeit, ihre Zustimmung zu verweigern und so (möglicherweise) eine andere Entscheidung der Dienstbehörde herbeizuführen. Die Ausübung des Ermessens, von der vereinfachten Feststellungsmöglichkeit nach § 42 Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. Gebrauch zu machen, erfolgte ermessensfehlerfrei und unterlag nicht der Überprüfung durch die Bundesanstalt.

c) Andere formelle Mängel des angefochtenen Bescheides sind nicht ersichtlich oder geltend gemacht.

aa) Dass die Beklagte die Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX nicht beachtet hat, ist unbeachtlich, denn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - führt das Unterbleiben eines Verfahrens nach dieser Vorschrift nicht zur Rechtswidrigkeit der Zurruhesetzungsverfügung. Ob die Vorschrift überhaupt auf Beamte Anwendung findet, kann daher dahinstehen. Jedenfalls ist die vorherige Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht formelle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Bescheides, mit dem die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit verfügt wird (dazu im Einzelnen: Urteil des Senats vom 26. April 2012 - 6 B 5.12 -, Rn. 43 ff. bei juris m.w.N.).

bb) Der Personalrat ist ordnungsgemäß beteiligt worden. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 5 Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG - wirkt der Personalrat bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand mit. Gemäß § 78 Abs. 2 wird der Personalrat in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 bis 5 auf Antrag des Beschäftigten beteiligt; in diesen Fällen ist der Beschäftigte von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen. Hier hatte der Kläger die Beteiligung des Personalrats erbeten. Der Personalrat ist sodann mit Schreiben vom 14. September 2005 beteiligt worden. Die Beteiligung ist rechtzeitig, da sie so frühzeitig erfolgte, dass sie mit Schreiben des Betriebsrats vom 5. Oktober 2005 und damit vor dem Erlass der Zurruhesetzungsverfügung abgeschlossen wurde (vgl. dazu: Altvater / Hamer Kröll / Lemcke / Peiseler, BPersVG, 6. Auflage 2008, § 78, Rn. 46).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Die Auslegung und Anwendung des § 16 BAPostG hat schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, weil es hierauf im Hinblick auf die Regelungen in §§ 45, 46 VwVfG letztlich nicht entscheidungserheblich ankommt.