Gericht | LSG Berlin-Brandenburg 9. Senat | Entscheidungsdatum | 01.12.2010 | |
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Aktenzeichen | L 9 KR 664/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 7 Abs 1 S 1 SGB 4 |
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Zwischen den Beteiligten besteht im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens Streit, ob der Kläger zu 2) in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Am 3. März 2000 gründete der Kläger zu 2) zusammen mit drei weiteren Beteiligten die H Deutschland GmbH (Gesellschaftszweck: Gründung der H GmbH und Übernahme der Geschäftsführung dieser Gesellschaft). Die drei weiteren Beteiligten sind:
- J. H H mit Sitz in den N, vertreten durch J H („J“) H;
- H O B mit Sitz in den N, vertreten durch J H.H. („J“) H sowie M B;
- H Verwaltungs GmbH mit Sitz in K, vertreten durch die Geschäftsführer R S und J H.H. („J“) H.
Das Stammkapital dieser Gesellschaft beträgt 25.000 Euro; davon entfallen auf den Kläger zu 2) 20 Prozent (5.000 Euro). Auf die übrigen Beteiligten entfallen:
- J. H H .: 13.750 Euro (55 Prozent);
- H O B .: 3.750 Euro (15 Prozent);
- H Verwaltungs GmbH: 2.500 Euro (10 Prozent).
Nach dem Gesellschaftsvertrag (§ 11) werden Beschlüsse der Gesellschaft mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst; folgende Beschlüsse können nur einstimmig gefasst werden: Änderung des Gesellschaftsvertrages, Auflösung der Gesellschaft, Beteiligung an anderen Gesellschaften, Begründung, Beendigung oder Änderung von Verträgen aller Art mit Gesellschaftern oder deren Ehegatten und Verwandten, Feststellung des Jahresabschlusses und der Ergebnisverwendung.
Geschäftsführer der H Deutschland GmbH sind die Herren R S, J H.H. („J“) H und J H („J“) H).
Am 25. Mai 2000 gründete die H Deutschland GmbH als Alleingesellschafterin die Klägerin zu 1), die sich zunächst H Strahltechnik GmbH nannte und seit 20. Januar 2004 als H K GmbH firmiert (Gegenstand: Durchführung von Sandstrahlarbeiten und Lackierungsarbeiten an Materialien jeglicher Art). Nach dem Gesellschaftsvertrag bedürfen die Geschäftsführer zu folgenden Maßnahmen der Zustimmung durch einen Gesellschafterbeschluss: Investitionen und Kreditaufnahmen, die einen Betrag von 10.000 Euro im Einzelfall überschreiten; Veräußerung oder Stilllegung des Betriebes oder eines Betriebsteils sowie Aufgabe eines wesentlichen Tätigkeitsbereichs; Gründung, Erwerb oder Veräußerung von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen; Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundstücken; Begründung, Beendigung oder Änderung von Anstellungsverträgen mit dritten Personen; Begründung, Beendigung oder Änderung von Verträgen aller Art mit Gesellschaftern oder Personen, sofern der Gesellschafter keine natürliche Person ist, die an dem Gesellschafter beteiligt sind, und deren Verwandten und Verschwägerten.
Der Kläger zu 2) ist aufgrund Geschäftsführer-Anstellungsvertrages vom 9. Oktober 2000 mit Wirkung vom 1. Oktober 2000 als Geschäftsführer bei der Klägerin zu 1) angestellt. Neben ihm sind bzw. waren als weitere Geschäftsführer J H.H. („J“) H und R S tätig. Der Kläger ist für den technischen Bereich zuständig (Projekt- und Kundenbetreuung, Personalmanagement, Materialverwaltung und –bestellung sowie Betreuung der technischen Einrichtungen) und J H.H. („J“) H für den kaufmännischen Bereich, während R S lediglich beratend wirkte und im Jahre 2003 ausschied. Nach dem wesentlichen Vertragsinhalt vertrat der Kläger zu 2) die Gesellschaft gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen gerichtlich und außergerichtlich; (erst) seit dem 20. Januar 2004 verfügt er über Alleinvertretungsberechtigung. Er ist befreit von den Beschränkungen des § 181 BGB. An bestimmte Dienstzeiten ist er nicht gebunden. Als zustimmungspflichtig führt der Anstellungsvertrag die im Gesellschaftsvertrag benannten Geschäfte auf und nennt zusätzlich allgemein (ohne Beschränkung) Investitionen und Kreditaufnahmen sowie sonstige außergewöhnliche, insbesondere mit hohen Risiken verbundene Maßnahmen. Nebentätigkeiten sind nur aufgrund eines ausdrücklichen Gesellschafterbeschlusses zulässig. Der Geschäftsführer unterliegt einem Wettbewerbsverbot. Das monatliche Festgehalt betrug ab November 2000 5.000 DM, seit April 2001 6.000 DM. Zusätzlich erhält der Kläger zu 2) eine Weihnachtsgratifikation und Urlaubsgeld. Im Krankheitsfall bleibt der Gehaltsanspruch für 24 Wochen bestehen. Im Todesfall erhalten die Hinterbliebenen Gehaltsfortzahlung für zwei Monate. Das tatsächliche Bruttoeinkommen des Klägers stieg nach seinen eigenen Angaben von 40.310,24 Euro im Jahre 2001 auf 55.966,76 Euro im Jahre 2008 an.
Neben den Geschäftsführern sind bei der Klägerin zu 1) noch elf weitere Mitarbeiter beschäftigt (acht in der Produktion, zwei im Büro und eine Reinigungskraft).
Am 22. Juni 2001 bat die Klägerin zu 1) die Beklagte um Feststellung, ob mit dem Kläger zu 2) ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe.
Am 31. August 2001 beantragten die Kläger sodann förmlich auf einem entsprechenden Vordruck die Entscheidung über die Versicherungspflicht nach § 7 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV) und die Feststellung, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege. Im Feststellungsbogen wurde u.a. angegeben, der Kläger zu 2) unterliege keinem Direktionsrecht der Gesellschaft und könne seine Tätigkeit frei bestimmen. Urlaub müsse er nicht genehmigen lassen. Personal dürfe er selbständig einstellen und entlassen.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2002 teilte die Beklagte mit, dass der Kläger zu 2) in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) seit dem 9. Oktober 2000 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ausübe. Er sei eingebunden in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers, der einseitig im Wege des Direktionsrechts Weisungen erteile. Damit bestehe persönliche Abhängigkeit.
Mit ihren Widersprüchen brachten die Kläger vor, eine Weisungsabhängigkeit des Klägers zu 2) bestehe nicht. Technisches Know-how und spezielle Branchenkenntnisse seien ausschließlich bei ihm vorhanden. Seine nur 20-prozentige Beteiligung an der Betreibergesellschaft werde dadurch aufgewogen.
Mit Bescheiden vom 29. Dezember 2004 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die Feststellung, dass der Kläger zu 2) seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin zu 1) seit dem 9. Oktober 2000 im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe, bleibe bestehen. Er verfüge über keine Sperrminorität und sei nur zu 20 Prozent an der Betreibergesellschaft beteiligt. Damit sei die für ein Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit gegeben. Bei aller Freiheit des Klägers zu 2) in Bezug auf seine tägliche Arbeit unterliege er doch der Überwachung durch die Hauptgesellschafter.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Mit dem nur beim Kläger zu 2) vorhandenen technischen Know-how dominiere dieser die Gesellschaft; er sei Kopf und Seele des Geschäfts. Er arbeite im Durchschnitt 60 Stunden wöchentlich. Sein Engagement habe unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe seines Gehalts. Die lange Entgeltfortzahlungsdauer von 24 Wochen sei arbeitnehmeruntypisch. Die Beteiligung von unter 50 Prozent dürfe nicht automatisch zur Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führen.
Mit Beschluss vom 6. Juni 2005 hat das Bundessozialgericht das Sozialgericht Berlin zum zuständigen Gericht bestimmt.
Mit Urteil vom 1. November 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechenden Umstände überwögen deutlich. Maßgeblich sei die nur 20-prozentige Beteiligung an den Geschäftsanteilen der Klägerin zu 1) ohne Innehabung einer Sperrminorität. Der Kläger zu 2) sei nur für den technischen Fertigungsbereich und nicht auch für den kaufmännischen Bereich zuständig. Damit könne er nicht schalten und walten, wie er wolle, und unterliege auch den Mehrheitsbeschlüssen der Gesellschafter. Ins Gewicht falle auch das Vorliegen eines schriftlichen Anstellungsvertrages mit den darin enthaltenen durchaus arbeitnehmertypischen Regelungen. Bis zum 20. Januar 2004 habe noch nicht einmal Alleinvertretungsberechtigung bestanden. Das technische Know-how sei typisch für die leitende Stellung des Klägers zu 2) und spreche nicht entscheidend gegen seine Arbeitnehmereigenschaft.
Gegen das ihnen am 9. November 2007 zugestellte Urteil haben die Kläger am 10. Dezember 2007 (Montag) Berufung eingelegt. Sie tragen vor: Der Kläger zu 2) besitze maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Die formell fehlende Mehrheit auf einer Gesellschafterversammlung werde dadurch ausgeglichen, dass technisches Know-how und spezielle Branchenkenntnisse ausschließlich bei ihm vorhanden seien. Ohne ihn sei die Klägerin zu 1) nicht lebensfähig. Dies führe zu hoher unternehmerischer Eigenverantwortung; die Mehrheitsgesellschafter seien gar nicht in der Lage, ihm Weisungen zu erteilen. Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausführung der Arbeit unterlägen keinen Weisungen. Aufgrund seines Kenntnisvorsprungs könne er frei über die eigene Arbeitskraft verfügen. Von den Beschränkungen des § 181 BGB sei er von Anfang an befreit gewesen. Etwa 60 Stunden Arbeitszeit pro Woche seien von keinem abhängig Beschäftigten zu erwarten. Sein Gehalt habe sich schon nach kurzer Zeit verdoppelt, so dass er in engem Bezug zum wirtschaftlichen Risiko der Gesellschaft stehe. Entgeltfortzahlung über 24 Wochen sei nicht arbeitnehmertypisch.
Mit an beide Kläger gerichteten, im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden vom 12. Januar 2010 hat die Beklagte im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum notwendigen Inhalt von Statusfeststellungsbescheiden (Urteil vom 11. März 2009, B 12 R 11/07 R) den streitigen Statusfeststellungsbescheid dahingehend abgeändert, dass in der seit 9. Oktober 2000 ausgeübten Beschäftigung des Klägers zu 2) als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin zu 1) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Keine Versicherungspflicht bestehe in der gesetzlichen Kranken- und in der Pflegeversicherung; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2002 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. Dezember 2004, diese in Form der Änderungsbescheide vom 12. Januar 2010, aufzuheben und festzustellen, dass in der seit 9. Oktober 2000 ausgeübten Beschäftigung des Klägers zu 2) bei der Klägerin zu 1) keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Berichterstatter hat den Rechtstreit am 22. Juli 2009 mit den Beteiligten erörtert. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2002 in der Fassung, die er durch die Bescheide vom 12. Januar 2010 erhalten hat, die gemäß den §§ 153 Abs.1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Verfahrens wurde. Denn diese Bescheide, die die Versicherungspflicht des Klägers zu 2) auf Grund der für die Klägerin zu 1) seit dem 9. Oktober 2000 ausgeübten Beschäftigung feststellen, ändern den vorherigen vom 23. Juli 2002 ab, der das Element „abhängige Beschäftigung“ isoliert festgestellt hatte. Mit den neuen Bescheiden vom 12. Januar 2010 hat die Beklagte der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 11. März 2009, B 12 R 11/07 R, zitiert nach juris) Rechnung getragen, nach der eine isolierte Feststellung einer abhängigen Beschäftigung – wie im Bescheid vom 23. Juli 2002 vorgenommen – nicht zulässig ist. Zwar stellt dies eine Änderung des Regelungsumfangs des letztgenannten Bescheides dar. Jedoch ist zu beachten, dass die Beklagte mit dem Bescheid vom 23. Juli 2002 vollumfänglich über den Antrag des Klägers zu 2), seinen „sozialversicherungsrechtlichen Status“ zu klären, entscheiden wollte und sich hierzu auf die Regelung des § 7a SGB IV stützte. Erst mit den Bescheiden vom 12. Januar 2010 ist der Antrag in der vom Gesetz vorgesehenen Weise beschieden worden: Die Bescheide vom 12. Januar 2010 ergänzen den Bescheid vom 23. Juli 2002 in seinem Regelungsbereich, indem sie feststellen, dass auf Grund der abhängigen Beschäftigung Versicherungspflicht vorlag, und ändern ihn in seinem Verfügungssatz ab. Bei einem Verwaltungsakt, der in dieser Weise gemäß § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens wird, bedarf es keines Vorverfahrens (vgl. hierzu schon Urteil des Senats vom 24. März 2010, L 9 KR 13/08).
Der angefochtene Bescheid in der Fassung der Bescheide vom 12. Januar 2010 ist rechtmäßig. Der Kläger zu 2) unterliegt auf Grund der für die Klägerin zu 1) seit dem 9. Oktober 2000 ausgeübten Tätigkeit als Geschäftsführer der Versicherungspflicht in der Renten- und in der Arbeitslosenversicherung.
In den genannten Zweigen der Sozialversicherung richtet sich die Versicherungspflicht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches/Drittes Buch (SGB III) für die Arbeitslosenversicherung und nach § 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches/Sechstes Buch (SGB VI) für die Rentenversicherung. Diese Vorschriften setzen für die Versicherungspflicht – in der hier einzig denkbaren Alternative – jeweils eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 des SGB IV voraus. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R, zitiert nach juris, Rn. 21, 22) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung, das sich nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist.
Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich auch die Frage, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH, dessen Organstellung allein eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft bzw. den Gesellschaftern nicht ausschließt, eine abhängige und deshalb versicherungspflichtige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ist. Ist der Geschäftsführer am Kapital der Gesellschaft beteiligt, ist der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Denn wer kraft seiner Gesellschafterrechte die für das Arbeitnehmerverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann, kann nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein. Für GmbH-Gesellschafter, die über mindestens die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügen und damit einen maßgebenden Einfluss auf deren Entscheidungen besitzen, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zur GmbH grundsätzlich zu verneinen. Aber auch wenn der Geschäftsführer-Gesellschafter einen geringeren Kapitalanteil innehat, kann die Arbeitnehmereigenschaft im Einzelfall fehlen, insbesondere wenn er in der Lage ist, aufgrund eine Sperrminorität nicht genehme Entscheidungen der Gesellschaft zu verhindern (vgl. zu alledem Bundessozialgericht, Urteil vom 18. April 1991, 7 RAr 32/90, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen dem Kläger zu 2) und der Klägerin zu 1) ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV besteht.
Der Kläger zu 2) verfügt nicht einmal unmittelbar über Geschäftsanteile an der GmbH, deren Geschäftsführer er ist, denn diese werden vollständig von der H Deutschland GmbH gehalten. Lediglich an dieser „Träger-GmbH“ ist er beteiligt mit einer Einlage von 20 Prozent der Geschäftsanteile. Als Minderheitsgesellschafter kann er damit keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der „Träger-GmbH“ nehmen. Auch über einer Sperrminorität verfügt er nicht, so dass er nicht in der Lage ist, ihm nicht genehme Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern.
In Bezug auf die Klägerin zu 1) verfügte der Kläger zu 2) bis Januar 2004 nicht einmal über eine Alleinvertretungsberechtigung, worin der Senat ein gravierendes Indiz für Weisungsabhängigkeit sieht.
Aber auch für die Zeit danach gilt nichts anderes: Selbst wenn der Kläger zu 2) als Geschäftsführer der Klägerin zu 1) nach Januar 2004 über eine erhebliche Machtstellung verfügt haben mag, ändert dies nichts an der Einstufung dieser „höheren“ Tätigkeit als versicherungspflichtig. Besondere Umstände, die eine andere Sichtweise gebieten könnten, sind nicht ersichtlich. Vor allem ist weder dargetan noch sonst erkennbar, dass der Kläger zu 2) etwa die übrigen Gesellschafter der „Träger-GmbH“ persönlich dominierte und diese wirtschaftlich von ihm anhängig waren. Allein faktische wirtschaftliche Macht in Gestalt besonderen fachlichen Know-Hows ändert noch nichts an der abhängigen Stellung des Klägers im Gesellschaftsgefüge. Weisungsfreiheit im Hinblick auf Zeit, Ort und Dauer der Tätigkeit ist im Übrigen typisch für leitende Angestellte. Aus der sehr großzügigen Regelung zur Entgeltfortzahlung lässt sich nicht auf eine unternehmerähnliche Stellung des Klägers zu 2) schließen, da Entgeltfortzahlung ein typisches Arbeitnehmerrecht ist.
Erhebliche Elemente der Weisungsabhängigkeit sieht auch der Geschäftsführervertrag vor, der – wie ein klassischer Anstellungsvertrag – eine Reihe zustimmungspflichtiger Geschäfte nennt, ein Nebentätigkeits- und Wettbewerbsverbot statuiert sowie ein Festgehalt ohne Gewinnbeteiligung. Für entscheidend hält der Senat zudem den Umstand, dass der Kläger als Geschäftsführer nur für den technischen, nicht aber auch für den kaufmännischen Bereich zuständig ist. Ein gänzlich eigenständiges, unkontrolliertes Schalten und Walten, das mit einer Unternehmerstellung vergleichbar wäre, ist so ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache. Aus der von den Beteiligten erklärten teilweisen Hauptsachenerledigung in Bezug auf Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und in der Pflegeversicherung folgt nichts anderes, denn die Herausnahme dieser beiden Sparten der Sozialversicherung aus dem Streit hat am eigentlichen Gegenstand des Verfahrens nichts geändert. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG lagen nicht vor.