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Anspruchsdauer - Arbeitslosengeld - Sperrzeit


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 14. Senat Entscheidungsdatum 14.01.2014
Aktenzeichen L 14 AL 384/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 127 Abs 2 aF SGB 3, § 434r Abs 1 aF SGB 3, § 128 Abs 1 Nr 4 aF SGB 3

Leitsatz

Die Verlängerung der Dauer eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 127 Abs. 2 SGB III a.F. wegen Inkrafttretens des § 434 r Abs. 1 SGB III, führt auch zur Verlängerung der Dauer einer zuvor verhängten Sperrzeit.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten für den gesamten Rechtsstreit nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Überprüfungsverfahren nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für eine längere Anspruchsdauer.

Der 1947 geborene Kläger war vom 1. August 1975 bis 31. März 2007 bei der D AG beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag beendet. Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von 17.284 Euro.

Bereits am 22. Dezember 2006 hatte sich der Kläger bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet und Alg für die Zeit ab 1. April 2007 beantragt. Hierauf verfügte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. April 2007 den Eintritt einer Sperrzeit in der Zeit vom 1. April bis 23. Juni 2007, in der der Anspruch auf Alg ruhe. Zudem verfügte sie die Minderung des Anspruchs auf Alg um 135 Tage (ein Viertel der Anspruchsdauer von zum damaligen Zeitpunkt noch 540 Tagen bzw. 18 Monaten). Dementsprechend gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom selben Tag in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. April 2007 Alg für den Zeitraum vom 24. Juni 2007 bis 8. August 2008 in Höhe von täglich 39,31 Euro; in dem Änderungsbescheid verfügte sie zudem ein Ruhen des Alg-Anspruchs wegen einer Entlassungsentschädigung für die Zeit vom 1. April bis 8. Mai 2007.

Vor dem Hintergrund der Neufassung des § 127 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) mit Wirkung zum 1. Januar 2008 und der hierzu durch Gesetz vom 8. April 2008 (BGBl. I S. 681) geschaffenen Übergangsregelung des § 434r SGB III entschied die Beklagte über die dem Kläger zustehenden Leistungen mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 29. April 2008 neu und bewilligte dem Kläger nunmehr unter entsprechender Änderung des Bewilligungsbescheides vom 4. April 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. April 2007 Alg in Höhe von 39,31 Euro für den Zeitraum vom 24. Juni 2007 bis 23. Dezember 2008 (insoweit neu für die Zeit ab 9. August 2008). Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sich der Leistungsanspruch des Klägers geändert habe. Ab 1. April 2007 werde die Anspruchsdauer von 540 auf 720 Tage geändert. In der Zeit vom 1. April 2007 bis 23. Juni 2007 werde der Anspruch um 180 Tage gemindert.

Mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2008 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides 29. April 2008 hinsichtlich der verfügten Leistungsbezugsdauer. Nach seiner Berechnung müsse die gesetzliche Neuregelung zu einem Leistungsbezug bis März 2009 führen. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus: Die Anspruchsdauer sei rückwirkend ab 1. April 2007 auf 720 Tage erhöht worden. Wegen der eingetretenen Sperrzeit vom 1. April bis 23. Juni 2007 ergebe sich deshalb nunmehr eine Minderung des Anspruchs auf Alg um 180 Tage. So verbleibe ein Anspruch auf Alg für 540 Tage, der mit dem 23. Dezember 2008 erschöpft sei.

Zur Begründung des hiergegen gerichteten Widerspruchs machte der Kläger geltend: Nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III sei maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Berechnung der Minderungsdauer nach eingetretener Sperrzeit der Zeitpunkt der erstmaligen Entstehung des Anspruchs auf Alg, hier der 1. April 2007. Die spätere Verlängerung der Anspruchsdauer auf 720 Tagen dürfe deshalb nicht zu einer Verlängerung der Minderungsdauer des Anspruchs auf Alg führen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2009 wies die Beklagte den Widerspruch mit gleichbleibender Begründung zurück.

Mit der am 19. Februar 2009 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.

Mit Urteil vom 13. Oktober 2010 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 verurteilt, den Bescheid vom 29. April 2008 zu ändern und dem Kläger ab 1. April 2007 Arbeitslosengeld für 585 Kalendertage zu bewilligen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die Beklagte habe verkannt, dass bezüglich der Minderung des Anspruchs auf Alg keine wesentliche Änderung der (rechtlichen) Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X eingetreten sei. Der Kläger falle unter den Anwendungsbereich der Übergangsregelung § 434r Abs. 1 SGB III, wonach sich die Anspruchsdauer bei Arbeitslosen, die – wie der Kläger – das 58. Lebensjahr vor dem 1. Januar 2008 vollendet hätten, auf 24 Monate erhöhe, sofern ein Anspruch auf Alg mit einer dem Lebensalter entsprechenden Restanspruchsdauer nach § 127 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung noch nicht erschöpft gewesen sei. Mit dieser rechtlichen Änderung zu Gunsten des Klägers gehe keine Änderung der Dauer der Minderung des Anspruchs auf Alg zu Lasten des Klägers einher. Dem stehe der eindeutige Wortlaut des § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III entgegen. Der Gesetzgeber habe es insoweit versäumt, eine Übergangsregelung auch zur Dauer der Minderung des Anspruchs auf Alg zu treffen.

Gegen das der Beklagten am 23. November 2010 zugestellte Urteil hat diese am 14. Dezember 2010 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Rechtsgrundlage des Änderungsbescheides vom 29. April 2008 sei § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit der Einführung des § 434r SGB III sei eine (wesentliche) Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten, da die rechtliche Grundlage des Verwaltungsaktes (Bewilligung von Alg) geändert worden sei. Wegen der Änderung der rechtlichen Verhältnisse sei die Anspruchsdauer von 540 auf 720 Tage zu erhöhen gewesen. Soweit eine Anspruchserhöhung erfolgt sei, handele es sich um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, da im Hinblick auf die für den Verwaltungsakt entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände ein anderer Sachverhalt in Gestalt einer „höheren“ Anspruchsdauer vorliege. Wegen dieser Änderung der tatsächlichen Verhältnisse sei die Anspruchsminderung von 125 (richtig: 135) Tagen auf 180 Tage zu „erhöhen“. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts habe dem Kläger ein Anspruch auf Alg für 720 Tage bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg am 1. April 2007 zugestanden. Dass die Anspruchsdauer erst mit dem Bescheid vom 29. April 2008 entsprechend § 434r SGB III geändert worden sei, ändere nichts daran, dass der Kläger die 720 Anspruchstage bereits zum 1. April 2007 mit der erstmaligen Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg erworben habe. Hiervon ausgehend bedürfe die „Erhöhung“ der Minderung der Anspruchsdauer von 135 Tagen auf 180 Tage keiner gesonderten Übergangsregelung. Denn diese ergebe sich unmittelbar aus § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Oktober 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2009 verurteilt, den Bescheid vom 29. April 2008 zu ändern und dem Kläger ab 1. April 2007 Arbeitslosengeld für 585 Kalendertage (also für weitere 45 Tage) zu bewilligen. Der angegriffene Bescheid vom 16. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg über den 23. Dezember 2008 hinaus unter entsprechender Änderung des Bescheides vom 29. April 2008.

Gegenstand des Bescheides vom 29. April 2009 ist die Neuregelung der Dauer des klägerischen Anspruchs auf Alg unter Berücksichtigung der Übergangsregelung des § 434r SGB III in der bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung (a.F.). Insoweit verfügte die Beklagte unter entsprechender teilweiser Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 4. April 2007 und des Bewilligungsbescheides vom selben Tag in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. April 2007 die Änderung der Anspruchsdauer von 540 auf 720 Tage ab 1. April 2007 und die Minderung der Dauer des Anspruchs auf Alg um nunmehr 180 Tage und bewilligte entsprechend dem Kläger Alg für die Zeit vom 24. Juni 2007 bis 23. Dezember 2008 (insgesamt 540 Tage). Die Gewährung von Alg über den 23. Dezember 2008 hinaus lehnte die Beklagte sinngemäß ab. Die vorgenannten Verfügungen zur Dauer des Anspruchs auf Alg und die Bewilligungsentscheidung korrespondieren miteinander und stellen insgesamt eine einheitliche Regelung dar (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 5. August 1999 – B 7 AL 14/99 R – BSGE 84, 225, Urteil vom 16. September 1999 – B 7 AL 32/98 R – BSGE 84, 270, Urteil vom 3. Juni 2004 – B 11 AL 71/03 R – SGb 2004, 479, Urteil vom 9. Februar 2006 – B 7a/7 AL 48/04 R - juris ). Entsprechendes gilt für die nunmehr teilweise aufgehobenen Verfügungen in dem Sperrzeitbescheid vom 4. April 2007 und dem Bewilligungsbescheid vom selben Tag in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. April 2007.

Rechtsgrundlage des Bescheides vom 29. April 2008 ist § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X. Nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn hierfür die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen vorliegen. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten und die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt ist.

Der Senat geht davon aus, dass vorliegend nach dem Erlass des Sperrzeitbescheides der Beklagten vom 4. April 2007 und des Bewilligungs-bescheides vom selben Tag in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. April 2007 eine wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse zu Gunsten des Klägers eingetreten ist, die durch das Inkrafttreten des § 434r Abs. 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 8. April 2008 (BGBl. I S. 681) rückwirkend zum 1. Januar 2008 bewirkt wurde. Nach dieser – im sachlichen Zusammenhang mit der ebenfalls rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Neuregelung der Dauer des Anspruchs auf Alg in § 127 Abs. 2 SGB III (a.F.) stehenden – Vorschrift haben Arbeitslose, die vor dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben, einen Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 24 Monaten (statt bisher 18 Monaten), wenn sie einen Anspruch auf Alg mit einer dem Lebensalter des Arbeitslosen entsprechenden Höchstanspruchsdauer nach § 127 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung (a.F.) erworben haben und dieser Anspruch am 31. Dezember 2007 noch nicht erschöpft war. Mit dieser Übergangsvorschrift wird die Anwendbarkeit der Neuregelung zur Dauer des Anspruchs auf Alg (u.a.) für Arbeitslose nach Vollendung des 58. Lebensjahres rückwirkend auf die Fälle erstreckt, in denen der Höchstanspruch bereits nach dem bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Recht entstanden und am 31. Dezember 2007 noch nicht erschöpft war (sog. unechte Rückwirkung).

Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm insoweit, als er das 58. Lebensjahr vor dem 1. Januar 2008 vollendet hat und sein Anspruch auf Alg am 31. Dezember 2007 noch nicht erschöpft war. Auch erfüllt er die in § 127 SGB Abs. 1 SGB III a.F. normierten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg mit der seinem Lebensalter entsprechenden Höchstanspruchsdauer von 24 Monaten, weil er innerhalb der fünfjährigen Rahmenfrist nach § 127 Abs. 1 SGB III a. F. ein Versicherungspflichtverhältnis mit einer Dauer von (mehr als) 48 Monaten vorzuweisen hat.

Der Senat vermag sich nicht der in der Literatur vertretenen Auffassung (insbesondere Hoehl in Eicher/Schlegel/Hoehl, SGB III, zu § 343r Rn. 31) anzuschließen, nach der der in § 434r Abs. 1 SGB III a.F. verwendete Begriff der Höchstanspruchsdauer einengend dahin auszulegen ist, dass dieser nicht von Anfang an wegen eines versicherungswidrigen Verhaltens des Arbeitslosen - insbesondere nicht aufgrund einer Sperrzeit von 12 Wochen wegen Arbeitsaufgabe – gemindert sein darf. Begründet wird diese einengende Auslegung mit dem Ausnahmecharakter der rückwirkenden Verlängerung der Anspruchsdauer und der damit verbundenen Belastung der Versichertengemeinschaft. Diese einengende Auslegung findet jedoch weder im Wortlaut des § 434r Abs. 1 SGB III a.F. noch in den Motiven des Gesetzgebers eine Stütze. Systematisch nimmt der in § 434r Abs. 1 SGB III a.F. verwendete Begriff „Höchstanspruchsdauer“ auf die Regelung des § 127 SGB III a.F. Bezug, wonach sich die Dauer des Anspruchs auf Alg nach der Dauer des Versicherungsverhältnisses und dem Lebensalter richtet. Den seinem Lebensalter entsprechenden Höchstanspruch erwirbt nur, wer die insoweit erforderliche Dauer eines Versicherungspflichtverhältnisses nachweisen kann (zu diesem Problemkreis siehe u. a. BSG, Urteil vom 5. Dezember 2006 – B 11a AL 3/06 R –, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Mai 2010 – L 29 AS AL 291/09 –, Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 27. Mai 2011 – L 3 AL 17/10 –, jeweils juris). Auch der Gesetzgeber hat den Begriff der Höchstanspruchsdauer nur in diesem engen Sinn verstanden (vgl. Bundestags-Drucksache 16/7460, zu Artikel 1 Nr. 4 <§ 127> Buchstabe a, Nummer 11 <§ 434r>, Seite 10f.). Demnach dürfte dem Begriff eine weitergehende Bedeutung unter Einschluss von Minderungstatbeständen nach § 128 SGB III a.F. nicht beizumessen sein.

Letztlich kann allerdings diese Frage vorliegend offenbleiben, weil dem Kläger auch dann nicht ein Anspruch auf Alg für eine längere Anspruchsdauer als von der Beklagten zuerkannt zusteht, wenn § 434r SGB III a.F. für anwendbar erachtet wird (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. Januar 2012 – L 11 AL 135/09 – juris).

Der Kläger verkennt, dass § 48 Abs. 2 Nr. 1 SGB X die Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht nur insoweit erlaubt, als die Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu rechtlichen Vorteilen führt. Maßgeblich ist vielmehr eine saldierende Betrachtungsweise, das heißt: Zugunsten des Betroffenen erfolgt die Änderung dann, wenn der infolge der Änderung zu erlassende Verwaltungsakt den Betroffenen „per Saldo“ begünstigt (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 1988 – 4/1 RA 57/87 – Steinwedel in Kasseler Kommentar, Band 2, SGB X § 48 Rn. 40).

So liegt der Fall hier, wenn man zu Gunsten des Klägers von der Anwendbarkeit des § 434r SGB III a.F. ausgeht. Denn im Ergebnis führt die Anwendung des § 434r Abs. 1 SGB III a.F. zu einer rechtlichen Besserstellung des Klägers, nämlich – wie von der Beklagten verfügt – zu einer Verlängerung seines Anspruchs auf Alg für die Dauer von 135 Tagen (auf insgesamt 540 Tage bzw. 18 Monate). Dabei ist zu Gunsten des Klägers eine Höchstanspruchsdauer 720 Tagen statt bisher 540 Tagen zu Grunde zu legen. Zu Lasten des Klägers ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die rückwirkende Verlängerung der Anspruchsdauer auf die Dauer der Minderung des Anspruchs auf Alg wegen der von der Beklagten bestandskräftig verfügten Sperrzeit von 12 Wochen auswirkt. Denn Bezugsgröße zur Berechnung der Minderungsdauer von einem Viertel der Anspruchsdauer nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III a.F. ist dann eine Anspruchsdauer von 720 Tagen; hieraus errechnet sich eine Minderung des klägerischen Anspruchs um 180 Tage statt bisher 135 Tagen.

Dabei steht der Minderung des klägerischen Anspruchs um 180 Tage nicht die Bindungswirkung des Sperrzeitbescheides vom 4. April 2007 und des Bewilligungsbescheides vom selben Tag in der Fassung des Änderungsbescheides vom 5. April 2007 entgegen. Denn wie bereits dargelegt, stellen die darin getroffenen Verfügungen über den Eintritt einer Sperrzeit, die Minderung der Anspruchsdauer und den Anspruch auf Alg insgesamt eine einheitliche Regelung dar, die sich im Rahmen des § 48 SGB X nicht in begünstigende und belastende Teilelemente aufspalten lässt. Auch lässt sich § 48 Abs. 3 SGB X der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass ein wegen einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse zugunsten des Betroffenen nach § 48 Abs. 1 SGB X neu zu erlassender Verwaltungsakt nicht mehr zusprechen darf als dem Betroffenen ohne die Berücksichtigung eines vor Änderung der rechtlichen Verhältnisse in diesem Zusammenhang ergangenen bestandskräftigen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes zustehen würde.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts bedurfte es insoweit auch keiner besonderen gesetzlichen Regelung im Zusammenhang mit der Übergangsvorschrift des § 434r Abs. 1 SGB III a.F., die für den Fall der anfänglichen Minderung der Dauer des Anspruchs wegen einer 12-wöchigen Sperrzeit die mit der Verlängerung der Dauer des Anspruchs auf Alg korrespondierende Verlängerung der Dauer der Minderung des Anspruchs ausdrücklich anordnet. Denn diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III a.F. in Verbindung mit § 48 Abs. 1 SGB X.

Der Kläger kann schließlich nicht mit Erfolg geltend machen, gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III a.F. richte sich die Dauer der Minderung nach der Anspruchsdauer, die dem Arbeitslosen bei erstmaliger Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg nach dem Ereignis, dass die Sperrzeit begründet – hier der 1. April 2007 –, zustehe. Denn die maßgeblich auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Alg abstellende Vorschrift des § 434r Abs. 1 SGB III a.F. wirkt bis zu diesem Zeitpunkt zurück. Bei Anwendung der Norm ist der Kläger deshalb so zu stellen, als habe ihm bereits zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Alg für 720 Tage zugestanden, der von Anfang an wegen der 12-wöchigen Sperrzeit nach § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III a.F. um 180 Tage gemindert war. Anderes ergibt sich auch nicht aus Wortlaut, Sinn und Zweck des § 434r Abs. 1 SGB III a.F. und würde zudem zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung gegenüber den Arbeitslosen führen, die erst nach Inkrafttreten der Neuregelung der Dauer des Anspruchs auf Alg für Arbeitslose nach Vollendung des 50. Lebensjahres am 1. Januar 2008 einen ihrem Lebensalter entsprechenden und von Anfang an wegen einer Sperrzeit geminderten Anspruch auf Alg erworben haben (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, a. a. O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1und 2 SGG nicht vorliegen.