Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Asylrechts (sicherer Drittstaat Verfahren Somalia)

Asylrechts (sicherer Drittstaat Verfahren Somalia)


Metadaten

Gericht VG Potsdam 6. Kammer Entscheidungsdatum 12.03.2015
Aktenzeichen VG 6 K 824/14.A ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Anfang 1995 geborene Kläger ist nach seinen Angaben somalischer Staatsangehöriger. Er stellte am 13. Januar 2014 in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag.

In einem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens gab er gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 20. Januar 2014 an, er habe Somalia im März 2011 verlassen. Er sei über Äthiopien und den Sudan zunächst nach Libyen gereist. Dort habe er sich ein Jahr aufgehalten, wovon er sechs Monate inhaftiert gewesen sei. Sodann sei er mit dem Boot nach Italien gereist. Dort habe er sich bis zu seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland am 4. Dezember 2013 aufgehalten. Er sei in Italien obdach- und arbeitslos gewesen; es habe keine medizinische Versorgung existiert.

Unter dem 24. Februar 2014 richtete die Bundesrepublik Deutschland ein Übernahmeersuchen an Italien. Das italienische Innenministerium beantwortete das Übernahmeersuchen unter dem 24. März 2014 wie folgt:

„Following Your request concerning the above named person, this is to inform you that the Italien Authorities cannot accept to take back him because:

- He was granted the international protection in Italy and a permit of stay for subsidiary protection. Consequently, this case doesn´t fall within the competence of this office any more since the asylum procedure has been completed in Italy. Therefore, a possible transfer of the alien will be effected in the framework of Police agreements and you will need to send your request to this fax number: 003906/… or 003906/….“

Mit Bescheid vom 7. April 2014 stellte das Bundesamt unter Nr. 1 fest, dem Kläger stehe in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zu. Unter Nr. 2 des Bescheides ordnete es die Abschiebung nach Italien an. Der Kläger könne sich aufgrund seiner Einreise aus Italien, einem sicheren Drittstaat nicht auf das Asylrecht des Art. 16a Abs. 1 GG berufen.

Die Anordnung der Abschiebung in den sicheren Drittstaat beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedürfe es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG.

Auf dem ihm am 9. April 2014 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 16. April 2014 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes - VG 6 L 325/14.A - gestellt. Mit Beschluss vom 7. Juli 2014 hat der zuständige Einzelrichter die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.

Der Kläger meint, eine Überstellung nach Italien stelle für ihn eine besondere humanitäre Härte dar.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. April 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Klage entgegengetreten.

Die Beklagte meint, entgegen der im Beschluss vom 7. Juli 2014 vom Einzelrichter vertretenen Auffassung müssten weitere Erklärungen Italiens nicht vorliegen. Es könne darauf vertraut werden, dass Italien dem Kläger die Wiedereinreise gestattet. Aus dem bestehenden Schutzstatus könne grundsätzlich auf die Aufnahmebereitschaft des Mitgliedstaates geschlossen werden, auch wenn der italienische Aufenthaltstitel dem Bundesamt nicht vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsandes wird auf die Gerichtsakten und die vom Bundesamt als Verwaltungsvorgänge vorgelegten Ausdrucke elektronisch gespeicherter Daten (2 Hefter) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Kammer kann trotz Fernbleibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers und eines Sitzungsvertreters der Beklagten verhandeln und entscheiden, weil die Beteiligten auf diese Möglichkeit mit der Ladung hingewiesen worden waren, § 102 Abs. 2 VwGO.

Die Anfechtungsklage ist zulässig aber unbegründet.

1.

Die Feststellung in Nr. 1 des angefochtenen Bescheides, dass dem Kläger in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zusteht, erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Das Bundesamt hat seinen Bescheid auf § 26a AsylVfG gestützt. Danach kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen; er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Diese Bestimmungen sind auch auf den (vorliegenden) Fall anwendbar, in dem der Asylantragsteller bereits in einem sicheren Drittstaat einen internationalen Schutzstatus zuerkannt erhalten hat.

Sollten Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a AsylVfG hingegen nicht anwendbar sein, weil sie die Fälle von Schutzberechtigten nicht regeln, wäre der Kläger durch den auf § 31 Abs. 4 AsylVfG gestützten Feststellungstenor gleichwohl nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat nämlich als in Italien subsidiär Schutzberechtigter in Deutschland ohnehin keinen Asylverfahrensanspruch (BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7.13 -, NVwZ 2014, 1460, Rn. 29), so dass in Bezug auf den in Deutschland (abermals) gestellten Asylantrag im Ergebnis die gleiche Entscheidung durch das Bundesamt ergehen müsste.

Die Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG liegen vor.

Der Kläger ist aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, in denen die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) sichergestellt ist.

Zweifel daran, dass Italien ein sicherer Drittstaat in diesem Sinn ist, bestehen nicht.

Dabei kann offen bleiben, ob Zweifel bereits deshalb ausgeschlossen sind, weil dem Kläger nach dem unstreitigen Akteninhalt in Italien sog. subsidiärer Schutz tatsächlich gewährt worden ist. Auch ist unerheblich, dass der Wortlaut des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nur das Asylrecht wegen politischer Verfolgung ausschließt. Denn mit der Stellung eines Asylantrages im Bundesgebiet wird gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU beantragt, der zugleich auch den subsidiären Schutz nach dieser Richtlinie erfasst, § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG.

Zweifel folgen jedenfalls nicht daraus, dass entsprechend dem Klägervortrag in Italien kein menschenwürdiges Dasein für Flüchtlinge möglich sei. Insbesondere dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Annahme, Italien sei als Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ein sicherer Drittstaat, in Frage zu stellen.

Dies folgt aus dem mit der Einführung des Asylrechtsausschlusses nach Art. 16a Abs. 2 GG verfolgten Konzept einer normativen Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu mit Urteil vom 14. Mai 1996, - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, BVerfGE 94, 49-114, Rn. 181 ausgeführt:

„Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften gelten als sicher kraft Entscheidung der Verfassung. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der Drittstaat einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit oder seiner Freiheit gewährt; damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Insoweit ist die Sicherheit des Flüchtlings im Drittstaat generell festgestellt. Art. 16a Abs. 2 GG sieht nicht vor, dass dies im Einzelfall überprüft werden kann. Folgerichtig räumt Satz 3 des Art. 16a Abs. 2 GG den Behörden kraft Verfassungsrechts die Möglichkeit ein, den Flüchtling in den Drittstaat zurückzuschicken, ohne dass die Gerichte dies im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verhindern dürfen. Auch ein Vergleich mit Art. 16a Abs. 3 GG macht deutlich, dass eine Prüfung der Sicherheit eines Ausländers im Drittstaat im Einzelfall nicht stattfindet. Gemäß Art. 16a Abs. 3 GG kann der aus einem sicheren Herkunftsstaat kommende Asylbewerber die Vermutung, er werde dort nicht politisch verfolgt, durch individuelles Vorbringen ausräumen. Art. 16a Abs. 2 GG enthält keine vergleichbare Regelung. Das ist auch der Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers und der Sinn des Konzepts normativer Vergewisserung; denn dieses soll die Grundlage dafür bieten, den schutzbegehrenden Ausländer im Interesse einer effektiven Lastenverteilung alsbald in den Drittstaat zurückzuführen.“

Damit ist eine inhaltliche Überprüfung der Einschätzung Italiens als sicherer Drittstaat verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

Die Eigenschaft Italiens als sicherer Drittstaat im Sinne der genannten Vorschriften ist hinsichtlich des Klägers auch nicht etwa wegen des Vorliegens eines Ausnahmefalls vom sog. verfassungsgeberischen Selbstvergewisserungskonzept (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 189) in Frage gestellt. Insoweit kommt hier allenfalls die Frage danach in Betracht, ob dem Kläger in Italien eine unmenschliche Behandlung (Art. 3 EMRK) droht. Es kommt in diesem Zusammenhang darauf an, ob es nicht hinnehmbare Mängel der Aufnahme subsidiär Schutzberechtigter in Italien gibt. Indes begründet die vom Kläger angeführte Nichtgewährung von Unterkünften noch nicht die Annahme einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in diesem Sinne. Denn aus Art. 3 EMRK ergibt sich kein Anspruch gegenüber den Mitgliedstaaten, also vorliegend gegen Italien, jedem in seinem Hoheitsgebiet ein Zuhause zur Verfügung zu stellen. Dies gilt jedenfalls unter dem Blickwinkel des Art. 3 der EMRK (EGMR, Entscheidung Nr. 27238/95 vom 18. Januar 2001, Rn. 99, ECHR 2001-1 „Chapman ./. U.K.“). Für Art. 4 der EU-Grundrechtecharta gilt inhaltlich nichts anderes, da unbeschadet der unterschiedlichen Anwendungsbereiche jedenfalls der Wortlaut beider Vorschriften und damit der materielle Schutzanspruch identisch ist („Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“).

Ähnlich liegt es hinsichtlich der übrigen Punkte. Sowohl Art. 3 EMRK als auch Art. 4 der EU-Grundrechtecharta schließen keine allgemeine Verpflichtung ein, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren, um ihnen zu ermöglichen, einen bestimmten Lebensstandard aufrechtzuerhalten (EGMR, Nr. 53566/99, Müslim ./. Türkei, zit. n. EGMR 29217/12, Tarakhel ./. Schweiz, Rn. 95).

Soweit die Genfer Flüchtlingskonvention für anerkannte Flüchtlinge Wohlfahrtsregelungen enthält (Art. 20 ff. GFK), die vom anerkennenden Drittstaat zu beachten und vom Konzept der normativen Vergewisserung mit umfasst sind, gehen diese im Wesentlichen über Diskriminierungsverbote gegenüber den jeweiligen Inländern nicht hinaus. Namentlich im Bereich der öffentlichen Fürsorge und der sozialen Sicherheit verpflichtet die GFK den Drittstaat zur Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 23, 24 GFK).

Gemessen hieran sind Anhaltspunkte dafür, dass Italien diese Vorgaben nicht beachtet, weder vorgetragen noch ersichtlich. Ein bloßer Bezug auf die im Vergleich günstigere oder als günstiger empfundene Situation in Deutschland langt jedenfalls nicht. Die Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention ist aber nach den aktuellen Erkenntnissen in Italien, wo einem Schutzberechtigten hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung dieselben Rechte wie italienischen Staatsangehörigen zustehen, sichergestellt (vgl. Auswärtiges Amt vom 21. Januar 2013, sowie jüngst in Bezug auf den zu beanspruchenden Aufenthaltstitel: Auswärtiges Amt vom 26. Februar 2015). Jedenfalls hat der Kläger nichts dafür vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht, was ihn von der Personengruppe („able young man with no dependents“) unterscheiden könnte, für die der EGMR (Entscheidung Nr. 51428/10 „A.M.E.“ vom 13. Januar 2015) keine Verletzung in den Rechten des Art. 3 EGMR (entspricht Art. 4 EU-Grundrechtecharta) erkannt hat.

Die demnach uneingeschränkte Anwendung des § 26a AsylVfG ist vorliegend nicht nach § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG wieder entfallen.

Dies wäre der Fall, wenn der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

Es liegt erkennbar kein Ausnahmefall i.S.v. § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG vor, da der Kläger weder über einen deutschen Aufenthaltstitel verfügt, noch Deutschland nach Unions- oder Völkerrecht für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig ist, noch eine in Bezug auf den Kläger anwendbare Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 AsylVfG vorliegt. Insbesondere geht der Anwendung des Art. 16a Abs. 2 GG und des § 26a AsylVfG jedenfalls nicht die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III-VO“), vor. Denn diese findet auf Ausländer, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben, nachdem ihnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union - wie hier dem Kläger in Italien - internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) zuerkannt worden ist, keine Anwendung mehr (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Januar 2015 - 13 L 2923/14.A -, juris, m.w.N.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a AsylVfG Rn. 34). Beim Kläger handelt es sich angesichts des in Deutschland gestellten Asylantrages wegen der in Italien erfolgten Schutzgewährung nicht mehr um einen Antragsteller i.S.v. Art. 2 lit. c Dublin III-VO (vgl. auch Art. 2 lit. f Dublin III-VO betr. „Begünstigter internationalen Schutzes“ i.V.m. Art. 9 a.a.O.).

2.

Auch die Abschiebungsanordnung in Nr. 2 des Bescheides vom 7. April 2014 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) rechtmäßig. Sie richtet sich nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt u.a. die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat an, wenn der Ausländer in diesen Staat abgeschoben werden soll, „sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“. Hier steht es nach Auffassung der Kammer - entgegen der im Beschluss des Einzelrichters vom 7. Juli 2014 geäußerten Auffassung - im Sinne der Vorschrift fest, dass die Abschiebung des Klägers nach Italien durchgeführt werden kann. Die Abschiebung des Klägers kann durchgeführt werden, weil er entweder über einen italienischen Aufenthaltstitel verfügt oder diesen auf der Grundlage seines dort zuerkannten subsidiären Schutzstatus´ beanspruchen kann. Denn die Zuerkennung dieses Schutzstatus´ zieht nach italienischem Recht den Anspruch auf Erteilung eines (seit Februar 2014 für fünf, davor für drei Jahre gültigen) Aufenthaltstitels nach sich (vgl. Auswärtiges Amt vom 26. Februar 2015 zu 2.), der seinerseits unproblematisch zur (Wieder-) Einreise nach Italien berechtigt. Darauf, dass die (konkreten) Überstellungsmodalitäten zwischen Deutschland und dem sicheren Drittstaat - ggf. nach Maßgabe eines zwischenstaatlichen Rückübernahmeabkommens oder (wie im Falle Italiens) nach Maßgabe der zwischenstaatlichen Verwaltungsübung - geklärt sind, und ob zumindest eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des sicheren Drittstaates vorliegen muss, kommt es für die Frage nicht an, ob es feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, zumal es dem Kläger unbenommen ist, freiwillig nach Italien zu reisen.

Da dem Kläger in Italien mindestens der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, kann er in Italien einen Aufenthaltstitel („a permit of stay for subsidiary protection“)beanspruchen, der ggf. bei der zuständigen Questura verlängert bzw. neu ausgestellt wird (Auswärtiges Amt a.a.O. zu 4.). Dies steht in Einklang mit Unionsrecht: Nach Art. 24 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie stellen die Mitgliedstaaten Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, und ihren Familienangehörigen so bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes einen verlängerbaren Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr und im Fall der Verlängerung mindestens zwei Jahre gültig sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen. Dem Kläger darf angesonnen werden, seinen italienischen Aufenthaltstitel bei der für ihn zuständigen Questura zu beantragen, verlängern bzw. neu ausstellen zu lassen.

Der Kläger besitzt demnach entweder einen solchen Aufenthaltstitel für Italien oder er kann einen solchen erhalten. Das damit vermittelte Recht auf Einreise führt dazu, dass die Frage der Übernahmebereitschaft Italiens geklärt ist.

Es ist zudem nichts dafür ersichtlich, dass der subsidiäre Schutzstatus nach Maßgabe des einschlägigen Verfahrens (Art. 19 Qualifikationsrichtlinie) aberkannt oder beendet worden ist. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Kläger ohne weiteres nach Italien zurückkehren kann, da Italien unionsrechtlich in Anknüpfung an den vom Kläger zu beanspruchenden italienischen Aufenthaltstitel zu seiner (Wie-der-) Aufnahme verpflichtet ist.

Nach der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. „N.S.“ -,NVwZ 2012, 417) ergibt die Prüfung der Rechtstexte, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem bilden, dass dieses in einem Kontext entworfen wurde, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Es gibt keinen stichhaltigen Anhalt dafür, dass Italien dieses Vertrauen in Bezug auf den Kläger nicht rechtfertigen wird.

Der Kläger hätte für sein letztlich angestrebtes Bleiberecht in Deutschland und gegen die Abschiebungsanordnung allenfalls nach Maßgabe des einschlägigen innerstaatlichen Rechts die Möglichkeit, sich auf innerstaatliche (z.B. § 18 AufenthV) bzw. dem Unionsrecht zu entnehmende Anspruchsnormen (Art. 21 Schengener Durchführungs-Übereinkommen) zu berufen. Derlei Aufenthaltsrechte des Klägers sind indes nicht ersichtlich und von ihm auch nicht glaubhaft gemacht worden, abgesehen davon, dass sie nicht vom Bundesamt in asylrechtlicher Zuständigkeit zu prüfen wären.

Soweit im Nachgang zum Erkenntnisstand der mündlichen Verhandlung Umstände eintreten, die einer Abschiebung des Klägers nach Italien entgegen stehen, ist es geklärt, dass das Bundesamt sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen hat, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. September 2014 - 2 BvR 1795/14 -, juris m.w.N.). Dies gilt nicht nur hinsichtlich bereits bei Erlass der Abschiebungsanordnung vorliegender, sondern auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen und Duldungsgründen, also auch bezüglich etwaiger Vollzugsprobleme im Zusammenhang mit der Anwendung zwischenstaatlicher Rückübernahmeabkommen bzw. der einschlägigen Verwaltungspraxis. Gegebenenfalls hat das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben oder die Ausländerbehörde anzuweisen, von deren Vollziehung abzusehen (vgl. BVerfG a.a.O., m.w.N.).

Nach § 71 Abs. 3 Nr. 1d AufenthG ist es jedenfalls Sache der mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörden - der Bundespolizei - die Rückführung von Ausländern aus anderen und in andere Staaten zu organisieren, und das Bundesamt darf im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems zudem darauf vertrauen, dass derjenige Mitgliedsstaat, der einem Schutzsuchenden einen entsprechenden Status und darauf aufbauenden einen Aufenthaltstitel zuerkannt und Reisedokumente ausgestellt hat (vgl. Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie) diese Drittstaatsangehörigen, die sich illegal in dem Staatsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, zurücknehmen wird. Sollte sich dieses Vertrauen im Einzelfall wider Erwarten endgültig nicht bestätigen, weil der andere Mitgliedstaat die Übernahme des Drittstaatsangehörigen ablehnt, wird das Bundesamt die Abschiebungsanordnung aufzuheben haben.

3.

Schließlich verstößt die Abschiebungsanordnung nicht gegen die Menschenwürde des Klägers. Dieses unantastbare Menschenrecht zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, Art. 1 Abs. 1 GG.

Soweit der Kläger sinngemäß einwendet, bei einer Abschiebung nach Italien sei seine Menschenwürde verletzt, verfängt dies bereits aus den oben genannten Gründen nicht.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Umstände in Catania (Sizilien) geschildert und ausgeführt, er habe dort als junger Mensch keine Zukunft. Gleichwohl ist seine Menschenwürde aus den oben genannten Gründen durch die Abschiebungsanordnung nicht verletzt. Denn durch den streitgegenständlichen Bescheid ist keine Abschiebung nach Catania sondern nach Italien allgemein angeordnet worden. Eine Abschiebungsanordnung nach Italien mit der Möglichkeit, sich dort frei zu bewegen und ansonsten bessere Möglichkeiten für sein zukünftiges Leben zu finden, kann nicht gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßen.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO; §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO; § 83b AsylVfG.