Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 13 Sa 1124/13


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 13. Kammer Entscheidungsdatum 15.11.2013
Aktenzeichen 13 Sa 1124/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 307 Abs 1 BGB, § 307 Abs 2 BGB, § 307 Abs 3 BGB, § 77 Abs 4 BetrVG, § 77 Abs 6 BetrVG, § 3 Nr 39 EStG

Tenor

1. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 12.04.2013 – 6 Ca 12815/12 – wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 839,68 EUR brutto (achthundertneununddreißig 68/100) zuzüglich Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 324,68 EUR seit dem 01.08.2011 und auf 515,00 EUR seit dem 01.08.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreites trägt der Kläger 18 %, die Beklagte 82 % bei einem Streitwert von 1.030,00 EUR.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Mitarbeiter-Erfolgsbeteiligung (MEB) für die Jahre 2010 und 2011 in Höhe von jeweils 515,00 EUR brutto aus einer nachwirkenden Gesamtbetriebsvereinbarung (im Folgenden: GBV MEB, vgl. die GBV MEB in Kopie Bl. 12 ff. d. A.). Der Kläger hat anlässlich eines Bezugs von Mitarbeiteraktien für das Jahr 2011 aus einer Konzernbetriebsvereinbarung erklärt: „ Für den Fall einer Anspruchsstellung und Auszahlungen von Leistungen aus der MEB erkläre ich mich bereit, mir den Wert der in 2011 ausgegebenen Aktien zum Zeitpunkt der Übertragung anrechnen zu lassen“ (vgl. die Anrechnungserklärung in Kopie Bl. 88 d. A.). Der Wert dieser Anrechnung beträgt unstreitig 190,32 EUR.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 12. April 2013 der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 1030,00 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Erfolgsbeteiligung in Höhe von jeweils 515,00 EUR brutto für die Jahre 2010 und 2011 gemäß § 611 BGB i. V. m. der GBV MEB habe.

Gemäß § 4 Abs. 3 GBV MEB erhalte jeder Mitarbeiter der Beklagten einen Betrag in Höhe von x-DM, wenn die Mehrheit der Geschäftsbereiche (GB) zur Erreichung des AG-Plan-EBIT mit mindestens ihrem eigenen Plan-EBIT beigetragen habe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, die Beklagte habe dem Gesamtbetriebsrat durch das für den Personalbereich zuständige Vorstandsmitglied S. mit Schreiben vom 16.11.2010 und 17.03.2011 (vgl. dazu die Schreiben in Kopie Bl. 16 und 17 d. A.) mitgeteilt, dass der x-Betrag für die Jahre 2010 und 2011 jeweils 515,00 EUR betrage.

Die Beklagte habe mit ihrem Einwand keinen Erfolg, die Voraussetzungen für eine Gewinnbeteiligung hätten nicht vorgelegen, da in den Jahren 2010 und 2011 zwei von insgesamt vier Geschäftsbereichen ihre Planziele nicht erreicht hätten, so dass keine Mehrheit von Geschäftsbereichen vorgelegen hätte. Denn die Beklagte habe in den Jahren 2010 und 2011 nur über drei Geschäftsbereiche verfügt, von denen die Mehrheit – nämlich unstreitig zwei – ihre Planziele erreicht hätte.

Da nach § 4 GBV MEB auf das Plan-EBIT der Geschäftsbereiche abzustellen sei und dieses unter § 3 GBV MEB als das EBIT (Einkünfte, Vorsteuern und Abgaben) bezogen auf den geplanten Umsatz definiert werde, sei nach der GBV MEB allein auf die Geschäftsbereiche abzustellen, die zum Zeitpunkt der Umsatzplanungen für die Jahre 2010 und 2011 als solche existent gewesen seien. Dies seien in den hier relevanten beiden Jahren allein die Bereiche EE, GO und ZD gewesen. Die Behauptung der Beklagten, zum Zeitpunkt der jeweiligen Umsatzplanungen habe zudem noch ein vierter Geschäftsbereich bestanden, nämlich der Bereich EC, werde durch nichts belegt.

Der Anspruch des Klägers für das Jahr 2011 sei auch nicht in Höhe von 190,32 EUR brutto aufgrund der Anrechnungserklärung des Klägers infolge der Ausgabe von Mitarbeiteraktien erloschen. Die Anrechnungserklärung dürfte einer Kontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht standhalten. Die Regelung, wonach der Wert der Aktienausschüttung auf Ansprüche aus der GBV MEB anzurechnen sei, verstoße gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn wie vom Kläger vorgetragen und von der Beklagten nicht bestritten, andere Mitarbeiter im betreffenden Jahr Erfolgsbeteiligung erhalten hätten, ohne dass dies mit einer Verrechnung des Werts ausgegebener Mitarbeiteraktien verbunden gewesen sei.

Wegen der weiteren konkreten Begründung des Arbeitsgerichts Berlin und des Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin (Bl. 224 – 231 d. A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 25. Mai 2013 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 25. Juni 2013 eingegangene und am Montag, d. 26. August 2013, nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 26. August 2013 begründete Berufung der Beklagten.

Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag erster Instanz, dass der Geschäftsbereich EC ein eigenständiger Geschäftsbereich sei, so dass es insgesamt vier Geschäftsbereiche gegeben habe, von denen nur zwei ihr Plan-EBIT erreicht hätten.

Jedenfalls sei der Anspruch des Klägers für 2011 aber in Höhe von unstreitigen 190,32 EUR brutto erloschen. Es lägen keine allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, sondern eine Individualabrede in Form der Verrechnungsabrede. Diese würde auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

Schließlich wäre ein eventueller Anspruch des Klägers auch deshalb erloschen, weil der Kläger die Erstzahlung der Gehaltserhöhung der neuen GBV-Ablöse vom 07.12.2012 angenommen habe, wodurch er auf ihm möglicherweise zustehende Ansprüche auf Mitarbeiterbeteiligungen für die Jahre 2010 bis 2012 verzichtet habe (vgl. die neue GBV-Ablöse vom 07.12.2012 in Kopie Bl. 179 d. A.).

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 12.04.2013 – 6 Ca 12815/12 – abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt nochmals aus, warum es einen selbständigen Geschäftsbereich EC zum Zeitpunkt der Umsatzplanung für das Jahr 2010/2011 nicht gegeben habe.

Die Anrechnungserklärung stelle eine allgemeine Geschäftsbedingung dar. Sie verstoße gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass andere Mitarbeiter im betreffenden Jahr Erfolgsbeteiligungen ohne eine Anrechnung der Werte der Mitarbeiteraktien erhalten hätten. Der Einwand der mangelnden Vergleichbarkeit gehe ins Leere. Im Übrigen würden auch § 77 Abs. 4 BetrVG sowie § 3 Nr. 39 EStG gegen eine Verrechnung von ansonsten steuerfreien Mitarbeiteraktien sprechen. Schließlich sei für eine Verrechnung die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats notwendig, diese sei nie erteilt worden.

Endlich sei der Anspruch des Klägers auch nicht durch die Zahlung eines etwaig erhöhten Grundgehaltes nach der neuen GBV-Ablöse erloschen. Eine Verzichtserklärung, die dafür nötig gewesen sei, habe der Kläger nie unterschrieben.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 26.08.2013 (Bl. 248 ff. d. A.), 14.10.2013 (Bl. 269 d. A.) und 15.10.2013 (Bl. 270 f.d. A.) und des Klägers vom 30.09.2013 (Bl. 261 ff. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Buchstabe b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG; §§ 222 Abs. 2; 519, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

In der Sache hat die Berufung der Beklagten jedoch nur teilweise in Höhe der anzurechnenden 190,32 EUR brutto Erfolg.

1. Der Kläger hat grundsätzlich einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von jeweils 515,00 EUR brutto für die Jahre 2010 und 2011 gegen die Beklagte gemäß § 4 Abs. 3 GBV MEB i. V. m. § 77 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 BetrVG bzw. § 9 Abs. 3 GBV MEB aus der nachwirkenden Gesamtbetriebsvereinbarung. Die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg folgt gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG der zutreffenden Begründung der ersten Instanz auf Seite 4 bis 6, 1. Abs. des Urteils vom 12. April 2013 (Bl. 227 – 229 d. A.), schließt sich ferner der Begründung der 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg im Parallelverfahren 12 Sa 1123/13 an, wonach die Beklagte nicht habe darlegen können, dass es einen weiteren Geschäftsbereich EC gegeben habe, der seine Planziele nicht erreicht habe (vgl. die zutreffende ausführliche Begründung im Urteil der 12. Kammer auf Seite 5 – 9 des Urteils) und sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.

2. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht aufgrund der neuen ablösenden GBV-Ablöse vom 7. Dezember 2012 erloschen.

a) Zwar wird durch die neue GBV-Ablöse auch die Gesamtbetriebsvereinbarung über die Beteiligung der Mitarbeiter am Erfolg der PSI-AG gemäß § 2 der GBV-Ablöse ersatzlos aufgehoben. Dies geht aber gemäß § 2 GBV-Ablöse erst „mit Wirkung zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der vorliegenden Gesamtbetriebsvereinbarung“, also erst mit Wirkung ab 7. Dezember 2012, so dass die Ansprüche des Klägers aus den Jahren 2010 und 2011 davon nicht berührt werden.

b) Der Kläger hätte gemäß § 3 Ziff. 2 der neuen GBV-Ablöse auf die ihm „möglicherweise zustehenden Ansprüche auf Leistungen aus den in § 1 genannten Gesamtbetriebsvereinbarungen für die Jahre 2010 bis 2012“ schriftlich verzichten müssen. Ein solcher schriftlicher Verzicht liegt nicht vor. Es kommt daher nicht darauf an, dass die Beklagte nach ihrer Behauptung schon eine Gehaltserhöhung von 40,00 EUR an den Kläger gezahlt hat.

1. Der Anspruch des Klägers ist jedoch in Höhe von unstreitigen 190,32 EUR brutto durch die Anrechnungserklärung erloschen. Die Anrechnungserklärung, mit der der Kläger auf die Ansprüche aus der nachwirkenden GBV MEB verzichtet, verstößt weder gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB noch gegen § 77 Abs. 4 BetrVG noch gegen § 3 Nr. 39 EStG.

a) Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Anrechnungserklärung eine allgemeine Geschäftsbedingung darstelle, würde § 307 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur für Bestimmungen gelten, durch die von Rechtsvorschriften abweichende Regelungen verwendet würden, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Wird im Fall einer nachwirkenden Betriebsvereinbarung der Anspruch des Arbeitnehmers im Rahmen der Nachwirkungsphase gemindert, unterliegt diese Minderung nicht der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die nachwirkende Gesamtbetriebsvereinbarung ist kein Kontrollmaßstab für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB (vgl. für den nachwirkenden Tarifvertrag BAG 3. April 2007 – 9 AZR 867/06 – EzA § 307 BGB Nr. 22).

b) Entgegen der Auffassung des Klägers und der ersten Instanz liegt auch kein Verstoß gegen „wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung“ im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, wenn man mit dem Arbeitsgericht Berlin den allgemeinen Gleichbehandlungsanspruch als gesetzliche Regelung annähme.

Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Damit verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz eine sachfremde Gruppenbildung und die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe (vgl. nur BAG 14. Dezember 2011 – 5 AZR 675/10 – EzA § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 27, Rdziff. 15 m.w.N.).

Eine sachfremde Gruppenbildung oder eine willkürliche Schlechterstellung des Klägers (gegenüber welchen anderen Arbeitnehmern?) ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Weder ist vorgetragen, gegenüber welcher Gruppe der Kläger benachteiligt wird, noch aus welchen Gründen der Kläger gegenüber anderen Arbeitnehmern das Angebot zu einer Verrechnung gemacht wurde. Selbst dieses Angebot hätte der Kläger im Übrigen auch ausschlagen können.

c) Es liegt kein Verstoß gegen § 77 Abs. 4 BetrVG vor, da die GBV MEB aus dem Jahr 2000 gemäß § 9 Abs. 3 GBV MEB nach einer Kündigung nachwirkte und die Beklagte die GBV MEB mit Schreiben vom 27. Juni 2002 zum 31. Dezember 2002 gekündigt hatte (vgl. das Kündigungsschreiben Anlage B 4, Bl. 60 f. d. A.). Im Nachwirkungszeitraum ist jedoch eine Abbedingung von Leistung auch ohne Zustimmung des Betriebsrats möglich (vgl. nur Fitting, BetrVG, 25. Aufl.,§ 77 Rdziff. 183 m.w.N.).

d) Endlich liegt kein Verstoß gegen § 3 Ziff. 29 EStG wegen der Steuerfreiheit bei der Zuwendung von Mitarbeiteraktien vor. Die Beklagte hat mit der Anrechnungsvereinbarung nicht die Zuwendung von Mitarbeiteraktien nach der Konzernbetriebsvereinbarung eingeschränkt, sondern die Ansprüche des Klägers aus der nachwirkenden GBV MEB.

1. Die Zinsansprüche folgen aus den §§ 288 Abs. 1; 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 91 Abs. 1; 92 Abs. 1; 97 Abs. 1 ZPO und entspricht dem Maß des jeweiligen Unterliegens.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.