Toolbar-Menü
 
Sie sind hier: Gerichtsentscheidungen Entscheidung

Entscheidung 13 WF 41/08


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 26.03.2010
Aktenzeichen 13 WF 41/08 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 14. Dezember 2007 teilweise abgeändert und ihm weitergehend Prozesskostenhilfe für den Antrag bewilligt, die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Jugendamtes … vom 11.01.2001 - Urkunden-Reg.-Nr. 60/2001 - in Höhe eines Betrages von 281,03 € für unzulässig zu erklären. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Durch den angefochtenen Beschluss vom 14. Dezember 2007, dem Kläger zugestellt am 22. Dezember 2007, hat das Amtsgericht dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Abänderung des Unterhaltstitels vom 11.01.2001 sowie eine Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung aus dem abzuändernden Titel nur teilweise stattgegeben, nämlich soweit der Kläger Abänderung auf null ab 01.02.2005 (dem Beginn der Volljährigkeit des Beklagten) begehrt. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner am 2. Januar 2008 bei Gericht eingegangenen Beschwerde, mit der er seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Abänderung des Unterhaltstitels ab 25.10.2002 weiter verfolgt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie durch Beschluss vom 3. März 2008 dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Die gemäß §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache nur in geringem Umfang Erfolg.

Das Amtsgericht hat den weitergehenden Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Prozesskostenhilfe wird gemäß § 114 ZPO nur gewährt, wenn die beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Daran fehlt es sowohl in Bezug auf die für die Zeit ab 25.10.2002 erhobene Abänderungs- als auch auf die Unterhaltsrückstände ab 1998 betreffende Vollstreckungsgegenklage. Der Kläger hat nicht hinreichend substanziiert dargelegt, seit dem 25.10.2002 zur Leistung des gemäß §§ 1601 ff. BGB geschuldeten, titulierten Unterhalts gegenüber dem Beklagten nicht leistungsfähig gewesen zu sein. Dafür reicht der Nachweis seiner Berufsunfähigkeit allein nicht aus. Die nachgewiesene Berufsunfähigkeit schließt lediglich eine Erwerbstätigkeit in dem bis dahin vom Kläger ausgeübten Beruf des Zimmermannes, nicht hingegen - anders als Erwerbsunfähigkeit - andere Erwerbstätigkeiten aus. Gegenüber dem Beklagten als seinerzeit noch minderjährigen Unterhaltsberechtigten trifft den Kläger eine gesteigerte Erwerbspflicht, aufgrund derer vom Verpflichteten ein besonderer Einsatz bei der Erwerbstätigkeit und bei den Bemühungen um eine Erwerbstätigkeit im Fall der Arbeitslosigkeit erwartet wird. Dass er sich entsprechend seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit um die Aufnahme einer ihm nach dem Gutachten durchaus möglichen Erwerbstätigkeit in einem anderen Berufsfeld, sei es in dem von ihm im Wege der Fortbildung erlernten, sei es in einem anderen, bemüht hätte, hat er nicht dargelegt. Ebenso wenig hat er dargelegt, sich während der Dauer der Fortbildung um eine Nebentätigkeit, deren Ausübung ihm mangels entgegen stehender Anhaltspunkte zumutbar war, hinreichend bemüht zu haben.

Der Vollstreckungsgegenklage demgegenüber kann jedenfalls hinsichtlich eines Betrages von 549,65 DM = 281,03 € (geltend gemachter Rückstand für 1998 in Höhe von 933,65 DM ./. Differenz zwischen Leistungen nach dem UVG in Höhe von monatlich 314 DM und tituliertem Unterhalt in Höhe von 346 DM = 32 DM x 12 = 384 DM die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Der Kläger hat hinreichend substanziiert dargelegt, dass der Unterhaltsanspruch des Beklagten von 346 DM monatlich im Jahr 1998 in Höhe von 3.768 DM erfüllt ist. Ausweislich des vom Kläger zu den Akten gereichten Schreibens der Unterhaltsvorschusskasse wird er von dieser für das Jahr 1998 auf Zahlung in Höhe von 3.768 DM in Anspruch genommen. Da der Beklagte für das Jahr 1998 lediglich einen titulierten Gesamtunterhaltsanspruch in Höhe von 346 DM x 12 = 4.152 DM hatte, der in Höhe von 3.768 DM durch Leistungen der Unterhaltsvorschusskasse befriedigt worden ist, kann gegen den Kläger für das Jahr 1998 rein rechnerisch allenfalls ein Restanspruch in Höhe von 384 DM bestehen.

Wegen der Vollstreckung des Beklagten aus der Jugendamtsurkunde betreffend die weitergehenden Rückstände aus den Jahren 1999 bis zum Erreichen der Volljährigkeit im Januar 2005 hat der Kläger demgegenüber nicht hinreichend substanziiert vorgetragen, dass der Beklagte - sei es infolge Erfüllung durch ihn, sei es infolge cessio legis auf einen Träger der Sozialhilfe bzw. die Unterhaltsvorschusskasse - nicht (mehr) Gläubiger des titulierten Anspruchs ist. Dass der Kläger von der Unterhaltsvorschusskasse auf Rückzahlung von dem Beklagten erbrachten Leistungen in Anspruch genommen wird, ist kein Beleg dafür, dass die titulierten Unterhaltsansprüche zur Gänze auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen wären. Leistungen nach dem UVG werden und wurden auch nach früherem Recht nur für Kinder im Alter von bis zu 12 Jahren gewährt (§ 1 Abs. 1 UVG), für den Beklagten mithin nur bis einschließlich Januar 1999. Dies wie auch die Berücksichtigung der Unterhaltsvorschussleistungen ergibt sich aus der dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beigefügten Rückstandsberechnung, der zufolge - abgesehen von den Leistungen für das Jahr 1998 - Unterhaltsvorschuss bei Bemessung des dem Kläger gegenüber geltend gemachten Unterhaltsrückstandes nicht in Ansatz gebracht worden ist. Soweit er einen Übergang des Unterhaltsanspruchs nach den Regelungen des § 91 Abs. 2 BSHG bzw. § 33 SGB II auf den Träger der Sozialhilfe behauptet, fehlt für diesen, vom Beklagten bestrittenen Vortrag, jeglicher tatsächliche Anknüpfungspunkt sowie ein geeigneter Beweisantritt. Als einziger Anknüpfungspunkt dafür käme das Schreiben des Arbeitsamtes … vom 01.02.2001 betreffend die Auszahlung eines angemessenen Teils der laufenden Geldleistung für unterhaltsberechtigte Angehörige gemäß § 48 SGB I in Betracht. In diesem Schreiben heißt es u. a., dass das Jugendamt aufgrund der Unterhaltspflichtverletzung Unterhalt gewährt. Allerdings reicht das zum schlüssigen Vortrag einer Leistung an den Beklagten schon deshalb nicht aus, weil nicht klar ist, dass das Schreiben sich auf gegenwärtige Leistungen bezieht. Zudem erfolgte bis zum 31.07.2006 - dem für die gepfändeten Rückstände maßgeblichen Zeitraum - der Forderungsübergang wegen erbrachter Sozialleistungen durch eine schriftliche Überleitungsanzeige des Leistungsträgers gegenüber dem Pflichtigen. Dass ihm eine solche Überleitungsanzeige in der Vergangenheit zugegangen sei, macht der Kläger selbst nicht geltend. Selbst wenn indessen entsprechend der Rechtsprechung zum gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 91 BSHG anzunehmen wäre, dass sich der mit Wirkung ab 01.08.2006 geltende gesetzliche Forderungsübergang auch auf Unterhaltsansprüche aus der Zeit vor der Gesetzesänderung erstreckt (vgl. BGH FamRZ 1995, 871), genügt sein Vorbringen, dass der Unterhalt des Beklagten nach Angaben der Kindesmutter durch Sozialleistungen gedeckt worden sei, nicht den Anforderungen an eine hinreichend substanziierte Darlegung mangelnder Aktivlegitimation bzw. Erfüllung des titulierten Unterhaltsanspruchs.

Ebenso wenig dringt er - jedenfalls hinsichtlich des noch in Rede stehenden Zeitraumes von 1998 bis Januar 2005 - mit dem von ihm erhobenen Einwand der rechtsmissbräuchlichen Verwendung des Titels durch den Beklagten durch. Zwar kommt Rechtsmissbrauch als mögliche Einwendung i. S. d. § 767 ZPO grundsätzlich in Betracht; vorausgesetzt wird dafür aber immer, dass der Rechtsmissbrauch den Bestand der Forderung betrifft (Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl., § 767 Rn. 12 Stichwort Rechtsmissbrauch). Daran fehlt es hier. Wie oben ausgeführt, ist mangels substanziierten Vorbringens des Klägers vom Bestand der titulierten Forderung für die Zeit bis zur Volljährigkeit des Beklagten auszugehen. Ausgehend davon kann die Vollstreckung allenfalls deshalb rechtsmissbräuchlich sein, weil der Beklagte die Vollstreckung nicht zur Deckung seines laufenden Bedarfs, sondern zur Beitreibung jahrelang aufgelaufener Rückstände betreibt. Unterhaltsansprüche sind grundsätzlich zeitnah geltend zu machen, weil sie einerseits der Befriedigung des aktuellen Lebensbedarfs dienen und andererseits mögliche Rückstände für den Pflichtigen nicht zu einer drückenden Schuldenlast werden (BGH FamRZ 1988, 370). Hält der Unterhaltsberechtigte sich nicht daran, muss er mit einer Verwirkung seines Anspruchs rechnen. Das gilt auch für titulierte Unterhaltsansprüche, sofern sie ohne triftigen Grund nicht vollstreckt werden (BGH FamRZ 2004, 531, 532). Voraussetzung für eine Verwirkung ist jedoch, dass der Berechtigte seine Ansprüche längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (Zeitmoment), und der Verpflichtete sich aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und darauf eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment), BGH FamRZ 2002, 1698 f.. In Fällen, in denen wie vorliegend nur der gesetzliche Mindestunterhalt geltend gemacht wird, müssen besondere Gründe das Vorliegen des Zeit- und Umstandsmoment rechtfertigen, weil der Pflichtige trotz Zeitablaufs nicht damit rechnen kann, dass das minderjährige Kind nicht auf den Unterhalt in dieser Höhe angewiesen ist. Solche besonderen Umstände sind hier nicht dargelegt. Es fehlt bereits schlüssiger Vortrag des Klägers zum Zeitmoment. Der Beklagte hat mit Schreiben des Landkreises … vom 16.02.2000, mit Schreiben des Arbeitsamtes … und zuletzt mit seiner Anzeige vom 12.04.2002 wegen Unterhaltspflichtverletzung seinen Unterhaltsanspruch geltend, insbesondere deutlich gemacht, auf den titulierten Mindestunterhalt angewiesen zu sein. Aufgrund dieser mehrfachen, in regelmäßigen Zeitabständen unternommenen Anstrengungen des Beklagten, den Kläger zur Leistung des Mindestunterhalts zu bewegen, erst recht aber aufgrund seiner Verurteilung im Jahr 2003 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht durch das Amtsgericht Nauen – 32 Ds 450 Js 27072/02 – fehlt es bereits am Zeitmoment. Zudem konnte der Kläger mit Blick auf die vom Beklagten unternommenen Maßnahmen zur Realisierung seines Unterhaltsanspruchs nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte sein Recht in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Der Umstand, dass der Beklagte statt der bloßen Aufforderungen nicht bereits früher die Vollstreckung aus dem Titel betrieben hat, kann ihm nicht angelastet werden. Ausweislich der vom Kläger zu den Akten gereichten Leistungsnachweise der Bundesagentur für Arbeit war er über den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum immer wieder arbeitslos, so dass eine über die bereits durch das Jugendamt veranlasste Abzweigung hinausgehende Vollstreckung aussichtslos erscheinen musste.