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Prozessstandschaft; Dissens; Schuldanerkenntnis; Unternehmensfortführung


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 1. Senat Entscheidungsdatum 16.09.2011
Aktenzeichen L 1 KR 636/07 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 150 BGB, § 781 BGB, § 812 BGB, § 25 Abs 1 HGB

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Im Streit steht ein Anspruch gegen die Beklagte, von welchem klägerseits angenommen wird, er bestehe aus Unternehmensfortführungshaftung für ein von der früheren Beklagten zu 1) K G (nach Klägervorbringen) abgegebenes Schuldanerkenntnis (Kopie in der Gerichtsakte L 1 KR 225/07 Blatt 39). Diese hatte das Unternehmen „häusliche Krankenpflege H K G“, D Straße, B betrieben.

In dem Schreiben der K G vom 4. Juni 2004, gerichtet an den „V“, heißt es unter anderem:

„Sehr geehrter Herr R,

ich nehme Bezug auf unser Gespräch in Ihrem Hause am 14. Mai 2004 und unserer Telefonat vom 28. Mai 2004. Ich erkläre mich bereit der V bis zum 15. August 2004 einen Betrag von 65.000 Euro zu bezahlen, wenn die Abrechnungsmöglichkeit von Leistungen häuslicher Krankenpflege für meine Pflegestation bei der Behandlung von Versicherten der v bis zum 31. Juli 2004 bestehen bleibt und dann endet. Sollten Sie einen früheren Beginn der Zahlungen wünschen, bitte ich um die Vereinbarung einer Ratenzahlung.

Ich weise aber darauf hin, dass nach meiner Auffassung kein Rechtsgrund für die Bezahlung besteht, da der Vertrag zwischen v und meinem Pflegedienst gekündigt wurde.“

Die Kläger (als V e.V. / A e. V.) antwortete mit Schreiben vom 8. Juni 2004 (Gerichtsakte L 1 KR 225/07 Blatt 40 ff.) unter dem Betreff:

Ihr Schreiben vom 4. Juni 2004

„Sehr geehrte Frau G,
die von Ihnen übermittelte Verpflichtungserklärung zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 65.000,-- Euro bis spätestens 15.08.2004 (Zahlungseingang V/A, Landesvertretung B) sowie der Beendigung des „Vertragsverhältnisses“ bzw. der Abrechnungsmöglichkeiten im Bereich der häuslichen Krankenpflege wird unsererseits unter Konkretisierung einer wie folgt dargelegten Ratenzahlung bestätigt:

1. Rate

30.000,-- Euro, Zahlungsziel: 25.06.2004

(Eingang V/A-Landesvertretung).

2. Rate

20.000,-- Euro, Zahlungsziel: spätestens bis 25.07.2004

(Eingang ).

3. Rate

15.000,-- Euro, Zahlungsziel: 15.08.2004

(Eingang ).

Die o. g. Raten sind auf unser Konto bei der
C,
BLZ:, Konto-Nr.:,
Verwendungszweck: Vertragsstrafe,
zu überweisen.

Das Vertragsverhältnis endet für Ihre Firma „H “ am 30.07.2004 unwiderruflich. Wir bitten Sie, dieses Schreiben gegenzuzeichnen und an uns zurück zu senden.“

Mit Schreiben vom 6. August 2004 zeigte Frau G dem v gegenüber an, dass sie ihren Betrieb eingestellt und ihre Mitarbeiter und die Versicherten an die G GmbH übergeben habe (Kopie als Anlage BB7 zum Schriftsatz vom 23. April 2007 zur Akte L 1 KR 225/07).

Am 15. März 2005 haben die Kläger gegen Frau G Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) eingereicht. Sie haben am 24. März 2006 die Klage erweiternd auch gegen die Beklagte erhoben.

Sie haben geltend gemacht, ihr Zahlungsanspruch gegen die Beklagte bestehe neben dem Schuldanerkenntnis auch aus § 812 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die frühere Beklagte G habe unter anderem Versicherte der B-kasse im Rahmen der häuslichen Krankenpflege behandelt. Dabei habe sie nicht examiniertes Personal eingesetzt bzw. Personal, dessen Qualifikation sie nicht nachgewiesen habe. Sie habe deshalb von der B-kasse wenigstens 65.000,-- Euro für häusliche Krankenpflege ohne Rechtsgrund erhalten. Die Beklagte sei als Rechtsnachfolgerin der Frau G verpflichtet. Sie habe deren Einzelunternehmen übernommen. Sie führe das Unternehmen mit identischem Unternehmensgegenstand fort und habe auch die Verbindlichkeiten übernommen. Sie habe weiter sämtliche Mitarbeiter der Beklagten übernommen sowie die zu betreuenden Versicherten. Die Beklagte sei darüber hinaus in sämtliche Dauerschuldverhältnisse der Frau G eingetreten. Der Geschäftsführer der Beklagten habe darüber hinaus mitgeteilt, dass er mit seinem Unternehmen den Mietvertrag übernommen habe. Auch seien die Kommunikationsdaten wie Telefon, Telefax und E-Mailadresse identisch.

Beide erstinstanzlichen Beklagten haben geltend gemacht, ein Vertrag über ein Schuldanerkenntnis sei nicht zustande gekommen. Die Beteiligten hätten sich über den Inhalt des Schuldanerkenntnisses nicht geeinigt. Die Beklagte hat vorgebracht, keine Rechtsnachfolgerin der Frau G zu sein. Verbindlichkeiten seien nicht übernommen worden. Der Betrieb sei nicht fortgeführt worden. Nur weil einige Mitarbeiter nunmehr ihre seien, könne nicht geschlossen werden, dass sie Rechtsnachfolgerin der Frau G sei. Der Firmenzusatz „H “, den sowohl sie als auch Frau G trügen, sei kein Beleg für eine Betriebübernahme. Es gebe viele Unternehmen die in ihrer Firma den Namensteil „H “ trügen, ohne deshalb Beziehungen zu ihr zu haben.

Das Sozialgericht (SG) hat die auf Zahlung von 65.000,-- Euro nebst Zinsen gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 11. Januar 2007 abgewiesen.

Die Klage sei bereits unzulässig, soweit die Klägerin zu 2) (A e. V.) Ansprüche geltend mache. Diese habe nicht schlüssig vorgebracht, dass Frau G speziell ihr gegenüber eine Schuld anerkannt habe. Aus den vorgelegten Schreiben, welche die Kläger als Schuldanerkenntnis bezeichneten, ergebe sich lediglich eine Erklärung der Frau G, sie sei bereit, der Klägerin zu 1) (V) einen Betrag von 65.000,-- Euro zu bezahlen.

Darüber hinaus könnten beide Kläger nicht schlüssig darlegen, weshalb - unabhängig vom Schuldanerkenntnis - eine ungerechtfertigte Bereicherung vorläge. Frau G habe nämlich unstreitig die Zahlungen von dritter Seite, nämlich der B-kasse erhalten.

Zwischen der Klägerin zu 1) und Frau G sei ferner kein Schuldanerkenntnis als Vertrag gemäß § 781 BGB zustande gekommen. Es fehle an den erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen. Deckten sich Angebot und Annahme nicht, insbesondere dann nicht, wenn eine Annahme unter Erweiterung Einschränkung und sonstigen Änderungen erklärt werde, komme kein Vertrag zustande (§ 150 Abs. 2 BGB). Während Frau G der Klägerin zu 1) gegenüber erklärt habe, sie sei bereit, ihr 65.000,-- Euro zu zahlen, wenn sie bis zum 31. Juli 2004 abrechnen dürfe, habe die Klägerin zu 1) Frau G gegenüber mit Schreiben vom 8. Juni 2004 erklärt, das Vertragsverhältnis ende für sie unwiderruflich zum 30. Juli 2004. Darüber hinaus habe Frau G in ihrer Erklärung ihr Schuldanerkenntnis von einer Vereinbarung über eine Ratenzahlung abhängig gemacht. Zu dieser ist es nicht gekommen. Frau G habe das Angebot der Klägerin zu 1) vom 8. Juni 2004 über eine Zahlung in drei Raten nicht angenommen.

Gegen diesen Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung beider Kläger.

Auch der Kläger zu 2) könne zulässig klagen. Beide Verbände träten nach außen hin stets zusammen auf, verwendeten einen identischen Briefkopf, hätten ihren Sitz an identischen Anschriften und seien gemeinsame Interessenvertreter der E. Entsprechendes gelte für die B Landesvertretung.

Sie machten fremde Ansprüche - nämlich solche ihrer Mitgliedskrankenkassen - in Prozessstandschaft geltend. Sie seien insoweit von den Krankenkassen gemäß § 197 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beauftragt und bevollmächtigt worden. Der Auftrag ergebe sich aus den Satzungen der Kläger ebenso wie aus den Geschäftsordnungen der Landesvertretungen.

Ein Dissens einerseits 31. Juli 2004, andererseits 30. Juli 2004 bestehe nicht. Es handele sich hier um ein offensichtliches Missverständnis. Beide Parteien seien davon ausgegangen, dass zum Ende des Monats Juli 2004 das Abrechnungsverhältnis zwischen Frau G und den bei den Klägern organisierten Krankenkassen beendet werde. Es sei auch Fakt, dass Frau G sich für die Zahlung eines Betrages in Höhe von 65.000,-- Euro eine Zahlungsfrist bis zum 15. August 2004 ausbedungen habe. Die Kläger hätten dieses Angebot angenommen. Auch rein tatsächlich sei die Abrechnung bis zum 31. Juli 2004 einschließlich vorgenommen worden.

Die Kläger verweisen ferner auf das Schreiben der Frau G vom 6. August 2004. Diese sei mittlerweile als Pflegedienstleiterin bei der Beklagten beschäftigt. Diese habe unter anderem das corporate identity, z. B. das Logo, übernommen.

Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme sei § 25 Handelsgesetzbuch (HGB). Es handele sich nicht um eine Frage der Rechtsnachfolge sondern der Haftung. Die Beklagte habe das Handelsgeschäft von Frau G übernommen und unter der bisherigen Firma fortgeführt. Frau G habe ein Handelsgeschäft im Sinne des § 1 HGB betrieben.

Nachdem mitgeteilt worden ist, dass über das Vermögen der Frau G das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, hat der Senat mit Beschluss vom 12. November 2007 das Verfahren gegen die Beklagte zu 2), die hiesige Beklagte, abgetrennt.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 65.000,-- Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 7. Oktober 2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12. Juli 2011 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in der Besetzung durch den Berichterstatter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Der Rechtsstreit weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Das Urteil erging im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG.

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen zu Recht abgewiesen.

Die Klage des Klägers zu 2) war von Anfang an unzulässig. Ein Fall einer Prozessstandschaft scheidet aus:

Bereits nach dem klägerischen Vorbringen ist nicht ersichtlich, dass ein Fall gesetzlicher Prozessstandschaft vorliegt. Insbesondere lässt sich der Vorschrift des § 197 a SGB V eine solche nicht entnehmen.

Auch ist für eine gewillkürte Prozessstandschaft in der Gestalt, dass eine einzelne Krankenkasse (hier konkret die damalige B) auch den jeweils anderen Verband, dessen Mitglied sie nicht gewesen ist, beauftragt und ermächtig habe könnte, ihre Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen, ist nichts ersichtlich. Hier sind ausschließlich Ansprüche der damaligen B kasse, welche nur Mitglied des Klägers zu 1) war, zum Klagegegenstand gemacht.

Darüber hinaus ist die Beklagte beiden Klägern gegenüber nicht Schuldnerin des geltend gemachten Anspruches:

Eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB scheidet aus.

Die Vorschrift lautet: „Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.“.

Die Beklagte hat das Unternehmen der Frau G nicht unter derselben Firma fortgeführt.

Ob es sich um denselben Namen handelt, bemisst sich aus der Sicht des maßgeblichen Verkehrs (vgl. Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 16. September 2009 - VIII ZR 321/08, juris RdNr. 18 mit weiteren Nachweisen).

Die Fortführung muss nicht unbedingt wort- und buchstabengetreu erfolgen. Allerdings müssen der Kern der alten und der neuen Firma einander gleichen.

Daran fehlt es hier bereits, weil die Unternehmenszweckbezeichnung unterschiedlich ist.

Frau G firmierte unter der Bezeichnung „H K H M K G“. Die Beklagte heißt „G H GmbH“. Häusliche Krankenpflege beschränkt den Unternehmenszweck auf Hausbesuche zur Krankenpflege.

Gesundheitspflege ist allgemeiner und kann auch ein Pflegezentrum oder ähnliches umfassen.

Ferner ist die einzige Namensgemeinsamkeit „H“ nicht individualisiert, sondern stellt eine geographische Angabe dar. Bei geographischen Bezeichnungen bzw. solchen, die sich auf die Lage eines Unternehmens beziehen, kann aus der Identität dieser örtlichen Bezeichnung nicht auf die erforderliche Kontinuität des Unternehmens geschlossen werden, solange nicht der Ortsname oder Landesname selbst den Namen bedeutet („Berliner X-Fabrikation“). H ist - worauf die Beklagte unbestritten hingewiesen hat und allgemeinkundig - bloß eine Bezeichnung des örtlichen Zentrums von H im Umkreis um ein dortiges Einkaufszentrum.

Ob Frau G ein Handelsgeschäft betrieben hat, kann dahingestellt bleiben. Gleiches gilt für die Frage, ob die Beklagte ihr Pflegeunternehmen übernommen hat.

Darüber hinaus hat das SG zu Recht auch Ansprüche gegen Frau G dem Grunde nach verneint. Der Senat verweist auf die zutreffenden Ausführungen, § 153 Abs. 2 SGG:

Selbst nach dem Klägervorbringen bestand hier ein Dissens, weil Frau G auf eine Zahlungsfrist bis 15. August für die Gesamtsumme bestand und ihr klägerseits lediglich die Zahlung der dritten Rate zu diesem Termin zugebilligt wurde.

Nach wie vor nicht ersichtlich ist schließlich auch, dass die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft (für den richtigen Verband) vorlegen haben. Soweit entsprechende Vollmachten eingereicht wurden (vgl. Anlage 2 zur Kooperationsvereinbarung vom 25. August 2005 als Teil der Schriftsatzanlagen zum Schriftsatz vom 23. April 2007), belegen diese nur, dass der Verband als Vertreter für die B-kasse hätte auftreten dürfen. Es fehlt jedoch an einer Grundlage, die Ansprüche in eigenem Namen geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit 154 Abs. 2 VwGO. Ein Fall des § 159 Satz 2 VwGO liegt nicht vor: Gesamtgläubigerschaft ist nie geltend gemacht worden.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.