Gericht | VG Potsdam 1. Kammer | Entscheidungsdatum | 29.04.2019 | |
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Aktenzeichen | 1 K 1832/17 | ECLI | ECLI:DE:VGPOTSD:2019:0429.1K1832.17.00 | |
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 10a Abs 3 S 1 KAG BB |
Der Zeitpunkt des Entstehens der Ersatzpflicht für die Herstellung oder Erneuerung von Zufahrten oder Geh- oder Radwegüberfahrten und der Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht für die Erneuerung oder Verbesserung der sonstigen Bestandteile der öffentlichen Straße fallen auseinander.
Der Kostenersatzanspruch entsteht nach dem Wortlaut des Gesetzes mit der (erstmaligen) Fertigstellung der Zufahrt, die eine ordnungsgemäße Benutzung ermöglicht und nicht mit der Abnahme nach VOB.
Der Bescheid des Beklagten vom 9. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2017 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Klägerin ist Eigentümerin des F... Sie wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Kostenersatz für die Erneuerung der Zufahrt zu ihrem Grundstück.
Das Grundstück grenzt an die D.... Aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem L... aus dem Jahr 2010 wurde die Ortsdurchfahrt mit Nebenanlagen einschließlich der Grundstückszufahrten und -zugänge grundhaft erneuert. Nach der Vereinbarung trägt die Gemeinde unter anderen die Kosten für die Grundstückszufahrten.
Nach Angaben des Beklagten waren die Grundstückszufahrten in der Ortslage bis Ende 2011 fertiggestellt. Am 7. Dezember 2011 fand eine Begehung zusammen mit dem Landesbetrieb Straßenwesen statt, bei der erhebliche Mängel im Bereich der Fahrbahn und der Bordanlagen festgestellt wurden. Deswegen verschob sich die förmliche Bauabnahme nach VOB in das nächste Jahr, die schließlich am 7. Dezember 2012 erfolgte.
Mit Bescheid vom 9. September 2016 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Kostenersatz für die Erneuerung der Zufahrt zu ihrem Grundstück i.H.v. 919,59 € heran. Den dagegen gerichteten Widerspruch wies er mit Bescheid vom 3. März 2017 zurück.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage. Zu deren Begründung trägt die Klägerin unter anderem vor, dass die Erneuerung der Zufahrt nicht erforderlich gewesen sei. Es habe seit mindestens 15 Jahren eine mit Feldsteinen gepflasterte Zufahrt gegeben. Auch sei die zugrunde liegende Satzung nicht wirksam, die Kostenpositionen seien nicht nachvollziehbar. Außerdem sei der Ersatzanspruch verjährt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 9. September 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass die Erneuerung der Zufahrt erforderlich gewesen sei. Der Ersatzanspruch sei auch nicht verjährt. Vielmehr beginne die Verjährungsfrist erst mit dem Zeitpunkt der Abnahme nach VOB. Jedenfalls sei die Zufahrt im Jahr 2011 noch nicht benutzbar gewesen. Wegen der gravierenden Mängel bei der Herstellung der Bordanlagen sei zum Zeitpunkt der Begehung am 7. Dezember 2011 unklar gewesen, ob Bordsteine zum Teil hätten wieder herausgenommen werden müssen. Dann wären die Zufahrten zeitweise nicht mehr benutzbar gewesen. Die Benutzbarkeit sei damit erst im Jahr 2012 eingetreten.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 16. April 2019 den Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Klage, über die nach Übertragung durch den Berichterstatter als Einzelrichter zu entscheiden ist (§ 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -), ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO), denn der streitgegenständliche Ersatzanspruch war zum Zeitpunkt der Geltendmachung verjährt und mithin erloschen.
Nach § 10 a Abs. 1 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) können die Gemeinden bestimmen, dass ihnen der Aufwand für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung und Beseitigung zu den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen ersetzt wird. Wird eine Überfahrt über einen Geh- oder Radweg aufwändiger hergestellt, erneuert oder verändert, als es den regelmäßigen Verkehrsbedürfnissen für einen solchen Geh- oder Radweg entspricht, kann die Gemeinde den Ersatz der Mehrkosten für den Bau und die Unterhaltung verlangen (§ 10 a Abs. 2 KAG). Kostenersatzpflichtig sind nach § 10 a Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 S. 2 KAG die Grundstückseigentümer, denen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Zufahrt oder der Überfahrt wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Mit § 1 der Satzung über den Ersatz der Kosten für die Herstellung, Erneuerung, Veränderung, Beseitigung und Unterhaltung von Grundstückszufahrten nach § 10 a Kommunalabgabengesetz (KAG) in der Gemeinde K... vom 26. August 2004 hat die Gemeinde diese gesetzliche Ermächtigung umgesetzt.
Nach § 10 a Abs. 3 S. 1 KAG, gleichlautend § 4 Abs. 1 der maßgeblichen Satzung, entsteht der Ersatzanspruch mit der Herstellung der Benutzbarkeit der Grundstückszufahrt oder der Überfahrt über den Geh- oder Radweg, im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme.
Für die Festlegung des Zeitpunkts der Entstehung des Ersatzanspruchs hat der Gesetzgeber in § 10 a Abs. 3 S. 1 KAG auf einen anderen Bezugspunkt als in § 8 Abs. 7 S. 1 und § 10 Abs. 2 S. 1 KAG abgestellt. Es kommt hier nicht auf die endgültige Herstellung der Anlage an, die nach der Rechtsprechung in Brandenburg durch die VOB-Abnahme der bauprogrammgemäß hergestellten Anlage bestimmt wird (dazu OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 23. März 2000 – 2 A 226/98 –, Mitt.StGB Bbg 2000, 213; Becker in: KAG Brandenburg, Stand August 2018, § 8 Rn. 334 f. und Kluge, a.a.O., § 10 Rn. 117). Abweichend davon genügt nach dem Wortlaut des § 10 a Abs. 3 S. 1 KAG schon die Benutzbarkeit, um die Ersatzpflicht entstehen zu lassen.
Angesichts der vom Gesetzgeber gewählten Wortwahl bei Bestimmung des Zeitpunkts des Entstehens der Kostenersatzpflicht kann die in der Rechtsprechung entwickelte Auslegung von § 8 Abs. 7 S. 1 KAG nicht auf § 10 a Abs. 3 S. 1 KAG übertragen werden. Dem Gesetzgeber war bei der Aufnahme von § 10 a in das Kommunalabgabengesetz durch das Zweite Gesetz zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 die Rechtsprechung zu § 8 Abs. 7 S. 1 KAG bekannt. Er hat sich ausdrücklich für einen anderen Zeitpunkt entschieden. Danach bedarf es keiner förmlichen Feststellung, dass das Bauprogramm durch den Bauunternehmer nach dem Bestimmung der VOB erfüllt ist. Ausreichend ist vielmehr, dass die Zufahrt von dem Grundstückseigentümer im Rahmen seines Gemeingebrauchs so genutzt werden kann, dass er ohne Schwierigkeiten mit Fahrzeugen oder zu Fuß von der Fahrbahn zu seinem Grundstück gelangen kann. Mithin können der Zeitpunkt des Entstehens der Ersatzpflicht für die Herstellung oder Erneuerung von Zufahrten oder Geh- oder Radwegüberfahrten und der Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht für die Erneuerung oder Verbesserung der sonstigen Bestandteile der öffentlichen Straße auseinanderfallen. So ist es hier.
Nach Würdigung der von den Beteiligten vorgetragenen Umstände waren die Grundstückszufahrten in der Ortsdurchfahrt in B... und damit auch die streitbefangene Zufahrt spätestens am 7. Dezember 2011 benutzbar. Sie waren bis zu diesem Zeitpunkt unstreitig bautechnische fertiggestellt. Veränderungen wurden in der Folgezeit nicht vorgenommen. Unerheblich ist, dass nach dem Ergebnis der Begehung vom 7. Dezember 2011 nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Bordanlagen im Zuge einer Nachbesserung durch den Bauunternehmer noch einmal hätten aufgenommen werden müssen, sodass die Zufahrten zeitweise nicht benutzbar gewesen wären. Es kommt nach dem gesetzlichen Wortlaut auf die Herstellung der Benutzbarkeit an. Dies ist die erstmalige Benutzbarkeit. Unerheblich ist, ob diese später zeitweilig entfällt oder entfallen könnte.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung in § 10 a Abs. 3 S. 1 KAG, dass der Anspruch „im Übrigen mit der Beendigung der Maßnahme“ entsteht. Diese Alternative der Regelung bezieht sich ersichtlich auf den Kostenersatz für die Beseitigung oder die Unterhaltung einer Zufahrt im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 KAG, da insoweit eine Anwendung der 1. Alternative „Herstellung der Benutzbarkeit“ ausscheidet.
Nach § 10 Abs. 3 S. 2 KAG gelten für den Ersatzanspruch die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes entsprechen. Damit auch die Regelungen über die Festsetzungsverjährung nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG i.V.m. §§ 169, 170 Abgabenordnung (AO). Nach § 170 Abs. AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer – hier der Ersatzanspruch – entstanden ist. Dies ist der Ablauf des Jahres 2011. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist 4 Jahre und endete also am 31. Dezember 2015. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Bescheides am 9. September 2016 war die Verjährungsfrist bereits abgelaufen und der Kostenersatzanspruch mithin erloschen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird nach § 124 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Bestimmung des Zeitpunkts des Entstehens der Ersatzpflicht in § 10 a Abs. 3 S. 1 KAG hat erhebliche Bedeutung für die Anwendung dieser Norm durch die Kommunen in Brandenburg über den entschiedenen Fall hinaus und war bislang noch nicht Gegenstand obergerichtlicher Rechtsprechung.
B e s c h l u s s :
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 919,59 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes.