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Beschwerde; vorläufiger Rechtsschutz; Erschließungsbeitrag; erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage; Teileinrichtungen; vor dem Beitritt vorhandene Teile von Erschließungsanlagen; Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes; Einbeziehung eines gewerblich genutzten Grundstücks; Bebauungsplan; fehlende Erschließung; Vergünstigung wegen Mehrfacherschließung; Einziehung einer öffentlichen Straße


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 5. Senat Entscheidungsdatum 03.11.2014
Aktenzeichen OVG 5 S 7.14 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 146 Abs 4 S 6 VwGO, § 1 Abs 1 VwVfG BB, § 37 Abs 1 VwVfG, § 44 Abs 1 VwVfG, § 127 Abs 2 Nr 1 BauGB, § 130 Abs 2 S 3 BauGB, § 133 Abs 1 S 1 BauGB, § 242 Abs 1 BauGB, § 242 Abs 9 BauGB, Art 3 EinigVtr, § 4 BauO BB, § 8 Abs 1 S 3 StrG BB

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfende Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine Änderung des angegriffenen Beschlusses.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Abgabenbescheid des Antragsgegners vom 29. Mai 2013 in Höhe eines Teilbetrages von 2.000,00 EUR bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen, abgelehnt, weil bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem die Antragsteller zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage „... herangezogen werden, bestünden.

Soweit die Beschwerde moniert, dass die Erhebung eines Erschließungsbeitrages nach § 242 Abs. 9 BauGB ausgeschlossen sei, weil im T... bereits vor dem 3. Oktober 1990 eine Straßenbeleuchtung und ein Fußgängerweg vorhanden gewesen seien, die den damaligen Ausbaugepflogenheiten entsprochen hätten, zeigt sie damit keinen Änderungsbedarf auf. Das Verwaltungsgericht hat es dahingestellt bleiben lassen, ob die Teileinrichtungen „Straßenbeleuchtung“ und „Gehweg“ vor dem 3. Oktober 1990 eine entsprechenden Ausbauzustand aufgewiesen hätten, da sich der Erschließungsbeitrag ausschließlich auf die erstmalige Herstellung der Teileinrichtungen „Fahrbahn“, „Oberflächenentwässerung“ und damit zusammenhängender „unselbständiger Grünanlagen“ beziehe. Die These der Beschwerde, dass nach § 242 Abs. 9 BauGB im Beitrittsgebiet ein Erschließungsbeitrag auch dann nicht erhoben werden könne, wenn einer vor dem Beitritt hergestellten Teilanlage einer Erschließungsanlage nach dem Beitritt weitere Teilanlagen hinzugefügt würden, überzeugt nicht. Nach § 242 Abs. 9 BauGB kann für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Dass vor dem 3. Oktober 1990, wie vom Verwaltungsgericht festgestellt, die Erschließungsanlage „... insgesamt noch nicht hergestellt war, weil es hierfür an einem Mindestmaß bautechnischer Herrichtung, nämlich am Vorhandensein einer hinreichend befestigten Fahrbahn, einer Straßenentwässerung sowie einer eigenen Straßenbeleuchtung mangelte, wird auch von der Beschwerde nicht in Abrede gestellt. Selbst wenn man mit der Beschwerde das Vorhandensein der Teileinrichtungen „Straßenbeleuchtung“ sowie „Gehweg“ als Teile einer Erschließungsanlage vor dem 3. Oktober 1990 unterstellte, würde sich daraus keine für sie günstigere Rechtsfolge ergeben, weil in diesem Fall nach § 242 Abs. 9 BauGB nur die erschließungsbeitragsrechtliche Abrechnung etwaiger - hier nicht im Streit stehender - Kosten für den Ausbau dieser bereits vor dem 3. Oktober 1990 bestehenden Teileinrichtungen ausgeschlossen wäre (vgl. Urteil des Senats vom 3. Juli 2014 - OVG 5 B 2.14 -, juris Rn. 16 ff., Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 2 Rn. 38). Anders als die Beschwerde meint, führt diese Interpretation der Überleitungsvorschrift des § 242 Abs. 9 BauGB nicht zu einer Schlechterstellung der Anlieger in den neuen Bundesländern gegenüber der in den alten Bundesländern geltenden Rechtslage nach § 242 Abs. 1 BauGB. Vielmehr lässt sie die mit § 242 Abs. 9 BauGB bezweckte Privilegierung von Anliegern in den neuen Bundesländern gegenüber solchen in den alten Bundesländern unberührt, die darin liegt, dass diese Überleitungsvorschrift - im Gegensatz zu § 242 Abs. 1 BauGB - eine Sperrwirkung für die Erhebung eines Erschließungsbeitrages nicht nur bei im Zeitpunkt des Beitritt bereits vorhandenen Erschließungsanlagen, sondern auch für bereits vorhandene Teile von solchen entfaltet (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. November 2002 - BVerwG 9 C 2.02 -, juris Rn. 23, und Beschluss vom 18. Oktober 2006 - BVerwG 9 B 6.06 -, juris Rn. 13).

Die Rüge der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass das maßgebliche Bauprogramm die Baumaßnahme einheitlich für den T..., den N...und den D... zu einer einheitlichen Ausbaumaßnahme zusammengefasst habe, sodass der Antragsgegner dem streitgegenständlichen Bescheid zu Unrecht nur die auf den Tulpenweg entfallenden Kosten zu Grunde gelegt habe, geht ins Leere. Das Verwaltungsgericht hat in dem Beschluss der Gemeindevertretung vom 8. Juni 2009 über die Herstellung der drei genannten Wege „gemäß beiliegendem technischen Bauprogramm“ keinen Beschluss über die Bildung einer Erschließungseinheit gemäß § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB, sondern lediglich einen solchen über eine gemeinsame Bauausführung erkannt. Damit setzt sich die Beschwerde nicht substanziiert auseinander. Soweit sie beanstandet, dass sich weder aus der Erschließungsbeitragssatzung noch aus dem in Rede stehenden Beschluss der Gemeindevertretung die „quantitativen bzw. qualitativen Grenzen der streitgegenständlichen Baumaßnahme (T...)“ ergäben, verkennt sie, dass für die Beurteilung der Ausdehnung einer Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB eine natürliche Betrachtungsweise maßgeblich ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. nur Urteil vom 21. September 1979 - BVerwG 4 C 55.76 -, juris Rn. 13, siehe auch Urteil des Senats vom 3. Juli 2014, a.a.O., Rn. 22) und das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung dieser Betrachtungsweise zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der T... in seiner gesamten Ausdehnung von der P... bis zur C... eine einheitliche beitragspflichtige Anlage im Sinne des § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bilde. Hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.

Die Forderung der Beschwerde, das unmittelbar an den T... angrenzende Flurstück ... bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes zu berücksichtigen, ist nicht berechtigt. Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass dieses gewerblich genutzte Flurstück nicht in die Verteilung einzubeziehen sei. Das Flurstück grenze zwar im Bereich der Einmündung des T... in die P... auf ca. 10 Meter Breite an den T... an. Hier setze jedoch der Bebauungsplan 03/2008 „Gewerbegebiet P...“ der von dem Antragsgegner vertretenen Gemeinde eine private Grünfläche fest, sodass es aus Rechtsgründen ausgeschlossen sei, eine Zufahrt vom T... auf dieses Flurstück anzulegen. Der Einwand der Beschwerde, dass die bauplanungsrechtliche Festsetzung einem Erschlossensein des Flurstücks durch den T... beitragsrechtlich nicht im Wege stehe, weil insoweit die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die verkehrliche Erschließung eines Grundstücks entscheidend seien und danach Gebäude nur errichtet werden dürften, wenn das Grundstück nach den öffentlichrechtlichen Vorschriften bebaubar sei und es in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liege, greift nicht durch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts knüpft das erschließungsbeitragsrechtliche Erschlossensein durch eine Anbaustraße an das bebauungsrechtliche Erschlossensein an (vgl. nur Beschluss vom 31. Mai 2000 - BVerwG 11 B 10.00 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Daraus folgt jedoch nicht, dass eine verkehrsmäßige Erschließung des Flurstücks ... bereits aus bauordnungsrechtlichen Gründen anzunehmen sei. Denn die bauordnungsrechtliche Anforderung des § 4 BbgBO, wonach ein Grundstück nur bebaut werden darf, wenn es in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder die Nutzung zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche rechtlich gesichert ist, wird für das Flurstück ... bereits dadurch erreicht, das seine verkehrliche Erschließung über die P... erfolgt. Ein Erschlossensein des Flurstücks ... ergibt sich auch nicht aus dem Bauplanungsrecht. Der Beschwerde ist zwar insoweit zu folgen, als sich die Beantwortung der Frage, durch welche Anbaustraßen ein Grundstück im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen wird, nach dessen Festsetzungen über die straßenmäßige Erschließung richtet (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 8. Mai 2002 - BVerwG 9 C 5.01 -, juris Rn. 24). Der Bebauungsplan ... sieht aber eine verkehrliche Anbindung des Flurstücks ... an die P... vor, während die verbindliche und uneingeschränkte Festsetzung einer privaten Grünfläche im Bereich der Einmündung des T... in die P... dafür spricht, dass hier ein auf Dauer nicht ausräumbares rechtliches Hindernis besteht, das einem Erschlossensein im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 1 BauGB entgegensteht (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25. Januar 1984 - BVerwG 8 C 77.82 -, juris Leitsatz 2 und Rn. 18, sowie Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 11. April 2002 - 2 S 2239/00 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 26, in Abgrenzung zu seinem Urteil vom 1. September 1997 - 2 S 661/96 -, juris Rn. 24).

Darüber hinaus vermag die Beschwerde die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass für das im Eigentum der Antragsteller stehende Grundstück eine Vergünstigung wegen Mehrfacherschließung nach § 6 Abs. 10 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Erschließungsbeitragssatzung der von dem Antragsgegner vertretenen Gemeinde vom 16. August 2004 nicht zu gewähren sei, nicht erfolgreich in Zweifel zu ziehen. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass Voraussetzung für diese Vergünstigung wäre, dass das Grundstück durch zwei öffentliche zum Anbau bestimmte Straßen, Wege oder Plätze erschlossen würde. Hier sei die zweite in Betracht kommende Straße, nämlich der N... zwischen T... und P..., indes im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht durch Eingang der letzten Unternehmerrechnung vom 21. November 2011 keine öffentliche Straße mehr gewesen, weil durch Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 7. Januar 2010 deren Einziehung angeordnet worden sei. Das Vorbringen der Beschwerde ist nicht geeignet, die Wirksamkeit der Einziehungsverfügung ernsthaft in Frage zu stellen. Soweit sie beanstandet, dass diese nach § 1 Abs. 1 VwVfGBbg i.V.m. § 44 Abs. 1 VwVfG - i.F. VwVfG - wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitserfordernis des § 37 Abs. 1 VwVfG nichtig sei, weil unklar sei, ob der Antragsgegner mit ihr die vollständige Entwidmung des N... als öffentliches Straßenland bezweckt habe, ist der Beschwerde entgegenzuhalten, dass die Einziehungsverfügung nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass der Nelkenweg in dem betroffenen Bereich durch die Einziehung seine Eigenschaft als öffentliche Straße verloren hat. Das folgt ohne weiteres aus dem Tenor der Verfügung, wonach in dem in Rede stehenden Teil des N... kein öffentlicher Verkehr mehr erfolgt und zugleich die öffentliche Sachherrschaft, der Gemeingebrauch und die gemeindliche Straßenbaulast entfallen. Der Wirksamkeit der Einziehungsverfügung steht auch nicht entgegen, dass sie im Amtsblatt der von dem Antragsgegner vertretenen Gemeinde und nicht - wie in § 12 Abs. 3 der Hauptsatzung der von dem Antragsgegner vertretenen Gemeinde vom 2. März 2009 für ortsübliche Bekanntmachungen der Gemeinde vorgesehen - durch Aushang in den in § 12 Abs. 8 der Hauptsatzung genannten Bekanntmachungskästen öffentlich bekannt gemacht worden ist. Die Beschwerde verkennt, dass für die in Streit stehende straßenrechtliche Einziehung § 8 Abs. 1 Satz 3 BbgStrG die öffentliche Bekanntmachung vorschreibt und diese somit nach § 12 Abs. 2 der Hauptsatzung zwingend im Amtsblatt der Gemeinde zu erfolgen hat. Schließlich wird die Vollziehung der Einziehungsverfügung nicht dadurch gehemmt, dass die Antragsteller gegen Letztere nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren Klage erhoben haben. Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass der Widerspruch der Antragsteller vom 16. Juli 2013 gegen die Einziehungsverfügung vom 7. Januar 2010 verspätet sei. Dem ist die Beschwerde nicht substanziiert entgegengetreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).