Gericht | VG Frankfurt (Oder) 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 21.09.2010 | |
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Aktenzeichen | 6 K 1578/07 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger begehrt Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Er studierte seit dem Wintersemester 2002/2003 Rechtswissenschaften mit dem Ziel Staatsexamen bzw. erste juristische Prüfung an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Für dieses Studium erhielt er durchgehend Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz. Seit dem Wintersemester 2005/2006 war er zudem für den Studiengang German and Polish Law an der Europa-Universität Viadrina immatrikuliert. Auf Nachfrage des Beklagten erklärte er mit Schreiben vom 4. April 2006, dass er die Förderung für den Staatsexamensstudiengang Rechtswissenschaften beantrage. Hierfür bewilligte ihm der Beklagte letztmalig mit Bescheid vom 27. April 2007 Ausbildungsförderung für das Sommersemester 2007. Mit Schreiben vom 9. Juli 2007 beantragte der Kläger eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer um zwei Semester. Zur Begründung führte der Kläger an, er beanspruche eine Verlängerung der Höchstförderungsdauer um ein Semester aufgrund der Wahl des Schwerpunktbereichs 7 (polnisches Recht). Für diesen Schwerpunktbereich seien zwei Prüfungsordnungen ausschlaggebend: Zum einen die für die Viadrina maßgebliche Studien- und Prüfungsordnung der Juristischen Fakultät, welche für den Schwerpunktbereich polnisches Recht den Erwerb des Magistergrades voraussetze. Zum anderen richte sich der Erwerb dieses Abschlusses nach den Vorschriften der Studien- und Prüfungsordnung der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznan, wonach der Abschluss eines Magisters erst mit Abschluss des 10. Semesters vorgesehen sei. Aus den beiden Prüfungsordnungen ergebe sich, dass die Regelstudienzeit für das Rechtsstudium auf erstes juristisches Examen im Schwerpunktbereich 7 zehn Semester betrage. Er befinde sich demgegenüber erst im 9. Semester. Darüber hinaus sei die Förderungshöchstdauer um ein Semester zu verlängern aufgrund des Erwerbs einer Fremdsprache. Der Magisterabschluss werde im Rahmen der polnischen Juristenausbildung erworben. Daher sei eine fundierte Kenntnis der polnischen Sprache erforderlich, um das Studium erfolgreich zu absolvieren. Diese Sprachkenntnisse habe er erst im Laufe des Studiums erworben.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 8. August 2007 die weitere Gewährung von Ausbildungsförderung ab. Der Kläger habe für seine Ausbildung in der Fachrichtung Rechtswissenschaften (Staatsexamen) keine Gründe angeführt, die eine Überschreitung der Förderungshöchstdauer rechtfertigen würden. Der Kläger sei von Beginn an für den Staatsexamens-Studiengang gefördert worden. Nach Beendigung des 9. Fachsemesters habe er insoweit den Förderungsanspruch ausgeschöpft. Der Studiengang Rechtswissenschaften (Staatsexamen) erfordere auch nicht das Erlernen der polnischen Sprache. Ein Förderungsanspruch für den parallel betriebenen Masterstudiengang bestehe nicht. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2007 zurück. Nach der Studien- und Prüfungsordnung der juristischen Fakultät betrage die Regelstudienzeit für das vom Kläger betriebene Staatsexamensstudium 9 Semester. Die Regelstudienzeit gelte für alle Studierenden und unterscheide nicht nach den sieben möglichen Schwerpunktbereichen. Aus der Möglichkeit, sich den polnischen Magistergrad als universitäre Schwerbereichsprüfung anerkennen zu lassen, folge nicht, dass die Regelstudienzeit für das Staatsexamensstudium ebenfalls zehn Semester betrage. Auch die Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 BAföG lägen nicht vor. Sinn dieser Regelung sei es, Benachteiligungen solcher Studiengänge auszugleichen, die beim Studierenden nicht vorhandene Kenntnisse in einer oder mehreren Sprachen verlangten. Dies sei beim Staatsexamensstudiengang Rechtswissenschaft aber nicht der Fall, insbesondere setze er keine Fremdsprachenkenntnisse in der polnischen Sprache voraus. Gemäß der Studien- und Prüfungsordnung sei das Studium so gestaltet, dass die Erlangung der erforderlichen Fremdsprachenkenntnisse im Rahmen des üblichen Studienablaufs erfolgen könne. Die Vermittlung solcher Zusatzqualifikationen wie rechtswissenschaftlich ausgerichteter Sprachkurse sei in die Studien- und Prüfungsordnung einbezogen. Danach müssten im Bereich der Zusatzqualifikationen zwei und könnten vier Semesterwochenstunden durch den erfolgreichen Besuch einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses nachgewiesen werden. Für den Schwerpunktbereich 7 sei nichts anderes bestimmt. Das Erlernen von Fremdsprachen über diesen vorgeschriebenen Rahmen hinaus sei für den Staatsexamensstudiengang nicht notwendig. Die Fremdsprachenausbildung sei damit Bestandteil des Studiums. Dafür spreche, dass der Kläger das Fachsprachenzertifikat „Polnisch für Rechtswissenschaften“ innerhalb der geltenden Regelstudienzeit erworben habe.
Der Kläger hat am 12. November 2007 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Der Beklagte verkenne, dass sich die Regelstudienzeit nicht nur nach der Studien- und Prüfungsordnung, sondern auch nach einer vergleichbaren Festsetzung richte. Eine vergleichbare Festsetzung könne sich dabei aus der Festlegung der Studiendauer in einer ausländischen Studien- und Prüfungsordnung ergeben. Da die Ausbildungsbestimmungen der Adam-Mickiewicz-Universität integraler Bestandteil der deutschen Juristenausbildung seien, richte sich die Ausbildungsdauer insgesamt nach zwei Prüfungsordnungen. Die beiden Ausbildungsbestimmungen seien in eine praktische Konkordanz zu bringen. Es sei zudem widersprüchlich, dass die Regelstudienzeit für den Studiengang Bachelor und Master of German and Polish Law 10 Semester betrage, die Regelstudienzeit für den Studiengang erste juristische Prüfung im Schwerpunktbereich 7 aber nur 9 Semester betragen solle. Die Verlängerung der Höchstförderungsdauer für den Erwerb einer Fremdsprache ergebe sich aus § 15a Abs. 3 BAföG. Das Erfordernis, eine Fremdsprache zu erlernen, sehe die Studienordnung der Viadrina ausdrücklich vor, zudem würden die Veranstaltungen im Schwerpunktbereich 7 fundierte Polnischkenntnisse verlangen. Damit sei das Erlernen einer Fremdsprache ein unabdingbarer Bestandteil der juristischen Ausbildung. Nach der Juristenausbildungsreform gebe es keinen einheitlichen Studiengang mehr. Mittlerweile bestehe die juristische Ausbildung aus einem staatlichen und einem universitären Teil. Der universitäre Teil werde infolge der neu zuerkannten Autonomien selbständig und eigenverantwortlich durch die Universität gestaltet. Der so von der Europa-Universität Viadrina eingerichtete Schwerpunktbereich 7 setze sich maßgeblich aus polnischen Lehrveranstaltungen zusammen, die die polnische Sprache erforderten. Zudem könnte es sich dabei um ein Auslandsstudium handeln.
Nachdem der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 5. Januar 2010 teilweise zurückgenommen hat, beantragt er nunmehr noch sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 8. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2007 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum Oktober 2007 bis März 2008 Ausbildungsförderung für sein Studium der Rechtswissenschaft an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich im Wesentlichen auf die angegriffenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
Soweit der Kläger die Klage mit Schriftsatz vom 5. Januar 2010 zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt.
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger folglich nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung für das Wintersemester 2007/08.
Die Förderungshöchstdauer für das vom Kläger betriebene Studium der Rechtswissenschaft an der Europa-Universität Viadrina endete mit Ablauf September 2007. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 BAföG richtet sich die Förderungshöchstdauer vorrangig nach der Regelstudienzeit gemäß § 10 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes. Die Regelstudienzeit für das rechtswissenschaftliche Studium mit dem Ziel der ersten juristischen Prüfung ist in § 3 Abs. 1 der hier maßgeblichen Studien- und Prüfungsordnung der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina vom 5. Mai 2004 auf neun Semester festgelegt worden. Da der Kläger sein Studium im Wintersemester 2002/03 begann, endete die Förderungshöchstdauer – die sich aufgrund eines Auslandsstudiums des Klägers im Wintersemester 2004/05 gem. § 5a BAföG um ein Semester verlängerte – damit mit Ablauf des Sommersemesters 2007.
Der Umstand, dass der Kläger im Rahmen seines Studiums den Schwerpunktbereich 7 (polnisches Recht) gewählt hat, führt nicht zu einer (weiteren) Verlängerung der Förderungshöchstdauer. Der Beklagte hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Festsetzung der Regelstudienzeit in § 3 Abs. 1 der Studien- und Prüfungsordnung für alle der dort in § 37 Abs. 3 aufgeführten Schwerpunktbereiche gilt. Für den Schwerpunktbereich 7 gelten insoweit allein Sondervorschriften für den Besuch von Lehrveranstaltungen und das Prüfungsverfahren (§§ 52b – 52d der Studien- und Prüfungsordnung), die Festsetzung der Regelstudienzeit bleibt hiervon aber unberührt.
Dass die Studien- und Prüfungsordnung der Adam-Mickiewicz-Universität für den Abschluss „Magister des polnischen Rechts“ eine Regelstudienzeit von 10 Semestern vorsieht, ist unbeachtlich. Es handelt sich hierbei von vornherein nicht um eine für die Bestimmung der Förderungshöchstdauer maßgebliche „vergleichbare Festsetzung“ i. S. d. § 15a Abs. 1 Satz 1 BAföG. Auf eine vergleichbare Festsetzung ist nach dieser Vorschrift nur ausnahmsweise dann zurückzugreifen, wenn für einen Studiengang eine Regelstudienzeit nach § 10 Abs. 2 HRG nicht vorgesehen ist (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG-Kommentar, 4. Auflage, § 15a Rn. 5). Für das vom Kläger betriebene Studium ist dies aber – wie ausgeführt – der Fall gewesen. Hinzu kommt, dass der Erwerb des Magistergrades (magister prawa) bei Wahl des Schwerpunktbereichs 7 keineswegs verpflichtend ist. Die in § 52c der Studien- und Prüfungsordnung geregelte Anerkennung des polnischen Magisters stellt lediglich eine der Alternativen der universitären Prüfung im Schwerpunktbereich 7 dar.
Keiner Erörterung bedarf die Frage, ob vorliegend – etwa im Wege der Schwerpunktverlagerung (vgl. dazu Rothe/Blanke, BAföG-Kommentar, 5. Auflage, § 7 Rn. 47.5) – eine Förderung des Magisterstudiums möglich gewesen wäre. Denn der Kläger hat ausdrücklich erklärt, dass er die Förderung für das rechtswissenschaftliche Studium mit dem Ziel der ersten juristischen Prüfung begehre. Dass dieser Studiengang durch die Wahl des Schwerpunktbereichs polnisches Recht förderungsrechtlich nicht zu einer Auslandsausbildung i. S. d. § 5 BAföG wird, liegt auf der Hand. Für den vom Kläger in Erwägung gezogenen Tatbestand des Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 fehlt es schon am Bestehen einer einheitlichen Ausbildungsordnung.
Schließlich führt auch die Regelung des § 15a Abs. 3 BAföG nicht zu einer Verlängerung der Förderungshöchstdauer. Danach verlängert sich die Förderungshöchstdauer für jede Sprache um ein Semester, wenn ein Studiengang Sprachkenntnisse über die Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch oder Latein hinaus voraussetzt und diese Kenntnisse von dem Auszubildenden während des Besuchs der Hochschule erworben werden. Die Voraussetzung, dass der Studiengang Sprachkenntnisse voraussetzt, bedeutet, dass der Erwerb dieser Sprachkenntnisse nach der Studien- und Prüfungsordnung nicht Gegenstand des Studiums und in die Regelstudienzeit einbezogen sein darf (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a. a. O., Rn. 17). Daran fehlt es hier. Wie bereits im Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2007 zutreffend dargelegt worden ist, war Gegenstand des vom Kläger absolvierten rechtswissenschaftlichen Studiums gemäß § 2 der Studien- und Prüfungsordnung u. a. die Vermittlung von Schlüssel- und Zusatzqualifikationen „einschließlich fremdsprachiger rechtswissenschaftlicher Veranstaltungen oder rechtswissenschaftlich ausgerichteter Sprachkurse“. In § 27 Abs. 4 der Studien- und Prüfungsordnung ist hierzu geregelt, dass im Bereich der Zusatzqualifikationen mindestens zwei Semesterwochenstunden durch den erfolgreichen Besuch einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses nachgewiesen werden müssen. Mit diesen Regelungen wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Erwerb der erforderlichen Fremdsprachenkenntnisse im Rahmen des üblichen Studienablaufs und damit auch innerhalb der Regelstudienzeit erfolgen kann und soll. Dementsprechend war es auch dem Kläger möglich, innerhalb der Regelstudienzeit ein Fachsprachenzertifikat „Polnisch für Rechtswissenschaften“ zu erwerben. Da für den Schwerpunktbereich 7 bezüglich des Erwerbs von Fremdsprachenkenntnissen nichts Abweichendes geregelt ist, scheidet damit eine Verlängerung der Förderungshöchstdauer nach § 15a Abs. 3 BAföG aus, ohne dass vorliegend noch geklärt werden müsste, ob der Kläger die erforderlichen Sprachkenntnisse erst während des Studiums erworben hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.