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(Zahlung einer Zuwendung - TV Charité - AVR-Beschäftigte - Gleichheitswidrigkeit - Angleichung nach oben)


Metadaten

Gericht LArbG Berlin-Brandenburg 23. Kammer Entscheidungsdatum 27.01.2010
Aktenzeichen 23 Sa 168/09 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 611 Abs 1 BGB, Art 3 Abs 1 GG, Art 9 Abs 3 S 1 GG, § 1 Abs 1 TVG

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.10.2008 - 58 Ca 6148/08 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.230,63 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.557,70 Euro seit dem 04.12.2007, aus weiteren 1.151,77 Euro seit dem 02.12.2008 und aus weiteren 521,16 Euro seit dem 01.12.2009 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 15 % und die Beklagte zu 85 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision gegen das Urteil durch die Beklagte wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Zuwendung.

Die am …1958 geborene Klägerin war zunächst vom 1.3.1996 bis zum 28.2.2001 aufgrund mehrerer befristeter Verträge an der F. U. Berlin (FU) – Bereich Humanmedizin – als Angestellte beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse fand Kraft einzelvertraglicher Absprache der BAT Anwendung. Die Verträge waren teils mit der FU teils als sog. Privat-Arbeitsverträge mit dem Leiter des Forschungsvorhabens Dr. Sh., später Dr. G. abgeschlossen worden. Danach war die Klägerin erst wieder ab dem 22.4.2002 beschäftigt und zwar als Teilzeitkraft aufgrund bis zum 21.4.2004 und sodann bis zum 20.5.2004 befristeter Privatarbeitsverträge mit Dr. G.. Noch während ihrer Laufzeit vereinbarte sie mit der Beklagten am 17.6.2003 eine vom 18.6.2003 bis zum 17.6.2005 befristete Beschäftigung als Teilzeitkraft gemäß BAT-O.

Die Beklagte ist zum 1.6.2003 gem. § 2 HS-MedG Berlin als Gliedkörperschaft der FU und der H.–U, zu Berlin (HU) errichtet worden. Die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer gingen gem. § 3 Abs. 3 HS-MedG auf die Beklagte über. Die FU und die HU hatten im Januar 2003 ihre Mitgliedschaft in den Arbeitgeberverbänden des Öffentlichen Dienstes beendet und seither das Tarifwerk des BAT / BAT-O nach Maßgabe der Regelungen des Anwendungs-TV Land Berlin vom 31.7.2003 angewandt. Am 16.3.2004 beschossen die Klinikumsvorstände der Beklagten, ab 1.4.2004 bei Neueinstellungen arbeitsvertraglich u.a. Urlaubsgeld und Sonderzuwendung auszuschließen, eine Klausel im Arbeitsvertrag aufzunehmen, nach der sich die Arbeitsbedingungen automatisch an dem zu erwartenden Haustarifvertrag ausrichten, und im Übrigen die Vorschriften der bisherigen tariflichen Regelungen des BAT/BAT-O mit Stand 31.12.2002 zu vereinbaren. Ein weiterer Beschluss vom 20.4.2004 sieht vor, dass Ausnahmen bei Neueinstellungen, bspw. sog. „Weiterbeschäftigungen“ nicht gemacht werden. Die hiervon betroffenen Arbeitnehmer werden von der Beklagten als AVR - Beschäftigte bezeichnet. Die Beschlüsse sind zum 1.4. / 1.5.2004 ohne Zustimmung des Personalrates umgesetzt worden. Das Verwaltungsgericht Berlin hat am 7.2.2007 (– 62 A 7.06 –) festgestellt, dass damit sein Mitbestimmungsrecht aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG verletzt worden ist. Die dagegen eingelegte Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht Berlin – Brandenburg am 19.9.2007 (- 60 PV 6.06 -) zurückgewiesen.

Auf der Grundlage des Eckpunktepapiers vom 18.10.2006 trat bei der Beklagten zum 1.1.2007 der Tarifvertrag für die Ch. – Universitätsmedizin Berlin (TV-Ch.) vom 18.12.2007 in Kraft. Das Eckpunktepapier sieht unter Ziffer 5 die Zahlung von Zuwendungen und Jahressonderzahlungen für die Jahre 2007 bis 2010 wie folgt vor:

„Die Zuwendung nach ZuwendungsTV beträgt ab 2007 (in v.H. der bisher gezahlten Zuwendung):

        

West

Ost

AVR

2007

63% + 250 € EZ

63% + 100 € EZ

10%

2008

63%

63%

20%

Die Jahressonderzahlung nach TVöD beträgt ab 2009 (in v.H. der in § 20 TVÜ vorgesehenen Jahressonderzahlung):

        

West

Ost

AVR

2009

45% + 100%
Urlaubsgeld

45% + 100%
Urlaubsgeld

30% + 100
Urlaubsgeld

2010

45% + 150 € EZ
im April
+ 150 € im Juli

45% + 150 €
im April
+ 150 € im Juli

45% + 150 €
im April
+ 150 € im Juli

Im Übrigen erfolgen für den Zeitraum ab 2004 keine Anpassungen mit Ausnahme der hier geregelten Überleitung.“

Im TV-Ch. ist im Abschnitt III unter „Eingruppierung und Entgelt“ bestimmt:

„III a Überleitungsvorschriften für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2008

….

(7) Zum 1. Januar 2007 werden die vom 1. Mai 2004 bis 31. Dezember 2006 nach den Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) der Ch. Beschäftigten in die Vergütungs- und Lohnsystematik des BAT/BMT-G unter Anrechung von Vorzeiten überführt. Rückwirkende Zahlungsansprüche werden ausdrücklich nicht begründet.

(8) Die Tarifverträge über ein Urlaubsgeld für Angestellte/Arbeiter der jeweiligen Tarifgebiete finden für alle Beschäftigten Anwendung,

(9) Die Tarifverträge über eine Zuwendung für Angestellte/Arbeiter für die Tarifgebiete West und Ost finden mit der Maßgabe Anwendung, dass in Höhe der Zuwendung jeweils 63 v.H. des Zuwendungsbetrages des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973, Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung Ang-O) vom 10. Dezember 1990, Tarifvertrag über eine Zuwendung für Arbeiter vom 12. Oktober 1973, Tarifvertrag über eine Zuwendung für Arbeiter (TV Zuwendung Arb-O) vom 10. Dezember 1990, jeweils in der Fassung, die zum 1. Januar 2003 gegolten hat, beträgt.

(10) Die Tarifverträge über eine Zuwendung für Angestellte/Arbeiter für die Tarifgebiete West und Ost finden für AVR-Beschäftigte mit der Maßgabe Anwendung, dass die Höhe der Zuwendung im Jahr 2007 10 v.H. und im Jahr 2008 20 v.H. des Zuwendungsbetrages des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973, Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung Ang-O) vom 10. Dezember 1990, Tarifvertrag über eine Zuwendung für Arbeiter vom 12. Oktober 1973, Tarifvertrag über eine Zuwendung für Arbeiter (TV Zuwendung für Arb-O) vom 10. Dezember 1990, jeweils in der Fassung, die zum 1. Januar 2003 gegolten hat, beträgt.

(11) Im Jahr 2007 erhalten die Beschäftigten des Tarifgebietes West zusammen mit der Zuwendung eine Einmalzahlung in Höhe von 250 Euro, die Beschäftigten des Tarifgebietes Ost in Höhe von 100 Euro. Teilzeitbeschäftigte erhalten die Einmalzahlung in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht. Die bis zum 31. Dezember 2006 nach AVR Beschäftigten sind hiervon ausgenommen.“

….

IIIb Für die Zeit ab 1. Januar 2009 gilt:

(1) Die Regelungen dieses Abschnittes und des Abschnitts III gelten mit der Maßgabe, dass die Entgelttabellen des TVöD- Bund (Tarifgebiet West) vom 1. Oktober 2005 angewandt werden.

(2) Die mit dem Entgelt für den Monat November 2009 zu zahlende Jahressonderzahlung berechnet sich für die Beschäftigten nach folgenden Maßgaben:

1. Der Bemessung der Jahressonderzahlung beträgt in allen Entgeltgruppen

a) bei Beschäftigten, für die nach dem TVöD die Regelungen des Tarifgebietes West Anwendung finden, 45 v.H. von 82,14 v.H.

b) bei Beschäftigten, für die nach dem TVöD die Regelungen des Tarifgebiets Ost Anwendung finden, 45 v.H. von 61,60 v.H.

c) bei bis zum 31. Dezember 2006 nach AVR Beschäftigten im Tarifgebiet West 30 v.H. von 82,14 v.H.

d) bei bis zum 31. Dezember 2006 nach AVR Beschäftigten im Tarifgebiet Ost 30 v.H. von 61,60 v.H.

2. Der sich nach Nr. 1 ergebende Betrag der Jahressonderzahlung erhöht sich um einen Betrag in Höhe von 255,65 Euro. Bei Beschäftigten, für die nach dem TVöD die Regelungen des Tarifgebietes West Anwendung finden und denen am 1. Juli 2009 Entgelt nach einer der Entgeltgruppen 1 bis 6 zusteht, erhöht sich dieser Zusatzbetrag auf 332,34 Euro. ……“

Am 16.6.2005 vereinbarten die Parteien eine weitere auf die Zeit vom 18.6.2005 bis zum 30.4.2008 befristete Beschäftigung. Der Vertrag, der ein festes Entgelt von 2.044,12 Euro, einen Ortszuschlag sowie einen Verweis auf den BAT-O vorsieht, entspricht dem Beschluss vom 16.3.2004. Infolge dessen erhielt die Klägerin weder in den Jahren 2005 bis 2007 ein Urlaubsgeld noch in den Jahren 2005 und 2006 eine Sonderzuwendung. Gegen die Befristung des Vertrages ging sie mit der Klage vom 25.7.2007 vor. Weiterer Streitgegenstand war die Zahlung des Urlaubsgeldes für die Jahre 2005 bis 2007 und der Sonderzuwendung für die Jahre 2005 und 2006. Der Rechtstreit ist durch Vergleich vom 25.9.2007 gem. § 278 Abs. 6 ZPO beendet worden. Er hat folgen den Inhalt:

„1. Es besteht Einigkeit, dass zwischen den Parteien seit dem 18.6.2005 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht und dieses ungekündigt ist. Die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag vom 16.6.2005, soweit nicht in diesem Vertrag etwas anders bestimmt wird.

2. Die Parteien sind sich ferner darüber einig, dass der in „Eckpunkten“ vorliegende, unter dem 18.10.2006 zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Ver.di vereinbarte Haustarifvertrag nach seinem Inkrafttreten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden wird. Insbesondere gilt dies für die in den Eckpunkten vorgesehenen Zuwendungen/Jahressonderzahlungen ab 2007.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht über den vorliegenden Fall hinaus an die Klägerin zur Abgeltung der Klageforderung 1.000,00 Euro brutto (tausend) zu zahlen. Soweit ein Urlaubsgeld für das Jahr 2007 bereits gezahlt wurde, wird diese Zahlung auf den vorliegenden Betrag nicht angerechnet.

4. Mit diesem Vergleich ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.“

Im November 2007 erhielt die Klägerin, die stets im C. V.-Klinikum der Beklagten bzw. der FU gearbeitet hat, eine Zuwendung i.H.v. 239,66 Euro brutto, die der Regelung für AVR Beschäftigte entsprechen soll. Mit der am 11.4.2008 eingegangenen Klage begehrt sie für das Jahr 2007 die Zahlung weiterer 1.818,48 Euro mit der Begründung, dass der Begriff „AVR Beschäftigte“ nicht definiert sei, eine sachliche Abgrenzung zu vergleichbaren Arbeitnehmergruppen fehle und ihr daher aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Zuwendung wie bei einer Arbeitnehmerin des Tarifkreises West zustehe.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 31.10.2008 dem Antrag der Beklagten folgend die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass unabhängig von einem Verzicht auf weitere Zahlungen in dem Vergleich vom 25.9.2007 der geltend gemachte Anspruch nicht bestehe. Die Klägerin sei eine AVR Beschäftigte im Sinne des TV-Ch.. Demnach stehe ihr nur eine Zuwendung in der bereits geleisteten Höhe zu. Die an diesen Tarifvertrag gebundene Beklagte habe auch nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz keine höhere Zuwendung zu zahlen.

Gegen das ihr am 22.12.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.1.2009 Berufung eingelegt und sie am 11.3.2009 begründet. Die Begründungsfrist ist gemäß Beschluss vom 24.2.2009 zum 11.3.2009 verlängert worden. Die Klägerin hat nach einer Neuberechnung ihre Klage auf 1.557,71 Euro reduziert. Nach dem ihr eine Zuwendung für das Jahr 2008 in Höhe von 427,01 Euro und für das Jahr 2009 in Höhe von 586,79 Euro gezahlt worden war, hat sie mit Klageerweiterung vom 2.9.2009 für das Jahr 2008 weitere 1.151,78 Euro und mit Klageerweiterung vom 8.12.2009 für dieses Jahr weitere 512,16 Euro eingeklagt.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie nicht zu den sog. AVR Beschäftigten, sondern zu den zum Tarifkreis West gehörenden Arbeitnehmern zähle. Ihr stehe daher für 2007 zumindest eine Zuwendung von 63 % von 2.456,14 Euro zuzüglich der Einmalzahlungen von 250,00 Euro zu, so dass nach Abzug der geleisteten 239,66 Euro eine Differenz von 1.557,70 Euro verbleibe. Für das Jahr 2008 seien es 1.578,79 und für 2009 1.107,95 Euro, so dass nach Abzug der Zahlung von 427,01 Euro für 2008 eine Restforderung von 1.151,78 Euro und für 2009 und nach Abzug der 596,79 Euro eine Restforderung von 521,16 Euro offenstehe. Eine andere Zuordnung verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Sie sei seit dem 16.6.2003 durchgängig tätig und stehe spätestens seit dem 16.6.2005 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Sie sei daher keine neu eingestellte Arbeitnehmerin im Sinne der Vorstandsbeschlüsse vom 16.3. und 20.4.2004, die aufgrund der Unwirksamkeit ihrer Umsetzung die bis dahin bestehende Vergütungsordnung nicht hätten ändern können. Nach dieser von dem Zuwendungstarifvertrag bestimmten Ordnung habe sie wie die vor dem 1.4.2004 unbefristet eingestellten Arbeitnehmer einen Anspruch auf die ungeschmälerte Sonderzuwendung gehabt. Dieser Anspruch habe ihr durch den TV-Ch. nicht rückwirkend genommen werden können. Sie werde daher gegenüber den bis zum Inkrafttreten des Vorstandsbeschlusses vom 16.3.2004 unbefristet und insbesondere den erstmals im Jahr 2007 eingestellten Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund benachteiligt. Die Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, dass sie als Normunterworfene an den Tarifvertrag gebunden sei. Der Prozessvergleich vom 25.9.2007 stehe ihrem Anspruch nicht entgegen. Sie habe mit ihm auf die Ansprüche nicht verzichtet.

Die Klägerin beantragt unter Rücknahme der Berufung im Übrigen,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31.10.2008 - 58 Ca 6148/08 - teilweise abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.557,70 Euro brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.12.2007 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.151,77 Euro brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basszinssatz seit dem 2.12.2008 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 521,16 Euro brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und führt aus, dass der Klägerin aufgrund des Vergleichs vom 25.9.2007 i.V.m. § 7 ihres Arbeitsvertrages und dem TV-Ch. nicht mehr als die gezahlten Zuwendungen zustehen, da sie zu den sog. AVR- Beschäftigten gehöre. Sie sei erst ab dem 18.6.2005 unbefristet beschäftigt. Anspruchsgrundlage sei allein der TV-Ch., demgemäß sie nur Ansprüche als AVR Beschäftigte habe. Die in den Beschlüssen von 16.2.3., 20.4.2004 festgelegte Stichtagsregelung sei eingehalten worden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege nicht vor. Vielmehr würden mit dem Tarifvertrag Ungleichbehandlungen mittelfristig beseitigt. Eine unterschiedliche Behandlung gegenüber neu eingestellten Arbeitnehmern sei sachlich gerechtfertigt, da im Gegensatz zu ihnen die AVR Beschäftigten durch den Tarifvertrag Restrukturierung vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt und unter Anrechung von Vorzeiten in die Lohngruppensystematik des BAT eingruppiert seien. Die neu eingestellten Arbeitnehmer seien auch nicht die Gruppe, mit denen die AVR Beschäftigten zu vergleichen seien. Hinsichtlich der Sonderzuwendungsbestimmungen werde vielmehr zwischen Mitarbeitern des Tarifgebietes West und Ost aus dem alten BAT-System und den AVR Beschäftigten differenziert. Letztlich müsse die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen Art. 3 GG auch nicht im Anspruch auf die gleiche Leistung bestehen. Unabhängig davon habe die Klägerin auf weitergehende Leistungen im Vergleich vom 25.9.2007 verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die an sich statthafte, fristgerecht eingelegte und innerhalb der verlängerten Frist ordnungsgemäß begründete Berufung hat Erfolg. Die auch mit ihren Erweiterungen vom 2.9.2009 und 8.12.2009 zulässige Klage ist mit dem im Termin vom 27.1.2010 gestellten Anträgen begründet.

1. Die Klageerweiterungen sind nach § 533 ZPO zulässig. Ihnen liegt ein Sachverhalt zugrunde, der im Wesentlichen mit dem identisch ist, auf dem die erstinstanzliche Klageforderung beruht. Durch sie werden weitere Verfahren zwischen den Parteien über den Anspruch auf eine Zuwendung nach den TV-Ch. vermieden, für den die Zuordnung der Klägerin zu den AVR Beschäftigten von Bedeutung ist.

2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine Zuwendung für die Jahre 2007, 2008 und 2009 in Höhe von jeweils 1.797,37 Euro, 1.578,79 Euro und 1.107,95 Euro, so dass nach Abzug der geleisteten Zuwendungen noch eine Restforderung für die Jahre 2007 in Höhe von 1.557,70 Euro, 2008 in Höhe von 1.151,77 Euro und 2009 in Höhe von 521,16 Euro verbleibt.

2.1 Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus ihrem Arbeitsvertrag vom 16.6.2005 in Verbindung mit dem Prozessvergleich vom 25.9.2007. Demnach findet auf ihr Arbeitsverhältnis der Haustarifvertrag der Beklagten Anwendung. Dies gilt insbesondere für die in den Eckpunkten vorgesehenen Zuwendungen/ Jahressonderzahlungen ab 2007. Mit der uneingeschränkten Inbezugnahme des Haustarifvertrages wollten die Parteien die Klägerin so stellen, als ob der Haustarifvertrag, der dann als TV-Ch. mit Wirkung zum 1.1.2007 abgeschlossen worden ist, kraft Tarifbindung auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

2.2 Der TV-Ch. differenziert hinsichtlich der Zuwendungen nach der Zuordnung der Arbeitnehmer zu dem Tarifgebiet West oder Ost oder der Gruppe der AVR Beschäftigen. Die Klägerin gehört zur Gruppe der AVR Beschäftigten. Dem steht nicht entgegen, dass der Begriff der AVR Beschäftigten im Tarifvertrag nicht definiert ist. Die Buchstabenfolge „AVR“ wird im Bereich des Arbeitsrechts üblicherweise als Kürzel für den Begriff „Arbeitsvertragsrichtlinien“ verwendet. Solche Richtlinien hat die Beklagte mit den Beschlüssen vom 16.3.2004 und 20.4.2004 für die neu einzustellende Mitarbeiter eingeführt, mit denen sie Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Arbeitsverträge gemacht hat. Allein auf die ab dem 1.4./1.5.2004 eingestellten Arbeitnehmer kamen die Beschlüsse vom 16.3./20.4.2004 zur Anwendung. Diese Arbeitnehmer fielen unter die Arbeitsvertragsrichtlinien, so dass sie ohne Abgrenzungsschwierigkeiten als AVR Beschäftigte bezeichnet werden konnten. Auf diesen Arbeitnehmerkreis stellt der TV-Ch. erkennbar ab, da im Übrigen die durch kollektive Vereinbarungen zu regelnden Arbeitsvertragsbedingungen der weiteren Arbeitnehmer durch die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes geregelt waren.

2.3 Der Anspruch der Klägerin auf die Zuwendung für die Jahre 2007 bis 2009 ist nicht auf den Betrag beschränkt, der unter Abschnitt III, IIIa Abs. 10 und IIIb Abs. 1 b und c TV-Ch. für die AVR Beschäftigten vorgesehen ist. Diese Regelungen sind wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unwirksam, so dass der Klägerin ein weitergehender Anspruch nach den Regelungen des TV-Ch. für das Tarifgebiet West hat.

2.3.1 Tarifverträge sind daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere gegen das Grundgesetz oder höherrangiges Recht. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten (vgl. BAG Urteil vom 28.5.1996 – 3 AZR 752/95 – in AP Nr. 143 zu § 1 TVG Tarifverträge Metallindustrie). Ob dies aus einer unmittelbaren oder einer nur mittelbaren Bindung an die Grundrechte folgt, ist für den Prüfungsmaßstab ohne Bedeutung (vg. BAG Urteil vom 27.5.2004 – 6 AZR 129/03 in AP Nr. 5 zu § 1 TVG Gleichbehandlung).

2.3.2 Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn wesentlich gleich liegende Sachverhalte ohne einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden. Es kommt darauf an, ob sich aus dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck der Leistung Gründe herleiten lassen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitsgruppe eine Leistung vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden ist (vgl. BAG Urteil vom 28.5.1996 – 3 AZR 752/95 – a.a.O.). Das trifft auf die Regelungen für die AVR Beschäftigten unter Abschnitt III, IIIa Abs. 10 und IIIb Abs. 1 b und c TV-Ch. nicht zu.

2.3.2.1 Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz bereits im Verhältnis zu den Beschäftigten der Tarifgebiete West und Ost besteht, weil die Ansprüche der Klägerin gegenüber den Vorjahren verringert worden sind. Die Umsetzung der Beschlüsse vom 16.3./20.4.2004 war entsprechend dem rechtskräftigen Urteil des OVG Berlin – Brandenburg wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Personalrates aus § 85 Abs. 1 Nr. 10 PersVG Berlin unwirksam. Die Unwirksamkeit besteht nicht nur im Verhältnis zum Personalrat, sondern erfasst auch einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers und seine einzelvertraglichen Vereinbarungen. Die Durchführung der Mitbestimmung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für Maßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers. Nachteilig sind solche Maßnahmen die seine bereits bestehenden Rechtspositionen schmälern. Das kann im Ergebnis auch bei Neueinstellungen zur Folge haben, dass für den Arbeitnehmer Leistungen entstehen, die als solche vertraglich nicht vorgesehen sind (vgl. BAG Urteil vom 15.4.2008 – 1 AZR 65/07 – in AP Nr. 133 zu § 87 BetrVG). Die Beschlüsse vom 16.3./20.4.2004 haben die bestehenden Vergütungsgrundsätze zum Nachteil der Arbeitnehmer geändert, weil nicht mehr wie bisher über das monatliche Gehalt hinaus jährlich ein Einmalzahlung als Urlaubsgeld und eine weitere Einmalzahlung als Sonderzuwendung vorgesehen waren. Die Unwirksamkeit der Umsetzung dieser Beschlüsse führt dazu, das die bislang geltenden Vergütungsgrundsätze weiter anzuwenden waren und daher auch die AVR Beschäftigten in den Jahren 2004 bis 2006 einen Anspruch auf Einmalzahlungen in Höhe des Urlaubsgeldes und der Sonderzuwendung hatten (vgl. LAG Berlin - Brandenburg Urteil vom 27.1.2010 – 23 Sa 1258/09 - ). Der Unterschied zwischen den AVR Beschäftigten und den übrigen von TV-Ch. erfassten Arbeitnehmern bestand lediglich darin, dass diese in den Jahren 2004 bis 2006 einen aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung oder nachwirkender Tarifreglung bestehenden Anspruch auf die Einmalzahlungen hatten, während sich der Anspruch der AVR Beschäftigten aus dem Arbeitsvertrag erst in Verbindung mit den geltenden Vergütungsgrundsätzen ergab. Der Unterschied besteht damit lediglich im Anspruchsgrund, nicht aber in der Leistung und ihrer Höhe. Es ist zumindest zweifelhaft, darin einen derart wesentlichen Unterschied zu sehen, dass er eine Schlechterstellung der AVR Beschäftigen nach Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigt, die, wie die Klägerin, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-Ch. im Arbeitsverhältnis standen. Da sie bereist einen Anspruch auf die Einmalleistungen in voller Höhen hatten, war insoweit eine Angleichung der Leistungen entsprechend dem mit den Regelungen unter IIIa und IIIb TV-Ch. verfolgten Zweck nicht notwendig. Die Tatsache der knapp bemessenen finanziellen Mittel ist jedenfalls als Differenzierungskriterium nicht einleuchtend, da auch gegenüber den übrigen Arbeitnehmern eine Leistungsreduzierung möglich war. Die Frage bedurfte aber keiner abschließenden Entscheidung, weil aus anderen Gründen ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.

2.3.2.2 Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls deswegen verletzt, weil kein sachlicher Grund vorliegt, den AVR-Beschäftigten gegenüber den ab 1. Januar 2007 neu eingestellten Arbeitnehmern nur Ansprüche auf eine niedrigere Zuwendung einzuräumen. Dem steht nicht entgegen, dass die neu Eingestellten in dem Tarifvertrag nicht als eigene Gruppe ausgewiesen sind. Gerade die fehlende Differenzierung ihnen gegenüber führt zur unterschiedlichen Behandlung im Wesentlichen gleich gelagerter Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund. Der Ausschluss ordentlicher Kündigungen nach § 2 des Tarifvertrages zur sozialverträglichen Begleitung von Restrukturierungsmaßnahmen der Ch.-Universitätsmedizin Berlin (TV R Ch.) scheidet als Differenzierungsgrund aus. Er steht allen Arbeitnehmern zu, die unter den Geltungsbereich des TV-Ch. fallen und die von Personalanpassungsmaßnahmen betroffen sind, vorausgesetzt, dass sie zum Zeitpunkt des Wegfalls ihrer Beschäftigung seit mindestens einem Jahr bei der Ch. beschäftigt sind und in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen. Darunter können auch Neueinstellungen ab dem 1.1.2007 fallen. Die Tatsache, dass gem. Abschnitt III, IIIa Abs. 7 die AVR Beschäftigten unter Anrechnung von Vorzeiten in die Vergütungs- und Lohnsystematik des BAT/BMT –G überführt werden, während es bei Neueinstellungen diese Anrechnung nicht gibt, scheidet als Sachgrund für eine Differenzierung ebenfalls aus. Die Anrechung steht im Zusammenhang mit der Überführung in ein Vergütungssystem. Die neu Eingestellten waren nicht zu überführen, da mit ihnen im Gegensatz zu den AVR Beschäftigten ein Arbeitsverhältnis erst zu begründen war. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass mit der geringeren Sonderzuwendung die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten bei Neueinstellungen kompensiert werden sollte.

2.3.3 Der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hat zur Folge, dass den AVR Beschäftigten ein Anspruch auf die gleiche Leistung zu gewähren ist, wie sie den seit dem 1.1.2007 Eingestellten aufgrund des TV-Ch. zusteht. Grundsätzlich ist es Sache der Tarifvertragsparteien, eine im Tarifwerk entstandenen Regelungslücke zu schließen. Dies gilt auch unabhängig davon, dass die Tarifvertragsparteien dies im vorliegenden Fall unter § 39 Abs. 5 TV-Ch. ausdrücklich vorgesehen haben. Eine entsprechende Regelung ist aber bislang nicht getroffen worden. Die Sonderzuwendungen sind für die Jahre 2007 bis 2009 gezahlt worden. Eine Rückforderung der Leistungen von den ab dem 1.1.2007 Eingestellten ist bislang nicht erfolgt. Sie ist auch weder zu erwarten, noch für die Jahre 2007 und 2008 nach den Grundsätzen des Bereicherungsrechts gem. § 812 BGB aufgrund der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 37 TV-Ch. möglich. Auch durch tarifvertragliche Regelung wäre eine Rückzahlungsverpflichtung aufgrund des Vertrauensschutzes nicht möglich. Der Gleichheitsgrundsatz kann daher nur noch durch Zahlung der Zuwendung gewahrt werden, die auch die Neueingestellten erhalten haben. In einem derartige Fall ist den benachteiligten Arbeitnehmern ein Anspruch auf die versagte Leistung einzuräumen (vgl. BAG Urteil vom 28.5.1996 – 3 AZR 752/95 – a.a.O.9.

2.3.4. Der Zahlungsanspruch der Klägerin scheitert nicht an dem Vergleich vom 25.9.2007. Mit ihm hat die Klägerin auf eine Zuwendung nach dem TV-Ch. für die Jahre 2007 bis 2009 nicht verzichtet. Ansprüche auf eine Zuwendung für diese Jahre waren nicht Gegenstand des Rechtsstreits, der durch den Vergleich beendet worden ist. Der Vergleich enthält weder eine Festlegung auf die Zuwendung nach den für die AVR Beschäftigten vorgesehenen Bestimmungen des Eckpunktepapiers, noch eine Regelung für den Fall einer Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Regelungen. Die Einigung unter Ziffer 2 des Vergleichs beinhaltet allgemein eine Anwendung des in den Eckpunkten vorliegenden TV-Ch., so dass sich die aus ihm ergebenden Ansprüche erst mittels Anwendung der wirksamen Regelungen auf den Sachverhalt der Klägerin festzustellen sind.

2.3.5 Die Berechnung der Ansprüche hatte nach dem Tarifgebiet West zu erfolgen, da die Klägerin in dem in diesem Gebiet liegenden Virchow Klinikum beschäftigt war. Demnach stehen ihr zumindest die in den Schriftsätzen vom 11.3.2009, 2.9.2009 und 8.12.2009 berechneten Beträge zu. Die rechnerische Richtigkeit der Zuwendung für das Jahr 2009 hat die Beklagte in dem Schriftsatz vom 18.1.2010 ausdrücklich eingeräumt. Die zutreffende Altersstufe für die Berechnung der Zuwendungen für die Jahre 2007 und 2008 steht nicht mehr in Frage, da die Beklagte gemäß ihrem Schriftsatz vom 1.9.2009 selbst angibt, dass die Klägerin in die höchste Lebensalterstufe eingruppiert war.

3. Die Kostenentscheidung ist nach § 97 ZPO ergangen. Der Übergang von der Feststellungsklage in die Zahlungsklage wirkt sich Kostenmäßig nicht aus.

Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nummer 1 ArbGG zugelassen worden.