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Anordnung ärztlicher Untersuchung öffentlicher Dienst. Arbeitsbefreiung ohne Vergütungsfortzahlung zur Wahrnahme von Gerichtsterminen in eigener Sache


Metadaten

Gericht ArbG Potsdam 3. Kammer Entscheidungsdatum 28.02.2012
Aktenzeichen 3 Ca 2539/11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 3 Abs 5 TV-L, § 29 Abs 3 TV-L, § 616 BGB

Leitsatz

1) "Begründete Veranlassung" im Sinne des § 3 Abs. 5 TV-L, die eine Anordnung ärztlicher Untersuchung durch den Arbeitgeber rechtfertigt, kann auch darin bestehen, dass der Beschäftigte neben objektiven Ausfallzeiten infolge Krankheit gegenüber dem Arbeitgeber zum Ausdruck bringt, bei Wahrnahme der konkreten, durch das Direktionsrecht konkretisierten Tätigkeiten seine Gesundheit zu beeinträchtigen.

2) Die Freistellung von der Arbeit zur Wahrnahme eines Gerichtstermins in eigener Sache erfolgt gemäß § 29 Abs. 3 TV-L nach Ermessen des Arbeitgebers, nur in obsiegenden Fällen mit Vergütungszahlung, in sonstigen - hier - ohne Vergütungszahlung

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 2.113,33 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob eine vom beklagten Land gegenüber der Klägerin erfolgte Anordnung einer ärztlichen Untersuchung unwirksam ist und das Land verpflichtet ist, der Klägerin für eine Freistellung zur Wahrnahme eines Gerichtstermins das Entgelt fortzuzahlen.

Die Klägerin ist seit dem 06.12.1996 als angestellte Lehrerin bei dem beklagten Land gegen eine Bruttomonatsvergütung von zuletzt 3.967,96 Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist unstrittig der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12.10.2006 anzuwenden. Die Klägerin verfügt jeweils über eine Lehrbefähigung für das Lehramt für die Primarstufe und Sekundarstufe I. Seit 01.08.2000 verrichtete die Klägerin ihre Lehrtätigkeit im Bereich des nunmehrigen Schulamtes Brandenburg (vormals Potsdam-Mittelmark) und wurde auf eigenen Wunsch und Antrag vom 29.09.2009 mit Versetzungsverfügung vom 16.12.2009 (vgl.: Bl. 34 d.A.) ab dem 01.02.2010 zunächst mit 21/28 Lehrwochenstunden an der Grundschule B. eingesetzt. Auf weiteren Antrag der Klägerin vom 07.06.2010, in dem sie auf ihren seit Einsatz in B. und im Vergleich zu vorherigen Einsatzorten stabilisierten Gesundheitszustand verwiesen hatte, wurde ihre wöchentliche Unterrichtsverpflichtung ab dem Schuljahr 2010/2011 auf 28/28 Lehrstunden erhöht. Im Jahr 2010 war die Klägerin an 32 Tagen (nach Vortrag des Landes einschließlich Wochenenden) arbeitsunfähig erkrankt, die 25 Arbeitstagen (Montag bis Freitag) entsprechen.

Mit Verfügung vom 11.02.2011 wurde die Klägerin wegen Fachbedarfs an die W. Oberschule J. versetzt und zwar mit einer Unterrichtsverpflichtung von 19,5/26 Stunden pro Woche. Seit Beginn des Einsatzes an der Oberschule fiel die Klägerin in dem bis Sommer 2011 laufenden Schulhalbjahr krankheitsbedingt an 90 Tagen (unter Zugrundelegung einer Fünftagearbeitswoche an 66 Arbeitstagen) aus. Auf ein Angebot des beklagten Landes vom 24.03.2011 zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements reagierte die Klägerin nicht, sondern stellte mit Schreiben vom 30.03.2011 einen Antrag auf Rück-Umsetzung an die Grundschule B. (auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen; vgl.: Bl. 52 d.A.). Zuvor hatte die zuständige Krankenkasse der Klägerin mit Schreiben vom 18.03.2011 um eine Tätigkeitsbeschreibung für die Klägerin gebeten, die das Land unter dem 26.03.2011 abgab (vgl.: Bl. 51d.A.). In einem Personalgespräch am 12.04.2011 wurde der Klägerin erläutert, dass auf Grund der Bedarfssituation im Schulamtsbezirk eine Rück-Umsetzung an die Grundschule B. ausscheide, allenfalls ein Einsatz an einer Grundschule in J. oder Oberschule in D. in Frage kommen könnte (vgl. das dazugehörende Protokoll Bl. 54 bis 56 d.A.). Mit Schreiben vom 20.04.2011 an das Staatliche Schulamt wies die Klägerin darauf hin, dass ihr Einsatz in der Sekundarstufe ihrer Genesung abträglich sei und sie von einem Grundschuleinsatz an einem nahen Ort Genesungsfortschritte erwarte; auf das Schreiben wird ebenso verwiesen wie auf das Antwortschreiben des Landes vom 17.05.2011 dazu (vgl.: Bl. 59, 60 d.A. und 57, 58 d.A.). Die Klägerin wurde daraufhin mit Verfügung vom 25.05.2011 ab Beginn des Schuljahres 2011/2012 an die G. Grundschule in J. versetzt (vgl.: Bl. 61 d.A.). Bereits vom 12.09.2011 stammt ein neuer Antrag der Klägerin, ab dem 2. Halbjahr des gerade begonnenen Schuljahres 2011/2012 an die Grundschule in B. „rückumgesetzt“ zu werden, da sie sich dort wohl gefühlt habe und ihre gesundheitlichen Beschwerden sich in dieser Zeit erheblich verringert hätten; dagegen habe der Einsatz an der Grundschule in J. „weitere Beschwerden erzeugt“; auf die Einzelheiten des Schreibens wird verwiesen (vgl. Bl. 63 d.A.). Mit einer E-Mail-Nachricht vom 13.09.2011 stellte die Klägerin gegenüber dem Schulamt im Zusammenhang mit von ihr im Einzelnen monierten Arbeitszeitbedingungen fest, dass bei „nicht genügend Möglichkeiten zur Genesung und Regenerierung ... krankheitsbedingte Ausfälle nicht zu vermeiden sein“ werden (so: ebenda, Bl. 65 d.A.). Mit Schreiben vom 26.10.2011 erbat das Land beim amtsärztlichen Dienst des Landkreises W. unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 5 TV-L ein amtsärztliches Gutachten, da Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Klägerin bestünden; auf die Einzelheiten des Schreibens wird verwiesen (Bl. 67 bis 69 d.A.). Mit Schreiben vom 28.10.2011 teilte das Land der Klägerin mit, dass der Auftrag erteilt worden sei, eine amtsärztliche Aussage zu ihrer Dienstfähigkeit zu treffen (Bl. 7 d.A.). Außergerichtlich widersprach die Klägerin am 11.11.2011 der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung.

Mit am 05.12.2011 eingegangener Klage begehrt die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Anordnung vom 28.10.2011. Zum Gütetermin am 21.12.2011 war sie nach Anordnung des persönlichen Erscheinens anwesend, nachdem sie nach einem Antrag auf Befreiung vom Schulunterricht von der Schuldirektorin wegen fehlender entgegenstehender Gründe freigestellt worden war. Für diesen Tag erhielt die Klägerin keine Vergütung, die sich auf 133,33 Euro netto beläuft. Mit Klageerweiterung vom 21.02.2012 begehrt sie die Zahlung dieses Betrages vom beklagten Land.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen es § 3 Abs. 5 TV-L nicht vorlägen: Ihre krankheitsbedingten Ausfälle seien nur sporadisch, der Fragenkatalog an den amtsärztlichen Dienst unzulässig, ein Versuch einer Verständigung mit dem Personalrat auf einen Arzt sei unterblieben und Fürsorgegesichtspunkte als Grund für die Anordnung nicht ersichtlich. Sowohl die häufigen Einsatzortwechsel als auch die überdurchschnittlich anfallende Mehrarbeit sowie der erhebliche Arbeitsweg seien Grund für ihre Krankheitsausfälle. Der Vergütungsanspruch für den Tag des Gütetermins ergäbe sich aus § 616 BGB.

Die Klägerin beantragt,

1.festzustellen, dass die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung vom 28.10.2011 unwirksam ist,
2.das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 113,33 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2012 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt

die Klage abzuweisen.

Das Land verteidigt sich gegen die Klage im Wesentlichen mit der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Anordnung gem. § 3 Abs. 5 TV-L vorlägen – nicht nur wegen der Ausfallzeiten der Klägerin, sondern unter Fürsorgegesichtspunkten, da die Klägerin ausweislich der vorliegenden Korrespondenz mehrfach hingewiesen hat, auf Kosten ihrer Gesundheit zu arbeiten. Das Land erklärt ausdrücklich, an dem Fragenkatalog im Schreiben an den amtsärztlichen Dienst vom 26.10.2011 nicht festzuhalten; es ginge ausschließlich um eine Bescheinigung, ob die Klägerin zur Leistung ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist. Die Befreiung der Klägerin von ihren Dienstpflichten am 21.12.2011 erfolgte auf Grundlage des § 29 Abs. 3 TV-L, so dass eine Entgeltfortzahlungspflicht für das beklagte Land nicht bestand.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie ihrer Anlagen und des Protokolls vom 28.02.2012 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die vom beklagten Land gegenüber der Klägerin erteilte Anordnung vom 28.10.2011, durch ärztliche Bescheinigung ihre Leistungsfähigkeit für die vertraglich geschuldete Tätigkeit nachzuweisen, ist nicht unwirksam, sondern gem. § 3 Abs. 5 TV-L gerechtfertigt gewesen (I). Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 113,33 Euro netto besteht nicht, da die Freistellung am 21.12.2011 nach § 29 Abs. 3 Satz 2 TV-L erfolgte und diese Vorschrift keine Fortzahlung des Entgeltes vorsieht (II).

I.

1.

Der Feststellungsantrag zulässig.

Der Klägerin steht das für das Feststellungsbegehren gem. § 256 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG gebotene Feststellungsinteresse zur Seite. Die Frage der Wirksamkeit der Anordnung vom 28.10.2011 betrifft unmittelbar die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien, nämlich die Frage, ob das beklagte Land berechtigt war, die Klägerin zum streitgegenständlichen Nachweis gem. § 3 Abs. 5 TV-L zu verpflichten und ist damit nicht nur Vorfrage oder abstrakte Rechtsfrage, sondern bewirkt eine tatsächliche Unsicherheit im Vertragsverhältnis der Parteien, für deren Beseitigung ein Feststellungsurteil geeignet ist. Die Klägerin war nicht auf einen einfacheren Weg zu verweisen, um ihr Ziel zu erreichen.

2.

a)

Die maßgebliche Bestimmung des unstrittig auf das Vertragsverhältnis der Parteien anwendbaren TV-L lautet:

§ 3 Allgemeine Arbeitsbedingungen

...

(5) der Arbeitgeber ist bei begründeter Veranlassung berechtigt, Beschäftigte zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind. Bei dem beauftragten Arzt kann es sich um einen Amtsarzt handeln, soweit sich die Betriebsparteien nicht auf einen anderen Arzt geeinigt haben. Die Kosten dieser Untersuchung trägt der Arbeitgeber.

...“

b)

b.1)

Die mit § 3 Abs. 5 TV-L eröffnete Möglichkeit für den öffentlichen Arbeitgeber, zum Nachweis der Leistungsfähigkeit für die geschuldete Tätigkeit den Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis zu verpflichten, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, setzt eine „begründete Veranlassung“ voraus. Es müssen für die Rechtfertigung eines solchen arbeitgeberseitigen Verlangens konkrete Tatsachen bzw. sachliche Gründe vorliegen, die gewichtige Zweifel daran begründen, dass der Arbeitnehmer in der Lage ist, seine geschuldete Leistung zu erbringen (so: Weber, Wocken: Mitbestimmung bei Einstellungsuntersuchungen im öffentlichen Dienst, NZA 2012, S. 191 m.w.N.). Nach der Vorgängervorschrift des § 7 Abs. 2 Satz 1 BAT konnte der Arbeitgeber „bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt oder das Gesundheitsamt feststellen lassen, ob der Angestellte dienstfähig oder frei von ansteckenden Krankheiten ist“ und durfte nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BAT „von der Befugnis nicht ... nicht willkürlich Gebrauch gemacht werden“. Die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung ist bereits mit einer Entscheidung vom 23.02.1967 vom Bundesarbeitsgericht dahin ausgelegt worden, dass der sachliche Grund für die Anordnung einer Untersuchung – unter anderem - sowohl in der Fürsorgepflicht für den Angestellten selbst und für die mit ihm arbeitenden Angestellten als auch im sonstigen Pflichtenkreis des Betriebes oder der Verwaltung liegen kann (so: BAG vom 23.02.1967 – 2 AZR 124/66 -, AP BAT § 7 Nr. 1; aber auch: BVerwG vom 05.11.2010 – 6 P 18.09 – PersR 2011, S. 38). Der Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers als Grund für eine „gegebene Veranlassung“ im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 BAT wurde durch nachfolgende Entscheidungen bestätigt (vgl. z.B.: BAG vom 21.06.1978 – 4 AZR 816/76 – AP Nr. 3 zu § 25 BAT; BAG vom 28.02.1990 – 2 AZR 401/89 – NZA 1990, S. 727; BAG vom 15.07.1993 – 6 AZR 512/92, NZA 1994, S. 851).

Im Unterschied zu dieser bis zur Einführung des TV-L geltenden Vorschrift und der für eine arbeitgeberseitig veranlasste ärztliche Untersuchung im bestehenden Arbeitsverhältnis erforderlichen „gegebenen Veranlassung“ spricht die nunmehrige Tarifvorschrift des § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L von einer „begründeten Veranlassung“ und hat das in der Vorgängervorschrift in deren Satz 2 aufgenommene Willkürverbot nicht ausdrücklich in den Tarifwortlaut aufgenommen. Ungeachtet dessen, ob mit „begründeter“ Veranlassung ein strengerer Maßstab als mit „gegebener“ Veranlassung angelegt wird, verweist die Kommentierung darauf, dass bereits durch die zur Vorgängervorschrift ergangene Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Ermessensentscheidung des Arbeitgebers geknüpft wurden, um dem Arbeitgeber den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers – die in einer Untersuchungsanordnung liegt – zu gestatten und deshalb der veränderte Wortlaut in der Sache eine Anpassung an die ergangene Rechtsprechung darstelle (so: Breier/Dassau /Kiefer/Thivessen: TV-L Kommentar, Rehm-Verlag Band 1; § 3, Rdz. 137; Übernahme der bisherigen Rechtsprechung –allerdings unproblematisiert - auch bei: Sponer/Steinherr, TV-L Kommentar zum Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst der Länder, Verlag r.v.decker, § 3, Rdz.; Kutzki in: Beck’scher Online-Kommentar TV-L, Hrsg. Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr, Stand 15.11.2011 Edition:17, § 3 Rdz. 46, wobei danach „begründete Veranlassung“ das Vorliegen eines sachlichen Grundes bedeutet, der ohne ausdrücklichen, aber inhaltlichen Rückgriff auf die bisherige Rechtsprechung auch „in der Fürsorgepflicht für die Beschäftigten ...“ liegen könne).

Festzuhalten ist damit zum ersten, dass bei bestehendem Arbeitsverhältnis die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte zulässig ist, die klärungsbedürftige Zweifel an der uneingeschränkten Leistungsfähigkeit des Angestellten für die geschuldete Arbeitsleistung begründen.

Die tariflich eingeräumte Ermessensentscheidung durch den Arbeitgeber ist zum zweiten zugleich unmittelbar verknüpft mit der Art der geschuldeten Tätigkeit und den Bedingungen ihrer Ausübung und durch diese begrenzt: Sachlich kann eine Anordnung nach § 3 Abs. 5 TV-L nur ergehen, wenn sich die „begründete Veranlassung“ auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit im konkreten Einzelfall bezieht. Der in der Untersuchungsanordnung zum Nachweis der Leistungsfähigkeit zweifellos liegende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des betreffenden Angestellten muss verhältnismäßig sein. Diese Verhältnismäßigkeit kann sich nur aus der Abwägung der Interessen der Vertragsparteien ergeben. Auf der einen Seite sind dies die des Angestellten am Schutz seiner (gesundheitlichen) Persönlichkeitssphäre vor vertragsfremden „Zugriffen“ des Vertragspartners, auf der anderen Seite steht das Interesse des Arbeitgebers an der Beseitigung von begründeten Zweifeln hinsichtlich der Dienst- bzw. Leistungsfähigkeit des Angestellten in den konkreten vertraglichen und direktionsrechtlichen Einzelfallbedingungen.

Mit den vorstehend genannten Voraussetzungen bzw. Beschränkungen, unter denen ein Recht des Arbeitgebers nach § 3 As. 5 TV-L bzw. die damit verbundene Pflicht des Angestellten nur bestehen kann, korrespondiert die Frage, was der Arbeitgeber bei bestehendem Anordnungsrecht sowohl an Informationen an den betreffenden Arzt übermitteln darf als auch, welche Informationen er zu erhalten hat. Die Antworten auf beide Fragen ergeben sich aus der Tarifvorschrift zwar nicht direkt, jedoch aus ihrem Zweck: Ausdrücklich spricht § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L von der Verpflichtung der Beschäftigten (die der Arbeitgeber bei Vorliegen sachlicher Gründe begründen kann), „durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind“. Damit hat der Arbeitgeber seine Mitteilungen an z.B. den Amtsarzt auf die sachliche Darstellung der Umstände zu beschränkten, die aus seiner Sicht Anlass zu Zweifeln an der Leistungsfähigkeit des Beschäftigten darstellen. Negative Bewertungen, für die keine oder vertretbare Tatsachengrundlage mitgeteilt wird oder die Mitteilung von Umständen, die erkennbar nicht mit der Leistungsfähigkeit im Zusammenhang stehen, haben zu unterbleiben und können eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers bedeuten (so ausdrücklich: LAG Hamburg vom 13.09.2007 – 8 Sa 35/07 -, BeckRS 2008, 56418). Da es nach der Tarifvorschrift ausschließlich um den ärztlichen Nachweis geht, dass der Beschäftigte zur Leistung der geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist, hat sich der entsprechende Nachweis des beauftragten Arztes nur auf das „Ob“ und nicht auf darüber hinausgehende medizinische Fragen zu erstrecken.

b.2)

Gemessen an den vorstehenden Maßstäben hält die im Schreiben vom 28.10.2011 liegende Anordnung als eine solche nach § 3 Abs. 5 TV-L der gerichtlichen Überprüfung stand. Das beklagte Land war berechtigt, die Klägerin mit diesem Schreiben zu verpflichten, sich zum Zweck der Feststellung ihrer Leistungsfähigkeit einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen:

Zunächst ist festzuhalten, dass beide Parteien davon ausgehen und damit unstrittig ist, dass es sich bei dem Schreiben vom 28.10.2011 um eine arbeitgeberseitige Anordnung einer ärztlichen Untersuchung zur Dienstfähigkeit (Leistungsfähigkeit) der Klägerin handelt, ohne dass die maßgebliche Tarifvorschrift bzw. deren Wortlaut wiedergegeben wurde.

Eine begründete Veranlassung im Sinne des § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L lag vor: Die Klägerin ist als angestellte Lehrerin im Dienst des beklagten Landes tätig und verpflichtet, die ihr obliegenden Lehrtätigkeiten, für die sie die entsprechenden Befähigungen erworben hat (Primarstufe und Sekundarstufe 1), an den jeweils zugewiesenen Einsatzschulen zu verrichten. Die Klägerin schuldet weder nur den Unterricht an Grundschulen oder Schulen mit Sekundarstufe 1 noch nur den Einsatz an bestimmten, örtlich festgelegten Schulen. Sie ist verpflichtet, ihre Lehrtätigkeit im Primar- und Sekundarstufen-1-Bereich grundsätzlich im gesamten Land Brandenburg zu verrichten. Eine vertraglich vereinbarte Beschränkung des daraus resultierenden Direktionsrechts des beklagten Landes ist nicht behauptet worden.

Nach den vorliegenden unstrittigen Sachverhaltsumständen durfte das beklagte Land aus Gründen der Fürsorge gegenüber der Klägerin die Anordnung vom 28.10.2011 treffen, da jedenfalls seit dem Jahr 2010 sachlich begründete Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht uneingeschränkt ihre geschuldete Lehrtätigkeit unter den vertraglich vereinbarten (und das Direktionsrecht des Landes einschließenden) Bedingungen verrichten kann. Nachdem die Klägerin zunächst mit 21/28 Lehrwochenstunden an der - wohnortnahen – Grundschule B. eingesetzt war, hat sie unter Hinweis auf ihren durch diesen Einsatz beförderten gesundheitlichen Zustand die von ihr beantragte Aufstockung auf 28/28 Lehrstunden pro Woche ab dem Schuljahr 2010/2011 erhalten. Ihre durch Krankheit im Kalenderjahr 2010 ausgefallenen 25 Arbeitstage sind unstrittig, sind aber entgegen der Auffassung des Landes für die Kammer noch kein Umstand, der an sich die Anordnung rechtfertigen konnte.

Dieses Anordnungsrecht ergibt sich aus den chronologisch folgenden Geschehnissen: Etwa mit der zu Beginn des Jahres 2011 wegen Fachbedarfs erfolgten Versetzung der Klägerin an die Oberschule J. (Sekundarschule) fiel sie im laufenden ersten Schulhalbjahr 2011 krankheitsbedingt an 66 Arbeitstagen aus (nach der vom Land vorgelegten Übersicht in den Zeiträumen 14.02.2011 bis 25.03.2011, 01.04.2011 bis 19.04.2011, 02.05.2011 bis 01.06.2011). Ein seitens des beklagten Landes erfolgtes Angebot auf Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements vom 24.03.2011 blieb von der Klägerin unbeantwortet. Noch während der krankheitsbedingten Nichtarbeit erbat sie unter Bezugnahme auf eine vom Land in Aussicht gestellte Prüfung eines Grundschuleinsatzes im folgenden Schuljahr mit Schreiben vom 30.03.2011 die Umsetzung an die Grundschule B., verwies zugleich darauf, dass „ein Verbleib an der W. für alle Beteiligten keineswegs sinnvoll wäre“ und bat „verstärkt darum, ... (ihr) einen ausschließlichen Einsatz an der Grundschule zu gewähren“(vgl.: Bl. 52 d.A.). In dem mit der Klägerin am 12.04.2011 daraufhin geführten Personalgespräch wurde ausweislich des dazu vorlegten Gesprächsvermerks von der Klägerin erklärt, sie fühle sich nicht in der Lage, an einer Oberschule zu arbeiten; angeboten wurde eine Umsetzung an eine Grundschule, jedoch nicht die in B. gelegene (vgl.: Bl. 54 d.A.). Mit Schreiben vom 20.04.2011 an das Schulamt stellte die Klägerin selbst einen aus ihrer Sicht bestehenden Zusammenhang zwischen ihrer gesundheitlichen Verfassung und einem Einsatz in der Sekundarstufe dar, indem sie darauf verwies, dass ihr für einen „Einsatz an einer Sekundarschule .... momentan die nötige Kraft (fehle) und deshalb „darum bitte, einen Einsatz an einer Sekundarschule komplett auszuschließen“ sowie „durch einen nahen Einsatzort Zeit für die Genesung zu ‚schenken’ ...“ (Bl. 60 d.A.). Bereits aus diesen Erklärungen der Klägerin durfte das Land entnehmen, dass die Klägerin offensichtlich bereits im Vorgriff auf die Zeit nach beendeter Arbeitsunfähigkeit eine (weitere? vollständige?) Genesung vom Einsatz an einer Grundschule – wenn irgend möglich der in B. – bzw. vom Nichteinsatz an einer Sekundarschule - gerechtfertigt oder nicht - abhängig gemacht bzw. selbst ausgeschlossen hat, an einer Sekundarschule tätig zu sein. Dies deckt sich mit dem Vermerk zum Personalgespräch vom 12.04.2011 insoweit, als sich die Klägerin dort dahingehend erklärt hat, nicht in der Lage zu sein, an einer Oberschule zu arbeiten, was nichts anderes bedeuten konnte, als sie einen solchen Einsatz an einer Sekundarschule für sich ausgeschlossen hat. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Personalgesprächs am 12.04.2011 in dem laufenden Schulhalbjahr ausweislich des Vermerks zum Gespräch am 12.04.2011 bis auf Hospitationen noch gar nicht in die Unterrichtserteilung einbezogen worden war (so: Bl. 54 d.A.). Der nach Versetzung an eine – dem Wunsch der Klägerin entgegenkommend – Grundschule in J. und auch Aufnahme der Unterrichtstätigkeit an dieser Schule ab dem neuen Schuljahr 2011/2012 bereits unter dem 12.09.2011 erneut erfolgte Antrag, an die Grundschule B. umgesetzt zu werden, war wiederum mit gesundheitlichen Gründen untermauert worden: Nach dem Schreiben (vgl.: Bl. 63 d.A.) hätten sich während des vormaligen Einsatzes in B. die gesundheitlichen Beschwerden nicht nur erheblich verringert, sondern die Einsatzänderungen an der Grundschule in J. „weitere Beschwerden“ erzeugt, die „bis heute Anlass für regelmäßige Behandlungen geben“. Entsprechend wiederholte und untersetzte die Klägerin mit der E-Mail-Nachricht vom darauffolgenden Tag (13.09.2011) die aus ihrer Sicht beanstandungswürdigen Arbeitszeitbedingungen und machte deutlich, dass bei unzureichenden Regenerierungs- und Genesungsmöglichkeiten krankheitsbedingte Ausfälle nicht zu vermeiden seien (vgl.: Bl. 64, 65 d.A.).

Alle diese Erklärungen der Klägerin waren in Zusammenschau mit der durch Krankheit bedingten Ausfallzeit im 1. Halbjahr 2011 (Zeit des geplanten Oberschuleinsatzes) begründete Veranlassung im Sinne des § 3 Abs. 5 TV-L, von der tariflich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Klägerin zum ärztlichen Nachweis ihrer Arbeitsfähigkeit zu verpflichten. Nicht nur die tatsächlichen Nichtarbeitszeiten, die in den Zeiten des geplanten Einsatzes an der Oberschule signifikant angestiegen waren, sondern vor allem auch die dazu gehörenden eigenen Erklärungen der Klägerin, mit denen sie ihre Anträge auf Umsetzung an die Grundschule B. begründet hat, musste das Land als hinreichend sichere Anhaltspunkte aufgreifen, da sie erhebliche Zweifel an der uneingeschränkten Einsetzbarkeit der Klägerin aus gesundheitlicher Sicht begründen. Das betrifft sowohl Zweifel am uneingeschränkten fachlichen Einsatz entsprechend ihren erworbenen Lehrbefähigungen als auch am uneingeschränkten örtlichen Einsatz. Angesichts der mehrfach abgegebenen Erklärung, letztlich sei nur ein Einsatz an der Grundschule B. gesundheitlich förderlich, durfte das Land veranlassen, zunächst und vorrangig im Interesse der Klägerin selbst Gewissheit zu erlangen, dass die Leistungsfähigkeit für die geschuldete Lehrtätigkeit in Grund- und Sekundarstufe vorliegt und der Klägerin bei bedarfsbezogenem Einsatz im Land Brandenburg nichts Unmögliches bzw. von ihr aufgrund gesundheitlicher Dispositionen nicht mehr uneingeschränkt Leistbares abverlangt wird. Eine - wie vorliegend - begründete Annahme, die Arbeitnehmerin werde infolge ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in vollem Umfang beschäftigt werden können, rechtfertigt eine Verpflichtung nach § 3 Abs. 5 TV-L als sachlich gerechtfertigt (so vergleichbar: LAG Berlin vom 17.01.1983 – 9 Sa 95/82 – AP Nr. 9 zu § 1KSchG 1969 Krankheit).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich die Unwirksamkeit der Anordnung vom 28.10.2011 auch nicht aus anderen Umständen: Zum ersten geht die Rüge, das Land habe sich mit dem Personalrat nicht auf einen Arzt verständigt und bereits deshalb sei die Anordnung unwirksam, ins Leere. § 3 Abs. 5 Satz 2 TV-L bestimmt keine verpflichtende „Vorabeinigung“ auf einen die ärztliche Untersuchung durchführenden Arzt, sondern nur, dass es sich bei dem beauftragten Arzt um einen Amtsarzt handeln kann, s o w e i t sich die Betriebsparteien nicht auf einen anderen Arzt geeinigt haben. Bereits aus dem Wortlaut ergibt sich nicht, dass immer ein Einigungsversuch auf einen anderen Arzt als den Amtsarzt vorauszugehen hat. Dies würde erkennbar auch keinen Sinn machen. Ersichtlich haben die Tarifparteien in § 3 Abs. 5 Satz 1 TV-L dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt, bei begründeter Veranlassung den Arbeitnehmer zu verpflichten, seine Leistungsfähigkeit nachzuweisen. Nicht der Arbeitgeber hat nachzuweisen, sondern der Beschäftigte wird dazu verpflichtet. Die tarifliche Regelung erlaubt dem Arbeitgeber verlangen zu dürfen, dass die Untersuchung „durch einen Amtsarzt oder einen anderen Arzt, auf den sich die Betriebsparteien geeinigt haben, durchgeführt wird“ (so: Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen, a.a.O., Rdz. 163). Eine Einigung auf den Amtsarzt haben die Tarifparteien nicht gefordert; die Kompetenz des amtsärztlichen Dienstes wurde ersichtlich vorausgesetzt. Die Vorschrift des § 3 Abs. 5 TVG postuliert den Versuch einer Einigung auf einen Arzt nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung für die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers, den Amtsarzt zu beauftragen, sondern es steht der Arbeitgeberseite das Untersuchungsrecht zu (so ausdrücklich: ArbG Suhl vom 19.03.2009 – 5 Ca 886/08 – BeckRS 2011, 65649).

Die Unwirksamkeit der Anordnung ergibt sich auch nicht aus den gegenüber dem amtsärztlichen Dienst mit Schreiben vom 26.10.2011 erfolgten Mitteilungen bzw. dem angefügten Fragenkatalog, von dem die Klägerin offensichtlich erst durch die Klageerweiterung im vorliegenden Verfahren Kenntnis erlangt hat, da sie bis dahin eine entsprechende Rüge nicht erhoben hatte und von dem das beklagte Land bereits in der Klageerwiderung ausdrücklich Abstand genommen hat. Zunächst ist dem Arbeitgeber zuzubilligen und unbedenklich, wenn er von sich aus dem beauftragten Amtsarzt alle die Umstände sachlich mitteilt, aus denen aus seiner Sicht die Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers herrühren (vgl. LAG Hamburg, a.a.O.). Soweit die Untersuchung nach § 3 Abs. 5 TV-L zulässig ist, darf sie sich wegen ihres Zwecks – Nachweis der Leistungsfähigkeit – nur an den tatsächlichen Anforderungen der geschuldeten Tätigkeit orientieren; entsprechend hat der Arbeitgeber Mitteilungen an den Amtsarzt zu geben, weshalb er meint, dass dieser Nachweis geboten ist. Vorliegend hat das Land zunächst zulässig die vertragliche Situation zwischen den Parteien, die ab 2010 erfolgten konkreten Einsätze der Klägerin, die inhaltlichen Anforderungen an die geschuldete Tätigkeit, die objektiven Krankheitszeiten und die zusammengefassten Selbsteinschätzungen der Klägerin mitgeteilt. Darüber hinaus enthält das Schreiben Hinweise auf innerdienstliche Spannungen und Beschwerden von Eltern. Alle diese Umstände sind vom Land gegenüber dem amtsärztlichen Dienst als Anlass für Zweifel an der Arbeitsfähigkeit der Klägerin bezeichnet worden; die Mitteilungen sind in ihrem objektiven Gehalt zutreffend und stehen im Zusammenhang mit den veranlassten Zweifeln an der Leistungsfähigkeit der Klägerin.

Der Fragenkatalog, um deren Beantwortung das Land in dem Schreiben vom 26.10.2011 gebeten hat, betrifft dagegen erwartete ärztliche Erklärungen zu Fragen, die über die Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der Leistungsfähigkeit der Klägerin für die geschuldete Lehrtätigkeit hinausgehen (vgl.: Bl. 68, 69 d.A.). Eine Aussage dazu, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Grundleiden, Funktionsstörungen etc. vorliegen, ist von der Nachweisverpflichtung in § 3 Abs. 5 TV-L nicht umfasst; die Tarifnorm begründet nur ein Untersuchungsrecht bzw. eine entsprechende Verpflichtung dazu mit dem Ziel, eine Aussage zu erreichen, ob der untersuchte Beschäftigte zur Leistung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist. Unabhängig davon, dass das Land von diesen Fragen ausdrücklich Abstand genommen hat, waren sie ohnehin für die Frage der Wirksamkeit der gegenüber der Klägerin erfolgten Anordnung ohne Belang. So wie ggf. das Persönlichkeitsrecht verletzende Mitteilungen an den (Amts-) Arzt u.U. Schadenersatzansprüche begründen können (so wiederum: LAG Hamburg vom 13.09.2007, a.a.O.) können nach Auffassung der Kammer Antworten auf „überschießend“ gestellte Fragen durch den Arbeitgeber nicht verwertet werden. In einem solchen Fall dürfte der Arbeitnehmer sich mit Erfolg darauf berufen dürfen, dass solche Erkenntnisse weder im ungestörten Arbeitsverhältnis noch im Falle einer denkbaren personenbedingten Kündigung vom Arbeitgeber verwendet werden.

II.

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der für die Freistellung am 21.12.2011 nicht gezahlten 113,33 Euro netto ist unbegründet. Sie kann sich nicht mit Erfolg auf § 616 BGB stützen, da die Tarifparteien in § 29 TV-L eigenständige Regelungen getroffen haben. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch ist m vorliegenden Fall nach § 29 Abs. 3 Satz 2 TV-L ausgeschlossen, da für den 21.12.2011 nur ein Anspruch auf Freistellung, nicht aber Fortzahlung des Entgeltes bestand:

Es ist unstrittig, dass die Klägerin am 21.12.2011 wegen des zum Gütetermin im vorliegenden Verfahren angeordneten persönlichen Erscheinens bei der zuständigen Schulleiterin die Befreiung vom Unterricht gestellt hat, diese den Antrag wegen fehlender entgegenstehender dienstlicher Gründe genehmigt hat und das Schulamt den weitergeleiteten Antrag abschließend in dem zur Klageerweiterung Anlass gebenden Sinne beschieden hat.

a.

Die maßgebliche Tarifvorschrift des § 29 TV-L lautet:

„§ 29 Arbeitsbefreiung

(1) Nur die nachstehend aufgeführten Anlässe gelten als Fälle nach § 616 BGB, in denen Beschäftigte unter Fortzahlung des Entgelts in dem angegebenen Ausmaß von der Arbeit freigestellt werden:

a) Niederkunft der Ehefrau …
b) Tod …
c) Umzug…
d) … Arbeitsjubiläum
e) schwere Erkrankung …
f) Ärztliche Behandlung …

(2) Bei Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nach deutschem Recht besteht der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts, wenn die Arbeitsbefreiung gesetzlich vorgeschrieben ist und soweit die Pflichten nicht außerhalb der Arbeitszeit, gegebenenfalls nach ihrer Verlegung, wahrgenommen werden können; …

(3) Der Arbeitgeber kann in sonstigen dringenden Fällen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts bis zu drei Arbeitstagen gewähren. In begründeten Fällen kann bei Verzicht auf das Entgelt kurzfristige Arbeitsbefreiung gewährt werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es gestatten.

Protokollerklärung zu § 29 Abs. 3 Satz 2:

Zu den „begründeten Fällen“ können auch solche Anlässe gehören, für die kein Anspruch auf Arbeitsbefreiung besteht (zum Beispiel Umzug aus persönlichen Gründen).

(4) …

(5) …“

b.

Die Tarifparteien haben damit unter zulässigem Abbedingen bzw. Konkretisieren des § 616 BGB in § 29 Abs. 1 TVL abschließend jene Fälle geregelt, in denen Beschäftigte unter Fortzahlung des Entgelts in dem tariflichen bestimmten zeitlichen Umfang von der Arbeit freigestellt werden. Die Wahrnahme eines Gerichtstermins in einer eigenen Angelegenheit ist in der enumerativen Aufzählung des § 29 Abs. 1 Satz 1 TV-L nicht enthalten.

Eine solcher Anlass für Nichtarbeit stellt auch keine Wahrnahme staatsbürgerlicher Pflichten nach deutschem Recht dar, wie es in § 29 Abs. 2 TV-L vorausgesetzt wird.

Schließlich scheidet auch die Freistellungsmöglichkeit nach § 29 Abs. 3 Satz 1 TV-L, die ebenfalls eine Entgeltfortzahlung vorsieht, vorliegend aus: § 29 Abs. 3 Satz 1 TV-L setzt voraus, dass „sonstige dringende Fälle“ vorliegen; § 29 Abs. 3 Satz 2 TV-L spricht hingegen von „begründeten Fällen“, in denen ohne Entgeltfortzahlung eine Freistellung erfolgen kann (unbezahlte Freistellung). Das Wort „dringend“ im Sinne des Satzes 1 ist als Tatbestandsvoraussetzung auszulegen und bedeutet nach Sinn und Zweck der Norm, dass der Fall keinen Aufschub duldet, also Eile geboten ist (in diesem Sinne: Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen, TV-L Kommentar, Band 2; § 29 Rdz. 140). Eine so verstandene Dringlichkeit ist in die Ermessensausübung einzubeziehen, die Voraussetzung für eine Freistellung nach Abs. 3 Satz 1 ist (ebenda, Rdz. 141). In Abgrenzung zu „sonstigen dringenden Fällen“ nach Satz 1 sind unter „begründeten Fällen“ alle sachlichen Anlässe zu verstehen, hinter denen ein verständliches Interesse selbst an einer ohne Entgelt zu gewährenden Arbeitsbefreiung steht (ebenda, Rdz. 142). Die im Ermessen des Arbeitgebers stehende Freistellung ist davon abhängig, ob die dienstlichen und betrieblichen Verhältnisse ein Fernbleiben des Arbeitnehmers gestatten; für die Vorgängerregelung in § 52 Abs. 3 Satz 2 BAT wurde die Auffassung vertreten, dass grundsätzlich die Inanspruchnahme von zustehenden Urlaubs Vorrang habe und dies bei der Ermessensentscheidung durch den Arbeitgeber zu berücksichtigen sei. Diese Auffassung wird auch nunmehr zu § 29 Abs. 3 Satz 2 TV-L vertreten (vgl.: Breier u.a.; a.a.O., Rdz 75 ff m.w.N.).

Vorliegend handelte es sich unter Zugrundlegung der vorstehenden Maßstäbe nicht um einen dringenden, nicht aufschiebbaren, eiligen Fall im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 1 TV-L. Die Klägerin war unter dem 07.12.2011 zum Termin am 21.12.2011 geladen worden. Sie hat schon selbst nicht erklärt, ihren an die Schulleiterin gerichteten Antrag auf Freistellung als eine solchen von Dringlichkeit und Eile gestellt zu haben bzw. unter Hinweis auf eine Unaufschiebbarkeit der wahrzunehmenden Angelegenheit, hier des Gerichtstermins am 21.12.2011. Sie hat im letzten Termin der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ihr die beantragte Freistellung gewährt worden sei, da „keine dienstlichen Gründe“ entgegen gestanden hätten. Nur die Freistellungsmöglichkeit nach § 29 Abs. 3 Satz 2 TV-L sieht ausdrücklich vor, dass die dienstlichen bzw. betrieblichen Verhältnisse eine Freistellung des Beschäftigten gestatten müssen. Die Inanspruchnahme der unter Hinweis auf nicht vorliegende entgegenstehende dienstliche Gründe gewährten Freistellung könnte daher nur eine solche unter Verzicht auf die Entgeltzahlung für den Freistellungszeitraum sein, so dass der Zahlungsanspruch als unbegründet abzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.

Die Streitwertentscheidung basiert auf § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO.