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Gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15 a Abs. 4 EStG für 2007


Metadaten

Gericht FG Berlin-Brandenburg 6. Senat Entscheidungsdatum 15.10.2013
Aktenzeichen 6 K 6171/10 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes gem. § 15a Abs. 4 EStG zum 31. Dezember 2007 wird dahingehend geändert, dass die zum 31. Dezember 2006 festgestellten verrechenbaren Verluste vollständig mit den positiven Einkünften des Jahres 2007 aus Vermietung und Verpachtung und aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG verrechnet werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Anwendung von § 15a des Einkommensteuergesetzes -EStG- bei einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft.

Die Klägerin erzielte bis einschließlich 2006 ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung -VuV- gem. § 21 EStG. Zum 31. Dezember 2006 stellte der Beklagte erklärungsgemäß verrechenbare Verluste in Höhe von insgesamt 277.427.76 € gem. § 15a Abs. 4 EStG gesondert fest. Wegen der – unstreitigen – Einzelbeträge für die einzelnen Feststellungsbeteiligten verweist der Senat auf den Bescheid vom 4. Juni 2008 (Bl. 48 ff. der Gerichtsakten).

Im Streitjahr 2007 erzielte die Klägerin Einkünfte aus VuV in Höhe von 30.417,17 €. Außerdem veräußerte sie das sich im Gesamthandsvermögen befindliche Grundstück. Daraus resultierten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG in Höhe von 2.595.621,- €.

Mit der Erklärung für 2007 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste begehrte die Klägerin die Verrechnung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG mit dem festgestellten verrechenbaren Verlust zum 31. Dezember 2006.

Der Beklagte lehnte die Verrechnung der Einkünfte gem. § 23 EStG mit den verrechenbaren Verlusten ab, weil die verrechenbaren Verluste nur mit Einkünften aus VuV verrechnet werden könnten.

Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Verrechnung der Einkünfte gem. § 23 EStG mit dem festgestellten verrechenbaren Verlust. Die Auffassung des Beklagten, wonach eine Verrechenbarkeit nur innerhalb einer Einkunftsart erfolgen könne, sei nicht zutreffend. Sie stehe im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Finanzgerichts -FG- Berlin im Urteil vom 17. März 1992 V 24/92) und zu den Ausführungen des Bundesfinanzhofs -BFH- im Revisionsverfahren (Urteil vom 15. Oktober 1996 IX R 72/92). Aus diesen Urteilen sowie den Urteilen des FG Rheinland-Pfalz vom 11. April 2005 (Az. 5 K 2844/02) und des FG Münster vom 4. September 2012 (Az. 1 K 998/09 F) folge, dass eine Verrechnung auch zwischen verschiedenen Einkunftsarten möglich sei. Zwar seien die Urteile zur Ermittlung des Kapitalkontos ergangen; die Ausführungen müssten aber erst recht gelten, wenn es um die Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen gehe. Die Auslegung des Beklagten führe dazu, dass bei den Überschusseinkünften ein gegenüber den Gewinneinkünften deutlich verschärftes Verlustverrechnungsverbot greife.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verrechenbaren Verlustes gem. § 15a Abs. 4 EStG zum 31. Dezember 2007 dahingehend zu ändern, dass die zum 31. Dezember 2006 festgestellten verrechenbaren Verluste mit den positiven Einkünften des Jahres 2007 aus Vermietung und Verpachtung und mit den positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG verrechnet werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass eine Verrechnung der verrechenbaren Verluste, die auf negativen Einkünften aus VuV beruhten, nur mit positiven Einkünften aus VuV möglich sei. Gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG gelte § 15a EStG sinngemäß. Aufgrund des fehlenden Veranlassungszusammenhangs sei eine Verrechnung der Verluste aus VuV mit Überschüssen gem. § 23 EStG ausgeschlossen (Hinweis auf FG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007 16 K 840/05F). Im Übrigen sehe der Gesetzgeber für die Einkünfte in § 23 EStG eine besondere Verlustverrechnungsbeschränkung vor (§ 23 Abs. 3 Sätze 7 f. EStG). Hieraus werde deutlich, dass positive und negative Einkünfte verschiedener Einkunftsarten nicht untereinander verrechnet werden könnten. Bei vermögensverwaltenden Gesellschaften seien Veräußerungsgewinne grundsätzlich nicht festzustellen, da die Grundstücke kein Betriebsvermögen seien. Realisierte Wertsteigerungen würden nur in den Fällen der §§ 17, 23 EStG und § 21 des Umwandlungsteuergesetzes -UmwStG- erfasst. Diese Veräußerungen hätten auf das Kapitalkonto keinen Einfluss.

Mit Beschluss vom 8. Juli 2013 sind die Beigeladenen gem. § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung -FGO- notwendig zum Verfahren beigeladen worden.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der KG richtet (§ 42 FGO in Verbindung mit § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung -AO-). Denn über die Frage, ob positive Einkünfte mit einem bestehenden verrechenbaren Verlust verrechnet werden, wird abschließend im Bescheid über die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste gem. § 15a Abs. 4 EStG entschieden, der insofern Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der KG ist. Es handelt sich insofern um selbständige Bescheide, die lediglich gem. § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG mit dem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen verbunden werden (Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 15a Rn. 190).

2. Da der Beklagte den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen mit dem Bescheid über die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste gem. § 15a Abs. 4 EStG verbunden hat, ist auch die Klägerin klagebefugt (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1996 IX R 72/92, BStBl II 1997, 250). Die betroffenen Kommanditisten, um deren verrechenbare Verluste es geht, sind aber gem. § 60 Abs. 3 FGO notwendig zum Verfahren beizuladen.

3. Die Klage ist begründet. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste der Kommanditisten der Klägerin ist rechtswidrig und verletzt sie in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat zu Unrecht eine Verrechnung der festgestellten verrechenbaren Verluste mit den positiven Einkünften der Kommanditisten aus der Veräußerung des Grundstücks verweigert. Einer Verrechnung steht nicht entgegen, dass die festgestellten verrechenbaren Verluste auf den Einkünften aus VuV resultieren, während die positiven Einkünfte solche aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG sind.

a) Auf die Verluste ist – unstreitig – § 15a EStG anzuwenden. Gem. § 21 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 15a Abs.1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der Kommanditgesellschaft – bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung: am Werbungskostenüberschuss – weder mit anderen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Der Beklagt hat daher zu Recht zum 31. Dezember 2006 verrechenbare Verluste aus VuV festgestellt. Die Höhe der festgestellten verrechenbaren Verluste ist bestandskräftig.

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten mindern die festgestellten verrechenbaren Verluste im Streitjahr nicht nur die laufenden Überschüsse aus VuV, sondern auch die Überschüsse aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG; denn auch diese Überschüsse sind Ergebnis der Beteiligung der Beigeladenen an der Klägerin.

aa) Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG ist § 15a EStG bei den Einkünften aus VuV sinngemäß anzuwenden, um sicherzustellen, dass Werbungskostenüberschüsse aus einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden KG mit Einkünften aus VuV im Hinblick auf ihre Ausgleich- und Abzugsfähigkeit ebenso behandelt werden wie Verluste aus einer Beteiligung an einer gewerblich tätigen KG (Schmidt/Kulosa, EStG, 32. Aufl., § 21 Rn. 111, unter Verweis auf BT-Drucks. 8/4157 und 8/3648).

Nach § 15a Abs. 2 Satz 1 EStG mindern die verrechenbaren Verluste „die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der Kommanditgesellschaft zuzurechnen sind“. Grundsätzlich kann deshalb nur der Steuerpflichtige, der den Verlust erlitten hat, diesen mit zukünftigen Gewinnen verrechnen. Zudem muss die Beteiligung, aus der die nur verrechenbaren Verluste stammen, identisch sein mit der Beteiligung, aus der die zu mindernden Gewinnanteile herrühren. Verrechnungsfähig sind deshalb alle Gewinne, die mit der Beteiligung in Zusammenhang stehen (Blümich/Heuermann, EStG/KStG, § 15a EStG Rn. 75). Diese Voraussetzungen wären im Streitfall unproblematisch erfüllt, wenn die Klägerin eine gewerbliche KG gewesen wäre, weil sowohl die laufenden Verluste als auch der Veräußerungsgewinn im Gewerbebetrieb ein und derselben Kommanditgesellschaft, der Klägerin, angefallen wären und die Beigeladenen durchgängig an der Klägerin beteiligt waren.

bb) Nichts anderes folgt daraus, dass die Verluste aus VuV einerseits und die Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften andererseits im Streitfall unterschiedlichen Einkunftsarten zuzuordnen sind; denn eine solche Differenzierung würde das Gebot der sinngemäßen Anwendung des § 15a EStG auf Einkünfte aus VuV verletzen. Beteiligte vermögensverwaltender Kommanditgesellschaften würden im Hinblick auf die Ausgleichs- und Abzugsfähigkeit der Verluste schlechter behandelt als gewerbliche Mitunternehmer, weil bei ihnen die Veräußerungsgewinne nicht mit den bislang nicht genutzten Verlusten verrechnet werden könnten, obwohl es sich um Überschüsse handelt, die die Feststellungsbeteiligten in späteren Wirtschaftsjahren aus ihrer Beteiligung an der identischen Kommanditgesellschaft erzielen.

§ 15a EStG ist auf gewerbliche Einkünfte zugeschnitten, die durch Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG zu ermitteln sind. Hingegen werden die Einkünfte aus VuV als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt; ein Betriebsvermögen existiert nicht. Eine sinngemäße Anwendung des § 15a EStG auf vermögensverwaltende Personengesellschaften ermöglicht deshalb, dass die zunächst nicht ausgeglichenen oder abgezogenen Verluste mit den Überschüssen späterer Wirtschaftsjahre verrechnet werden, sofern diese mit der Beteiligung in Zusammenhang stehen. Es muss sich dabei nicht zwingend um Einkünfte aus VuV handeln (a.A. Drüen in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG/KStG, § 21 EStG Rn. B 261).

cc) Diese Sichtweise steht auch im Einklang damit, dass nach der Rechtsprechung des BFH bei der Ermittlung des Kapitalkontos im Sinne von § 15a Abs. 1 EStG positive Überschüsse aus anderen Einkunftsarten zu berücksichtigen sind. Da nach § 21 Abs. 1 Satz 2 EStG der § 15a EStG sinngemäß anzuwenden ist, muss die Berechnung des Kapitalkontos einer Gesellschaft mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung so weit wie möglich der Berechnung des Kapitalkontos bei einer Gesellschaft mit Einkünften aus Gewerbebetrieb angeglichen werden (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1996 IX R 72/92, BStBl II 1997, 250). Es liegt in der Konsequenz dieser Rechtsprechung, dass dann in späteren Wirtschaftsjahren auch eine Verrechnung der zunächst nicht ausgeglichenen oder abgezogenen Verluste mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten vorzunehmen ist. Es macht dabei auch keinen Unterschied, ob die KG neben den Einkünften aus VuV solche aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG oder solche aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG erzielt.

ee) Der Beklagte beruft sich ohne Erfolg auf die Verlustausgleichsbeschränkungen des § 23 Abs. 3 Satz 8 f. EStG a.F. Denn es handelt sich dabei eine Regelung, die die Nutzung von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften zum Ausgleich positiver Einkünfte aus anderen Einkunftsarten untersagt. Im Streitfall geht es jedoch um den umgekehrten Fall, dass nicht ausgeglichene oder abgezogene Verluste aus VuV mit positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden sollen. Dazu trifft § 23 Abs. 3 Satz 8 f. EStG a.F. keine Aussage.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.

5. Der Senat hat die Revision aufgrund grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen, weil die hier streitrelevante Rechtsfrage bislang nicht höchstrichterlich entschieden ist und der Senat von einer in der Literatur vertretenen Auffassung abweicht.