Gericht | VG Cottbus 6. Kammer | Entscheidungsdatum | 09.12.2019 | |
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Aktenzeichen | 6 L 306/18 | ECLI | ECLI:DE:VGCOTTB:2019:1209.6L306.18.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 S 1 VwGO, § 79 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 8 Abs 7 KAG BB, § 79 Abs 2 S 2 BVerfGG |
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 1.313,87 Euro festgesetzt.
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
dem Antragsgegner aufzugeben, die Zwangsvollstreckung aus dem Beitragsbescheid vom 5. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 vorläufig einzustellen,
hat keinen Erfolg.
Er ist zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag, die Zwangsvollstreckung aus dem Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 05. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2017 ohne Sicherheitsleistung einzustellen, ist bei sachgerechter Auslegung gemäß §§ 88, 122 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die sich am Rechtsschutzziel zu orientieren hat, dahingehend zu verstehen, dass die Antragstellerin vorläufige Vollstreckungsabwehr im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO begehrt.
Dass es sich um ein vorläufiges Rechtsschutzersuchen handelt, zeigt sich daran, dass die anwaltlich vertretene Antragstellerin den Antrag auf § 769 der Zivilprozessordnung (ZPO) gestützt hat. Nach § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann das Prozessgericht auf Antrag anordnen, dass bis zur Entscheidung über die in § 767 ZPO bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt wird. Demnach gewährt § 769 ZPO nur einstweiligen Rechtsschutz. Eine endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung kann mit einem Antrag nach § 769 ZPO nicht erreicht werden.
Der Antrag nach der von der Antragstellerin benannten Vorschrift des § 769 ZPO wäre jedoch nicht statthaft. Eine einstweilige Anordnung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 769 ZPO kann nur ergehen, wenn in der Hauptsache zulässigerweise eine Vollstreckungsgegenklage gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 767 ZPO erhoben wird (vgl. OVG Brandenburg, Beschluss vom 24. März 2004 - 3 B 147/03 -, S. 2 des E.A.; OVG Münster, Beschluss vom 12.01.2010 – 15 B 1845/09 -, juris, Rn. 1; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 11.05.2009 – 2 M 49/09 -, juris, Rn. 9; Beschluss der Kammer vom 29. November 2011 – VG 6 L 131/11 -, juris, Rn. 4). Mit der unter dem Aktenzeichen VG 6 K 1114/18 erhobenen Klage begehrt die Antragstellerin jedoch die Rücknahme eines bestandskräftigen Abwasserbeitragsbescheides. Davon abgesehen wäre eine Vollstreckungsgegenklage im Hauptsacheverfahren hier aber auch ausgeschlossen. Denn die Antragstellerin könnte sich gegen die Vollstreckung aus dem bestandskräftigen Beitragsbescheid in der Hauptsache entweder mit einer Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 03.04.2007 – 2 M 53/07 –, juris, Rn. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.01.2010 – OVG 15 B 1845/09 -, juris, Rn. 3) oder mit einer auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gerichteten allgemeinen Leistungsklage wenden (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2019 – OVG 9 S 18.18 -, juris, Rn. 6). Für die Vollstreckungsgegenklage nach § 173 Satz 1 VwGO i. V. m § 767 Abs. 1 ZPO ist daher kein Raum mehr (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.05.1967 – VII C 69.65 -, juris, Rn. 21; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2019 – OVG 9 S 18.18 -, juris, Rn. 6; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 11.05.2009 – 2 M 49/09 -, juris, Rn. 9; Beschluss der Kammer vom 29.11.2011 – 6 L 131/11 –, juris Rn. 4).
Der so verstandene Antrag ist zulässig. Er kann allerdings nicht – wie es die Antragstellerin wünscht – mit dem Hauptsacheverfahren VG 6 K 1114/18 verbunden werden. Eine solche Verbindung nach § 93 VwGO scheidet aus, da es sich bei einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO und einem Hauptsacheverfahren nicht um die gleiche Prozessart handelt (vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO,37. EL 2019, § 93 Rn. 10).
Der Antrag richtet sich zutreffend gegen die Antragsgegnerin als Anordnungsbehörde und nicht gegen die mit der Vollstreckung betraute Stadt D... als Vollstreckungsbehörde im Sinne von § 17 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg). Dies folgt aus der Rechtsnatur der von der Antragstellerin gegen die Vollstreckung erhobenen Einwände. Diese betreffen keine konkreten Vollstreckungsmaßnahmen oder die Art und Weise der Vollstreckung, sondern die Antragstellerin rügt die Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides, dessen Rücknahme durch den Antragsgegner sie im Hauptsacheverfahren begehrt. Dieser ist daher auch im einstweiligen Anordnungsverfahren, welches darauf abzielt, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache von Vollstreckungsmaßnahmen verschont zu bleiben, der richtige Anordnungsgegner (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2019 – OVG 9 S 18.18-, juris, Rn. 7; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 11.05.2009 – 2 M 49/09 -, juris, Rn. 11).
Der Antrag ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin laut Aktenlage keinen ausdrücklichen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung beim Antragsgegner gestellt hat. Dabei mag dahinstehen, ob vor dem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO stets ein erfolgloser Antrag bei der zuständigen Verwaltungsbehörde gestellt worden sein muss (vgl. zum Meinungsstand: Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 22). Denn dem Antragserfordernis ist jedenfalls genüge getan. Die Antragstellerin begehrt im Verfahren 6 K 1114/18 eine Rücknahme des bestandskräftigen Beitragsbescheides vom 05. Mai 2017. Dies hatte sie zuvor auch erfolglos bei der Antragsgegnerin beantragt. Diese hat den Rücknahmeantrag jedoch am 13. März 2018 und somit vor Eingang des Antrags auf Gewährung von Eilrechtsschutz beim Gericht abgelehnt. Dass die Antragstellerin neben der Rücknahme nicht noch ausdrücklich eine Aussetzung oder Einstellung der Vollziehung bei der Antragsgegnerin beantragt hat, ist unschädlich. Denn nach Aufhebung des Beitragsbescheides wäre dessen Vollstreckung nicht mehr möglich. Mit ihrem Rücknahmebegehren hat die Antragstellerin daher hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich gegen den Beitragsbescheid insgesamt und damit auch dessen Vollstreckung wendet, und den Antragsgegner war zumindest mit der Angelegenheit befasst. Dieser hat im Übrigen unmittelbar nach Ablehnung des Rücknahmeantrages den Vollstreckungsauftrag erteilt und damit zu erkennen gegeben, dass ein weiterer Antrag der Antragstellerin auf Unterlassung der Vollziehung ohnehin keine Aussicht auf Erfolg hätte.
Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann der Antragstellerin auch nicht deshalb abgesprochen werden, weil sie bevorstehende Vollstreckungsmaßnahmen abwehren möchte und dadurch in der Sache vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz begehrt. Das für einen solchen Eilantrag erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse liegt bei ihr vor. Der Antragsgegner hat durch die Erteilung des Vollstreckungsauftrages und des damit ausgelösten Ankündigungsschreibens der Vollstreckungsbehörde vom 25. April 2018 unmissverständlich zu erkennen gegeben, vollstrecken zu wollen. Der Antragstellerin kann es auch nicht zugemutet werden, die drohende Vollstreckung abzuwarten und gegebenenfalls nachträglich gegen erfolgte Vollstreckungsmaßnahmen vorzugehen. Denn ihr droht bei Durchführung der Zwangsvollstreckung eine irreversible Rechtsbeeinträchtigung. Dies folgt daraus, dass sie sich zur Begründung ihres Antrages auf ein Vollstreckungsverbot nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) beruft, welches angesichts des Streitgegenstandes auch nicht ganz offensichtlich ausgeschlossen ist. Sollte ein solches Vollstreckungsverbot tatsächlich bestehen und die Vollstreckung gleichwohl durchgeführt werden, könnte die Antragstellerin selbst bei einer nachträglichen Aufhebung des der Vollstreckung zugrundeliegenden Beitragsbescheides keine Rückforderungsansprüche mehr gegenüber dem Antragsgegner geltend machen. Denn § 79 Abs. 2 Satz 4 BVerfGG schließt Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und damit auch etwaige Erstattungsansprüche von vornherein aus. Von daher kann ein Abwarten konkreter Vollstreckungsmaßnahmen bzw. einer Entscheidung in der Hauptsache finanziell schwerwiegende Folgen für die Antragstellerin haben.
Der hiernach zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer solchen Regelungsanordnung ist das Vorliegen eines die Eilbedürftigkeit der Entscheidung rechtfertigenden Anordnungsgrundes sowie das Vorliegen eines Anordnungsanspruches aus dem materiellen Recht. Sowohl Grund als auch Anspruch müssen gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht werden. Dies ist hier nicht erfolgt.
Zwar ergibt sich ein Anordnungsgrund bereits daraus, dass der Antragsgegner mit dem Vollstreckungsersuchen an die Stadt D... die Zwangsvollstreckung aus dem Beitragsbescheid eingeleitet hat. Jedoch hat die Antragstellerin das Vorliegen eines Anordnungsanspruches nicht glaubhaft gemacht.
Glaubhaft gemacht wäre der Anspruch auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, wenn die Kammer aufgrund einer vorläufigen, summarischen Prüfung zu dem Ergebnis gelangte, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Vollstreckung aus dem Beitragsbescheid rechtswidrig ist. Dann stünde der Antragstellerin aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehr-und Unterlassungsanspruch ein Abwehrrecht gegen dieses rechtswidrige Handeln zu (vgl. Beschluss der Kammer vom 29.11.2011 – 6 L 131/11 -, juris Rn. 8). Dies ist hier aber nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens nicht gegeben. Vielmehr spricht alles dafür, dass der Antragsgegner berechtigt ist, aus dem Beitragsbescheid zu vollstrecken.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 3 VwVGBbg liegen vor. Danach kann ein Verwaltungsakt, der zu einer Geldleistung verpflichtet (Leistungsbescheid) vollstreckt werden, wenn er unanfechtbar geworden ist oder ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat und die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei dem Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 05. Mai 2017 handelt es sich um einen Leistungsbescheid. Denn neben der Beitragsfestsetzung enthält er auch die Aufforderung zur Zahlung des Beitrages – mithin ein Leistungsgebot. Die Antragstellerin hat auch eingeräumt, dass sie die Frist für eine Klage gegen diesen Bescheid versäumt hat und der Bescheid somit bestandskräftig ist.
Es ist auch nicht erkennbar, dass der Beitragsbescheid unter einem zur Nichtigkeit führenden Mangel leidet. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) i. V. m. § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Besonders schwerwiegend sind nur solche Fehler, die mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sind, weil sie tragende Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1985 – 8 C 107.83 -, juris Rn. 22). Ein solcher Fehler ist hier aber selbst dann nicht ersichtlich, wenn man ausgehend von der von der Antragstellerin im Verfahren 6 K 1114/18 angeführten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14 -, juris) und des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (vgl. Urteil vom 11. Februar 2016 – OVG 9 B 1.16 -, juris) annehmen wollte, dass ein Herstellungsbeitrag wegen hypothetische Festsetzungsverjährung nicht mehr erhoben werden dürfte. Auch in diesem Fall wäre der Beitragsbescheid des Antragsgegners allenfalls rechtswidrig (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. nur Urteil vom 19.11.2019 – 6 K 2551/17 -, juris; wie hier VG Cottbus, Urteil vom 05.09.2018 – 4 K 1700/17 – juris, Rn. 28 ff.; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 18.04.2018 – VG 5 K 977/17 -, juris, Rn. 45). Ob er dies ist, kann im Übrigen hier dahingestellt bleiben. Denn die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes ist - anders als dessen Rechtswirksamkeit - keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 13.04.1984 – 4 C 31/81 -, juris). Daher wird die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zugrundeliegenden Verwaltungsaktes im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Diesbezügliche Einwendungen muss der Schuldner gemäß § 15 VwVGBbg außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsmitteln verfolgen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2019 – OVG 9 S 18.18 -, juris, Rn. 6; Beschluss vom 29. Februar 2012 – 9 S 53.10-, juris, Beschluss der Kammer vom 29.11.2011 – 6 L 131/11-, juris, Rn. 18, Urteil der Kammer vom 4. Mai 2017 – 6 K 531/11 -, juris; Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 167 Rn. 19a).
Die sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen, wie sie namentlich in § 19 Abs. 2 VwVGBbg aufgeführt sind, liegen ebenfalls vor. Der Beitragsbescheid ist der Antragstellerin ordnungsgemäß bekanntgegeben worden und der Beitrag ist einen Monat nach Bekanntgabe fällig geworden. Die Antragstellerin ist mit Schreiben vom 10. Juli 2017 ergebnislos vom Antragsgegner zur Zahlung aufgefordert worden.
Auch ein Vollstreckungshindernis im Sinne des § 13 Abs. 1 VwVGBbg ist weder dargetan, noch ersichtlich. Insbesondere ist der mit dem Beitragsbescheid geltend gemachte Anspruch nicht wegen Zahlungsverjährung erloschen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVGBbg). Die gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG i. V. m. § 228 Satz 2 AO fünfjährige Frist der Zahlungsverjährung ist noch nicht abgelaufen. Sie beginnt nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) KAG i. V. m. § 229 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Die Forderung aus dem Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 5. Mai 2017 ist einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheides fällig geworden, so dass frühestens mit Ablauf des Jahres 2022 Zahlungsverjährung eintreten kann.
Schließlich besteht auch kein Vollstreckungsverbot nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG. Die Antragstellerin kann sich nicht auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes im Sinne der hypothetischen Festsetzungsverjährung nach den Maßgaben der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14 -, juris) berufen. Denn bereits nach summarischer Prüfung war ihr Grundstück nicht vor dem 01. Januar 2000 an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage des Antragsgegners angeschlossen oder bestand vor diesem Zeitpunkt eine rechtlich gesicherte tatsächliche Anschlussmöglichkeit.
Nach § 79 Abs. 2 BVerfGG bleiben vorbehaltlich der Vorschrift des § 95 Abs. 2 BVerfGG oder einer besonderen gesetzlichen Regelung die nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 BVerfGG für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt (Satz 1). Die Vollstreckung aus einer solchen Entscheidung ist unzulässig (Satz 2). Die Nichtigkeitserklärung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht führt demnach dazu, dass auf der Norm beruhende bestandskräftige Verwaltungsakte einerseits unberührt bleiben, andererseits aber nicht (weiter) vollstreckt werden dürfen. § 79 Abs. 2 BVerfGG und mithin auch das Vollstreckungsverbot nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG findet analoge Anwendung, wenn eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung auf einer bestimmten Auslegungsvariante einer Norm beruht, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 – 1 BvR 1905/02 -, juris, Rn. 9). Diese Analogie gilt auch dann, wenn durch einen stattgebenden Kammerbeschluss nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eine verfassungskonforme Auslegung einer Norm vorgenommen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.01.2019 – 9 C 2/18 -, juris, Rn. 33; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04.09.2019 – OVG 9 S 18.18 -, juris, Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.09.2018 – OVG 9 S 10.18 -, juris, Rn. 9) oder die Anwendung einer Norm auf eine bestimmte, aber eine Vielzahl von Fällen betreffende Konstellation für verfassungswidrig erklärt wird (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 29.10.2019 – VG 6 K 707/18 -, juris, Rn. 21).
Ob Letzteres mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (BVerfG – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, juris) erfolgt ist oder doch eine verfassungskonforme Auslegung, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Anwendung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der seit dem 01. Februar 2004 geltenden Fassung (KAG n. F.) in Fällen, in denen Beiträge schon nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG in der zuvor geltenden Fassung vom 27. Juni 1991 (KAG a. F.) nicht mehr erhoben werden könnten, gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstößt und insoweit das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt.
Dies ist dann gegeben, wenn ein potenziell beitragspflichtiger Grundstückseigentümer nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. in der verbindlichen Auslegung, die die Vorschrift durch das Oberverwaltungsgericht Brandenburg (vgl. Urteil vom 08.06.2000 – 2 D 29/98.NE -, juris, Rn. 43 ff.) erfahren hat, aufgrund eines unwirksamen ersten Satzungsversuches des zuständigen Einrichtungsträgers darauf vertrauen konnte, dass ein weiterer, nunmehr wirksamer Satzungsversuch zwar die Beitragspflicht zur Entstehung bringen würde, diese aber im gleichen Moment verjährt wäre. Das trifft wegen der vierjährigen Festsetzungsfrist nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 b KAG i. V. m. §§ 169 Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO nur auf Satzungen zu, die spätestens im Jahre 1999 erlassen worden sind bzw. bestimmen, dass die sachliche Beitragspflicht spätestens im Jahr 1999 entstehen sollte, wobei die rechtlich gesicherte tatsächliche Anschlussmöglichkeit ebenfalls spätestens im Jahre 1999 gegeben sein musste (sogenannte hypothetische Festsetzungsverjährung; vgl. zu den Einzelheiten OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Februar 2016 – OVG 9 B 1.16 -, juris, Rn. 29 ff.; Beschluss vom 04.09.2019 – 9 S 18.18 -, juris, Rn. 11 ff.).
Ein solcher Fall der hypothetischen Festsetzungsverjährung ist hier aber nach summarischer Prüfung nicht gegeben. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr Grundstück bereits vor dem 01. Januar 2000 an die zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlage D... angeschlossen war.
Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Antragsgegners ist im April 2017 mit Abschluss der Baumaßnahme „Schmutzwasserkanalisation W..., A..., T... und L... – Schmutzwassererschließung der Ortslagen W... und A... “ und entsprechender Bauabnahme eine rechtlich gesicherte tatsächliche Anschlussmöglichkeit für das Grundstück der Antragstellerin in der Ortslage W... an die öffentliche Entwässerungsanlage geschaffen worden (vgl. zur Abnahme der Baumaßnahme als maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Vorteilslage OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.05.2015 - 9 S 5.15 -, juris, Rn. 6; Urteil der Kammer vom 13.02.2017 - 6 K 1015/13 -, juris, Rn. 43).
Es ist nach summarischer Prüfung auch überwiegend wahrscheinlich, dass mit der Fertigstellung dieser Anlage im April 2017 erstmals eine rechtlich gesicherte tatsächliche Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung des Antragsgegners für das Grundstück der Antragstellerin geschaffen wurde.
Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, dass ihr Grundstück schon seit DDR-Zeiten an einen alten DDR-Abwasserkanal angeschlossen gewesen sei, über den das gesamte Schmutzwasser – mit Ausnahme der fäkalischen Abwässer – entsorgt werde bzw. worden sei. Sie hat zur Glaubhaftmachung Fotos sowie eine eidesstattliche Versicherung ihres Ehemanns und Voreigentümers des Grundstücks vorgelegt. Letzterer versichert an Eides statt, dass schon bei Erwerb des Grundstücks im Jahr 1990 ein Kanal vorhanden gewesen sei, in den Regen und Schmutzwasser eingeleitet worden seien. Auf den eingereichten Fotos erkennt man insoweit neben kleineren Rohrleitungen insbesondere einen jenseits der Grundstücksumzäunung liegenden Schacht, in dessen Innerem eine kleinere Rohrleitung in ein großes Abflussrohr mündet. Nach dem Vortrag der Antragstellerin soll es sich bei diesem großen Abflussrohr um den alten Abwasserkanal handeln.
Auch der Antragsgegner hat die Existenz eines alten Abflussrohres nicht in Abrede gestellt, jedoch vorgetragen, dass es sich dabei nicht um einen Kanal, sondern nur um einen verrohrten Graben zur Oberflächenentwässerung handele, der vermutlich von den Anwohnern selbst hergestellt worden sei.
Der Verwendungszweck dieses Rohres kann aber letztlich genauso dahingestellt bleiben wie dessen korrekte Bezeichnung als Kanal, verrohrter Graben oder schlichtweg Rohr. Denn es spricht aus Sicht der Kammer jedenfalls nichts dafür, dass die auf den Fotos erkennbaren technischen Abwasseranlagen jemals Bestandteil der hier in Rede stehenden öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage des Antragsgegners geworden sind, für deren Herstellung er mit Bescheid vom 05. Mai 2017 einen Beitrag erhoben hat. Sie sind daher für die Frage der (hypothetischen) Festsetzungsverjährung des erhobenen Beitrages ohne Bedeutung.
Ein Anschlussbeitrag wird nicht nur grundstücksbezogen, sondern immer auch anlagebezogen erhoben, d. h. als Gegenleistung für die Anschlussmöglichkeit an eine bestimmte öffentliche Anlage (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.11.2019 – OVG 9 N 48.19 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 01.07.2019 – OVG 9 N 77.18 -, juris, Rn. 15; Beschluss vom 24.04.2018 – OVG 9 N 43.17, OVG 9 B 1.16 -, juris, Rn. 32; VG Cottbus, Beschluss vom 19.08.2019 – 4 L 262/19 –, juris, Rn. 9). Deshalb hindern weder eine erfolgte Beitragserhebung noch eine eingetretene Beitragsverjährung die Entstehung einer neuen, sich auf eine andere Anlage beziehende Herstellungsbeitragspflicht.
Ist die Festsetzungsverjährung demnach anlagebezogen, so muss dies auch für die an die Regelungen über die Festsetzungsverjährung anknüpfende hypothetische Festsetzungsverjährung gelten, auf die sich der vom Bundesverfassungsgericht angenommene Vertrauensschutz stützt. Hat also wegen des Eintritts hypothetischer Festsetzungsverjährung Vertrauensschutz gegenüber der Änderung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG bestanden, so greift dieser nicht mehr, wenn es nunmehr um eine Beitragserhebung in Bezug auf eine rechtlich und tatsächlich andere Anlage geht.
Entscheidend ist demnach nicht, ob ein Kanal bzw. ein verrohrter Graben oder ähnliches bereits vorhanden war, sondern vielmehr ob dieser Teil der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage war, für deren Herstellung der Antragsgegner mit Bescheid vom 05 Mai 2017 einen Beitrag erhoben hat. Dies hängt davon ab, ob die bereits vorhandene Altanlage zum entwässerungsrechtlichen Zweck technisch geeignet und durch Widmung entsprechend bestimmt ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.05.2018 – OVG 9 N 142.16 -, juris, Rn. 15; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.04.2018 – OVG 9 N 146.16 -, juris, Rn. 21; Urteil der Kammer vom 20.12.2016 - 6 K 1015/13 – juris, Rn. 20; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.03.2001 – 15 A 1564/97 -, juris, Rn. 2; VG Köln, Urteil vom 08.04.2014 – 14 K 152/13 -, juris, Rn. 30).
Beides ist bereits nach dem Erkenntnisstand der Eilverfahrens nicht erfüllt. Es ist schon nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die vorhandene Altanlage technisch geeignet ist, die Abwässer des Grundstücks der Antragstellerin in hygienisch einwandfreier Weise abzuleiten. Denn hierfür müsste das eingeleitete Schmutzwasser einer Kläranlage zugeführt werden können. Dies hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr hat sie erklärt, dass es sich ihrer Kenntnis entziehe, wohin das Schmutzwasser weggeleitet werde. Der Antragsgegner hat hierzu erklärt, dass bis zum Abschluss der Baumaßnahme „Schmutzwasserkanalisation W..., A..., T... und L... – Schmutzwassererschließung der Ortslagen W... und A... “ keine Möglichkeit zur Ableitung des Schmutzwassers aus der Ortslage W... in eine Kläranlage bestanden habe. Daran bestehen aus Sicht der Kammer keine ernstlichen Zweifel. Denn nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten befindet sich auf dem Grundstück der Antragstellerin auch noch eine Grube, in der zumindest das fäkalische Abwasser gesammelt und mittels des sogenannten rollenden Kanals, d. h. mit einem Entsorgungsfahrzeug abtransportiert wurde. Dieser dezentralen Entsorgung hätte es nicht bedurft, wenn schon in der Vergangenheit eine Anschlussmöglichkeit an eine leitungsgebundene Einrichtung oder Anlage bestanden hätte.
Es ist auch weder ersichtlich, noch von der Antragstellerin vorgetragen worden, dass der Antragsteller zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem 01. Januar 2000 die vorhandene Altanlage zum Bestandteil seiner öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage gewidmet hat. Technische Anlagen zur Abwasserentsorgung werden insoweit erst durch Widmung Teil der öffentlichen Einrichtung, für deren Herstellung der Einrichtungsträger Beiträge erhebt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2013 – OVG 9 S 1.13, juris, Rn. 9; Beschluss der Kammer vom 27.04.2012 – VG 6 L 178/11 -, juris, Rn. 21). Ein solcher Widmungsakt ist zwar nicht formgebunden und kann auch konkludent erfolgen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2013 – OVG 9 S 1.13, juris, Rn. 9; Beschluss der Kammer vom 27.04.2012 – VG 6 L 178/11 -, juris, Rn. 21). Erforderlich ist lediglich, dass die Gesamtumstände den Schluss zulassen, dass der Einrichtungsträger die fragliche Anlage als Teil der öffentlichen Einrichtung in Anspruch nehmen und unterhalten will. Hierfür fehlt es aber vorliegend an Anhaltspunkten. Vielmehr scheint der Antragsgegner nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens erst aufgrund der Hinweise der Antragstellerin überhaupt Kenntnis von der Existenz der Altanlage erlangt zu haben. So lassen sich jedenfalls seine im Lauf des Verwaltungsverfahrens angestellten unterschiedlichen Vermutungen bezüglich der Zweckbestimmung der Altanlage deuten. Hat er anfangs noch erklärt, es handele sich wohl um eine Zuleitung zur abflusslosen Sammelgrube der Antragstellerin, ging er im weiteren Verlauf des Verfahrens davon aus, dass es sich um einen von den Anwohnern errichteten verrohrten Graben zur Oberflächenentwässerung handele. Auch sonst lässt nichts auf einen Widmungswillen des Antragsgegners schließen. Insbesondere hat er nach summarischer Prüfung in der Vergangenheit, d.h. vor dem 1. Januar 2000, keine Benutzungsgebühren oder Beiträge für die fragliche Altanlage erhoben. Entsprechendes hat auch die Antragstellerin nicht vorgetragen (vgl. zur konkludenten Widmung durch Beitrags- oder Gebührenerhebung OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.11.2013 – OVG 9 B 35.12 -, juris, Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 – OVG 9 B 34.12 -, juris, Rn. 21; Beschluss der Kammer vom 27.04.2012 – VG 6 L 178/11 -, juris, Rn. 21). Dass die Altanlage mit sächlichen Mittel des Antragsgegners bzw. seiner Rechtsvorgänger errichtet oder in der Folge zumindest die Unterhaltung der Anlage vom Antragsgegner übernommen wurde, ist ebenso wenig ersichtlich.
Auch der Vortrag der Antragstellerin, dass sämtliche Anlieger in der Ortslage W... seit jeher ihr Schmutzwasser in die vorhandene Altanlage einleiten, reicht nicht aus, um eine Widmung der Altanlage feststellen zu können. Abgesehen davon, dass es sich dabei um eine pauschale Behauptung handelt, der Vortrag mithin unsubstantiiert ist, würde auch eine Vielzahl von an diese Altanlage angeschlossenen Grundstücken nichts daran ändern, dass der Antragsgegner in diese behauptete Entsorgungssituation nie eingetreten ist, d. h. die Altanlage nicht übernommen hat.
Nach alldem ist deshalb davon auszugehen, dass die vorhandene Altanlage niemals Teil der öffentlichen Abwasserentsorgungsanlage war, für deren Herstellung der Antragsgegner mit Bescheid vom 05. Mai 2017 Beiträge erhoben hat, mithin das Grundstück der Antragstellerin vor dem 01. Januar 2000 weder an diese öffentliche Anlage angeschlossen war, noch angeschlossen werden konnte. Dies unterscheidet die Sache vom Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 04.09.2019 (OVG 9 S 18.18), bei dem offen war, ob schon vor dem 01. Januar 2000 eine Anschlussmöglichkeit bestand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung entspricht der Bedeutung der Sache für die Antragstellerin, § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes. Die Kammer legt in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 58) in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Abgabensachen regelmäßig ein Viertel des Abgabenbetrages zugrunde, dessen Beitreibung vorläufig verhindert werden soll.