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Kindernachzug; Mongolei; alleiniges Sorgerecht; Übertragung bei nicht verheirateten Eltern; substanzielle Mitentscheidungsrechte des anderen Elternteils; mongolisches Familienrecht; Sorgerechtsurteil; Anerkennungsfähigkeit; ordre public; verfahrensrechtlicher ordre public; Anhörung des Kindes; Vollendung des 14. Lebensjahres; rechtsstaatliche Mindestanforderungen; Gelegenheit zur Äußerung vor der Entscheidung des Gerichts; nachträgliche Anhörung (verneint)


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 2. Senat Entscheidungsdatum 23.02.2012
Aktenzeichen OVG 2 B 6.11 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 32 Abs. 3, Abs. 2, Abs. 4 AufenthG, § 108, § 109 Abs. 1 Nr. 4, § 159; § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB, Art. 6 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention

Leitsatz

Ein evidenter Verstoß gegen rechtsstaatliche Mindestanforderungen des deutschen Verfahrensrechts und damit eine Verletzung des ordre public liegt vor, wenn einem Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, in dem Verfahren, in dem über das Sorgerecht entschieden wird, nicht vor der Entscheidung des Gerichts die Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt wurde.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die am 9. August 1993 geborene Klägerin ist mongolische Staatsangehörige. Sie begehrt ein Visum zur Familienzusammenführung mit ihrer im Bundesgebiet lebenden Mutter, die ebenfalls mongolische Staatsangehörige und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist.

Die Klägerin lebt gemeinsam mit ihrer sieben Jahre jüngeren Schwester bei ihrer 79-jährigen Großmutter mütterlicherseits in Ulan Bator. Ihre Eltern waren nicht miteinander verheiratet und leben seit 2002 getrennt. Ihr Vater lebt ebenfalls in der Mongolei. Die Mutter der Klägerin hielt sich im Anschluss an einen Besuch bei ihrer Schwester im Jahr 2002 bis Juni 2007 in der Bundesrepublik Deutschland auf, ohne eine Aufenthaltserlaubnis zu besitzen. Sie heiratete am 17. Januar 2008 in Ulan Bator einen deutschen Staatsangehörigen und reiste daraufhin mit einem Visum zum Ehegattennachzug in das Bundesgebiet ein. Sie erhielt am 31. März 2008 eine Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt bis zum 12. Mai 2013 verlängert wurde.

Die Klägerin beantragte am 26. Mai 2008 bei der Botschaft der Beklagten in Ulan Bator die Erteilung eines Visums zum Nachzug zu ihrer Mutter. Im Laufe des Visumverfahrens legte sie das Urteil des Zivilgerichts im Stadtbezirk Bayangol von Ulan Bator vom 19. Dezember 2007 vor. Darin hatte das Gericht beschlossen, dass die Klägerin unter dem „Sorgerecht der Mutter (…) bleibt“. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das mongolische Gericht an, dass die Klägerin seit der Geburt bei ihrer Mutter lebe. Aus den Aussagen des Vaters ergebe sich, dass dieser aufgrund seiner Arbeitslosigkeit nicht in der Lage sei, für seine Tochter zu sorgen. Ferner sei er auch mit der Zuteilung des alleinigen Sorgerechts zu Gunsten der Mutter einverstanden.

Mit Bescheid vom 27. April 2009 und Remonstrationsbescheid vom 6. Juli 2009 lehnte die Botschaft der Beklagten in Ulan Bator die Erteilung des Visums nach Versagung der Zustimmung durch die Beigeladene ab. Zur Begründung führte sie aus, die Mutter der Klägerin habe nicht das alleinige elterliche Sorgerecht. Die Echtheit und Richtigkeit des erst nachträglich vorgelegten Gerichtsbeschlusses vom 19. Dezember 2007 sei zweifelhaft. Für die Übertragung des alleinigen Sorgerechts bei nicht miteinander verheirateten Eltern fehle im mongolischen Recht die Rechtsgrundlage. Im Übrigen lägen der Entscheidung auch falsche Tatsachen zugrunde, weil dem mongolischen Gericht nicht bekannt gewesen sei, dass sich die Mutter der Klägerin in den Jahren von 2002 bis 2007 ohne ihre Tochter in Deutschland aufgehalten habe.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Dezember 2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen von § 32 Abs. 3 AufenthG lägen nicht vor. Die Mutter der Klägerin sei nicht allein personensorgeberechtigt. Denn das Urteil des mongolischen Zivilgerichts vom 19. Dezember 2007, mit dem die elterliche Sorge der Mutter zugesprochen worden ist, könne in der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannt werden, weil ein Verstoß gegen den deutschen ordre public vorliege (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Das mongolische Sorgerechtsurteil vom 19. Dezember 2007 sei mit einem tragenden Verfahrensgrundsatz des deutschen Kindschaftsrechts nicht vereinbar. Das deutsche Recht sehe gemäß § 159 FamFG in Kindschaftssachen grundsätzlich eine obligatorische Anhörung des Kindes vor. Die persönliche Anhörung des Kindes sei gemäß § 159 Absatz 1 FamFG nahezu zwingend angeordnet, wenn es - wie im Falle der Klägerin im Zeitpunkt des Sorgerechtsurteils - das vierzehnte Lebensjahr bereits vollendet habe. Dabei handele es sich um einen Verfahrensgrundsatz mit Verfassungsrang. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Absatz 4 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Für die Klägerin stelle es gegenwärtig keine besondere Härte dar, wenn sie ohne ihre Mutter in der Mongolei verbleibe, wie es mit Ausnahme einer kurzzeitigen Unterbrechung anlässlich der Eheschließung der Mutter am 17. Januar 2008 ohnehin bereits seit dem Jahre 2002 der Fall sei. Dass die Großmutter zur Versorgung und Betreuung der Klägerin mittlerweile aufgrund ihres Alters und sich verschlechternder Gesundheit nicht mehr im gleichen Maße in der Lage sei wie noch in den Jahren zuvor, sei bereits absehbar gewesen, als die Mutter der Kinder die Mongolei verließ, und stelle keine unerwartete, plötzlich eingetretene Wendung in den zu berücksichtigenden Lebensverhältnissen dar.

Mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und macht im Wesentlichen geltend: Die Voraussetzungen von § 32 Abs. 3 AufenthG lägen vor. Mit Urteil des Stadtbezirks Bayangol vom 19. Dezember 2007 sei das alleinige Sorgerecht auf ihre Mutter übertragen worden. Nicht zuzustimmen sei dem Verwaltungsgericht darin, dass dem Urteil wegen eines Verstoßes gegen den ordre public die Anerkennung zu verweigern sei. Der ordre public Vorbehalt könne nicht beanspruchen festzulegen, welche Rechtsgrundsätze in anderen Staaten mit einer demokratischen Rechtsordnung anwendbar seien. Im mongolischen Familienrecht hätten zunächst beide Elternteile die elterliche Sorge. Vorliegend habe das mongolische Gericht dem Vater das Sorgerecht entzogen. Dabei habe das Gericht ihren, der Klägerin, Willen zu Grunde gelegt, zu ihrer Mutter auszureisen. Diesen Willen habe sie gegenüber ihrer Mutter und deren Ehemann geäußert. Die im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. September 2010 – OVG 12 B 21.09 – entwickelten Grundsätze seien vorliegend nicht anwendbar. Anders als in dem dort entschiedenen Fall, in dem die Sorgerechtsübertragung binnen zwei Tagen in einem Schnellverfahren ausgesprochen worden sei, habe vorliegend das mongolische Gericht eine umfassende Sachverhaltsprüfung vorgenommen und nach einer mündlichen Verhandlung die Sorgerechtsübertragung ausgesprochen. Außerdem seien die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 AufenthG erfüllt. In der Mongolei bestehe für sie, die Klägerin, eine besondere Härte. Zwar mag im Zeitpunkt der Ausreise ihrer Mutter vorhersehbar gewesen sein, dass die Großmutter wegen ihres Alters und ihrer Gesundheit nicht mehr in der Lage sein würde, für sie zu sorgen. Nicht vorhersehbar gewesen sei aber, dass der Vater, der Alkoholiker sei, es ablehnen würde, für die Kinder zu sorgen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil vom 8. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin das beantragte nationale Visum zum Nachzug zu ihrer Mutter in die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Dem mongolischen Urteil vom 19. Dezember 2007 fehle die Anerkennungsfähigkeit nach § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Das Zivilgericht in Ulan Bator habe den nach deutschem Recht erforderlichen verfahrensrechtlichen Mindeststandard nicht eingehalten, indem es das Sorgerecht übertragen habe, ohne die damals über 14-jährige Klägerin anzuhören.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren ein weiteres Urteil des Zivilgerichts des Stadtbezirks Bayanzurkh von Ulan Bator vom 13. Oktober 2010 in Übersetzung vorgelegt, mit dem das Sorgerecht für sie und ihre jüngere Schwester ihrer Mutter zugesprochen worden ist. Sie trägt vor, in diesem Verfahren habe sie eindeutig ihren Willen bekundet, bei ihrer Mutter leben zu wollen. Damit habe sie auch die Sorgerechtsübertragung mit Urteil vom 19. Dezember 2007 genehmigt. Außerdem habe sie durch die Aufnahme eines Studiums der Germanistik zum Ausdruck gebracht, dass sie den Willen habe, zu ihrer Mutter nach Deutschland nachzuziehen. Eine eventuell fehlerhaft unterbliebene Anhörung im ersten Sorgerechtsverfahren sei daher jedenfalls geheilt.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Senat kann trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung über die Berufung entscheiden, weil die Beigeladene auf diese Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden ist (§§ 125 i.V.m. 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung mit ihrer Mutter. Der Bescheid der Botschaft der Beklagten in Ulan Bator vom 6. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Zwar ist nach den vorliegenden Unterlagen die Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG) auch unter Einbeziehung des Bedarfs der Schwester der Klägerin, die am 13. Dezember 2010 ebenfalls einen Visumantrag gestellt hat, erfüllt.

2. Jedoch liegen die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung des Visums zum Familiennachzug nicht vollständig vor. Rechtsgrundlage sind §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 2, 32 AufenthG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 (BGBl I S. 2258).

a) Nach § 32 Abs. 3 AufenthG ist dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers, welches das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn beide Eltern oder der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen.

aa) Die am 9. August 1993 geborene Klägerin erfüllt zwar die Altersvoraussetzung, weil sie im Zeitpunkt der Visumantragstellung, auf den insoweit abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2008 – 1 C 32.07 –, juris Rn. 16), das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Wird die Altersgrenze im Laufe des Verfahrens überschritten, folgt daraus allerdings, dass die übrigen Anspruchsvoraussetzungen spätestens auch im Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze vorgelegen haben müssen. Nach diesem Zeitpunkt eingetretene Sachverhaltsänderungen zu Gunsten des Betroffenen können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Insoweit bedarf es bei Anspruchsgrundlagen, die eine Altersgrenze enthalten, die der Betroffene im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Verhandlung oder Entscheidung überschritten hat, einer auf zwei unterschiedliche Zeitpunkte bezogenen Doppelprüfung (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2009 – 1 C 17.08 –, BVerwGE 133, 329).

bb) Die Mutter der Klägerin ist jedoch nicht allein sorgeberechtigt im Sinne von § 32 Abs. 3 AufenthG. Der Begriff des alleinigen Personensorgerechts ist gemeinschaftsrechtlich im Sinne der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251/12 vom 3. Oktober 2003) auszulegen. Allein sorgeberechtigt ist danach ein Elternteil, wenn dem anderen Elternteil keine substanziellen Mitentscheidungsrechte und –pflichten zustehen, etwa in Bezug auf Aufenthalt, Schule, und Ausbildung oder Heilbehandlung des Kindes. In diesem Fall ist der Richtliniengeber typisierend davon ausgegangen, dass der Nachzug dem Kindeswohl entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. April 2009 - 1 C 17.08 -, a.a.O.). Die Beurteilung richtet sich nach mongolischem Recht, weil nach Art. 21 EGBGB das Rechtsverhältnis zwischen einem Kind und seinen Eltern dem Recht des Staates unterliegt, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Zwar lässt das mongolische Familienrecht bei einer Trennung nicht verheirateter Eltern grundsätzlich zu, dass die alleinige Personensorge auf einen Elternteil in einer Weise übertragen wird, dass dem anderen Elternteil bei der Ausübung des Sorgerechts keine substanziellen Mitentscheidungsrechte und -pflichten mehr zustehen. Aus Art. 26.1 und Art. 21.1 des mongolischen Familiengesetzbuchs vom 11. Juni 1999 (zitiert nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Mongolei - FamG -) folgt zunächst, dass auch unverheirateten Eltern grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht zukommt (vgl. Jürgen Wellner, Gutachten zu Fragen des mongolischen Sorgerechts vom 4. September 2007, S. 2). Eine ausdrückliche Regelung der Übertragung des Sorgerechts nach Trennung der unverheirateten Eltern enthält das mongolische Familienrecht zwar nicht (vgl. Wellner, a.a.O., S. 3). Gesetzlich geregelt ist nur die Möglichkeit des Entzugs des Sorgerechts durch gerichtliche Entscheidung gegen den Willen des betroffenen Elternteils, wenn dieser Rechte oder Interessen des Kindes geschädigt hat (Art. 28.6 FamG) oder bei Missbrauch des Sorgerechts, Gewaltanwendung gegenüber dem Kind, Kindesmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit (Art. 30.1 FamG). In der mongolischen Rechtspraxis werden jedoch bei unverheirateten Eltern die entsprechenden Regelungen über das Sorgerecht im Falle der Scheidung verheirateter Elternpaare gewohnheitsrechtlich entsprechend angewandt (vgl. Wellner, a.a.O. S. 4, S. 12). Daher ist über die engen Voraussetzungen des Art. 28.6 und Art. 30.1 FamGB hinausgehend die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil möglich, insbesondere durch Einigung der Eltern und gerichtliche Feststellung des alleinigen Sorgerechts (vgl. Wellner a.a.O., S. 12 ff.). Die dabei vom Gericht getroffene Entscheidung, in wessen Obhut (asramj) das Kind gegeben wird, entspricht der Übertragung des alleinigen Sorgerechts nach deutschem Recht. Der mit der Obhut über das Kind betraute Elternteil darf nach Art. 26.6 FamG sein Erziehungsrecht ohne Beeinflussung durch den anderen Elternteil ausüben (vgl. Wellner, a.a.O., S. 18 ff). Somit bestehen bei einer Übertragung des Sorgerechts keine substanziellen Mitentscheidungsrechte des anderen Elternteils fort.

Jedoch ist die Mutter der Klägerin nicht durch das vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung des 16. Lebensjahres ergangene Urteil vom 19. Dezember 2007 Inhaberin des alleinigen Sorgerechts geworden. Offen bleiben kann hier, ob bereits der Umstand, dass ein anderes mongolisches Gericht mit Urteil vom 13. Oktober 2010 das Sorgerecht für die Klägerin ihrer Mutter erneut übertragen hat, dafür sprechen könnte, dass das zuvor ergangene Urteil kein alleiniges Sorgerecht der Mutter begründet hat. Denn jedenfalls muss das Urteil vom 19. Dezember 2007 von Behörden und Gerichten im Bundesgebiet wegen eines Verstoßes gegen den ordre public nicht anerkannt werden.

Die Anerkennungsfähigkeit des mongolischen Sorgerechtsurteils bestimmt sich nach §§ 108, 109 des am 1. September 2009 in Kraft getretenen Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl I S. 2586) – FamFG -. Die allgemeine zivilprozessuale Vorschrift des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist in Fällen wie dem vorliegenden nicht anwendbar, weil die mongolische Sorgerechtsentscheidung, wäre sie von einem deutschen Gericht gefällt worden, gemäß §§ 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG den Familiensachen zuzuordnen wäre (vgl. Zimmermann, in: Keidel, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 108 Rn. 7). Die Anwendbarkeit der §§ 108, 109 FamFG wird vorliegend auch nicht durch völkerrechtliche Bestimmungen verdrängt. Die Mongolei ist weder Vertragsstaat des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 (BGBl II S. 217) noch des Europäischen Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechtsverhältnisses vom 20. Mai 1980 (BGBl 1990 II S. 220), die speziellere ordre public Vorbehalte enthalten.

Nach § 108 Abs. 1 FamFG werden ausländische Sorgerechtsentscheidungen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Nur wenn einer der in § 109 Abs. 1 FamFG genannten Versagungsgründe eingreift, ist die Anerkennung ausgeschlossen. Dies ist u.a. der Fall, wenn die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist (§ 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG). Diese Vorschrift ist der internationalrechtlichen ordre public Klausel des Art. 6 EGBGB nachgebildet. Sie führt zu einer Durchbrechung des Grundsatzes, dass ausländische Entscheidungen nicht auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden dürfen. Ihre Anwendung ist daher auf Ausnahmesituationen zu begrenzen. Ein Anerkennungshindernis wegen Verstoßes gegen den ordre public kann deshalb nicht schon angenommen werden, wenn die ausländische Entscheidung nicht überzeugend erscheint oder ein deutsches Gericht nach deutschem Recht anders entschieden hätte. Ein solches liegt vielmehr erst vor, wenn die ausländische Entscheidung mit den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in einer Weise in Widerspruch steht, dass sie nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint oder sie auf einem Verfahren beruht, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass nach der deutschen Rechtsordnung nicht mehr von einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ausgegangen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 29. September 2010 - OVG 12 B 21.09 -, juris Rn. 21 ff. und vom 7. Dezember 2010 - OVG 12 B 11.08 und OVG 12 B 29.09 -, juris Rn. 35 ff. bzw. 43 ff.; BVerwG, Beschluss vom 29. Mai 1986 - 1 B 20.86 -, juris Rn. 6 ff.; Bumiller/Harders, FamFG Freiwillige Gerichtsbarkeit, 10. Aufl. 2011, § 109 Rn. 9; Baetge in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 3. Aufl. 2012, § 109 Rn. 18).

Vorliegend ist ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public festzustellen. Es liegt eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), eines tragenden Rechtsgrundsatzes des deutschen Verfahrensrechts vor.

Das deutsche Verfahrensrecht sieht in § 159 Absatz 1 FamFGeine persönliche Anhörung des Kindes, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, im gerichtlichen Sorgerechtsverfahren zwingend vor. Von ihr kann nach § 159 Abs. 3 Satz 1 FamFG nur aus schwerwiegenden Gründen – etwa bei einer Gefährdung des Kindeswohls – abgesehen werden. Unterbleibt eine Anhörung allein wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen (§ 159 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Auch materiell-rechtlich findet der Willen eines Kindes, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, besondere Berücksichtigung. So bestimmt § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB, dass bei gemeinsamem Sorgerecht getrennt lebender Eltern einem Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge auf einen Elternteil stattzugeben ist, wenn der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das über 14-jährige Kind der Übertragung widerspricht. Ein über 14 Jahre altes Kind kann nach dieser Bestimmung verhindern, dass die von dem übereinstimmenden Willen der Eltern getragene Sorgerechtsentscheidung durch das Gericht ohne eine am Kindeswohl ausgerichtete Sachprüfung vorgenommen wird (vgl. Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 1671 BGB Rn. 27). Unter anderem im Hinblick auf dieses Widerspruchsrecht ist das über 14-jährige Kind auch nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 FamFG verfahrensfähig, d. h. es kann Erklärungen im Sorgerechtsverfahren wirksam selbst vornehmen.

Bei der nach den genannten Vorschriften im Sorgerechtsverfahren stets gebotenen Anhörung eines Kindes, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, handelt es sich um einen Verfahrensgrundsatz mit Verfassungsrang. Er dient der Absicherung des Kindeswohles und schützt die Stellung des Kindes als Subjekt im Verfahren, seine Grundrechte im Sinne von Art. 6 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 GG sowie seinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es in Angelegenheiten der Personensorge verfassungsrechtlich geboten, den Willen des Kindes zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist. Eine Entscheidung, die den Belangen des Kindes gerecht wird, kann in der Regel nur ergehen, wenn das Kind in dem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhalten hat, seine persönlichen Beziehungen zu den übrigen Familienmitgliedern erkennbar werden zu lassen. Um dies zu gewährleisten, haben die Familiengerichte im Einzelfall ihre Verfahrensweise unter Berücksichtigung des Alters des einzelnen Kindes, seines Entwicklungsstandes und vor allem seiner häufig durch die Auseinandersetzung zwischen den Eltern besonders angespannten seelischen Verfassung so zu gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlagen einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (vgl. grundlegend: BVerfG, Beschluss vom 5. November 1980 – 1 BvR 349/80 -, BVerfGE 55, 171 <182>).

Rechtsstaatliche Mindestanforderungen hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Beteiligung eines Kindes im Sorgerechtsverfahren ergeben sich darüber hinaus aus dem Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention). Diesem Abkommen sind 193 Staaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland und die Mongolei beigetreten. Art. 12 der UN-Kinderrechtskonvention regelt die Berücksichtigung des Kindeswillens in den das Kind betreffenden Verfahren. Danach sichern die Vertragsstaaten dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung eines Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife (Absatz 1). Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen es berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden (Absatz 2). Der UN-Kinderrechtskonvention hat der Bundesgesetzgeber mit förmlichem Gesetz vom 17. Februar 1992 gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt (BGBl II 1992, 121). Sie ist für die Bundesrepublik Deutschland am 5. April 1992 in Kraft getreten (BGBl II 1992, 990). Durch die Transformation in das deutsche Recht steht die völkerrechtliche Vereinbarung innerhalb der deutschen Rechtsordnung grundsätzlich im Range eines Bundesgesetzes. Nachdem die Bundesrepublik Deutschland die bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde erklärten Vorbehalte mit Beschluss der Bundesregierung vom 3. Mai 2010 zurückgenommen hat (vgl. m.w.N. Benassi, InfAuslR 2010, S. 283, 291) ist die Kinderrechtskonvention als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes heranzuziehen (vgl. zur Europäischen Menschenrechtskonvention: BVerfG, Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 2 BvR 1481/04 -, juris Rn. 32; Cremer, Die UN-Kinderrechtskonvention, S. 20).

Eine Verletzung von Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maß, dass nicht mehr von einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren gesprochen werden kann, liegt demnach vor, wenn dem betroffenen Kind, welches das 14. Lebensjahr vollendet hat, nicht die Gelegenheit zur Äußerung in dem Verfahren, in dem über das Sorgerecht entschieden wird, eingeräumt wurde. Die erforderliche Anhörung kann dabei entweder unmittelbar vor dem entscheidenden Gericht oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle erfolgen (vgl. Art. 12 Abs. 2 UN-Kinderrechtskonvention). Als Erkenntnisgrundlage der deutschen Behörden und Gerichte dafür, ob und in welcher Weise das ausländische Gericht einem Kind im dortigen Verfahren die Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt hat, dient zunächst die in dem Verfahren vorgelegte schriftliche Sorgerechtsentscheidung. Macht ein Kind geltend, dass es in dem ausländischen Verfahren zwar angehört worden sei, diese Tatsache jedoch bei der Abfassung der Gerichtsentscheidung keinen Niederschlag gefunden habe, obliegt es ihm bzw. seinem gesetzlichen Vertreter im Rahmen der Mitwirkungspflicht (vgl. § 82 Abs. 1 AufenthG) im Visumverfahren entsprechende Unterlagen wie etwa Verhandlungsprotokolle oder sonstige Schriftstücke vorzulegen, die eine eingeräumte Gelegenheit zur Äußerung im ausländischen Verfahren belegen.

Hiervon ausgehend verletzt das mongolische Urteil 19. Dezember 2007 den verfahrensrechtlichen ordre public, weil der damals 14-jährigen Klägerin in dem Sorgerechtsverfahren vor der Übertragung des bis dahin ihren Eltern gemeinsam zustehenden Sorgerechts auf die Mutter keine Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt wurde. Die Klägerin gehört nicht zu den Personen, die in dem Urteil als in der Gerichtsverhandlung vom 19. Dezember 2007 anwesend aufgeführt wurden. Es lässt sich dem Urteil auch nicht entnehmen, dass das Gericht der Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt die Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt hatte. Weder die im Sachverhalt des Urteils angeführten Unterlagen aus der Gerichtsakte, die geprüft und gewürdigt wurden, noch die Ausführungen des Gerichts zur Begründung seiner Entscheidung enthalten Anhaltpunkte dafür, dass es eine Äußerung der Klägerin im Verfahren gegeben hat. Die Klägerin hat neben dem Urteil keine weiteren Unterlagen eingereicht, die belegen könnten, dass ihr im Sorgerechtsverfahren die Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt wurde. Dass sie gegenüber ihrer Mutter und deren Ehemann bekundet haben soll, bei ihrer Mutter in Deutschland leben zu wollen, genügt nicht. Denn es handelt sich hierbei nicht um eine Äußerung im Sorgerechtsverfahren. Auch kommt eine „Heilung“ dieses Verfahrensfehlers durch eine nachträgliche Anhörung in dem zweiten, zum Urteil vom 13. Oktober 2010 führenden Sorgerechtsverfahren nicht in Betracht. Denn die Gelegenheit zur Äußerung muss – wie dargelegt – in dem konkreten Verfahren vor der Entscheidung des Gerichts bestanden haben. Aus diesem Grund kommt auch eine nachträgliche Billigung der Sorgerechtsentscheidung durch den mit der Aufnahme eines Studiums der Germanistik zum Ausdruck kommenden Willen der Klägerin, nach Deutschland zu ziehen, von vornherein nicht in Betracht. Dass der Wille der Klägerin im Rahmen eines dem Sorgerechtsverfahren vorangegangenen Vor-/Eilverfahrens Berücksichtigung gefunden hat, ist nicht belegt.

Angesichts des Alters der Klägerin im Zeitpunkt der mongolischen Sorgerechtsentscheidung kann hier offen bleiben, ob die fehlende Anhörung bei einem Kind, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ebenfalls in der Regel einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public begründet, oder ob aufgrund der differenzierenden Regelungen in § 159 Abs. 2 FamFG in diesen Fällen zusätzlich zu verlangen ist, dass der Verzicht auf einen Anhörung schlechterdings und offenkundig mit dem Kindeswohl unvereinbar ist (vgl. VG Berlin, Urteil vom 23. August 2011 – 35 K 414.10 V – juris Rn. 43 ff.).

b) Als Anspruchsgrundlage für den begehrten Nachzug zur Mutter kommt auch nicht § 32 Abs. 2 AufenthG in Betracht. Danach ist einem minderjährigen ledigen Kind, welches das 16. Lebensjahr vollendet hat, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn es die deutsche Sprache beherrscht oder gewährleistet erscheint, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann, und beide Eltern oder der allein sorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen.

Für die Beurteilung, ob die Altersgrenze erfüllt ist, kommt es auf den Zeitpunkt der Stellung des Visumantrages an (vgl. zu § 20 AuslG: BVerwG, Urteil 18. November 1997 - 1 C 22.96 -, juris Rn. 20). Da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt (26. Mai 2008) erst 14 Jahre alt war, ist vorliegend allein die Nachzugsvorschrift des § 32 Abs. 3 AufenthG anzuwenden. Unabhängig davon sind auch die übrigen Voraussetzungen von § 32 Abs. 2 AufenthG nicht erfüllt. Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass sie zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres die deutsche Sprache beherrscht hat, d.h. Sprachkenntnisse gehabt hat, die dem Niveau C 1 Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen entsprechen (vgl. § 2 Abs. 11 AufenthG). Mit der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bestätigung einer mongolischen Universität vom 14. Februar 2012, wonach die Klägerin Germanistik im zweiten Studienjahr studiert, werden derartige Sprachkenntnisse nicht belegt. Ebenso wenig erscheint gewährleistet, dass sich die Klägerin auf Grund ihrer bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Da die Klägerin bis zum Eintritt der Volljährigkeit in der Mongolei gelebt hat, in ihrer Familie nicht deutsch gesprochen wurde und sie keine deutsche Schule besucht hat, sind keine Gründe für eine positive Integrationsprognose ersichtlich.

c) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erteilung eines Visums nach § 32 Abs. 4 AufenthG zu. Danach kann dem minderjährigen ledigen Kind eines Ausländers im Übrigen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es auf Grund der Umstände des Einzelfalls zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist; hierbei sind das Kindeswohl und die familiäre Situation zu berücksichtigen. Dieser Nachzugsanspruch ist bezogen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz zu beurteilen, sofern das Kind zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. August 2008 - 1 C 32.07 -, juris Rn. 30). Da die Klägerin inzwischen volljährig ist, ist zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen vor Vollendung des 18. Lebensjahres (hier: 9. August 2011) erfüllt waren. Erst wenn die tatbestandliche Voraussetzung der besonderen Härte erfüllt ist, ist im Wege des Ermessens über den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden.

Bei der besonderen Härte handelt es sich um einen voller gerichtlicher Nachprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff. Zu prüfen ist, ob nach den Gegebenheiten des Einzelfalls das Interesse des minderjährigen Kindes und des im Bundesgebiet lebenden Elternteils an einem Zusammenleben im Bundesgebiet deswegen vorrangig ist, weil sich die Lebensumstände wesentlich geändert haben, die das Verbleiben des Kindes im Heimatland bisher ermöglichten, und weil dem Elternteil eine Rückkehr in das Heimatland gegenwärtig nicht zumutbar ist. Grundvoraussetzung für die Annahme einer besonderen Härte ist demzufolge der Eintritt eines Umstands, den die Eltern bei ihrer früheren Entscheidung, das Kind nicht nach Deutschland nachzuholen, nicht in Rechnung stellen konnten. Die Änderung der Lebensumstände muss danach nicht durch die Ausreise der Eltern (oder des Elternteils), sondern nach ihrer Ausreise eingetreten sein, ohne dass dies zuvor absehbar war (vgl. Urteil des Senats vom 16. Juli 2009 – OVG 2 B 4.09 -, juris Rn. 19).

Nach diesen Maßstäben scheidet die Annahme einer besonderen Härte im Falle der Klägerin aus. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Lebensumstände der Klägerin vor dem Eintritt ihrer Volljährigkeit im August 2011 wesentlich und unvorhersehbar geändert hatten. Es ist nicht belegt, dass die Großmutter der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die Klägerin zu betreuen. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 7. Februar 2012 sagt nichts über den Gesundheitszustand im maßgeblichen damaligen Zeitpunkt aus. Unabhängig hiervon wären altersbedingte Betreuungsschwierigkeiten bei der Großmutter bereits im Zeitpunkt der Ausreise der Mutter der Klägerin im Jahr 2002 vorhersehbar gewesen. Auch der Umstand, dass der leibliche Vater nach der Ausreise der Mutter es abgelehnt haben soll, für die Klägerin zu sorgen, führt zu keiner anderen Bewertung. Weil die Klägerin seit der Ausreise ihrer Mutter bei ihrer Großmutter wohnte und von dieser bis zur Volljährigkeit betreut wurde, ist schon nicht ersichtlich, weshalb das angeführte Verhalten des Vaters eine wesentliche Veränderung ihrer Lebensumstände bewirkt haben sollte.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob eine ausländische Sorgerechtsentscheidung bei fehlender Anhörung des betroffenen Kindes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstößt, hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung und ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.