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Entscheidung 9 UF 12/18


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Senat für Familiensachen Entscheidungsdatum 24.10.2019
Aktenzeichen 9 UF 12/18 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 5. Dezember 2017 - Az. 10 F 203/16 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab November 2019 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 89,12 EUR, fällig jeweils zum 1. eines jeden Monats im Voraus, zu zahlen.

2.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit von April 2017 bis einschließlich Oktober 2019 in Höhe von 5.173,51 EUR zu zahlen.

Der weitergehende Zahlungsantrag der Antragstellerin und die weitergehende Beschwerde der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz haben die Antragstellerin zu 80 % und die Antragsgegnerin zu 20 % zu tragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 55 % und die Antragsgegnerin zu 45 %.

III. Der Beschwerdewert wird auf 3.711 EUR festgesetzt.

In Abänderung der Wertfestsetzung des Amtsgerichts in dem Beschluss vom 5. Dezember 2017 (dort Ziffer 6. des Tenors) wird der Gegenstandswert für das Verfahren erster Instanz auf 8.940 EUR festgesetzt.

IV. Die sofortige Wirksamkeit der Zahlungsverpflichtung zu Ziffer 1.1 dieser Entscheidung wird angeordnet.

V. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerderechtszug um Kindesunterhalt für die Zeit seit April 2017 und fortlaufend für die am 13. Oktober 2000 geborene Antragstellerin, die - nach einem Wechsel von der Antragsgegnerin hierhin - seit August 2015 im Haushalt ihres Vaters versorgte Tochter der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin besucht auch nach Eintritt ihrer Volljährigkeit am 13. Oktober 2018 weiterhin die allgemeinbildende Schule, die sie voraussichtlich im Sommer 2020 mit dem Abitur beenden wird.

Nach vorgerichtlichem Auskunfts- und Zahlungsverlangen hat die Antragstellerin eingehend im Oktober 2016 die Antragsgegnerin auf Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes für die Zeit seit 1. August 2015 in Anspruch genommen (und für den Rückstand bis Oktober 2016 Teilzahlungen berücksichtigt).

Die Antragsgegnerin hat Abweisung der Zahlungsanträge insgesamt beantragt und Leistungsunfähigkeit eingewendet. Neben (pauschalen) berufsbedingten Aufwendungen hat sie Kreditbelastungen geltend gemacht, die aus Zeiten herrühren, in denen die Antragsgegnerin selbst die Antragstellerin betreut hat.

Die am 4. Januar 1963 geborene Antragsgegnerin teilt ihren Haushalt seit Juli 2016 mit einem Lebenspartner. Sie war seit Februar 2014 bei der Fa. …GmbH mit einem monatsdurchschnittlichen Nettoentgelt von 1.354,22 EUR beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde arbeitgeberseitig betriebsbedingt zum 10. Dezember 2016 gekündigt. Vom 11. Dezember 2016 bis zum 25. Juni 2017 war sie arbeitsunfähig erkrankt und erhielt Krankengeld. Ab 26. Juni 2017 bezog sie Arbeitslosengeld. Zum 1. August 2017 hat sie - zunächst im Rahmen geringfügiger Beschäftigung, ab 1. September 2017 in Vollzeit - als Verwaltungsangestellte/Wohnheimsachbearbeiterin in einem Obdachlosenheim in B… ein neues Arbeitsverhältnis begründet, aus dem sie 1.250 EUR netto erhalten hat.

Mit Beschluss vom 5. Dezember 2017 hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin unter Abweisung des weitergehenden Zahlungsantrages zur Zahlung rückständigen Kindesunterhalts für die Monate April bis Juni 2017 in Höhe von insgesamt 417 EUR und seit Juli 2017 zur Zahlung von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des anzurechnenden Kindergeldes verpflichtet. Für die Zeit nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Juli 2017 hat das Amtsgericht unter Hinweis auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit und mit näherer Darlegung einen Nettoverdienst aus einer Haupttätigkeit mit einer 39-Stunden-Woche von 1.454 EUR und einen Nebenverdienst von - bereinigt - weiteren 200 EUR netto zugrunde gelegt, mit dem sie unter Berücksichtigung pauschaler berufsbedingter Aufwendungen, der Kreditrate an die … Bank und des reduzierten Selbstbehalts in Höhe von sogar 454 EUR leistungsfähig, den geschuldeten Mindestunterhalt von (seinerzeit zuletzt noch 364 EUR) also ohne Weiteres aufzubringen imstande wäre. Für das 2. Quartal 2017 ergebe sich eine tatsächliche Leistungsfähigkeit von 139 EUR monatlich. Darüber hinaus allerdings sei eine Leistungs(un)fähigkeit der Antragsgegnerin tatsächlich nicht gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe verwiesen.

Gegen diese ihr am 18. Dezember 2017 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 27. Dezember 2017 eingelegten und eingehend am Montag, den 19. Februar 2018 begründeten Beschwerde, mit der sie weiterhin die vollständige Abweisung der Zahlungsanträge zu erreichen sucht. Sie rügt einen Verstoß gegen die (rechtzeitige) Hinweispflicht zur Darlegungslast hinsichtlich der Obliegenheit zur Suche nach einem auskömmlich vergüteten Arbeitsplatz. Sie behauptet, sich - insoweit überobligatorisch - schon seit Beginn der Erkrankung (deren Ende nicht absehbar gewesen sei) um einen neuen (auskömmlich vergüteten) Arbeitsplatz bemüht zu haben, aber nicht fündig geworden zu sein. Mangels realer Beschäftigungschance - Tariftabellen besagten über das Vorhandensein offener Stellen insoweit gar nichts - sei deshalb die Zurechnung eines fiktiv höheren Verdienstes ab Juli 2017 nicht zulässig. Dasselbe gelte für die Zurechnung eines Nebenverdienstes; das Amtsgericht habe hier keine offenen Stellen angeführt und auch keine konkreten Zumutbarkeitserwägungen angestellt. Tatsächliche Leistungsfähigkeit habe bis einschließlich August 2017 nicht bestanden.

Die Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung. Sie bestreitet die behaupteten Bewerbungsbemühungen, die sie im Übrigen für unzureichend hält. Sie betont die Darlegungs- und Beweislast der Antragsgegnerin für die reklamierte Leistungsunfähigkeit.

Für die Zeit ab Eintritt ihrer Volljährigkeit am 13. Oktober 2018 hat die Antragstellerin näher zu den Einkommensverhältnissen ihres Vaters ausgeführt. Dieser ist Alleingesellschafter-Geschäftsführer der …GmbH, die allerdings im Streitzeitraum faktisch keine Geschäftstätigkeit entwickelt (hat). Der Vater beziehe Einkünfte aus der Pflege seiner Mutter, die - gegen Mietzahlung - eine Einliegerwohnung auf dem im Alleineigentum des Kindesvaters stehenden (unbelasteten) und im Übrigen selbst genutzten Hausgrundstück bewohnt. Der Vater ist ferner Alleineigentümer einer weiteren vermieteten Wohnung. Er verfügt daneben über erhebliches Bankvermögen.

Für die Zeit ihrer Volljährigkeit errechnet die Antragstellerin auf der Basis der Einkünfte des Vaters eine Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin im Umfang von noch 222 EUR monatlich. Sie hat hinsichtlich des weitergehenden Beschlusses des Amtsgerichts insoweit Erledigung der Hauptsache erklärt; die Antragsgegnerin hat sich dieser Erledigungserklärung letztlich (unter Protest gegen die Kostenlast) angeschlossen.

Die Antragsgegnerin bestreitet im Übrigen die mitgeteilten Einkommensverhältnisse des Vaters, der gegenüber der Antragstellerin nicht weniger (gesteigert) erwerbsverpflichtet sei als sie selbst und sich deshalb nicht auf die (bestrittene) Pflege seiner Mutter zurückziehen könne.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64,117 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 520 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO). In der Sache selbst hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.

Der Anspruch der weiterhin eine allgemeinbildende Schule besuchenden Antragstellerin auf Zahlung von Kindesunterhalt auch über den Eintritt der Volljährigkeit am 13. Oktober 2018 hinaus ist dem Grunde nach unstreitig (§§ 1601 ff. BGB). Der Streit der Beteiligten konzentriert sich zunächst auf die Frage der Leistungsfähigkeit der bis zur Volljährigkeit allein barunterhaltspflichtigen Antragsgegnerin und sodann auf die Ermittlung von Bedarf und Haftungsquote für die Zeit seit 13. Oktober 2018.

I. Unterhaltsanspruch für die Zeit vom 1. April 2017 bis 12. Oktober 2018 (= Minderjährigkeit)

a)

Für den Zeitraum fortbestehender Erkrankung der Antragsgegnerin - April bis Juni 2017 - hat die Antragstellerin im Verhandlungstermin vor dem Amtsgericht am 17. Oktober 2017 ausdrücklich unstreitig gestellt, dass diese leistungsfähig nur nach Maßgabe der tatsächlich bezogenen Lohnersatzleistungen gewesen ist.

Auf dieser Basis allerdings ergibt sich nach Lage der Akten tatsächlich eine einerseits von den Berechnungen des Amtsgerichts abweichende Zahlungsverpflichtung, andererseits aber kann von einer vollständigen Leistungsunfähigkeit in diesem Zeitraum nicht die Rede sein.

Nach der Bescheinigung über Krankengeldzahlungen vom 22. August 2017 (BI. 159 GA) hat die Antragsgegnerin im April 2017 ein Krankengeld in Höhe von 34,46 EUR netto kalendertäglich, also im gesamten Monat 1.033,38 EUR erhalten. Unter Abzug der in diesem Monat noch bestehenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber der … Bank und der … Bank (159,83 EUR und 440,49 EUR) und des - vom Amtsgericht zu Recht und unbeanstandet um 10 % reduzierten - notwendigen Selbstbehalts für Nichterwerbstätige von 792,00 EUR ergibt sich für diesen Monat tatsächlich eine Leistungsunfähigkeit. Entgegen den Feststellungen des Amtsgerichts war die letzte Rate an die …-Bank zum 1. April 2017 fällig und diese Zahlungspflicht daher in jenem Monat noch einzustellen.

Die Kreditverpflichtungen hat das Amtsgericht zu Recht berücksichtigt. Es handelt sich um sog. Altverbindlichkeiten, die die Antragsgegnerin im Februar 2011 und im März 2014, also (lange) vor Entstehung ihrer Barunterhaltsverpflichtung durch den Wechsel der Antragstellerin zum Vater im August 2015 und zur Deckung allgemeinen Lebensbedarfs im mütterlichen Haushalt (Hausrat) eingegangen ist. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die daraus erwachsenen Ratenzahlungsverpflichtungen zu den seinerzeitigen wirtschaftlichen Verhältnissen im Haushalt der Antragsgegnerin außer Verhältnis gestanden hätten.

Im Mai 2017 belief sich der Krankengeldbezug auf 1.068,26 EUR (31 Tage x 34,46 EUR). Nach Abzug der Kreditrate für die …-Bank von 159,83 EUR ergibt Sich unter Wahrung des reduzierten Selbstbehalts von 792 EUR eine Teilleistungsfähigkeit und damit eine Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin von 116,43 EUR.

Im Juni 2017 erhielt die Antragsgegnerin für 25 Tage Krankengeld im Gesamtumfang von 861,50 EUR netto und sodann ab 26. Juni 2017 Arbeitslosengeld I von täglich 28,96 EUR, also bis zum Monatsende 144,80 EUR. Nach Abzug der Kreditrate ergibt sich aus einem Gesamteinkommen von 1.006,03 EUR unter Wahrung des reduzierten Selbstbehalts von 792 EUR eine Teilleistungsfähigkeit und damit eine Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin von 54,47 EUR.

Statt der vom Amtsgericht für die Monate April bis Juni 2017 zuerkannten 417 EUR hat die Antragstellerin danach tatsächlich nur insgesamt 170,90 EUR zu zahlen.

b)

Auch in der Zeit nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Antragsgegnerin kann - jedenfalls für die Zeit seit September 2017 - schon von einer tatsächlichen Leistungsunfähigkeit nicht die Rede sein. Der auf Abweisung des Zahlungsantrages insgesamt gerichtete Beschwerdeantrag konnte allein deshalb keinesfalls Erfolg haben.

Im Juli 2017 allerdings war die Antragsgegnerin aus dem Bezug von Arbeitslosengeld von 868,80 EUR und nach Abzug der Rate an die …-Bank nicht mehr leistungsfähig, weil ihr eigener notwendiger Selbstbehalt von 792 EUR nicht gewahrt war.

Im August 2017 standen der Antragstellerin aus Arbeitslosengeld und erzieltem (geringfügigen) Verdienst insgesamt Einkünfte von 1.033,80 EUR zur Verfügung. Der Senat erachtet für diesen Monat den Ansatz des Mittelwertes aus dem notwendigen Selbstbehalt für (Nicht-)Erwerbstätige von 980 EUR für angemessen, der allerdings wiederum wegen der Kostenersparnis aus dem Zusammenleben mit dem Partner um 10 % auf 882 EUR zu reduzieren ist. Unter Berücksichtigung der Ratenzahlungsverpflichtung ist dann auch für den Monat August 2017 tatsächliche Leistungsunfähigkeit festzustellen.

Seit September 2017 erzielt die Antragsgegnerin aus Erwerbstätigkeit ein Einkommen von unstreitig 1.250 EUR netto (Festgehalt). Daraus errechnet sich unter Abzug der Ratenzahlungsverpflichtung gegenüber der … Bank, (pauschaler) berufsbedingter Aufwendungen von 62,50 EUR und des (reduzierten) Selbstbehalts von jetzt 972 EUR eine tatsächliche Leistungsfähigkeit von 118,17 EUR monatlich.

Weitergehende berufsbedingte Aufwendungen hat die Antragsgegnerin nicht konkret dargelegt. Ihr Sachvortrag beschränkt sich auf die Mitteilung, sie habe „von ihrem Wohnort zum jetzigen Arbeitsplatz einen Anfahrtsweg von einer % Stunde und natürlich auch ein(en) entsprechenden Weg von der Arbeit nach Hause zurückzulegen“. Daraus erhellen sich konkrete Fahrtkosten (mit dem eigenen Kfz oder dem ÖPNV ?) nicht. Der pauschale Verweis auf die Anerkennung einer Entfernungspauschale in dem (unvollständig vorgelegten) Steuerbescheid für das Jahr 2017 ist unbehelflich. Schon die angeführten 115 Arbeitstage erschließen sich bei einer regelmäßigen 5-Tage-Woche (erst) seit September 2017 nicht ohne nähere Erläuterung; außerdem ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb es unbedingt notwendig sein sollte, den Arbeitsweg mit dem Pkw zurückzulegen.

Mit Recht allerdings hat bereits das Amtsgericht festgestellt, dass die Antragsgegnerin mit der tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit ihre unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nach Maßgabe der gesteigerten Anforderungen gegenüber minderjährigen (und privilegiert volljährigen) Kindern aus § 1603 Abs. 2 BGB nicht ausschöpft und sich deshalb ein fiktiv höheres Einkommen zurechnen lassen muss.

Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners wird nicht nur durch sein tatsächlich vorhandenes Vermögen und Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen, insbesondere seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einzusetzen und eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Kommt er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen, das er bei gutem Willen erzielen könnte, auch tatsächlich erzielt. Zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen zählen daher auch Einkünfte, die der Unterhaltspflichtige in zumutbarer Weise erzielen könnte, aber tatsächlich nicht erzielt (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 1 Rdnr. 736 m.w.Nw.). Diese Erwerbsobliegenheit ist regelmäßig nochmals gesteigert, wenn, wie hier, der Mindestunterhalt eines minderjährigen Kindes in Frage steht; sie kann dann auch einen möglichen Berufswechsel oder die Ausübung von Nebentätigkeiten neben einer vollschichtigen Tätigkeit umfassen. Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche Tatsachen, die die reklamierte (teilweise) Leistungsunfähigkeit begründen sollen, trägt der Unterhaltspflichtige. Das gilt auch für das Fehlen einer realen Beschäftigungschance und für die Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit (ständige höchstrichterliche und verfassungsgerichtlich gebilligte Rechtsprechung, vgl. nur BGH Fam- RZ 2012, 517; FamRZ 2014, 637 - Rdnr. 11; FamRZ 2014, 1922 - Rdnr. 23; BVerfG FamRZ 2014,1977 - jeweils zitiert nach juris).

Im Streitfall hat die Antragsgegnerin auch im Beschwerderechtszug schon nicht ausreichend substantiiert konkrete Umstände vorgetragen, die eine Einschränkung ihrer Leistungsfähigkeit ergeben könnten. Zur schlüssigen Darstellung seiner Leistungsunfähigkeit hat der auf Mindestunterhalt in Anspruch genommene Unterhaltsschuldner in Ansehung der ihn treffenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit und eines ihm möglichen Einkommens einlassungsfähige Ausführungen neben seinem Alter insbesondere auch zu seiner Vorbildung und seinem beruflichen Werdegang zu machen. Dies schließt eine lückenlose Darstellung seines Ausbildungsganges und seiner nach Ausbildungsabschluss ausgeübten Tätigkeiten sowie Angaben zu den aus Berufstätigkeit erzielten Einkünften ein (Brandenburgisches Oberlandesgericht - 4. Familiensenat, FamRZ 2017, 803 - zitiert nach juris).

Im Streitfall verweist die Antragsgegnerin ausschließlich auf ihr Alter und ihre - umstrittenen - Bewerbungsbemühungen in der Zeit von November 2016 bis zum 13. März 2017. Das ist unzureichend. Das Alter von heute 55 Jahren trägt in Zeiten guter Konjunktur und beklagten Fachkräftemangels den reklamierten Schluss auf nur unzureichend vergütete Arbeitsplätze für sich betrachtet nicht. (Langjährige) Berufserfahrung und das ungleich niedrigere Risiko von schwangerschafts- und kinderbetreuungsbedingten Ausfallzeiten lassen - zumindest außerhalb von Arbeitsplätzen mit vorwiegend schwerer körperlicher Tätigkeit - Bewerber im fortgeschrittenen Alter nicht weniger interessant erscheinen als jüngere Kandidaten. Die von der Antragsgegnerin (tatsächlich bislang nicht ausreichend substantiierten und nicht tauglich unter Beweis gestellten) angeführten Bewerbungsbemühungen Ende 2016 und im ersten Quartal 2017 als wahr unterstellt können die Annahme unzureichender Erwerbschancen nicht tragen. Eine intensive Suche um einen auskömmlich vergüteten Arbeitsplatz lässt sich daraus nicht ablesen. Es kann im Übrigen nicht verwundern, dass potenzielle Arbeitgeber auf den von der Antragsgegnerin erteilten Hinweis einer bestehenden Erkrankung mit nicht absehbarer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit von der Einstellung gerade dieser Bewerberin Abstand genommen haben. Die hier angeführten Bewerbungen können allein deshalb kein realistisches Bild ihrer (vermeintlich eingeschränkten) Erwerbsmöglichkeiten bieten.

Die Antragsgegnerin hat im Übrigen zu ihrer Vorbildung, ihrem beruflichen Werdegang und dem daraus erwirtschafteten Verdienst - trotz entsprechender Hinweise des Senates in seinem insoweit ausführlichen (Verfahrenskostenhilfe-)Beschluss vom 24. September 2018 - nicht ausreichend vorgetragen. Immerhin ist festzustellen, dass sie nach Lage der Akten aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis unter Anrechnung von rund 10 Überstunden einen Bruttomonatsverdienst von knapp 2.000 EUR und damit deutlich mehr als in ihrem derzeitigen Arbeitsverhältnis tatsächlich erzielt hat. Nachdem die Antragsgegnerin sich auf Stellen im Büro und als Verkäuferin beworben hat, ist nach einer kurzen Internetrecherche weiter festzustellen, dass allein in Berlin zahlreiche Stellen für Bürokaufleute und für Verkäuferinnen angeboten wurden und werden. Als Verkäuferin werden in Berlin im Mittel durchschnittlich 2.400 EUR brutto erwirtschaftet, für Bürokaufleute im Mittel durchschnittlich 2.000 EUR brutto gezahlt (Quelle: gehaltsvergleich.com). Danach stellt sich der - zwar auf anderer Grundlage argumentierte - Ansatz eines höheren fiktiven Einkommens aus Erwerbstätigkeit, den das Amtsgericht im Streitfall vorgenommen hat, als keineswegs unrealistisch dar.

Dies gilt auch für den Verweis auf eine notfalls bis zur Grenze des Arbeitszeitgesetzes auszuübende Nebentätigkeit. Die auch insoweit umfassend darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin hat keinerlei Gründe angeführt (und unter Beweis gestellt), die die Annahme rechtfertigen würden, ihr sei neben der Ausübung einer Vollzeittätigkeit die Übernahme von Nebentätigkeiten zur Sicherung des Existenzminimums ihrer Tochter - um nichts anderes geht es hier – nicht zuzumuten.

Anders als das Amtsgericht geht der Senat allerdings davon aus, dass nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit Ende Juni 2017 nicht bereits zum 1. Juli 2017 eine neue Arbeitsstelle (ggf. nebst Nebenjob) hätte gefunden werden können und müssen, aus der ein für den Mindestunterhalt auskömmlicher Verdienst von rund 2.300 EUR brutto (= 1.584,22 EUR netto) erwirtschaftet werden kann. Hierfür wird - zumal neben der seit September 2017 tatsächlich (vollschichtig) ausgeübten Tätigkeit - ein längerer Zeitraum benötigt werden, den der Senat mit rund fünf Monaten für erforderlich, aber auch ausreichend bemessen erachtet.

Ausgehend davon ergibt sich unter Berücksichtigung pauschaler berufsbedingter Aufwendungen, der geleisteten Bankrate und dem reduzierten Selbstbehalt von 972 EUR rechnerisch eine (fiktive) Leistungsfähigkeit im Umfang von 373,17 EUR (bei einem Mindestunterhalt von „nur“ 364 EUR). Die Antragsgegnerin muss sich deshalb so behandeln lassen, als wäre sie zur Leistung von 100 % des Mindestunterhalts abzgl. des anzurechnenden staatlichen Kindergeldes seit Dezember 2017 in der Lage. Dies gilt umso mehr als im Kalenderjahr 2018 auch die Steuererstattung für das Vorjahr (237 EUR) in Höhe von monatsdurchschnittlich 19,75 EUR zusätzlich zur Verfügung gestanden hat.

Auf der Grundlage vorstehender Ausführungen ergibt sich für den noch in Rede stehenden Streitzeitraum vom 1. April 2017 bis zum Eintritt der Volljährigkeit am 13. Oktober 2018 ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin im Gesamtumfang von 4.175,14 EUR. Auf die nachstehende Tabelle (A. Minderjährigkeit) wird Bezug genommen.

9 UF 12/18 - Endentscheidung

                                                                        
                                                                                

A. Minderjährigkeit

                                                                        
                                                                                
        

04/2017

05/2017

06/2017

07/2017

08/2017

09-11/2017

12/2017

01 -09/2018

1.-12.10.2018

Einkommen Antraqsqeqnerin

                                                                        

Nettoerwerbseinkommen (tatsächlich)

                                

450,00

1.250,00

1.584,22

1.584,22

1.584,22

Krankengeld

1.033,38

1.068,26

861,50

        

583,80

                                

ALGI   

                

144,80

868,80

                                        

Steuererstattungen

                                                        

19,75 

19,75 

berufsbed. Aufwend, pauschal

                                

-22,50

-62,50

-79,21

-79,21

-79,21

                                                                                

Zwischensumme

1.033,38

1.068,26

1.006,30

868,80

1.011,30

1.187,50

1.505,01

1.524,76

1.524,76

                                                                                

Darlehen T^^Bfc-Bank

-440,49

                                                                

Darlehen Jank

-159,83

-159,83

-159,83

-159,83

-159,83

-159,83

-159,83

-159,83

-159,83

                                                                                

herein. Einkommen Agg

433,06

908,43

846,47

708,97

851,47

1.027,67

1.345,18

1.364,93

1.364,93

                                                                                

Unterhaltsbedarf der mind-iähr. ASt.in.

364,00

364,00

364,00

364,00

364,00

364,00

364,00

370,00

370,00

                                                                                

Verteilunqsmasse

                                                                        

bereinigtes Einkommen Agg.in

433,06

908,43

846,47

708,97

851,47

1.027,67

1.345,18

1.364,93

1.364,93

abzgl. reduzierter Selbstbehalt

-792,00

-792,00

-792,00

-792,00

-882,00

-972,00

-972,00

-972,00

-972,00

ergibt

-358,94

116,43

54,47 

-83,03

-30,53

55,67 

373,18

392,93

392,93

mtl. Unterhaltsanspruch AStin also

        

116,43

54,47 

                

55,67 

364,00

i 370s00 370,00

Unterhaltsanspruch je Spalte

        

116,43

54,47 

1       

        

167,01

364,00

3.330,00

143,23

                                                                                

I Rückstand Minderjährigkeit

                                                                

II. Unterhaltsansprüche für die Zeit seit Eintritt der Volljährigkeit am 13. Oktober 2018

Seit Eintritt der Volljährigkeit haftet neben der Antragsgegnerin auch der Vater für den Barunterhalt der nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegiert volljährigen Antragstellerin; beide Eltern haften seither anteilig nach Maßgabe ihrer jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB), also nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit, die bis zur Beendigung der allgemeinen Schulausbildung, längstens bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres der Antragstellerin weiterhin auf der Grundlage gesteigerter Erwerbsobliegenheit festzustellen ist.

a) Antragsgegnerin

Das in die Quotenberechnung einzustellende unterhaltsrechtliche (fiktive bereinigte Nettoerwerbs-)Einkommen der Antragsgegnerin ist zunächst und bis Ende des Kalenderjahres 2018 unverändert mit 1.364,92 EUR fortzuschreiben. Für die Zeit seit Januar 2019 verbietet sich jedoch die Fortschreibung der im Vorjahr vereinnahmten Steuererstattungen; solche können für einen hier im Jahr 2018 zugrunde gelegten fiktiven Verdienst mit fiktiven pauschalen berufsbedingten Aufwendungen nicht angesetzt werden. Seit Januar 2019 beläuft sich das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen der Antragsgegnerin daher (zunächst) nur noch auf 1.345,17 EUR. Mit Blick auf den Wegfall der Ratenzahlungsverpflichtung gegenüber der …-Bank im März 2019 stand der Antragsgegnerin seither (fiktiv) ein einzusetzendes Einkommen von 1.505,01 EUR zur Verfügung.

b) Vater der Antragstellerin

1.

Der Vater der Antragstellerin ist (Allein-)Gesellschafter-Geschäftsführer, hat allerdings - mangels praktischer Ausübung einer Geschäftstätigkeit - nach den vorgelegten Verdienstbescheinigungen aus dieser Funktion im Streitzeitraum keinerlei Erwerbseinkommen (im engeren Sinne) erzielt, sondern nur den geldwerten Vorteil der privaten Nutzung eines Dienstwagens gezogen, der - nach den weiteren Erläuterungen der Antragstellerin nach der sog. 1 %-Regel - mit monatlich 658,13 EUR zu bemessen ist. Gewinnausschüttungen seitens der vom Kindesvater „betriebenen“ … GmbH hat es nicht gegeben. Die (tatsächlich vorgelegten) Geschäftsergebnisse dieser Gesellschaft bieten auch keine konkreten Anknüpfungstatsachen für weitergehende unterhaltsrechtlich zu berücksichtigende Einkünfte auf dessen Seite. Die Geschäftsergebnisse lassen sich mit der vorgetragenen faktischen (werbenden) Untätigkeit des Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers durchaus in Einklang bringen; es gibt auch keine Hinweise darauf, dass der Vater der Antragsgegnerin Einkünfte in der Gesellschaft thesauriert. Die Geschäftsergebnisse der Gesellschaft bleiben danach unterhaltsrechtlich außer Betracht.

Soweit die Antragstellerin in ihrer Unterhaltsberechnung (im Schriftsatz vom 5. Dezember 2018) die Verluste aus einer selbständigen Tätigkeit ihres Vaters als Fitness- und Life-Coach eingestellt hat, kann das keinen Erfolg haben. Der Vater hat diese Tätigkeit bereits Ende des Jahres 2017, also vor Beginn des hier in Rede stehenden Streitzeitraumes beendet; die verlustgeprägte abgeschlossene Tätigkeit kann - worauf der Senat mit seinem Beschluss vom 19. März 2019 (unwidersprochen) hingewiesen hat - für die Zeit ab Oktober 2018 keine und noch weniger eine zukunftsweisende Wirkung (mehr) entfalten. Im Übrigen waren hierzu Gewinnermittlungen oder Einnahmeüberschussrechnungen mit entsprechenden Ergebnissen auch gar nicht vorgelegt worden.

Umgekehrt allerdings ist kein Grund ersichtlich, für eine tatsächlich gerade nicht ausgeübte Erwerbstätigkeit pauschale berufsbedingte Aufwendungen beim Vater einkommensmindernd zu berücksichtigen.

2.

Der Vater der Antragstellerin widmet sich hauptsächlich der Pflege seiner (im selben Haus wie er selbst lebenden) Mutter und erhält das hierfür gezahlte Pflegegeld von zunächst 545 EUR und - nach Hochstufung in den Pflegegrad 4 - seit dem 1. Juni 2019 monatlich 728 EUR, die die Antragstellerin in die Einkommensermittlung auf Seiten des Vaters in vollem Umfang eingestellt hat.

3.

Soweit die Antragsgegnerin dem Vater der Antragstellerin eine Verletzung der Erwerbsobliegenheit anlastet, ist das für sich betrachtet zwar zutreffend, weil der Vater im Verhältnis zu seiner privilegiert volljährigen Tochter zur Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit zugunsten von Pflegeleistungen seiner (unterhaltsrechtlich nachrangigen) Mutter tatsächlich nicht berechtigt ist. Darin liegt aber gleichwohl keine Erfolg versprechende Verteidigungsstrategie, weil sich die Antragstellerin ein solches Versäumnis ihres Vaters nicht zurechnen lassen muss. Das Nichterzielen von Einkünften durch den anderen Elternteil stellt sich jedenfalls im Verhältnis zum leistungsfähigen Elternteil nicht als Obliegenheitsverletzung des Unterhaltsberechtigten dar, sondern ist allein von dem betreffenden Elternteil zu verantworten. Daher kann das volljährige Kind den leistungsfähigen Elternteil entsprechend dem Rechtsgedanken des § 1607 Abs. 2 BGB in Anspruch nehmen. Diesem wiederum bleibt es unbenommen, gegen den anderen Unterhaltspflichtigen Regress zu nehmen (vgl. dazu OLG Frankfurt, FamRZ 1993, 231 - Rdnr. 24 bei juris; Wendl/Dose, 8. Aufl., § 2 Rdnr. 567). Das ist auch im hier vorliegenden Fall einer Zurechnung auch fiktiv höherer Einkünfte der Antragsgegnerin nicht anders zu beurteilen. Dies gilt im Streitfall umso mehr, weil auf Seiten des Vaters - wie sich aus vor- und nachstehenden Ausführungen erhellt - zum einen tatsächlich nicht unerhebliche (Vermögens-)Einkünfte zur Verfügung stehen und dieser zudem gehalten ist, aus dem Stamm seines Vermögens zu dem Unterhaltsanspruch der Antragstellerin beizutragen.

4.

Der Vater der Antragstellerin erzielt darüber hinaus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zweier in seinem Alleineigentum stehenden (nicht kreditbelasteten) Wohnungen.

Für die in der … Straße 21 in B… gelegene Wohnung erzielt der Kindesvater (nach den hier vorgelegten Kontoauszügen, BI. 442 f. GA) mindestens seit September 2018, also im hier interessierenden Zeitraum eine monatliche Bruttowarmmiete von 400 EUR, also 4.800 EUR jährlich (nicht mehr nur 375 EUR monatlich). Die Neben-/Betriebskosten sind nach der jüngsten Aufstellung über die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (für 2017, die mangels besserer Kenntnis fortzuschreiben ist, BI. 440 GA) mit 2.275,96 EUR abzusetzen.

Soweit in der Jahresabrechnung darüber hinaus die Gebäudeabschreibung mit 560,00 EUR angegeben ist, ist diese Position zwar steuerrechtlich, nach bis heute gefestigter (höchst-) richterlicher Rechtsprechung nicht aber unterhaltsrechtlich beachtlich (vgl. dazu Wendl/Dose, 10. Aufl., § 1 Rdnr. 343 ff., BGH FamRZ 2005,1159 - Rdnr. 16 bei juris). Greifbare Anhaltspunkte für Besonderheiten im Streitfall, die eine andere Sichtweise rechtfertigen könnten, gibt es nicht. Nach BGH FamRZ 2012, 514 (Rdnr. 33 bei juris) können Abschreibungen wegen Gebäudeabnutzungen (nur) in besonderen Einzelfällen berücksichtigt werden, wenn sich der Wertverlust anhand konkreter Zahlen feststellen lässt. Das ist vorliegend nicht der Fall. Der Immobilienmarkt in … und dem sog. Speckgürtel zeichnet sich seit Jahren durch Wertsteigerungen aus; Mietwohnungen werden weiterhin sehr stark nachgefragt. Dann aber spricht nichts dafür, dass die steuerlichen Abschreibungen und das reale Ausmaß der Wertminderung der Gebäude sich in etwa die Waage halten.

Der unterhaltsrechtliche Einnahmeüberschuss für die Wohnung ist danach mit 2.524,04 EUR jährlich = 210,34 EUR monatlich festzustellen.

Für die von der Großmutter der Antragstellerin bewohnte Einliegerwohnung auf dem Hausgrundstück … Straße 20 F in … hat der Kindesvater eine Bruttowarmmiete von monatlich 403,92 EUR (= 4.874,04 EUR jährlich) erhalten. Hier sind - erneut unter Außerachtlassung der Gebäude-AfA - Betriebs- und Nebenkosten für das gesamte Hausgrundstück im Umfang von 4.364,12 EUR angefallen, die anteilig im Umfang von 38,5 % (nach Maßgabe der jeweiligen Wohnflächen), also in Höhe von 1.680,90 EUR auf die Mietwohnung entfallen. Zuzusetzen sind die Steuerberatungskosten mit 309,16 EUR (vgl. zum Ganzen BI. 529 GA). Es ergibt sich somit ein Einnahmeüberschuss für dieses Objekt von 2.857,69 EUR jährlich = 238,14 EUR monatlich.

5.

Auf Seiten des Vaters der Antragstellerin ist ferner der Vorteil mietfreien Wohnens im eigenen Heim in die Ermittlung dessen unterhaltsrechtlicher Leistungsfähigkeit einzustellen. Diesen hat die Antragstellerin mit 720 EUR (= 9,00 EUR/qm) monatlich angegeben. Das wiederum entspricht dem Kaltmietzins, der nach allgemein zugänglichen Quellen (vor allem den einschlägigen Internetportalen, wie etwa immowelt; immobilienscout.24) aktuell in Z… für vergleichbar große (grundsanierte und renovierte) Objekte aufgerufen wird. Da es keine belastbaren Anknüpfungstatschen für Ausstattungsmerkmale oder sonstige Wert beeinflussende Faktoren gibt, die einen vom üblichen Rahmen nach oben abweichenden Kaltmietzins gerechtfertigt erscheinen ließen, schätzt der Senat auf der Grundlage dieser Recherchen den Wohnvorteil des Vaters nach § 287 ZPO mit 720 EUR.

6.

Steuern sind gegen den Vater der Antragstellerin für die Jahre 2015 bis 2017 nicht festgesetzt worden; auch Erstattungs- oder Nachzahlungsansprüche aus Vorjahren sind im Kalenderjahr 2018 oder auch aktuell nicht festzustellen.

Die Vorsorgeaufwendungen des Vaters sind nach den hierzu überreichten Belegen mit zunächst 506,86 EUR, ab Januar 2019 monatlich 520,75 EUR und seit April 2019 mit monatlich 531,90 EUR für die private Kranken- und Pflegeversicherung sowie mit 53,66 EUR für die Unfallversicherung und mit 306,78 EUR für die Rentenversicherung in Abzug zu bringen.

7.

Der bis zuletzt von der Antragsgegnerin aufrechterhaltene Einwand unzureichender Plausibilität der dargestellten Einkommenssituation, den sie (ins Blaue hinein) um die Vermutung weiterer verheimlichter Einkünfte ergänzt, ist nicht mehr tragfähig. Richtig ist allein, dass aus den dem Kindesvater tatsächlich zufließenden Geldeinkünften (Pflegegeld und Mieteinnahmen) sein und seiner Tochter Lebensbedarf (Unterhaltszahlungen hat die Antragsgegnerin im Streitzeitraum nicht erbracht) ersichtlich nicht gedeckt werden kann, weil diese durch die Vorsorgeaufwendungen und die eigenen Wohnnebenkosten bereits (weitestgehend) aufgezehrt werden. Allerdings hat der Vater einer entsprechenden Auflage des Senates folgend seine Vermögensverhältnisse offenbart; danach ist festzustellen, dass er aus liquiden Bankguthaben (im Umfang von noch rund 119.000 EUR im Mai 2019) über eine ausreichende Absicherung verfügt und damit - in der Vergangenheit und anhaltend bis heute - die Lebensführung in seinem Haushalt ohne Weiteres bestreiten kann.

8.

Die Tatsache vorhandenen Vermögens auf Seiten des Kindesvaters gewinnt allerdings auch insoweit an Bedeutung, als dieser nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB seiner privilegiert volljährigen Tochter auch aus dem Stamm seines Vermögens zu Unterhaltsleistungen verpflichtet ist, soweit dies nicht im Einzelfall unbillig ist.

Eine Veräußerung seiner Immobilien kann dem Vater danach nicht angesonnen werden, weil er aus diesen Vermögenswerten Einkünfte erzielt und zudem seinen eigenen (und der Antragstellerin) angemessenen Wohnbedarf deckt. Auch die Veräußerung der … GmbH scheidet aus, weil nach dem (nachvollziehbaren) Vorbringen der Antragstellerin, diese Gesellschaft im Bedarfsfälle schnell „reaktiviert“ werden kann und dann wieder-wie in der Vergangenheit auch vor Übernahme der Pflegeleistung - als (Erwerbs-)Einkommensquelle des Kindesvaters und damit zur Sicherstellung seines ihm jedenfalls zu erhaltenden eigenen künftigen Lebensbedarfs dienen soll. Verfüg- und damit grundsätzlich einsetzbar bleibt allerdings das liquide Bankguthaben von über 100.000 EUR. Unter Berücksichtigung eines Sockelbetrages als Schonvermögen, den der Senat anknüpfend an sozialhilferechtliche Ansätze mit 5.000 EUR bemisst (Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII), des - gleichfalls unterhaltsrechtlich begründeten - Anspruchs der Antragstellerin gegen ihren Vater auf Finanzierung des zugrunde liegenden Unterhaltsverfahrens und einer mit Erlangung der für den Sommer kommenden Jahres angestrebten Hochschulreife nach heutiger Einschätzung noch längstens bis zu rund sechs Jahre währenden Unterhaltsberechtigung der Antragstellerin, erachtet es der Senat für angemessen und zumutbar, dem Vater anzusinnen, aus seinem Vermögen(sstamm) mit monatlich 1.389 EUR (= 100.000 EUR : 72 Monate) zur Deckung des Unterhaltsbedarfs seiner Tochter beizutragen.

c) Unterhaltsbedarf und Haftungsquote

Ausgehend von vorstehenden Erwägungen ermittelt sich ein Unterhaltsbedarf der volljährigen Antragstellerin nach der Altersstufe 4 und zunächst nach der Einkommensgruppe 7, seit März 2019 nach der Einkommensgruppe 8, also ein Unterhaltsanspruch von zunächst 717 EUR und ab März 2019 von 759 EUR monatlich. Darauf ist das Kindergeld bedarfsdeckend anzurechnen. Es verbleibt ein ungedeckter Restbedarf von zunächst 523 EUR, ab März 2019 von 565 EUR und seit Juli 2019 von 555 EUR. Für diesen Barunterhaltsanspruch haben beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen und nach den Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB aufzukommen, so dass vor der Gegenüberstellung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte generell ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts abzuziehen ist (vgl. BGH FamRZ 2013, 1563 - Rdnr. 12 bei juris mit weiteren Nachweisen), der allerdings auf Seiten der Antragsgegnerin - wie schon zu Zeiten der Minderjährigkeit der Antragstellerin - weiterhin um 10 % zu reduzieren ist. Danach hat sich die Antragsgegnerin an dem ungedeckten Restbedarf der Antragstellerin mit einem seit Eintritt der Volljährigkeit schwankenden Prozentsatz (zwischen 9,98 und 17,60 Prozent) zu beteiligen, zuletzt und für die Zukunft im Umfang von 16,06 Prozent, was einem Zahlbetrag von 89,12 EUR monatlich entspricht. Die Leistungsfähigkeit der Antragstellerin für die sich daraus ergebenden Zahlbeträge steht außer Frage. Wegen der Einzelheiten wird auf die nachstehende Tabelle (B. Volljährigkeit) verwiesen.

Für die Zeit seit Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin am 13. Oktober 2018 ergibt sich danach ein weiterer Zahlungsrückstand der Antragsgegnerin von 998,37 EUR. Der Gesamtrückstand für die Zeit von April 2017 bis einschließlich Oktober 2019 beläuft sich danach auf 5.173,51 EUR.

9 UF 12/18 - Endentscheidung

                                
                                        

B. Volljähriqkeit

                                
                                        
        

13.-31.10.2018

11+12/2018

01 + 02/2019

03/2019

Einkommen Antragsqegnerin

                                

Nettoerwerbseinkommen (fiktiv)

1.584,22

1.584,22

1.584,22

1.584,22

berufsbed. Aufwend, pauschal

-79,21

-79,21

-79,21

-79,21

Steuererstattungen

19,75 

19,75 

                
                                        

Zwischensumme

1.524,76

1.524,76

1.505,01

1.505,01

                                        

Darlehen … Bank

-159,83

-159,83

-159,83

        
                                        

herein. Einkommen Antragsgegnerin

1.364,93

1.364,93

1.345,18

1.505,01

                                        
                                        

I. Einkommen Kindesvater

                                

ErwEinkommen als GF (nur Dienstwagen)

658,13

658,13

658,13

658,13

Pflegegeld

545,00

545,00

545,00

545,00

                                        

Mieteinkünfte …

210,34

210,34

210,34

210,34

Mieteinkünfte …

238,14

238,14

238,14

238,14

Wohnvorteil

720,00

720,00

720,00

720,00

                                        

Vorsorgeaufwendungen

-867,30

-867,30

-881,19

-881,19

                                        

Vermögenseinsatz

1.389,00

1.389,00

1.389,00

1.389,00

                                        

unterhaltsrechtl. Einkommen Vater

2.893,31

2.893,31

2.879,42

2.879,42

                                        
                                        

III. Unterhaltsbedarf Antragstellerin

                                
                                        

Einkommen Agg.in

1.364,93

1.364,93

1.345,18

1.505,01

abzgl. reduzierter (angemess.) Selbstbehalt

-1.170,00

-1.170,00

-1.170,00

-1.170,00

einzusetzen für die Quote

194,93

194,93

175,18

335,01

Einkommen Kindesvater

2.893,31

2.893,31

2.879,42

2.879,42

abzgl. (angemessener) Selbstbehalt

-1.300,00

-1.300,00

-1.300,00

-1.300,00

einzusetzen für die Quote

1.593,31

1.593,31

1.579,42

1.579,42

Gesamteinkommen

4.258,24

4.258,24

4.224,60

4.384,43

insgesamt einzusetzen für die Quote

1.788,24

1.788,24

1.754,60

1.914,43

                                        

ergibt Unterhaltsbedarf V

717,00

717,00

717,00

759,00

abzgl. Kindergeld

-194,00

-194,00

-194,00

-194,00

ungedeckter Restbedarf

523,00

523,00

523,00

565,00

        

-       

                        

Anteil Agg.in (in Prozent)

10,90 

10,90 

9,98   

17,50 

Anteil Kindesvater (in Prozent)

89,10 

89,10 

90,02 

82,50 

                                        

Anteil Agg.in in Euro

57,01 

\ 57,01

52,22 

98,87 

Summe je Spalte

34,94 

114,02

104,43

98,87 

                                        
                                        

9 UF 12/18 - Endentscheidung

                                
                                        

3. Volljährigkeit

                                
                                        
        

04 + 05/2019

06/2019

07 -10/2019

ab 11/2019

Einkommen Antragsgegnerin

                                

Nettoerwerbseinkommen (fiktiv)

1.584,22

1.584,22

1.584,22

1.584,22

berufsbed. Aufwend, pauschal

-79,21

-79,21

-79,21

-79,21

Steuererstattungen

                                
                                        

fiktives bereinigtes Nettoeinkommen

1.505,01

1.505,01

1.505,01

1.505,01

                                        

Darlehen … Bank

                                
                                        

herein. Einkommen Agg

1.505,01

1.505,01

1.505,01

1.505,01

                                        
                                        
                                        

ErwEinkommen als GF (nur Dienstwagen)

658,13

658,13

658,13

658,13

Pflegegeld

545,00

728,00

728,00

728,00

                                        

Mieteinkünfte …(Bl 440)

210,34

210,34

210,34

210,34

Mieteinkünfte … (BI. 529)

238,14

238,14

238,14

238,14

Wohnvorteil

720,OOj

720,00

720,00

720,00

                                        

Vorsorgeaufwendungen

-892,34

-892,34

-892,34

-892,34

                                        

Vermögenseinsatz

1.389,00

1.389,00

1.389,00

1.389,00

                                        

bereinigtes Einkommen Kindesvater

2.868,27

3.051,27

3.051,27

3.051,27

                                        
                                        

II. Unterhaltsbedarf Antragstellerin

                                
                                        

Einkommen Agg.in

1.505,01

1.505,01

1.505,01

1.505,01

abzgl. reduzierter Selbstbehalt

-1.170,00

-1.170,00

-1.170,00

-1.170,00

einzusetzen für die Quote

335,01

335,01

335,01

335,01

Einkommen Kindesvater

2.868,27

3.051,27

3.051,27

3.051,27

abzgl. Selbstbehalt

-1.300,00

-1.300,00

-1.300,00

-1.300,00

einzusetzen für die Quote

1.568,27

1.751,27

1.751,27

1.751,27

Gesamteinkommen

4.373,28

4.556,28

4.556,28

4.556,28

insgesamt einzusetzen für die Quote

1.903,28

2.086,28

2.086,28

2.086,28

                                        

ergibt Unterhaltsbedarf

759,00

759,00

759,00

759,00

abzgl. Kindergeld

-194,00

-194,00

-204,00

-204,00

ungedeckter Restbedarf

565,00

565,00

555,00

555,00

                                        

Anteil Agg.in (in Prozent)

17,60 

16,06 

16,06 

16,06 

Anteil Kindesvater (in Prozent)

82,40 

83,94 

83,94 

83,94 

                                        

Anteil Agg.in in Euro

99,45 

90,73 

89,12 

89,12 

Summe je Spalte

198,90

90,73 

356,48

        
                                        

Rückstand Volljähriqkeit

                

998.37

        

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 243 FamFG.

Die - abändernde - Wertfestsetzung folgt aus §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 51 Abs. 1 und 2, 55 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamGKG. Für das Verfahren erster Instanz waren für den Rückstandszeitraum (08/15 - 10/16) die geforderten 4.590 EUR zzgl. des Mindestunterhalts für die Monate November 2016 bis Oktober 2017 von insgesamt 4.350 EUR (= 2 Mon. x 355 EUR und 10 Mon. x 364 EUR) zu berücksichtigen. Der Beschwerdewert bemisst sich nach der vom Amtsgericht für den Zeitraum April 2017 bis März 2018 titulierten Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegnerin.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.