Gericht | OLG Brandenburg 2. Senat für Familiensachen | Entscheidungsdatum | 06.07.2017 | |
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Aktenzeichen | 10 WF 89/17 | ECLI | ECLI:DE:OLGBB:2017:0706.10WF89.17.00 | |
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 81 FamFG |
Zur Kostenverteilung in einem Abstammungsverfahren, wenn die Mutter Mehrverkehr in der Empfängniszeit erst nach und nach einräumt
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden der Antragstellerin zu 3/4 und dem Antragsgegner zu 1/4 auferlegt.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragstellerin und der Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf zwischen 501 € und 1.000 € festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin begehrte zunächst vor dem Amtsgericht … die Feststellung, dass Herr S… O… Vater ihres am ….1.2012 geborenen Sohnes sei. Das Amtsgericht … holte ein Abstammungsgutachten ein, das zu dem Ergebnis kam, Herr S… O…sei als Vater ausgeschlossen. Daraufhin nahm die Antragstellerin ihren Antrag zurück. Durch Beschluss vom 7.6.2012 (144 F 2538/12) legte das Amtsgericht … der Antragstellerin die Verfahrenskosten mit der Begründung auf, sie habe schuldhaft unwahre Angaben gemacht, indem sie ausdrücklich erklärt habe, in der Empfängniszeit nur Herrn S… O… beigewohnt zu haben, obwohl sie nach dem Ergebnis des Gutachtens noch mit einer weiteren Person Verkehr gehabt haben müsse.
Das vorliegende Verfahren hat die Antragstellerin unter dem 24.5.2016 mit dem Ziel eingeleitet, festzustellen, dass der Antragsgegner der Vater ihres Sohnes sei. Zur Begründung hat sie ausgeführt, in der gesetzlichen Empfängniszeit mit dem Antragsgegner zwei- bis dreimal Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Daneben habe sie in der gesetzlichen Empfängniszeit eine intime Beziehung zu Herrn S… O…unterhalten, dessen Vaterschaft aufgrund des vom Amtsgericht … eingeholten Abstammungsgutachtens ausgeschlossen sei. Andere Personen kämen als Vater ihres Sohnes nicht in Betracht. Als sie dem Antragsgegner mitgeteilt habe, dass sie schwanger sei und das Kind von ihm sein könne, habe er mitgeteilt, dass er mit der Sache nichts zu tun haben wolle. Er sei auch nicht bereit gewesen, an einem privaten Vaterschaftstest mitzuwirken. Auf ein Schreiben des Jugendamtes … als damaliger Beistand, das die Klärung der Vaterschaft zum Ziel gehabt habe, habe der Antragsgegner ebenfalls nicht reagiert.
Zu dem Antrag der Antragstellerin hat der Antragsgegner schriftsätzlich nicht Stellung genommen. Im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht vom 24.1.2017 haben Antragstellerin und Antragsgegner übereinstimmend angegeben, in der gesetzlichen Empfängniszeit zweimal Geschlechtsverkehr miteinander gehabt zu haben. Nach dem Ergebnis des vom Amtsgericht eingeholten Abstammungsgutachtens vom 9.3.2017 ist der Antragsgegner als Erzeuger des Kindes ausgeschlossen. Im Termin vor dem Amtsgericht vom 16.5.2017 hat die Antragstellerin ihren Vaterschaftsfeststellungsantrag zurückgenommen. Durch den angefochtenen Beschluss vom selben Tag hat das Amtsgericht angeordnet, dass Antragstellerin und Antragsgegner die gerichtlichen Kosten je zur Hälfte tragen und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Zur Begründung macht er geltend, er habe immer wieder gesagt, dass er nicht der Vater sei und er es deshalb nicht einsehe, dafür zu bezahlen. Die Antragstellerin habe das gewusst und ihn dennoch vor Gericht gezogen.
II.
Die gemäß §§ 58 f FamFG zulässige, insbesondere von der Kostenbeschwer unabhängige Beschwerde (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1876) führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Antragstellerin in einem größeren Umfang als der Antragsgegner, nämlich zu 75 %, an den Kosten des Verfahrens erster Instanz zu beteiligen.
1.
Wird das Verfahren, wie hier, ohne streitige Entscheidung in der Hauptsache zum Abschluss gebracht, ist über die Kosten nach §§ 83 Abs. 1, 81 FamFG zu entscheiden. Danach kann das Gericht die Kosten des Verfahrens, also die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen, § 80 FamFG, den Beteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen oder von der Erhebung von Kosten absehen.
Über die Kosten des Verfahrens hat das Gericht mithin nach billigem Ermessen zu entscheiden, vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Ob eine nach diesen Grundsätzen vom erstinstanzlichen Gericht vorgenommene Kostenentscheidung vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüft werden darf (so BGH, NJW-RR 2007, 1586 Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 3.1.2013 - II-2 UF 207/12, BeckRS 2013, 03576) oder ob dem Beschwerdegericht als zweiter Tatsacheninstanz eine eigene Ermessensausübung obliegt (so BGH, FamRZ 2013, 1876 Rn. 23; NJW 2011, 3654 Rn. 26 f; Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Weidemann, § 2 Rn. 256; vgl. auch Augstein, FamRZ 2016, 1833), kann hier dahinstehen (vgl. auch Senat, Beschluss vom 19.3.2015 - 10 WF 1/15, FamRZ 2016, 487; Beschluss vom 26.1.2015 - 10 WF 37/14, FamRZ 2016, 487; Beschluss vom 13.1.2015 - 10 WF 110/14, BeckRS 2015, 02402). Denn das Amtsgericht hat seine Entscheidung allein damit begründet, die tenorierte Kostentragungspflicht entspreche der Billigkeit und Gründe für eine anderweitige Kostentragung seien nicht ersichtlich. Damit ist nicht erkennbar, ob und gegebenenfalls in welcher Weise das Amtsgericht sein Ermessen ausgeübt hat.
Mithin hat der Senat eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Diese führt dazu, dass die Verfahrenskosten der Antragstellerin zu 3/4 und dem Antragsgegner zu 1/4 aufzuerlegen sind.
a)
Allein der Umstand, dass die Antragstellerin nach Vorliegen des Abstammungsgutachtens ihren Antrag zurückgenommen und sich damit in die Rolle der Unterlegenen begeben hat, rechtfertigt eine im Verhältnis zum Antragsgegner größere Kostenbeteiligung ihrerseits nicht.
Das Maß des Obsiegens oder Unterliegens ist zwar ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingestellt werden kann. Dies gilt aber vornehmlich für echte Streitverfahren, in denen sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen und daher eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Zivilprozess besteht. Das Verfahren in Abstammungssachen ist jedoch nach der gesetzlichen Neuregelung in den §§ 169 f FamFG nicht mehr als streitiges Verfahren, das nach den Regelungen der ZPO geführt wird, sondern als einseitiges Antragsverfahren nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet. Daraus folgt, dass für die zu treffende Entscheidung über die Verfahrenskosten nicht nur allein das Obsiegen oder Unterliegen der Beteiligten maßgeblich sein kann, wenn weitere Umstände vorliegen, die für eine sachgerechte Kostenentscheidung von Bedeutung sein können (BGH, FamRZ 2014, 744, 746 Rn. 16).
b)
Auch der Umstand, dass die Antragstellerin den Antragsgegner in der Antragsschrift als den Vater ihres Kindes benannt hat, rechtfertigt aus Billigkeitsgründen keine sie stärker als den Antragsgegner belastende Kostenentscheidung.
Zwar soll das Gericht gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte diese erkennen musste. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben. Vielmehr hat der Antragsgegner im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht die Behauptung der Antragstellerin, man habe in der gesetzlichen Empfängniszeit zweimal geschlechtlich miteinander verkehrt, bestätigt. In einem solchen Fall ist es, wenn weitere Umstände nicht vorliegen, eher geboten, beide Beteiligten je zur Hälfte mit den Kosten zu belasten (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.7.2014 - 5 WF 164/14, BeckRS 2014, 15499).
c)
Allerdings ist, wie schon im Verfahren vor dem Amtsgericht …, der Umstand, dass die Antragstellerin unvollständig, wenn nicht unwahr vorgetragen hat, zu berücksichtigen.
Gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat. Dies trifft auf die Mutter auch im vorliegenden Verfahren zu. Sie hat in der Antragsschrift zwar auf den Ausgang des Verfahrens vor dem Amtsgericht … hingewiesen, darüber hinaus aber nur die intime Beziehung zu dem Antragsgegner dargestellt und ausgeführt, andere Personen kämen als Vater ihres Sohnes nicht in Betracht. Da das eingeholte Abstammungsgutachten ergeben hat, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Kindes ist, muss die Antragstellerin in der gesetzlichen Empfängniszeit mit einem weiteren Mann Geschlechtsverkehr gehabt haben. Diesen Umstand hat sie schuldhaft verschwiegen.
Anders als vom Amtsgericht … in seinem Abstammungsverfahren angenommen, führt das schuldhafte Verschweigen einer weiteren intimen Beziehung in der Empfängniszeit nach Auffassung des Senats nicht notwendig dazu, dass die Mutter die gesamten Verfahrenskosten zu tragen hat. Denn indem die Mutter mit dem Antragsgegner einen Mann benannt hat, mit dem sie unstreitig in der gesetzlichen Empfängniszeit verkehrt hat, hat sie einen Vaterschaftsfeststellungsantrag gestellt, der durchaus Erfolg versprechend war. Der Vorwurf, der der Mutter vor allem zu machen ist, besteht darin, dass sie nicht zugleich sämtliche Männer, mit denen sie in der Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt hat, benannt hat. Hätte sie dies getan, so wäre in Betracht zu ziehen gewesen, sogleich alle Männer in die Abstammungsbegutachtung einzubeziehen.
Unabhängig von der Frage, ob die Antragstellerin womöglich in Kenntnis des Umstands, in der gesetzlichen Empfängniszeit mit drei Männern geschlechtlich verkehrt zu haben, die Möglichkeit gehabt hätte, das Feststellungsbegehren kumulativ sogleich gegen diese drei Männer zu richten (vgl. zu dieser Frage Schwonberg, in: Schulte-Bunert//Weinreich, FamFG, 5. Aufl., § 172 Rn. 23; Coester-Waltjen/Hilbig-Lugani, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl., § 172 Rn. 12 ff.; Fritsche, in: Kemper/Schreiber, Familienverfahrensrecht, 3. Aufl., § 172 FamFG Rn. 2; Stößer, in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 172 Rn. 8), erscheint es unter Billigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt, hinsichtlich der Unsicherheit an der Abstammung des Kindes die praktisch Beteiligten, nämlich die Mutter und die drei Männer, in gleichem Umfang an den Kosten zu beteiligen. Auf den Antragsgegner entfiele dann nur ein Anteil von 1/4. Dies rechtfertigt es, ihm hinsichtlich des konkreten Verfahrens auch nur einen Anteil von 25 % der Kosten aufzuerlegen.
Einer Kostenbeteiligung des Antragsgegners zumindest in diesem Umfang steht nicht entgegen, dass die Mutter vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens etwa den kostengünstigeren Weg, ein privates Abstammungsgutachten einzuholen, hätte wählen können. Den die Mutter hat schon in der Antragsschrift unwidersprochen vorgetragen, einen solchen Versuch unternommen zu haben; der Antragsgegner sei aber nicht bereit gewesen, „an einem privaten Vaterschaftstest mitzuwirken“.
2.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht ebenfalls auf § 81 FamFG. Hier schlägt, da es nur um die Frage geht, in welchem Umfang die Beteiligten die Kosten zu tragen haben, der Umstand des Obsiegens und Unterliegens voll durch. Da der Antragsgegner mit seiner Beschwerde erreichen wollte, von den Kosten des Verfahrens vollständig freigestellt zu werden, ihm nach Auffassung des Senats aber die Hälfte derjenigen Kosten, die das Amtsgericht für ihn vorgesehen hatte, aufzuerlegen sind, liegt ein Verhältnis von 50 % bezüglich des Obsiegens und Unterliegens vor.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 40 Abs. 1, 47 Abs. 1 FamGKG.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.