Gericht | LArbG Berlin-Brandenburg 7. Kammer | Entscheidungsdatum | 11.10.2011 | |
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Aktenzeichen | 7 Sa 344/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 16 BetrAVG |
Mit der Abgabe einer Patronatserklärung, die mehr als die Verluste des Arbeitgebers abdecken, leistet die Konzernmutter für die Verteilung von Gewinnen innerhalb des Konzerns einen Ausgleich, der einem existenzvernichtenden Eingriff entgegensteht.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. November 2010 - 55 Ca 7233/10 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Anpassung seiner betrieblichen Altersversorgung nach § 16 BetrAVG.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine Landesgesellschaft der italienischen Unternehmensgruppe C., die 1999 aus einer Fusion der italienischen C. GmbH und der britischen H. GmbH entstanden ist. Die Unternehmensgruppe C. befindet sich in Familienbesitz und hat ihre Konzernzentrale in Italien Sie produziert in verschiedenen europäischen und außereuropäischen Ländern Waschmaschinen, Kühlschränke und andere Haushaltsgeräte wie Staubsauger und vertreibt sie über ihre Landesgesellschaften. Die Beklagte in Deutschland ist eine solche Vertriebseinheit für diese Produkte und beschäftigte 2007 noch 60 Arbeitnehmer, im Jahr 2010 51 Arbeitnehmer.
Die testierten Jahresabschlüsse 2007, 2008 und 2009 wiesen für die Beklagte Jahresfehlbeträge zwischen 1,5 und fast 3 Mio. EUR aus (Bl. 32, 33, 93 d.A.). Demgegenüber veröffentlichte die Beklagte im Internet Mitteilungen über positive Ergebnisse der Geschäftsjahre (Bl.53 ff. d.A). Am 23.3.2006 gab die Konzernmuttergesellschaft zugunsten der Beklagten eine Patronatserklärung ab (Bl. 208 d. A.), wonach sie verpflichtete bis zu einem Betrag von 7.214.000,00 EUR die Liquidität der Beklagten zu sichern.
Der Kläger war von 1965 bis zum 31.1.1998 bei der Beklagten bzw. deren Vorgängerunternehmen, der H. GmbH, tätig. Mit Wirkung zum 1. Januar 1975 trat er dem betrieblichen Versorgungswerk der H. GmbH bei. Seit dem 1. Februar 1998 bezieht er eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 404,00 EUR. Eine Anpassung wurde von der Beklagten bisher ebenso wenig wie bei ihren anderen Betriebsrentner, zuletzt mit dem Kläger 19, nicht vorgenommen.
Mit Schreiben vom 23. März 2010 (Bl. 5 d. A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten eine Anpassung seiner Betriebsrente um 18,06 € im Monat geltend. Nachdem eine Reaktion auf dieses Schreiben nicht erfolgte, hat der Kläger seine Forderung mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 7. Mai 2010 eingegangenen und der Beklagten am 14. Mai 2010 zugestellten Klage gerichtlich geltend gemacht.
Der Kläger hat unter Bestreiten der in den Jahresabschlüssen wiedergegebenen Zahlen behauptet, die Beklagte sei wirtschaftlich in der Lage, ihrer Anpassungsverpflichtung nach § 16 BetrAVG nachzukommen. Aus ihren Presseerklärungen ergebe sich eine stürmische Geschäftsentwicklung.
Ungeachtet der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der Beklagten komme es aber auch auf die wirtschaftliche Lage des Konzerns an. Die von der Beklagten eingereichten Unterlagen würden nämlich belegen, dass die italienische Konzernleitung der Beklagten weit überhöhte Einkaufspreise diktiere und so den Konzerngewinn bereits ab Produktion abschöpfe. Die beherrschende Stellung und die Vorgaben der italienischen Konzernmutter zur Höhe des Einkaufspreises führten dazu, dass ein Wirtschaften mit der Absicht einer Gewinnerzielung von vorneherein ausgeschlossen seien. Durch das von der Konzernmutter vorgegebene Missverhältnis von Einkauf und Umsatz drohe der Beklagten die Insolvenz. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte nach der Fusion die Pensionsrückstellungen der H. GmbH in Höhe von 6,3 Mio. DM übernommen habe. Diese beinhalteten nicht nur die zugesagten Betriebsrenten in ihrer Höhe sondern auch deren Dynamisierung. Die Anpassung der betrieblichen Altersversorgung für 19 Betriebsrentner sei derartig gering, dass von einer übermäßigen Belastung der Beklagten nicht ausgegangen werden könne.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 162,54 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 18,06 EUR seit den Monatsersten zwischen März und November 2010 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab 1. Dezember 2010 – neben der unstreitigen Betriebsrente in Höhe von 404,00 EUR brutto – monatlich eine weitere Betriebsrente in Höhe von 18,06 EUR brutto zu zahlen, und zwar bis zum Ende des Betriebsrentenanspruchs infolge des Ablebens des Klägers,
3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Leistungen an den Kläger aus der betrieblichen Altersversorgung mit Wirkung zum 1. Mai 2010 um einen vom Gericht nach billigem Ermessen festzusetzenden Anpassungsbetrag zu erhöhen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, ihre wirtschaftliche Lage erlaube die Anpassung der Betriebsrenten nicht. Für die Feststellung der Situation komme es auf die Gewinn- und Verlustrechnung, nicht aber auf in geschönten Pressemitteilungen veröffentlichte Umsatzzahlen an. Die zukünftige Umsatzentwicklung sei negativ einzuschätzen, da ihre wichtigen Vertriebspartner S. und M. Markt angekündigt hätten, im vierten Quartal 2010 Eigenmarken ins Sortiment zu nehmen und die Beklagte zudem wegen eines negativen Testes der Stiftung Warentest, bei dem es zu einer Explosion der Waschmaschine gekommen sei, mit erheblichen Imageverlusten zu rechnen habe.
Unzutreffend seien die Behauptungen des Klägers, die Konzernmutter rufe aus steuerlichen Erwägungen Verluste bei der Beklagten herbei und lege die Einkaufspreise für die Beklagte zu hoch fest. Die Einkaufspreise seien vergleichbar mit denen anderer Unternehmen aus dem Bereich der Haushaltsgeräteherstellung, wie dies die Marktanalysen der Beklagten belegen würden. Die Pensionsrückstellungen deckten nur die zu zahlenden Betriebsrenten, nicht aber Erhöhungen ab, wie dies auch das versicherungsmathematische Gutachten zeige (Bl. 104 - 108 d. A.). Die Belastungen der Beklagten mit den Betriebsrenten beliefen sich auf 278.170,00 EUR im Jahr. Auch habe der Kläger den Anpassungsbetrag falsch berechnet.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 10. November 2011, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, der Klage in den Hauptanträgen stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nicht zu Recht die Anpassung der Betriebsrente unterlassen. Zwar würde sie eine Anpassung bei einer Betrachtung allein ihrer wirtschaftlichen Lage übermäßig belasten, da sie sich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befinden würde. Vorliegend sei jedoch ein Durchgriff auf die italienische Konzernmutter der Beklagten geboten. Zwischen dieser und der Beklagten bestehe eine verdichtete Konzernbindung, wofür zum einen der Umstand spreche, dass die Beklagte nach dem Ausscheiden des bisherigen Geschäftsführers nur über einen kommissarischen Geschäftsführer verfüge, zum anderen, der Umstand, dass die Beklagte ein wirtschaftlich nicht selbständig lebensfähiges Unternehmen sei. Die italienische Konzernmutter bewahre sie jährlich durch einen Verlustausgleich und entsprechende Zuführung von Eigenkapital vor dem Insolvenzantrag. Zur Konzernmutter erscheine sie als vollständig unselbstständig und ohne Spielraum zu eigenständigen unternehmerischen Entscheidungen. Die Konzernmutter nehme auch keine angemessene Rücksicht auf die Belange der Beklagten. Nach dem plausiblen Vortrag des Klägers, dem die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten sei, werde sie durch besonders hohe Einkaufspreise in die Verlustzone getrieben, während bei der herstellenden Konzernmutter die Marge zwischen den Herstellungskosten und den Verkaufspreisen an die Beklagte als Gewinn verbleibe. Durch diesen Mechanismus sei es möglich, Gewinn und Verlust zwischen Konzernmutter und Beklagten nach Belieben hin- und herzuschieben. Auch der Höhe nach sei der Anspruch unter Berücksichtigung des Anstiegs des Verbraucherpreisindex richtig berechnet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 24. Januar 2011 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 14. Februar 2011 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 24. März 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte und Berufungsklägerin bestreitet unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens zur Berechnung der Einkaufspreise und zu den sonstigen betrieblichen Aufwendungen in den Gewinn- und Verlustrechnungen das Vorliegen der Voraussetzungen eines Berechnungsdurchgriffs im Konzern. Der in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesene Materialaufwand von etwas über 80 % sei in ihrer Branche völlig üblich, wie sich aus der von ihr angefertigten Marktanalyse von Konkurrenzunternehmen ergebe. Das gleiche gelte für die Personalkosten in Höhe von 6 %. Die Angemessenheit der Einkaufspreise ergebe sich auch aus der Verteilung der Gewinnmargen im Konzern (Bl. 205 - 207 d. A.). Danach erhalte die Beklagte fast immer eine höhere Gewinnmarge als das Produktionsunternehmen.
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10.11.2010 – 55 Ca 7233/10 abzuändern
und die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Beibehaltung seines Bestreitens zu den von der Beklagten vorgetragenen Zahlen in den Gewinn- und Verlustrechnungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätzen mit Anlagen sowie auf das Vorbringen in den mündlichen Verhandlungsterminen Bezug genommen.
1. Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von ihr fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 519,520 Abs. 1 und 3 ZPO, § 66 Abs. 1 ArbGG).
2. Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anpassung seiner Betriebsrente nach § 16 BetrAVG. .
2.1 Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Da der Kläger ab dem 1. Februar 1998 seine Betriebsrente bezog, wäre der letzte Anpassungsstichtag vor dem vom Kläger geltend gemachten Zeitpunkt für die Erhöhung der 1. Februar 2010. Unstreitig hat die Beklagte eine Anpassung der Betriebsrente zu diesem Zeitpunkt nicht vorgenommen.
2.2 Die Beklagte war jedoch im vorliegenden Fall aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage nicht zur Anpassung der Betriebsrente des Klägers nach § 16 BetrAVG verpflichtet.
2.2.1 Bei der Anpassungsentscheidung hat der Arbeitgeber als Versorgungsschuldner insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und seine wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet den Versorgungsschuldner grundsätzlich, den realen Wert der Betriebsrente zu erhalten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es ihm aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage nicht zuzumuten ist, die sich aus der Anpassung ergebenden Mehrbelastungen zu tragen. Der Arbeitgeber kann eine Anpassung entsprechend dem seit dem individuellen Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust ganz oder teilweise ablehnen, wenn und soweit dadurch das Unternehmen übermäßig belastet würde (vgl. z.B. BAG v. 31.07.2007 - 3 AZR 810/05 - AP Nr. 65 zu § 16 BetrAVG - mwN.) Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn er annehmen darf, es werde ihm mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens aufzubringen (BAG v. 23.10.1996 – 3 AZR 514/95 – BAGE 84, 246).
Dazu muss zum Anpassungsstichtag eine langfristige Prognose über die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers erstellt werden. Beurteilungsgrundlage für die Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden (vgl. BAG 31. Juli 2007 - 3 AZR 810/05 – a.a.O.).
2.2.2 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrenten nicht anzupassen, nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, dass bei Betrachtung der Beklagten allein, deren wirtschaftliche Lage eine Anpassung aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen nicht zulassen würde.
2.2.2.1 Dabei konnte für die Beurteilung zunächst von den Gewinn- und Verlustrechnungen der Jahre 2007 bis 2009 ausgegangen werden. Diese waren Bestandteil der testierten Jahresabschlüsse der Beklagten und bieten den geeigneten Einstieg für die Feststellung sowohl der erzielten Betriebsergebnisse als auch des jeweils vorhandenen Eigenkapitals (BAG v. 18.2.2003 – 3 AZR 172/02 - AP Nr. 53 zu § 16 BetrAVG). Aus den Jahresabschlüssen ergeben sich aber fortlaufend Verluste der Beklagten in den einzelnen Jahren. Korrekturen waren hier nicht vorzunehmen, nachdem die Beklagte auch die sonstigen betrieblichen Aufwendungen näher erläutert hat. Soweit der Kläger diese Aufschlüsselung ebenso wie die einzelnen Zahlen in den Jahresabschlüssen bestreitet, war das Bestreiten nicht ausreichend. Die Gewinn- und Verlustrechnungen waren Bestandteil der testierten Jahresabschlüsse. Mit den einzelnen Bestätigungsvermerke des Abschlussprüfers für diese Jahresabschlüsse (Bl. 94 ff. d. A.) wurde die ordnungsgemäße Erstellung der Jahresabschlüsse unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ohne Einschränkung bestätigt (§ 322 Abs. 2 HGB). Diese Bestätigung wird nicht bereits durch Pressemitteilungen erschüttert, zumal die Fehlbeträge in den verschiedenen Jahren auch verringert wurden. Zu den dort aufzuführenden Positionen zählen auch die sonstigen betrieblichen Aufwendungen als Sammelposten für alle Aufwendungen, die nicht unter anderen Positionen erfasst wurden. Soweit der Kläger die Fehlerhaftigkeit der testierten Jahresabschlüsse geltend machen will, hätte er die seiner Ansicht nach unterlaufenen Fehler näher bezeichnen müssen (BAG v. 18.02.2003 – 3 AZR 172/02 - AP Nr. 53 zu § 16 BetrAVG). Eine handelsrechtlich fehlerhafte Erstellung der Jahresabschlüsse hat der Kläger aber nicht behauptet. Das Bestreiten der Zahlen allein reicht in Anbetracht der erteilten Abschlussvermerke nicht aus.
2.2.2.2 Die Erhöhungsbeträge waren durch die Rückstellungen nicht gedeckt. Den dazu erfolgten Berechnungen der Beklagten ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten.
2.2.2.3 Die wirtschaftliche Lage der Beklagten war im Rahmen von § 16 BetrAVG auch nicht deshalb als besser anzusehen, weil die Konzernmutter der Beklagten gegenüber eine Patronatserklärung abgegeben und sich verpflichtet hat, bis zu einem bestimmten Betrag für den Ausgleich ihrer Schulden aufzukommen. Nicht allein schon die Erteilung einer Patronatserklärung zur Verhinderung der Insolvenz ist ausreichend, um von einer für die Rentenanpassung ausreichenden wirtschaftlichen Lage auszugehen (vgl. BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08 – EzA § 16 BetrAVG Nr 55). Auch die vorliegende Patronatserklärung deckt indes nur die in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Schulden der Beklagten zur Vermeidung einer Zahlungsunfähigkeit ab. Insoweit räumt die Konzernmutter der Beklagten als unmittelbaren Anspruch eine entsprechende Kreditlinie ein und ist bereit, eigene Forderungen, die aus der Bereitstellung dieser zusätzlichen Mittel entstehen, gegenüber anderen Gläubigern zurückzustellen. Zwar führt die Patronatserklärung mit der Gewährung eines solchen Anspruchs mittelbar zu einer besseren wirtschaftlichen Lage. Sie erhöht aber nicht die für die Anpassung nach § 16 BetrAVG einzusetzenden Unternehmenserträge. Vielmehr dient sie nur der Fortführung des Geschäftsbetriebes, schafft keine eigene für die Betriebsrentenanpassung einzusetzende Vermögenswerte.
2.2.3 Die Beklage musste sich bei der Anpassungsentscheidung auch nicht eine etwaige günstige wirtschaftliche Lage der Konzernmutter im Wege des Berechnungsdurchgriffs zurechnen lassen.
2.2.3.1 Die Anpassungsverpflichtung trifft grundsätzlich dasjenige Unternehmen, welches als Arbeitgeber die entsprechende Versorgungszusage erteilt oder im Wege der Rechtsnachfolge erworben hat; auf seine wirtschaftliche Lage kommt es an. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Die Konzernverbindung allein ändert weder etwas an der Selbständigkeit der beteiligten juristischen Personen noch an der Trennung der jeweiligen Vermögensmassen (vgl. BAG v. 26.10.2010 – 3 AZR 502/08 - EzA § 16 BetrAVG Nr. 56, vom 29.9.2010 – 3 AZR 427/08 - EzA § 16 BetrAVG Nr 55 jeweils mwN).
2.2.3.2 Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass bei der Anpassung der Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG die wirtschaftliche Lage des versorgungspflichtigen Arbeitgebers entscheidend ist, gilt im Fall des sog. Berechnungsdurchgriffs.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG v. 4.10.1994 – 3 AZR 910/93 – BAGE 78, 87) müssen für einen solchen Berechnungsdurchgriff zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es bedarf zunächst einer wesentlich verdichteten Konzernverbindung zwischen dem Tochterunternehmen, das Versorgungsschuldner ist, und dem Mutterunternehmen, auf dessen wirtschaftliche Lage es bei der Anpassungsprüfung ankommen soll. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn zwischen Mutter- und Tochterunternehmen ein Beherrschungs- oder Ergebnisabführungsvertrag besteht. Es kann aber auch ausreichen, dass die Obergesellschaft die Geschäfte des Tochterunternehmens tatsächlich dauernd und umfassend geführt hat. Daneben ist für einen Berechnungsdurchgriff erforderlich, dass die Leitungsmacht vom herrschenden Unternehmen in einer Weise ausgeübt worden ist, bei der keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen, sondern stattdessen Interessen anderer dem Konzern angehörender Unternehmen oder der Konzernobergesellschaft in den Vordergrund gestellt wird. Ist es dadurch zu einer wirtschaftlichen Lage des Tochterunternehmens gekommen, die dessen Leistungsfähigkeit ausschließt, ist die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens in die Anpassungsprüfung mit einzubeziehen. Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Arbeitnehmer (BAG v. 26.10.2010 – 3 AZR 502/08 a.a.O.).
2.2.3.3 Im Streitfall hat der Kläger diese Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff nicht dargetan.
2.2.3.3.1 Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt eine wesentlich verdichtete Konzernverbindung zwischen der Beklagten und der Konzernmutter bestanden hat. Das Bestehen von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen hat der Kläger nicht behauptet. Auch zu den Gesellschaftsverhältnissen hat der Kläger nichts vorgetragen. Allerdings gehen beide Seiten davon aus, dass die Beklagte eine Tochtergesellschaft der italienischen Konzernmutter, diese also Gesellschafterin der Beklagten ist. Aus dem vom Kläger eingereichten Internetausdruck über das Unternehmen ergibt sich, dass die Unternehmensgruppe C., zu der die Beklagte als Landesgesellschaft zählt, in Familienbesitz ist. Als Gesellschafterin der Beklagten kann die Konzernmutter zugleich die Beklagte führen und deren Geschäftsführung überwachen. Gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG kann sie die Gesellschaftsbeschlüsse zur Bestellung und Abberufung der GmbH-Geschäftsführer fassen (§ 46 Nr. 5 GmbHG) und ihnen Weisungen für die Geschäftsführung erteilen.
Davon hat die Konzernmutter auch tatsächlich Gebrauch gemacht. Dies zeigt sich in der für einen längeren Zeitraum nur kommissarisch erfolgten Bestellung von zwei Geschäftsführern für die Beklagte. Außerdem bestimmt die Konzernmutter unstreitig die Einkaufspreise für die Beklagte und gibt deren Gewinnmarge bei der Verteilung innerhalb des Konzerns vor. Die Beklagte kann als Landesgesellschaft nur innerhalb von Deutschland den Vertrieb und zwar bezogen ausschließlich auf konzerneigene Produkte vornehmen. Auch dies entspricht den vorgegebenen Strukturen. Damit wird die Beklagte als Landesgesellschaft faktisch wie eine unselbstständige Vertriebsabteilung geführt (vgl. dazu BAG v. 28.4.1992 – 3 AZR 244/91 - AP Nr. 25 zu § 16 BetrAVG).
2.2.3.3.2 Allerdings lässt sich daraus noch nicht ableiten, dass die im Interesse des Konzerns vorgegebenen Einkaufspreise mit den Verlusten der Beklagten und der daraus folgenden Leistungsunfähigkeit der Beklagten zusammenhängen, die Interessen der Beklagten also nicht hinreichend gewahrt wurden. Aus den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.6.2011 eingereichten Übersicht über die Verteilung der Gewinnmargen im Konzern ergibt sich, dass der im Konzern anfallende Gewinn ausschließlich zwischen der Beklagten und der Produktionsgesellschaft aufgeteilt, nicht aber der Konzernmuttergesellschaft zugeschrieben wurde. Dabei wurde die Beklagte prozentual höher beteiligt wurde als die Produktionsgesellschaft. Soweit der Kläger diese Berechnung dahingehend versteht, bei der Konzernmutter verblieben 78,1%, entsprach dies jedenfalls rechnerisch nicht den Gegebenheiten. Die im Beispielsfall der Waschmaschinen erzielte Marge für den Konzern in Höhe von 7.050.144,00 EUR entsprach einem Anteil von 21,9% des Nettoumsatzes, von dem 13,2 % auf die Beklagte und 8,7% auf das Produktionswerk (also insgesamt 21,9%) verteilt wurden. Diese Verteilung der Gewinne steht der Annahme, bei der umfassenden Führung der Geschäfte der Beklagten werde auf deren Belange nicht ausreichend Rücksicht genommen, entgegen.
2.2.3.3.2 Die Belange der Beklagten wurden aber auch deshalb ausreichend gewahrt, weil die Konzernmutter gegenüber der Beklagten eine Patronatserklärung abgegeben hat, nach der sie bis zu einem Betrag von 7.214.000 EUR deren Schulden abzusichern bereit war. Dieser Betrag überstieg die von der Beklagten erzielten Fehlbeträge bei weitem, so dass - den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt, die Einkaufspreise seien überhöht – der damit vorgenommenen Verteilung der Gewinne innerhalb des Konzerns eine angemessene Gegenleistung der Konzernmutter gegenüber stand, die die Beklagte jedenfalls vor einer Existenzvernichtung bewahren würde. Mit der Patronatserklärung erhält die Beklagte zugleich als Ausgleich entsprechende Vermögenswerte zur Erfüllung ausstehender Verbindlichkeiten, nämlich den Anspruch gegenüber der Konzernmutter auf Bereitstellung der erforderlichen Mittel. Die Konzernmutter ist damit den Gefahren, die durch die Konzernverbindung entstehen, hinreichend entgegengetreten.
2.2.3.3.3 Der Berechnungsdurchgriff lässt sich auch nicht allein mit der Patronatserklärung begründen. Soweit diese der Beklagten unmittelbar eigene Ansprüche gegenüber der Konzernmutter einräumt, waren diese auf die Abdeckung von Schulden begrenzt. § 16 BetrAVG erfordert indes nicht, dass der Arbeitgeber die Betriebsrentenanpassung aus Schulden finanziert, die er möglicherweise auf einen Dritten abwälzen kann.
2.2.3.3.4 Einen entsprechenden Vertrauenstatbestand, der einen Durchgriff auf die Konzernmutter hätte rechtfertigen können, macht der Kläger nicht geltend.
3. War die Beklagte aber wirtschaftlich nicht zur Anpassung der Betriebsrenten in der Lage und ein Berechnungsdurchgriff gegenüber der wirtschaftlich offensichtlich besser dastehenden Konzernmutter gerechtfertigt, war die Klage auf Zahlung einer höheren Betriebsrente abzuweisen.
4. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG.